Was wir gemeinsam gescha en - Zahnärztekammer Niedersachsen
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Psychologie<br />
Häme statt Ruhm<br />
WARUM CASTINGSHOWS DEPRESSIV MACHEN<br />
Die bei Kindern und Ju−<br />
g<strong>en</strong>dlich<strong>en</strong> beliebt<strong>en</strong><br />
Musik−Tal<strong>en</strong>tshows ber−<br />
g<strong>en</strong> Risik<strong>en</strong> für die psy−<br />
chische Gesundheit der<br />
Teilnehmer bis hin zur Depression.<br />
Das ist das Ergebnis einer Befra−<br />
gung von 59 ehemalig<strong>en</strong> Kandida−<br />
t<strong>en</strong> bei Shows wie »Deutschland<br />
sucht d<strong>en</strong> Superstar« (DSDS) oder »X−<br />
Factor«.<br />
»Ein Fünftel der Kandidat<strong>en</strong> emp−<br />
findet die Erfahrung im Nachhinein<br />
als negativ«, sagte Dr. Maya Götz, ei−<br />
ne der Studi<strong>en</strong>autorinn<strong>en</strong>, bei der<br />
Vorstellung der Ergebnisse in Ess<strong>en</strong>.<br />
Betroff<strong>en</strong>e berichtet<strong>en</strong> von psychi−<br />
scher Überforderung oder nachhalti−<br />
ger Rufschädigung.<br />
Rund 20 Proz<strong>en</strong>t der Kandidat<strong>en</strong><br />
bei sog<strong>en</strong>annt<strong>en</strong> Castingshows be−<br />
reu<strong>en</strong> ihre Teilnahme. Das zeigt die<br />
Studie »Sprungbrett oder Krise? Das<br />
Erlebnis Castingshow−Teilnahme«,<br />
eine Kooperation der Landesanstalt<br />
für Medi<strong>en</strong> Nordrhein−Westfal<strong>en</strong><br />
(LfM) und des International<strong>en</strong> Z<strong>en</strong>t−<br />
ralinstituts für das Jug<strong>en</strong>d− und Bil−<br />
dungsfernseh<strong>en</strong>.<br />
Castingshows lock<strong>en</strong> junge M<strong>en</strong>−<br />
sch<strong>en</strong> mit dem Versprech<strong>en</strong> von<br />
Ruhm und Promin<strong>en</strong>z zur Teilnahme.<br />
Die Kandidat<strong>en</strong> üb<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Gesangs−<br />
part zu bekannt<strong>en</strong> Liedern ein und<br />
müss<strong>en</strong> sich dann im Wettkampf ge−<br />
g<strong>en</strong> ihre Konkurr<strong>en</strong>t<strong>en</strong> behaupt<strong>en</strong>.<br />
Wer in die nächste Runde kommt,<br />
<strong>en</strong>tscheidet eine Jury.<br />
Im Extremfall leid<strong>en</strong> ehemali−<br />
ge Kandidat<strong>en</strong> noch Jahre nach der<br />
Show unter d<strong>en</strong> Folg<strong>en</strong>, berichtete<br />
Götz. Eine nam<strong>en</strong>tlich nicht g<strong>en</strong>ann−<br />
te einstige DSDS−Kandidatin wurde<br />
in der Show als besonders unfähig<br />
dargestellt und musste anschließ<strong>en</strong>d<br />
mit der Häme aus dem sozial<strong>en</strong> Um−<br />
feld leb<strong>en</strong>.<br />
Weil die S<strong>en</strong>dung mehrmals wie−<br />
derholt wurde und Ausschnitte im<br />
Internet an<strong>gescha</strong>ut werd<strong>en</strong> kön−<br />
FOTO: DSDS<br />
n<strong>en</strong>, <strong>wir</strong>d sie immer wieder damit<br />
konfrontiert.<br />
»Ich hätte mich niemals dort be−<br />
worb<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n ich gewusst hätte,<br />
was die mit d<strong>en</strong> Leut<strong>en</strong> da alles ma−<br />
ch<strong>en</strong>, nur um sie blöd darzustell<strong>en</strong>,<br />
nur damit die Leute was zu lach<strong>en</strong><br />
hab<strong>en</strong>«, <strong>wir</strong>d sie in der Studie zitiert.<br />
Die Autorinn<strong>en</strong> beton<strong>en</strong>, dass<br />
die gezielte Abwertung bestimmter<br />
Kandidat<strong>en</strong> bei mancher S<strong>en</strong>dung<br />
Teil des Konzepts sei. Dies ermögli−<br />
