Freiheits- und Schutzrechte der UN-Behindertenrechtskonvention ...
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Menschenbild, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Krankheits begriff aus christlicher Sicht <strong>und</strong> Menschenrechtsansatz <strong>der</strong> <strong>UN</strong>-BRK Diakonie Texte 02.2013 9<br />
nur das Freisein von Krankheit <strong>und</strong> Gebrechen“. Der Kult um<br />
Ges<strong>und</strong>heit als höchstes Gut führt in Folge dessen nicht selten<br />
zur Verzweiflung über akute o<strong>der</strong> chronische Krankheit<br />
<strong>und</strong> in tiefe Depressionen. Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit hingegen<br />
wi<strong>der</strong>fahren im Leben. Nicht <strong>der</strong> Erhalt <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kampf gegen Krankheit, son<strong>der</strong>n die gelebte Beziehung<br />
zu an<strong>der</strong>en, zu mir selbst, so wie ich eben bin <strong>und</strong> zu<br />
Gott macht die Kostbarkeit des Lebens aus. In <strong>der</strong> Bibel wird<br />
Gott gerade <strong>und</strong> vor allem auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Belasteten, Leidtragenden,<br />
Erniedrigten wahrgenommen <strong>und</strong> eben nicht nur<br />
auf <strong>der</strong> Seite von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Gelingen: „Fürwahr, er trug<br />
unsre Krankheit <strong>und</strong> lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber<br />
hielten ihn für den, <strong>der</strong> geplagt <strong>und</strong> von Gott geschlagen <strong>und</strong><br />
gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verw<strong>und</strong>et<br />
<strong>und</strong> um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe<br />
liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, <strong>und</strong> durch seine<br />
W<strong>und</strong>en sind wir geheilt“ (Jesaja 53,4f).<br />
Ges<strong>und</strong>heit als Kraft zum Leben<br />
Zu unrecht festgehalten<br />
Frau V., 75 Jahre, ist in <strong>der</strong> Psychiatrie nach PsychKG untergebracht.<br />
Der Stationsarzt berichtet, die Patientin habe<br />
eine mittelschwere Demenz bei gut erhaltener Fassade.<br />
Dies sei durch einen „Demenztest“ nachgewiesen worden.<br />
Er habe bereits ein Betreuungsgutachten geschrieben, da<br />
er die Patientin, die keine Angehörigen habe, nicht mehr<br />
allein nach Hause entlassen könne. Im Gespräch <strong>der</strong><br />
Besuchskommission mit Frau V. wies diese zunächst auf<br />
ihre Schwerhörigkeit hin, ihr neues Hörgerät habe sie nicht<br />
abholen dürfen, weil sie hier festgehalten werde. Sie wolle<br />
nach Hause. Weiter berichtet sie übereinstimmend zur<br />
Aktenlage, sie sei bei Schnee <strong>und</strong> Eis gestürzt <strong>und</strong> dann<br />
zunächst in die Chirurgie gekommen. Von dort habe man<br />
sie in die Psychiatrie verlegt, nachdem gravierende Verletzungen<br />
ausgeschlossen waren. Jetzt werde sie hier festgehalten.<br />
Sie habe zwei Töchter, die in <strong>der</strong> Nähe wohnten.<br />
aus: Margarete Osterfeld: Heilsamer Zwang? Patiententraumatisierung<br />
durch die Psychiatrie. In: PsychPflege, 2012; 18: 21–23.<br />
Inhaltlich <strong>und</strong> fachlich orientiert sich die Diakonie an einem<br />
umfassenden <strong>und</strong> nicht reduktionistischen Begriff von Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Krankheit. Diakonisches Handeln stellt den Menschen<br />
mit seinen biografischen <strong>und</strong> sozialen Zusammenhängen in<br />
den Mittelpunkt <strong>und</strong> nimmt ihn mit seinen körperlichen, seelischen,<br />
sozialen <strong>und</strong> spirituellen Bedürfnissen in seiner Ganzheit<br />
