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5. Bericht zur Lage der Kinder - derStandard.at

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Gesundheit und Beziehungsbildung (Klaus Vavrik)<br />

Prim. Dr. Klaus Vavrik<br />

FA für Kin<strong>der</strong>- und Jugendheilkunde, FA für Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychi<strong>at</strong>rie,<br />

Psychotherapeut, Ärztlicher Leiter des Ambul<strong>at</strong>oriums<br />

<strong>der</strong> VKKJ Fernkorngasse, Präsident <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>liga<br />

Gesundheit und Beziehungsbildung<br />

im formalen Bildungssystem<br />

Welche Rahmenbedingungen braucht es im<br />

formalen Bildungssystem?<br />

Kin<strong>der</strong> sind grundsätzlich zutiefst neugierige und<br />

forschende – die Welt erforschende – Wesen und<br />

jedes für sich eine eigenständige Persönlichkeiten.<br />

Beide Aspekte bringen sie von <strong>der</strong> ersten Minute<br />

an ganz selbstverständlich mit ins Leben. Entwicklung<br />

und Entfaltung sind ihr n<strong>at</strong>ürlicher Antrieb und<br />

Lebenszweck, ohne dass primäre Absichten o<strong>der</strong><br />

konkrete Ziele damit verfolgt werden. Das Leben<br />

kommt auf sie zu und sie gestalten sich ein inner es<br />

„Bild“ davon. Die gemachte Erfahrung prägt und<br />

verän<strong>der</strong>t ihre Persönlichkeit. Das alles geschieht in<br />

Beziehung(en) und ist undenkbar ohne sie.<br />

„Bildung“ wie<strong>der</strong>um meint und versteht sich als<br />

eine viel größere menschliche Dimension, als lediglich<br />

das Ansammeln von lexikalischem Wissen (gemeinhin<br />

als „Lernen“ bezeichnet). Die bloße Vermehrung<br />

von Wissen ist nicht das Ziel von Bildung.<br />

Es ist allenfalls ein Mittel dazu. Ich möchte hier aber<br />

nicht den - ohnehin unmöglichen - Versuch starten,<br />

eine neue Definition von Bildung zu kreieren, son<strong>der</strong>n<br />

orientiere mich im Kern an jener von Bernward<br />

Hoffmann, <strong>der</strong> Bildung „als die Entfaltung und Entwicklung<br />

<strong>der</strong> geistig-seelischen Werte und Anlagen<br />

eines Menschen durch Formung und Erziehung“<br />

versteht. Bildung ist demnach „ein komplexer und<br />

nie abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichem<br />

Verlauf eine selbstständige und selbsttätige, problemlösungsfähige<br />

und lebenstüchtige Persönlichkeit<br />

entstehen kann“ (Daniel Goeudevert). Bildung<br />

h<strong>at</strong> eine objektive und eine subjektive Seite und<br />

setzt „Urteilsvermögen, Reflexionsfähigkeit und<br />

auch kritische Distanz gegenüber dem Inform<strong>at</strong>ionsangebot“<br />

voraus.<br />

Aber auch <strong>der</strong> Prozess des „Lernens“ ist nicht bloß<br />

ein willkürlicher Akt des Wissenstransfers abstrakter<br />

Inhalte (wie etwa Vokabeln) von außen (z.B.<br />

aus einem Buch) nach innen (in unseren „Kopf“).<br />

Noch viel weniger ist es ein passives Geschehen,<br />

wie es die Idee des Nürnberger-Trichters so plastisch<br />

(und gleichsam als Karik<strong>at</strong>ur seiner selbst) symbolisiert.<br />

Lernen ist vielmehr ein äußerst lebendiges<br />

Geschehen, welches in individuelle Bedingungen<br />

und Beziehungen des Lebens eingebettet ist.<br />

Dennoch halten Menschen fest am Optimieren des<br />

Lernprozesses, weiter auf <strong>der</strong> Suche nach diesem<br />

„berühmten Trichter“. Es wird nach wie vor viel Zeit<br />

und Geld dafür aufgewandt, die richtige „Methode“,<br />

den richtigen Dreh zu finden, um möglichst viel Inhalt<br />

in möglichst kurzer Zeit im Gedächtnis unterzubringen.<br />

CD´s für das Lernen im Schlaf, Mozart als<br />

Vehikel für´s Rechnen, Lern-DVD´s, Nachhilfe, … Es<br />

wird ein großer Markt mit dieser Hoffnung geschaffen<br />

und bedient. Die Frage dabei ist: Wer zieht den<br />

Nutzen aus dieser Bildungsideologie? Was kommt<br />

dabei heraus? Wer h<strong>at</strong> den Profit und macht das<br />

„Geschäft“, Karriere o<strong>der</strong> Geld? Mit Sicherheit nicht<br />

die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen selbst, denn bedauerlicher<br />

Weise ist das Bildungssystem heute - obwohl<br />

<strong>der</strong> Bildungsstand insgesamt vermutlich so hoch ist,<br />

wie noch nie zuvor - auch ein Schlachtfeld des wie<strong>der</strong>holt<br />

erlebten Scheiterns und Versagens und <strong>der</strong><br />

täglich erlittenen Demütigungen.<br />

Dieses Verständnis von Bildung ist dem Wohlbefinden<br />

und <strong>der</strong> Gesundheit aller Beteiligten im<br />

Lehr- und Lernprozess ganz offensichtlich nicht zuträglich:<br />

Auf <strong>der</strong> einen Seite leiden laut Freiburger<br />

Schulstudie 35% <strong>der</strong> LehrerInnen an Verausgabung,<br />

Erschöpf ung und Resign<strong>at</strong>ion, ca. 50% gehen gesundheitsbedingt<br />

in die vorzeitige Dienstunfähigkeit,<br />

52% davon aus psychischen Gründen. Und<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite geben mehr als 50% <strong>der</strong><br />

15-jährigen SchülerInnen an, mehrmals wöchentlich<br />

Beschwerden wie Müdigkeit, Schwindel, Bauch-,<br />

Gelenks- o<strong>der</strong> Kopfschmerzen zu haben. 15% gelten<br />

psychi<strong>at</strong>risch auffällig. Die Dritten im Bunde -<br />

die Eltern - sehen sich in ihren Erziehungsaufgaben<br />

alleine gelassen und fühlen sich von den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Schule gemeinsam mit ihren Kin<strong>der</strong>n<br />

häufig überfor<strong>der</strong>t. Untersuchungen von OECD und<br />

PISA, <strong>der</strong> Arbeitsmarkt und diverse Jugendstudien<br />

belegen dann auch noch schlechte Bildungsergebnisse<br />

und geben den kritischen Stimmen über das<br />

Bildungssystem Recht.<br />

Eine f<strong>at</strong>ale <strong>Lage</strong>, und wenn man davon ausgeht,<br />

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