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Kolumne.schoklitsch<br />
unter der Aschewolke<br />
Die Formel 1 hing fest, die MotoGP stand still und alles nur, weil ein Vulkan Asche<br />
ausspuckte. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie und regte zum Nachdenken an.<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
Wir Menschen sind eigentlich so<br />
gestrickt, dass uns weit entfernte<br />
Dinge weitestgehend egal sind,<br />
solange sie uns nicht wirklich<br />
betreffen. Wenn also irgendwo in<br />
Island ein Vulkan ausbricht, sind<br />
das für uns im Normalfall nur ein<br />
paar spektakuläre Bilder, die wir so in den Nachrichten<br />
schon öfter gesehen haben und die Sache ist<br />
erledigt. Diese relative Gleichgültigkeit lässt sich<br />
aber wohl nicht jeder Vulkan gefallen und deswegen<br />
dachte sich der Eyjafjallajökull: »Euch werde<br />
ich es zeigen.«<br />
Und wie er es uns gezeigt hat. »Wenn der Vulkan<br />
rausbläst, dann macht er das. Wenn es dann nicht<br />
sicher ist, in der Luft zu reisen, gibt es ein Chaos.<br />
Da sehen wir, wie sich diese industrielle Welt entwickelt<br />
hat und es zeigt uns einfach Grenzen, wie<br />
weit wir Menschen kommen, wenn die Natur nicht<br />
mitspielt«, meinte Ex-F1-Pilot Alex Wurz gegenüber<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>, als er sich gerade fragte,<br />
wie er nach dem Formel 1 Grand Prix von China<br />
wieder nach Hause kommen soll.<br />
Der MotoGP erging es noch schlechter, denn die<br />
kam nicht bis nach Japan, weswegen das Rennen dort<br />
gleich auf den 3. Oktober verschoben wurde. Das<br />
zeigte, wie recht Wurz doch hatte. Die MotoGP bezeichnet<br />
sich als Königsklasse des Motorradsports, technisch<br />
wird dort auf höchstem Niveau operiert, es wird nichts<br />
dem Zufall überlassen und alles ist genau geplant. Wenn<br />
aber ein Vulkan ausbricht - und sei es eigentlich weitab<br />
der Team-Hauptquartiere - dann steht alles still.<br />
Die Natur hat damit wieder einmal über die Menschheit gewonnen und<br />
ihr gezeigt, was sie mit ihren ganzen technischen Errungenschaften auszurichten<br />
vermag, wenn ihr das nicht recht ist. Die Motorräder standen still,<br />
weil der Flugverkehr still stand, weil irgendwo in ein paar tausend Kilometern<br />
Verschiebung wegen Vulkanasche: Die MotoGP<br />
fliegt erst im Oktober zum Japan GP nach Motegi<br />
Entfernung der Eyjafjallajökull Asche in die Atmosphäre<br />
blies. Da kann dann auch ein Valentino Rossi<br />
nichts machen, der im Normalfall seinen Willen immer<br />
durchsetzt - oder bekam er auch hier Schützenhilfe,<br />
damit er sich besser von den Prellungen erholen konnte,<br />
die er eine Woche vor dem geplanten Japan Grand Prix<br />
bei einem Trainingsunfall erlitt?<br />
Derlei sehr untragbare Hypothesen einmal beiseite<br />
gestellt, rückt so ein Ereignis nicht nur das MotoGP-<br />
Weltbild für viele wieder einmal gerade. CERN mag<br />
in seinem Teilchenbeschleuniger vielleicht bald die<br />
Bedingungen kurz nach dem Urknall simulieren können,<br />
Formel-1-Autos mögen beim Bremsen Verzögerungswerte<br />
jenseits von Gut und Böse erreichen und MotoGP-<br />
Motorräder mögen die wildesten Schräglagen erlauben,<br />
gegen eine überdimensionale Aschewolke können sie<br />
alle nichts ausrichten.<br />
Letztendlich bleibt die Erkenntnis, die bereits im Film<br />
»Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit« zwar<br />
simpel, aber doch treffend aufgestellt wurde: »Alles,<br />
was wir sind, ist Sand im Wind, Hoschi.« In diesem<br />
Fall waren wir zwar nicht die Asche in der Atmosphäre,<br />
aber machen konnte niemand etwas dagegen.<br />
Vielleicht war das auch ein Zeichen für den <strong>Motorsport</strong>,<br />
manchmal eine etwas bescheidenere Perspektive<br />
einzunehmen, immerhin war selbst F1-Boss<br />
Bernie Ecclestone in Shanghai gefangen, weil sein<br />
Privatjet ebenso erst mit Verzögerung nach Europa<br />
fliegen konnte wie der Rest der Welt.<br />
Bevor wir also darüber stöhnen, dass uns ein<br />
MotoGP-Wochenende abhanden gekommen ist - und<br />
ohnehin später in der Saison nachgeholt wird -, amüsieren<br />
wir uns einerseits darüber, dass auch die mächtigsten Menschen nicht<br />
immer alles so haben können, wie sie es wollen und denken andererseits<br />
daran, wie schnell wir vor echte Grenzen gestellt werden. Vielleicht macht<br />
es den einen oder anderen ja weiser.<br />
Fotos: milagro, adrivo/Sutton