Freiheits- und Schutzrechte der UN-Behindertenrechtskonvention ...
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26 Diakonie Texte 02.2013 Wie lässt sich Zwang vermeiden o<strong>der</strong> reduzieren <strong>und</strong> wie geht die Psychiatrie mit Zwang um?<br />
Diese so treffende Beschreibung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung an die Mitarbeitenden<br />
in <strong>der</strong> Sozialpsychiatrie macht offensichtlich,<br />
dass es nicht ausreicht, Menschen mit abgeschlossener<br />
Fachausbildung anzustellen.<br />
Es steht außer Frage, dass für jede <strong>und</strong> jeden professionell<br />
Tätigen ein (arbeits-)lebenslanges Lernen selbstverständlich<br />
sein muss. Dazu gehören neben regelmäßigen fachspezifischen<br />
Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungen auch so spezielle persönlichkeitsför<strong>der</strong>nde<br />
Methoden, wie sie in Deeskalationstrainings,<br />
gewaltfreier Kommunikation, Traumatherapie <strong>und</strong> <strong>der</strong> sozialpsychiatrisch-systemischen<br />
Zusatzausbildung vermittelt werden.<br />
Es empfiehlt sich, diese unterschiedlichen Qualifizierungen<br />
unter den Mitarbeitenden im Team so zu verteilen, dass eine<br />
gute Mischung entsteht <strong>und</strong> dadurch alle profi tieren können.<br />
Es sollte selbstverständlich sein, dass jede Leitung einer sozialpsychiatrischen<br />
Einrichtung schon bei <strong>der</strong> Stellenbesetzung<br />
darauf achtet, respektvolle, empathische, belastbare <strong>und</strong> flexible<br />
Menschen einzustellen. In Fallbesprechungen, Supervisionen<br />
<strong>und</strong> Dienstübergaben ist auf eine respektvolle Sprache<br />
<strong>und</strong> ein Vertiefen des Verständnisses für die Betroffenen<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong>en Lebensgeschichte zu achten. Schwierige Themen<br />
wie Macht, Machtmissbrauch, Ohnmacht <strong>und</strong> den Umgang<br />
mit Zwang <strong>und</strong> Gewalt sind immer wie<strong>der</strong> an zu sprechen.<br />
Bei einer konsequenten Orientierung an respektvollen <strong>und</strong><br />
achtsamen Haltungen <strong>und</strong> Umgangsweisen, sinken aggressive<br />
Verhaltensweisen von Klientinnen <strong>und</strong> Klienten offensichtlich.<br />
Nichtsdestotrotz kann es auch zu gewaltsamen Situationen<br />
kommen, die nicht durch respektvolles Reden <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche<br />
Atmosphäre zu beruhigen sind. Hier kommen die speziellen<br />
Methoden <strong>der</strong> Deeskalation zur Anwendung.<br />
Psychiatrisch Tätige erleben in ihrem Beruf unvermeidlich<br />
Ohnmacht <strong>und</strong> Hilflosigkeit angesichts von Menschen, die<br />
sich nicht behandeln lassen wollen <strong>und</strong> denen es womöglich<br />
zusehends schlechter geht. Eine professionelle Haltung erfor<strong>der</strong>t<br />
die ständige reflexive Auseinan<strong>der</strong>setzung mit solchen<br />
Situationen. Es gilt die Auswirkungen auf an<strong>der</strong>e Bewohner,<br />
Patienten o<strong>der</strong> Klienten zu minimieren, Kolleginnen, Kollegen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeitende zu schützen <strong>und</strong> trotzdem nicht rasch zu<br />
Zwangsmaßnahmen zu greifen. Dies ist nur mit Fall- <strong>und</strong><br />
Teamsupervision leistbar. Supervisionsangebote sind ein<br />
wichtiges Mittel, um bei den hohen Anfor<strong>der</strong>ungen in sozialpsychiatrischen<br />
Arbeitsfel<strong>der</strong>n die qualifizierte Arbeitsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Mitarbeitenden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Teams langfristig zu erhalten <strong>und</strong><br />
