Möglichkeiten und Grenzen
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Ruth Rissing-van Saan<br />
gen zu werden, den einen oder anderen Arzt zögern lässt, die medizinisch gebotene<br />
Hilfe auch tatsächlich zu leisten. Zwar kann sein Handeln im Einzelfall, wenn er<br />
alle Risiken abgewogen <strong>und</strong> sein Vorgehen zur Vermeidung erheblicher körperlicher<br />
<strong>und</strong> seelischer Leiden seines Patienten nach seiner Auffassung geboten ist,<br />
nach allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen (§ 34 StGB) gerechtfertigt sein. Er kann aber nicht<br />
sicher sein, dass die zuständige Strafverfolgungsbehörde diese diffizilen Überlegungen<br />
immer anstellt, bevor sie ein Strafverfahren wegen unerlaubter Abgabe von<br />
Betäubungsmitteln einleitet, 20 ein Umstand, der weder medizinisch/ethisch noch<br />
rechtspolitisch vertretbar erscheint, zumal die Gefahr von Missbrauch <strong>und</strong> gesetzeswidriger<br />
Verwendung des Schmerzmittels in derartigen Fallgestaltungen auf<br />
theoretische Extremfälle beschränkt sein dürfte.<br />
Es entspricht jedenfalls nicht der Intention des Betäubungsmittelgesetzes <strong>und</strong><br />
seiner begleitenden Rechtsverordnungen, (nur) das formale Apothekenmonopol zu<br />
schützen, 21 vielmehr soll der Missbrauch von Betäubungsmitteln verhindert oder<br />
zumindest die Gefahr des Missbrauchs durch kontrollierten Umgang mit ihnen<br />
eingedämmt werden. Das ist in den hier interessierenden Fällen aber weitgehend<br />
gewährleistet. Denn auch die Weitergabe bzw. Abgabe an den Palliativpatienten<br />
beruht letztlich auf einer ärztlich verantworteten Verschreibung bei der Anlieferung<br />
des Mittels an den Arzt für dessen Praxisbedarf oder in den Medikamentenpool<br />
des SAPV-Teams <strong>und</strong> erfolgt im Rahmen einer geordneten <strong>und</strong> kontrollierten<br />
medizinischen Behandlung. 22<br />
3. Rechtlich vergleichbare Konfliktkonstellationen zwischen notwendiger<br />
medizinischer Behandlung <strong>und</strong> Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs<br />
Eine ähnliche Situation hatte schon zu Beginn der 1990er Jahre im Bereich der<br />
kontrovers diskutierten Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen mit Methadon<br />
bestanden, die letztlich zur Änderung des § 13 BtMG durch das Gesetz zur<br />
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom 9. September 1992 (BGBl. I S. 1593)<br />
geführt <strong>und</strong> die gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für die Behandlung von Betäubungsmittelabhängigkeiten<br />
mit Hilfe von Betäubungsmitteln geschaffen hat (deren konkrete<br />
<strong>und</strong> streng kontrollorientierte rechtliche Ausgestaltung in § 5 BtMVV vorgenommen<br />
wurde). Interessant für den hier anzustellenden Vergleich ist § 5 Abs. 8<br />
BtMVV. Diese Vorschrift ermöglicht nämlich unter bestimmten Voraussetzungen<br />
auch Take-home-Verschreibungen, bei denen der Substitutionspatient von seinem<br />
behandelnden Arzt die Verschreibung der benötigten Menge des Substitutionsmit-<br />
20 Ein in diesen Problemkreis einzuordnender Vorfall in Hessen hat in jüngerer Zeit öffentliches<br />
Aufsehen erregt, siehe dazu die Monitor-Fernsehsendung v. 27.1.2011: Gut für den Patienten, gefährlich<br />
für den Arzt. Wie Palliativmediziner kriminalisiert werden, abrufbar unter: www.wdr.de<br />
/tv/monitor//sendung/2011/0127/pdf/palliativmedizin.pdf.<br />
21 So Körner, Betäubungsmittelrecht, 6. Aufl. 2007, § 13 Rn. 81 für die rechtlich vergleichbare Problematik<br />
bei Take-home-Verschreibungen für drogenabhängige Substitutionspatienten.<br />
22 Patzak (Fn. 4), § 29 Teil 15 Rn. 139.