14.01.2014 Aufrufe

Juli 2013 Jahresgabe

Juli 2013 Jahresgabe

Juli 2013 Jahresgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

5<br />

Altes stirbt, damit Neues<br />

werden kann<br />

Felicitas rediviva – Felizitas lebt immer wieder auf – immer wieder neu anfangen<br />

Hunderte junge Mönche<br />

– und die Schließung<br />

durch die Gestapo<br />

1913 wurde die Abtei von den Mönchen,<br />

die von St. Ottilien aus zuerst 1901 nach<br />

Franken – nach St. Ludwig bei Wipfeld –<br />

kamen, wieder besiedelt. Es waren ärmliche<br />

Anfänge, aber voller Gottvertrauen machte<br />

man sich ans Werk. Doch kaum nach der<br />

Neugründung kam der I. Weltkrieg, der von<br />

der jungen Gemeinschaft zehn Todesopfer<br />

forderte. Nach dem I. Weltkrieg erlebte die<br />

Abtei trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten<br />

einen enormen Aufschwung, der dann in<br />

der Weihe der neuen Abteikirche im Jahre<br />

1938 seinen Höhepunkt erlebte. Damals<br />

zählte die Abtei 435 Mönche, größtenteils<br />

junge dynamische Mönche. Doch dann kam<br />

der II. Weltkrieg, in dem 56 Mönche ihr<br />

Leben lassen mussten. Und die Abtei wurde<br />

am 9. Mai 1941 von der Gestapo aufgehoben.<br />

Unter großen Mühen wagte man 1945<br />

den Neuaufbau. Bis jetzt wurde immer wieder<br />

gebaut, die Schule und das Gästehaus<br />

erweitert, die Werkstätten ausgebaut.<br />

Wie hat die Gemeinschaft immer wieder<br />

die Kraft gefunden, von Neuem anzufangen?<br />

P. Burkard Bausch hat in seiner<br />

Klosterchronik, die er zwischen 1700 und<br />

1720 geschrieben hat, den Grund dafür<br />

gegeben. Er hat als Überschrift das Wort<br />

gewählt: „Felicitas rediviva – Felizitas lebt<br />

immer wieder auf“. Die Gemeinschaft hat<br />

sich nicht entmutigen lassen, weder durch<br />

äußere noch durch innere Gefährdungen,<br />

das Leben im Kloster, das gemeinsame<br />

Gebet und die Arbeit immer wieder neu<br />

anzufangen. Dabei wusste die Gemeinschaft,<br />

dass sie sich nicht immer höher<br />

entwickelt. Auf einen Höhepunkt folgt<br />

auch ein Niedergang. Das hängt einmal<br />

von den äußeren Zeitverhältnissen ab.<br />

Die politische und gesellschaftliche Situation,<br />

aber auch die philosophische und<br />

weltanschauliche Einstellung prägen auch<br />

die klösterliche Gemeinschaft. Sie muss in<br />

jeder Zeit von neuem ihre Identität fi n-<br />

den. Sie schöpft aus der Tradition, aber sie<br />

muss die Tradition immer wieder anpassen<br />

an die jeweilige Zeit, ohne dem Zeitgeist<br />

zu verfallen.<br />

Als ich die wechselhafte Geschichte der<br />

Abtei studiert habe, habe ich mich immer<br />

wieder gefragt: Wenn wir unsere momentane<br />

Situation in der klösterlichen Gemeinschaft<br />

im Licht der 1200-jährigen Geschichte<br />

betrachten, wo stehen wir dann?<br />

Sind wir auf einem Höhepunkt oder auf<br />

einem Tiefpunkt? Ich denke, weder noch.<br />

Wir dürfen dankbar sein, dass wir aus der<br />

Kraft unserer Väter leben dürfen. Wir dürfen<br />

aus dem Einsatz der alten Mitbrüder<br />

leben, die nach dem ersten und nach dem<br />

zweiten Weltkrieg mit großer Kraft die<br />

Abtei ausgebaut haben. Wir dürfen von<br />

der Erneuerung der Gemeinschaft leben,<br />

wie sie unter Abt Fidelis nach dem Konzil<br />

eingeleitet worden ist. Aber wir dürfen<br />

uns nie ausruhen. Eine Gemeinschaft ist<br />

ein lebendiges Gebilde. Da gibt es immer<br />

Wachsen und Sterben, sowohl von der Zahl<br />

her als auch vom Geist her. Altes stirbt ab,<br />

damit Neues wachsen kann. Es braucht<br />

– so sagen schon die alten Mönche – einen<br />

wachsamen Geist, um den Ruf Gottes<br />

in jeder Zeit neu zu hören. Im Hören auf<br />

die Stimme Gottes und im Horchen auf<br />

das Vermächtnis unserer Väter versuchen<br />

wir heute die Abtei so zu formen und als<br />

Mönche so zu leben, dass wir dem benediktinischen<br />

Ideal heute folgen, indem wir mit<br />

allem, was wir sind, was wir tun, was wir<br />

denken, wahrhaft Gott suchen und so Gott<br />

in unserer säkularisierten Welt in den Mittelpunkt<br />

stellen, damit Gott hier an diesem<br />

Ort die Herzen vieler Menschen berührt.<br />

P. Anselm Grün OSB<br />

Geboren 1945 in Junkershausen<br />

• Profess 1965 • Priesterweihe<br />

1971 • Seit 1977 Cellerar der Abtei<br />

Münsterschwarzach • Geistlicher<br />

Begleiter und Bestsellerautor<br />

christ licher Spiritualität

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!