zu entwickeln.Geschulte Genesungsbegleiterinnen <strong>und</strong><br />
-begleiter, die nach einer EX-IN-Ausbildung in (sozial-)psychiatrischen<br />
Einrichtungen mitarbeiten, bringen aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Psychiatrieerfahrung <strong>und</strong> <strong>der</strong> damit einhergehenden Themen<br />
in ihrem Leben viel Wissen <strong>und</strong> Einfühlungsvermögen mit. Sie<br />
können in einem Team bei Aggression, Gewalt <strong>und</strong> Zwang oft<br />
eine sensible „Dolmetscher- <strong>und</strong> Vermittlerfunktion“ zwischen<br />
<strong>der</strong> Betroffenensicht <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Professionellen<br />
übernehmen. Doch ihre beson<strong>der</strong>e Rolle erfor<strong>der</strong>t oft <strong>und</strong> vor<br />
allem zu Beginn ihrer Tätigkeit eine deutliche Unterstützung<br />
durch das Team. Sinnvoll kann es sein, ihnen persönliche<br />
Mentoren zur Seite zu stellen. Auch Einzelsupervision außerhalb<br />
des Teams kann hilfreich sein. Gleichzeitig ist aber auch<br />
das Team herausgefor<strong>der</strong>t, da eine wirkliche Partizipation <strong>der</strong><br />
Genesungsbegleiterinnen <strong>und</strong> -begleiter nur gelingen kann,<br />
wenn die „alten“ Mitarbeitenden auch bereit sind, sich in ihrer<br />
Fachlichkeit in Frage stellen zu lassen.<br />
Darüber hinaus sollten die Mitarbeitenden auch über Rechtskenntnisse<br />
zumindest in den Bereichen verfügen, die die<br />
Schnittstellen zwischen Psychiatrie <strong>und</strong> Recht darstellen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e in den Fällen, wo etwas gegen o<strong>der</strong> ohne den<br />
Willen des Betroffenen geschehen soll. Das Betreuungsrecht,<br />
das Unterbringungsrecht des jeweiligen B<strong>und</strong>eslandes, das<br />
dazugehörige Verfahrensrecht (FamFG), aber natürlich auch<br />
die diese durchdringenden <strong>UN</strong>-BRK <strong>und</strong> das Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
sollten nicht nur bekannt sein, son<strong>der</strong>n vor allem von ihrer<br />
Intention her verstanden werden. Daneben sind auch Kenntnisse<br />
des Sozialleistungsrechts notwendig, da nicht je<strong>der</strong><br />
psychisch kranke Mensch einen Betreuer hat, trotzdem<br />
aber oft kurzfristig Unterstützung bei <strong>der</strong> Durchsetzung von<br />
Ansprüchen braucht. 59 Die örtlichen Versorgungs- <strong>und</strong> Hilfestrukturen<br />
sollten in ihrer Vernetzung <strong>und</strong> ihren speziellen<br />
Angeboten vertraut sein, um im Alltag die individuell sinnvollste<br />
Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung empfehlen zu können.<br />
4.2 Weiterentwicklung <strong>der</strong> Versorgungs<strong>und</strong><br />
Behandlungsstrukturen<br />
Die regionalen Versorgungsstrukturen sind unter den Gesichtspunkten<br />
<strong>der</strong> Erreichbarkeit, Niedrigschwelligkeit <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />
zu analysieren. Die Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger einer<br />
Region müssen in einer angemessenen Zeit Zugang zu Diensten<br />
<strong>und</strong> Einrichtung zur Beratung, Krisenbewältigung o<strong>der</strong><br />
-begleitung, Unterstützung <strong>und</strong> Behandlung haben. In diesem<br />
Kapitel werden Aspekte einer Versorgungsstruktur beleuchtet,<br />
59 Hierbei sind die Vorgaben <strong>und</strong> Richtlinien des Rechtsdienstleistungsgesetzes<br />
zu beachten.