wahr. Ges<strong>und</strong>heit wird eben nicht vorrangig als Abwesenheit<br />
von Krankheit <strong>und</strong> Gebrechen gesehen, son<strong>der</strong>n als<br />
Kraft, mit ihnen zu leben. Dabei verweisen sowohl Ges<strong>und</strong>heit<br />
als auch Krankheit auf unser Menschsein als Leben in<br />
Endlichkeit <strong>und</strong> werfen Fragen nach <strong>der</strong> Lebensbestimmung<br />
des Menschen auf. Eine <strong>der</strong>artige Sichtweise för<strong>der</strong>t sinnverstehende<br />
Zugänge gerade bei schweren psychischen Erkrankungen,<br />
wie beispielsweise Psychosen, <strong>und</strong> bedeutet, dass<br />
dem gängigen biopsychosozialen Erklärungsmodell psychischer<br />
Erkrankungen differenzierte <strong>und</strong> umfassende Behandlungskonzepte<br />
folgen müssen.<br />
Der Menschenrechtsansatz <strong>der</strong><br />
<strong>UN</strong>-Behin<strong>der</strong>ten rechtskonvention<br />
Unter dem Eindruck <strong>der</strong> entsetzlichen Ereignisse in den beiden<br />
Weltkriegen im vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ert – wo „die Nichtanerkennung<br />
<strong>und</strong> Verachtung <strong>der</strong> Menschenrechte zu Akten<br />
<strong>der</strong> Barbarei geführt haben“ 10 – war es den Völkern <strong>der</strong> Welt<br />
1948 ein großes Anliegen, das Recht auf Freiheit gleich zu<br />
Beginn in <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrecht<br />
(AEMR) zu verankern. Artikel 1 lautet: „Alle Menschen sind<br />
frei <strong>und</strong> gleich an Würde <strong>und</strong> Rechten geboren”. Mit <strong>der</strong><br />
Feststellung, dass “Je<strong>der</strong> das Recht auf Leben, Freiheit <strong>und</strong><br />
Sicherheit <strong>der</strong> Person hat, wird dem individuellen Recht auf<br />
Freiheit, die Schutzpflicht <strong>der</strong> Staaten an die Seite gestellt. 11<br />
Das Recht auf Freiheit <strong>und</strong> auf Unversehrtheit <strong>der</strong> Person hat<br />
in <strong>der</strong> Folge im Jahr 1949 auch Eingang in das Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland gef<strong>und</strong>en. 12 Damit bekennt<br />
sich Deutschland zur Achtung <strong>und</strong> zum Schutz dieser hohen<br />
<strong>und</strong> unteilbaren Rechtsgüter. Der Eingriff in diese Rechte<br />
bedarf demnach <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Rechtfertigung. 13<br />
Das im Jahr 2006 von <strong>der</strong> Generalversammlung <strong>der</strong> Vereinten<br />
Nationen verabschiedete Übereinkommen über die Rechte<br />
von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (<strong>UN</strong>-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention)<br />
konkretisiert die bereits in <strong>der</strong> AEMR nie<strong>der</strong>gelegten<br />
Rechte auf Freiheit <strong>und</strong> Unversehrtheit <strong>der</strong> Person in Artikel<br />
14 <strong>und</strong> 17 für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> psychischer<br />
Erkrankung. Deutschland hat sich mit <strong>der</strong> Ratifizierung <strong>der</strong><br />
Konvention im Dezember 2008 auch dazu verpflichtet, „dass<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en<br />
10 Vergleiche Allgemeine Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte, Präambel,<br />
Reso lution 217 A (III) <strong>der</strong> Generalversammlung vom 10. Dezember 1948<br />
(http://www.un.org/depts/german/gr<strong>und</strong>dok/ar217a3.html, aufgerufen<br />
am 30.01.2012)<br />
11 Vergleiche Art. 3 <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />
vom 10.12.1948<br />
12 Vergleiche Art. 2 GG<br />
13 Vergleiche Art. 2 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 GG