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Motorsport Magazin Vettels großer Wurf (Vorschau)

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Kolumne.Heublein<br />

Meinungsfreiheit<br />

Der Paddock ist eine eingezäunte Welt für sich. Niemand kommt ohne Akkreditierung rein,<br />

keine Meinung kommt ohne Autorisierung heraus. Mündige F1-Fahrer sind rar.<br />

Text: Stephan Heublein<br />

Angst vor Negativ-Schlagzeilen: Nico Rosberg<br />

würde gerne sagen, was er denkt. Das geht nicht.<br />

Vier Weltmeister, zwei Vizeweltmeister,<br />

jede Menge aufstrebende Jungstars<br />

und potenzielle Champions<br />

der Zukunft. Die Formel 1 strotzt in<br />

diesem Jahr nur so vor Superstars.<br />

Die Fans lieben streitbare Charaktere<br />

wie Michael Schumacher,<br />

Fernando Alonso, Lewis Hamilton<br />

& Co. Nur leider sind sie stumm. »Ich werde nichts<br />

dazu sagen«, wiederholt Nico Rosberg in seiner<br />

Presserunde immer und immer wieder. Der<br />

Mercedes GP Neuzugang hat fast schon Angst.<br />

Was, wenn seine Aussagen aus dem Zusammenhang<br />

gerissen werden? Was, wenn sie dem Team,<br />

dem Teamkollegen oder den Sponsoren dann<br />

nicht gefallen? Anstatt die Fragen mit einem<br />

»Kein Kommentar« tot zu schweigen, gibt er<br />

wenigstens einen Einblick in sein zerrüttetes Seelenleben.<br />

Nico erklärt, warum er nichts zu seinem<br />

Teamkollegen Michael Schumacher sagen möchte.<br />

»Ich möchte morgen keine Schlagzeile lesen: ‚Rosberg:<br />

Ich werde Schumacher wieder schlagen.‘«<br />

Dabei hätte er allen Grund dazu, sein vorhandenes<br />

und berechtigtes Selbstbewusstsein zu zeigen. »Aber<br />

dann bin ich für alle Rosberg, das Großmaul.« Deshalb<br />

könne und wolle er nicht darauf eingehen,<br />

schon gar keinen Vergleich anstellen. Das Einzige,<br />

was er bereitwillig sagen möchte, ist: »Ich bin überzeugt,<br />

dass Michael und ich sehr stark fahren werden<br />

und dadurch zusammen das Team nach vorne bringen.«<br />

Eine PR-Phrase, wie sie alle Teams ihren Fahrern<br />

eintrichtern. Das hören sie gerne, das lesen sie gerne - das interessiert<br />

allerdings niemanden. Seit Jahren müllen die Teams unsere E-Mailpostfächer<br />

mit inhaltsfreien Pressemitteilungen zu. Darin enthalten sind solche<br />

Klassiker wie: »Es war ein produktiver Tag. Wir haben viele Daten gesammelt<br />

und werden sie bis morgen analysieren.« Aber nicht nur die Journalistenmeute<br />

und die Leser finden das langweilig. »Es<br />

ist mittlerweile wirklich so, dass ich mir bei jeder Antwort<br />

vorher überlegen muss, welche Schlagzeile<br />

daraus entstehen könnte und wie ich dem ausweichen<br />

kann«, sagt ein sichtlich verunsicherter und enttäuschter<br />

Nico, der gerne er selbst wäre. Smart, clever,<br />

lustig. Er hat eine Meinung, möchte sie kundtun, hält<br />

sie aber zurück. »Ich möchte nichts mehr so sagen,<br />

wie ich es mir denke«, gesteht Nico. »Das ist leider so<br />

gekommen, aber es muss so sein. Es wird immer einen<br />

geben, der die Schlagzeile bringt.« So auch diesmal.<br />

Am Ende der Presserunde merkt Nico, dass auch diese<br />

offenen und ehrlichen Aussagen falsch ausgelegt und<br />

gegen ihn verwendet werden könnten. Er bittet darum,<br />

dass nicht auszuschlachten oder zu verdrehen.<br />

Auf <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com verzichten wir auf eine<br />

Verwendung seiner Aussagen, beschränken uns auf die<br />

rein sportlichen Fakten zum Wochenende. Wenig später<br />

finden sich Nicos Aussagen trotzdem auf der Website<br />

einer englischen Fachzeitschrift. »Schade, dass man<br />

nicht mehr sagen kann, was man denkt«, sagt Nico<br />

traurig und schiebt die Schuld auf die bösen Medien:<br />

»So ist das in der Medienwelt.« Aber hätte das Fanlieblinge<br />

wie Jacques Villeneuve, Ayrton Senna und<br />

Niki Lauda davon abgehalten, zu reden wie ihnen der<br />

Schnabel gewachsen ist? Die heutige Fahrergeneration<br />

muss großen Automobilkonzernen, multinationalen<br />

Teampartnern und teilweise ganzen Nationen gerecht<br />

werden. Sie müssen Zeitpläne minutengerecht einhalten<br />

und werden für Interviews mit vorgefertigten<br />

Antworten exakt gebrieft. Nicht selten schweift der<br />

Blick eines Fahrers beim Interview zum Pressesprecher ab. Mal mit einem<br />

Lächeln im Sinne von: »Na, da hab ich den Produkt- und Sponsornamen<br />

aber gut untergebracht, oder?« Mal mit einem wissenden: »Gut, dass wir das<br />

vorher abgesprochen haben.« Es wäre ja noch schöner, wenn der Fan die<br />

tatsächliche Meinung des Fahrers erfahren würde...<br />

Fotos: adrivo/sutton, Mercedes GP

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