che d<strong>en</strong> Zuschauern, sich über die Be−<br />
troff<strong>en</strong><strong>en</strong> lustig zu mach<strong>en</strong> und sich<br />
überleg<strong>en</strong> zu fühl<strong>en</strong>.<br />
Die Wiss<strong>en</strong>schaftlerinn<strong>en</strong> fordern<br />
von d<strong>en</strong> Show−Produz<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, auf die<br />
»Stilisierung von Teilnehmern zu<br />
Freaks« zu verzicht<strong>en</strong>. Überhaupt<br />
sollt<strong>en</strong> die Macher Verantwortung<br />
für die teilweise minderjährig<strong>en</strong><br />
Kandidat<strong>en</strong> übernehm<strong>en</strong> und sie,<br />
w<strong>en</strong>n nötig, vor sich selbst schütz<strong>en</strong>.<br />
»Die professionelle psychologi−<br />
sche Betreuung der Kandidat<strong>en</strong> wäh−<br />
r<strong>en</strong>d der Show ist ein Schritt in die<br />
richtige Richtung«, sagte Götz. Vor−<br />
gemacht hat das die Show »The Voice<br />
of Germany«.<br />
Götz hält es für wünsch<strong>en</strong>swert,<br />
dass die Betreuung auch nach Be<strong>en</strong>−<br />
digung der Show für eine gewisse<br />
Zeit fortgeführt <strong>wir</strong>d. Außerdem soll−<br />
t<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Teilnehmern professionel−<br />
le Medi<strong>en</strong>berater zur Seite gestellt<br />
werd<strong>en</strong>, damit sie an der eig<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Rund 20 Proz<strong>en</strong>t der<br />
Kandidat<strong>en</strong> bei sog<strong>en</strong>annt<strong>en</strong><br />
Castingshows bereu<strong>en</strong> ihre<br />
Teilnahme<br />
Insz<strong>en</strong>ierung mit<strong>wir</strong>k<strong>en</strong> könnt<strong>en</strong>.<br />
Die Wiss<strong>en</strong>schaftler woll<strong>en</strong> ge−<br />
nerell die Medi<strong>en</strong>kompet<strong>en</strong>z junger<br />
M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> fördern. D<strong>en</strong>n: Die paral−<br />
lele Befragung von 1230 Kindern und<br />
Jug<strong>en</strong>dlich<strong>en</strong> zwisch<strong>en</strong> sechs und 17<br />
Jahr<strong>en</strong> zu ihrer Einschätzung des Er−<br />
lebnisses Castingshow−Teilnahme<br />
ergab, dass Wahrnehmung und Rea−<br />
lität der Shows deutlich auseinander<br />
geh<strong>en</strong>.<br />
So stimmt<strong>en</strong> 80 Proz<strong>en</strong>t der Be−<br />
fragt<strong>en</strong> der Aussage zu, dass die Kan−<br />
didat<strong>en</strong> g<strong>en</strong>au so sind, wie die S<strong>en</strong>−<br />
dung sie zeigt.<br />
Dageg<strong>en</strong> beobachtet<strong>en</strong> die For−<br />
scher eine Typisierung der Wettbe−<br />
werber. So berichtete eine DSDS−Teil−<br />
nehmerin, dass sie in die stereotype<br />
Rolle der »sexy Zicke« gedrängt wur−<br />
de, ohne dass sie sich dageg<strong>en</strong> habe<br />
wehr<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.<br />
Aus jug<strong>en</strong>dschutzrechtlicher Sicht<br />
gibt es bei Castingshows Handlungs−<br />
bedarf, glaubt Holger Girbig, bei der<br />
Landesanstalt für Medi<strong>en</strong> Nordrhein−<br />
Westfal<strong>en</strong> zuständig für Jug<strong>en</strong>d−<br />
schutzrecht.<br />
Neue Gesetze sei<strong>en</strong> aber nicht<br />
unbedingt nötig, w<strong>en</strong>n die TV−Ver−<br />
antwortlich<strong>en</strong> die richtig<strong>en</strong> Schlüs−<br />
se zieh<strong>en</strong>. »Wir glaub<strong>en</strong>, dass die<br />
Show−Verantwortlich<strong>en</strong> selbst weg<br />
woll<strong>en</strong> von der Welle des Vorführ<strong>en</strong>s<br />
von Kandidat<strong>en</strong>«, sagt Girbig.<br />
_FVDZ NEWSLETTER, 6.5.2013<br />
ZKN SPECIAL 6 | 2013 3