Briefe in die chinesische Vergangen - Theses
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„ch<strong>in</strong>esischen“ Neologismus transformieren können. E<strong>in</strong> Beispiel könnte dann<br />
„el-eng-tri-kang“ (elektrika) se<strong>in</strong>. Ebenso könnte der Übersetzer im Fall „La-di“<br />
(Radi) / „šeng-viš-kang“ (ředkvička) verfahren, wo aber e<strong>in</strong>e dialektale<br />
Bezeichnung für das tschechische Lexem „ředkvička“ nur schwer zu f<strong>in</strong>den ist,<br />
bzw. ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> verbreitete dialektale Übersetzungsform existiert. Da der<br />
Dialekt aber ke<strong>in</strong>e zentrale Rolle im analysierten Text spielt, betrachte ich s<strong>in</strong>e<br />
Auslassung bei der Übersetzung nicht als e<strong>in</strong> Defizit; ich b<strong>in</strong> sogar der Me<strong>in</strong>ung,<br />
dass der Übersetzer ke<strong>in</strong>e andere Wahl, als den Dialekt auszulassen, hatte.<br />
1. 4 Der Aspekt des Genres<br />
Ich befasse mich mit e<strong>in</strong>em literarischen Prosatext, der für e<strong>in</strong>en Leser ohne<br />
spezifische Vorbildung bestimmt ist, obwohl der Autor mit gewissen Kenntnissen<br />
des Lesers rechnet, denn <strong>die</strong> historischen Namen oder Ortsangaben werden<br />
meistens kaum erläutert. Die Geschichte wird <strong>in</strong> siebenunddreißig „imag<strong>in</strong>ären“ 13<br />
<strong>Briefe</strong>n geschildert. Es werden politische Systeme wie Kapitalismus oder<br />
Kommunismus kommentiert, gegenwärtige Fragen zur Ökologie, Religion oder<br />
Philosophie gestellt, vor allem stießt Herbert Rosendorfer auf das bl<strong>in</strong>de<br />
Fortschrittsglauben und damit zusammenhängendes Verhältnis zur Zeit an. Das<br />
alles beobachtet und mit gewisser Erschrockenheit beschreibt <strong>die</strong> Hauptfigur Kaotai,<br />
wobei er als e<strong>in</strong> Fremder aus der Ferne – für uns, gegenwärtige Leser – e<strong>in</strong>e<br />
ungewöhnliche blumige Sprache, am liebsten <strong>in</strong> der höflichen Situationen,<br />
benutzt.<br />
Diese höflichen Floskeln schieben <strong>die</strong> ganze Geschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
komödiantische Ebene. Als Beispiel lassen sich e<strong>in</strong> Paar Redewendungen<br />
anzeigen, z.B. wenn Kao-tai erste Mal alle<strong>in</strong> auf <strong>die</strong> Straße geht, um e<strong>in</strong> Öl zu<br />
kaufen. Er kommt <strong>in</strong>s Geschäft und würde am liebsten sagen: „Würdest du,<br />
unvergleichliche Ladenbesitzer<strong>in</strong>, Sonne des Stadtviertels, <strong>die</strong> güte haben, e<strong>in</strong>en<br />
halben sheng de<strong>in</strong>es honigduftenden Öls mir unwürdigem Zwerg herabzureichen,<br />
sofern du nicht e<strong>in</strong>e andere, bessere Verwendung dafür hast, und das Maß de<strong>in</strong>er<br />
Güte vollmachen, <strong>in</strong>dem du <strong>die</strong>se bescheidene, schmutzige Münze dafür<br />
entgegennimmst, <strong>die</strong> natürlich nicht das entfernteste Äquivalent für de<strong>in</strong>e<br />
13 Mit dem Begriff „imag<strong>in</strong>är“ me<strong>in</strong>e ich hier <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> <strong>Briefe</strong> ke<strong>in</strong>e historische<br />
wahre Begebenheit s<strong>in</strong>d, sonder nur e<strong>in</strong>e Form der ausgedachten Geschichte.<br />
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