Der Ruf der Glocken Mai 2013 - Seelsorgeeinheit Tiengen ...

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Abb. 23: Die St. Josef- und St. Agatha- Glocke in der kath. Kirche Die Glocken laden die Gläubigen zum Gottesdienst, verkünden das Lob Gottes, erklingen bei der Taufe, richten die Mutlosen auf, mahnen zum Gebet, geben den Toten das Geleit und trösten die Trauernden. Das Glockengeläut bestimmte früher den bäuerlichen Tagesablauf. So weckte der Glockenklang in der Frühe die Menschen auf. Der Autor dieser Zeilen kann sich noch erinnern: Wenn unten im Dorf um 11 Uhr die Glocken zum Angelus, zum „Engel des Herrn“ läuteten, so war dies das Zeichen für die Frauen, nach Hause zu gehen, um das Mittagessen zuzubereiten. Ich sehe auch noch meine Großmutter, wie sie beim Angelus-Geläut ihre Arbeit kurz unterbrach und den „Engel des Herrn“ betete. Als Uhren noch nicht verbreitet waren, gaben die Kirchturmuhr und der Glockenschlag die Zeit an. In der Stadt war der Klang der „12-Uhr-Glocke“ für die Arbeiter das Zeichen, Mittag zu machen. Wenn mitten im Tag plötzlich die kleinste Glocke , die Scheidezeichenglocke erklang, wussten die Menschen: Es ist jemand aus der Gemeinde gestorben. Erfolgte das Scheidezeichen dreimal, so 37
war ein Mann gestorben, wenn zweimal eine Frau und einmal so betraf es ein Kind. Zwischen den bürgerlichen Gemeinden und Kirchengemeinden bestand eine Vereinbarung, nach welcher die bürgerlichen Gemeinden das Recht hatten, bei allgemeinen Notfällen wie Feuersgefahr oder Hochwasser die Kirchenglocken zu benutzen. Früher wurden auch aus besonderen nichtkirchlichen Anlässen geläutet, so etwa bei Geburtstagen des Großherzogs oder Kaisers. Friedrich von Schiller stellt seinem „Lied von der Glocke“ die Worte voraus: Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango Die Lebenden rufe ich, die Toten beweine ich, die Blitze breche ich. Früher glaubten viele, dass der durch die Glocken erzeugte Lärm das Gewitter verscheuchen könne. Darin enthielten sich wohl Reste vorchristlicher Vorstellungen von der die Dämonen vertreibenden Kraft des Glockenklanges. Der Ursprung dieses Läutens bei drohendem Unwetter aber lag neben der Warnfunktion für die Bevölkerung darin, dass das Glockengeläut als Stimme Christi interpretiert wurde, der dem Unwetter Einhalt bot, als ihn die Jünger beim Sturm auf dem See voller Angst um Hilfe riefen (Mt 8,23-27). Am 11. September 1831 schickte das Großherzogliche Bezirksamt ein Schreiben an die Stadtgemeinde Thiengen, in der es hieß: „Dem Vernehmen nach soll in den meisten Gemeinden des kath. Klettgaus der Mißbrauch des Gewitterläutens bestehen, und in dieser Voraussetzung ist uns aufgetragen worden, diese verderbliche Gewohnheit nach der bestehenden Verordnung vom 19. April 1808 sogleich abzuschaffen. Hierzu erteilen wir dem Großherzoglichen Pfarramt Nachricht.“ Der NS- Staat (1933-1945) versuchte immer wieder Einfluss auf das Läuten von Kirchenglocken zu nehmen. So sollten nach einem Erlass des Ministers des Innern vom 23. November 1939 von abends 18 Uhr bis morgens 8 Uhr die Kirchenglocken schweigen In einem Erlass des Ministers des Kultus und Unterrichts vom 8. 12. 1941 an die Polizeibehörden in Baden und im Elsass betr. Läuten der Kirchenglocken bei Beerdigungen von „Gottgläubigen“ hieß es dass, „in den Fällen, in 38
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