Freiheits- und Schutzrechte der UN-Behindertenrechtskonvention ...
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Aktuelle Rechtsfragen <strong>und</strong> Rechtspraxis Diakonie Texte 02.2013 19<br />
alternative Hilfeangebote in Betracht zieht, muss die Erstellung<br />
des Gutachtens zeitaufwändig <strong>und</strong> damit auch kostenintensiv<br />
sein. Für die fachliche Nachvollziehbarkeit muss das<br />
Gutachten selbst hinreichend ausführlich sein. Die Gerichte<br />
erwarten jedoch möglichst kurze, auf den Punkt gebrachte<br />
Stellungnahmen. Hier konfligieren fachliche Ansprüche an die<br />
Gutachtenerstellung mit <strong>der</strong> Arbeitsökonomie <strong>der</strong> unter enormem<br />
Zeitdruck stehenden Richter.<br />
In <strong>der</strong> Praxis variieren Sachverständigengutachten hinsichtlich<br />
Struktur, Differenziertheit <strong>und</strong> Umfang erheblich. Es gibt<br />
Unterbringungs-Gutachten, in denen in wenigen Zeilen<br />
attestiert wird, dass die Voraussetzungen des § 1906 BGB<br />
als gegeben zu betrachten sind, <strong>und</strong> es gibt Gutachten von<br />
über 20 Seiten. Eine häufige Unzulänglichkeit von Unterbringungsgutachten<br />
liegt darin, dass die Notwendigkeit einer<br />
Unterbringung nicht an belegbaren konkreten Sachverhalten<br />
festgemacht <strong>und</strong> für Außenstehende nicht nachvollziehbar<br />
begründet wird, son<strong>der</strong>n dass nur behauptet wird, dass die<br />
im Gesetzestext gegebenen Voraussetzungen vorliegen würden<br />
(zum Beispiel „Es besteht weiterhin Selbstgefährdung“).<br />
Vom Sachverständigen muss auch eine Einschätzung gefor<strong>der</strong>t<br />
werden, welche überprüfbaren Behandlungsziele durch<br />
die Unterbringung mit zumindest ausreichen<strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit<br />
erreicht werden können. Eine solche Einschätzung<br />
fi ndet sich nicht in allen Gutachten. Wenn <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong><br />
Unterbringung nicht klar defi niert wird, weil zum Beispiel<br />
Ratlosigkeit besteht, wie mit einem Betroffenen weiter verfahren<br />
werden sollte, <strong>und</strong> wenn die Unterbringung primär<br />
bezwecken soll, ein aktuelles soziales Problem zeitweise<br />
vom Tisch zu haben, wäre dem Betroffenen eine Handhabe<br />
für eine Beschwerde gegen seine Unterbringung gegeben.<br />
Auch die Vorgehensweisen des Gerichts sind aus den Fallakten<br />
nicht immer rekonstruierbar. Zum Beispiel bleibt manchmal<br />
offen: Welche Qualifikation hatte <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Erstellung<br />
eines Gutachtens beauftragte Arzt? Erfolgte auf ein eine notfallmäßige<br />
Unterbringung begründendes ärztliches Attest die<br />
Einholung eines Gutachtens? An welchem Ort fand die Anhörung<br />
statt (Wohnung des Betroffenen, Krankenhaus, Gericht<br />
<strong>und</strong> so weiter)?<br />
Zur Notwendigkeit einer einheitlichen Dokumentation<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> dargestellten Unzulänglichkeiten<br />
muss eine weitgehende vereinheitlichte Praxis <strong>der</strong> Dokumentation<br />
gefor<strong>der</strong>t werden. Die Bedeutung einer standardisierten<br />
Dokumentation liegt in folgenden Punkten:<br />
<br />
<br />
<br />
Sie dient <strong>der</strong> Qualitätskontrolle <strong>und</strong> -sicherung, indem <strong>der</strong><br />
für Beratungen über eine mögliche Unterbringung relevante<br />
Informationsbedarf strukturiert aufgelistet wird <strong>und</strong><br />
indem damit implizit Hinweise für obligatorische Vorgehensweisen<br />
gegeben werden, die in <strong>der</strong> Praxis manchmal<br />
aus dem Blickfeld geraten können, insbeson<strong>der</strong>e dann,<br />
wenn Handlungsdruck gegeben ist.<br />
Sie schafft Transparenz <strong>und</strong> ermöglicht, dass sich alle an<br />
Unterbringungen beteiligten Akteure, die von einer Unterbringung<br />
Betroffenen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Bezugspersonen eingeschlossen,<br />
darauf beziehen können.<br />
Sie schafft die Voraussetzungen für wissenschaftliche<br />
Analysen zur Unterbringungspraxis in regionalen Vergleichen.<br />
Verwiesen werden kann auf ein von den Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Ministerien für Soziales <strong>und</strong> Justiz initiiertes Projekt, in dem<br />
vereinheitliche Dokumentationsverfahren entwickelt <strong>und</strong><br />
erprobt wurden.<br />
Aufgaben <strong>und</strong> Pflichten <strong>der</strong> Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer im<br />
Zusammenhang mit einer Unterbringung, Verfahrensweisen<br />
des Betreuungsgerichts <strong>und</strong> die Regelungen beim Vollzug<br />
einer Unterbringung sind auch bei den im Bedarfsfall einzubindenden<br />
Institutionen oft nur unzureichend bekannt. Am<br />
wenigsten bekannt sind sie den Betroffenen selbst. Hier muss<br />
Transparenz hergestellt werden. Die Informationen müssen in<br />
leicht verständlicher Form den Institutionen des Sozial- <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e den Betroffenen selbst<br />
zugängig gemacht werden. Das Wissen um ein klar strukturiertes<br />
Regelwerk kann bei Betroffenen <strong>der</strong> Angst, Willkür ausgesetzt<br />
zu werden, entgegenwirken. Als Beispiel kann die<br />
Broschüre „Unterbringungsverfahren nach Betreuungsrecht<br />
§ 1906 BGB – Der Mensch im Mittelpunkt“ <strong>der</strong> Region Hannover<br />
(September 2011) angeführt werden.