5. Bericht zur Lage der Kinder - derStandard.at
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<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendgesundheit in Österreich 2014<br />
Stephan Stumpner, M.Ed. BEd<br />
Lehren<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule Oberösterreich im<br />
Fachbereich „Sport, Bewegung und Gesundheit“, Modulleiter im<br />
Hochschullehrgang mit Masterabschluss „Mentorin: Berufseinstieg<br />
professionell begleiten“<br />
Dienstantritt<br />
Als prioritär erlebte Bedrohungen und<br />
Belastungen von Berufseinsteigerinnen und<br />
Berufseinsteigern in das Pflichtschullehramt<br />
1. BERUFSEINSTIEG: MIT DEM AUFZUG DURCH<br />
DIE STOCKWERKE DER GEFÜHLE<br />
Dieser Artikel beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Them<strong>at</strong>ik,<br />
wie Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger ins<br />
Pflichtschullehramt den Dienstantritt erleben. Der<br />
Beitrag basiert auf Interviews mit 28 Junglehrerinnen<br />
und Junglehrern aus drei Bundeslän<strong>der</strong>n im<br />
ersten und zweiten Dienstjahr. Eine Analyse dieser<br />
sehr persönlichen „Geschichten zum Dienstantritt“<br />
macht deutlich, dass belastende und bedrohende<br />
Situ<strong>at</strong>ionen von den meisten Berufseinsteigerinnen<br />
und Berufseinsteigern als prioritär erlebt wurden.<br />
Dies lässt die Vermutung aufkommen, dass die<br />
Wahrnehmung und Bewältigung von Bedrohungen<br />
und Belastungen für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger<br />
zu strukturierenden Elementen <strong>der</strong><br />
Professionalisierung werden können, weshalb diese<br />
näher durchleuchtet werden sollen.<br />
1.1 Belastungen und Bedrohungen<br />
Unter als prioritär erlebten Belastungen und Bedrohungen<br />
von Berufseinsteigenden sind Bedingungen<br />
gemeint, die einerseits bedrohend wirken – Aktivierung<br />
neg<strong>at</strong>iver Affekte (z.B. Misserfolg, Hilflosigkeit)<br />
– o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>erseits als belastend wahrgenommen<br />
werden – Dämpfung positiver Affekte (z.B. schwierig<br />
zu realisierende Ziele) (vgl. Kuhl, 2001, S. 165).<br />
Nachdem Bedrohungen belastend wirken, wird im<br />
Folgenden <strong>der</strong> Einfachheit halber <strong>der</strong> Begriff „Belastung“<br />
verwendet, womit jedoch beide Begriffe<br />
gleichermaßen gemeint sind. Die Bandbreite, wie<br />
Belastungen wahrgenommen werden, ist groß und<br />
umfasst Emotionen 1 wie beispielsweise Angst, Unsicherheit,<br />
Frust, Aggression, Lustlosigkeit, Ärger,<br />
Trauer bis hin zu Enttäuschung (vgl. Kuhl, 2001).<br />
1 Die Begriffe „Emotion“ und „Gefühl“ lassen sich den Verarbeitungssystemen<br />
zuordnen, die die Wahrnehmung und das Erleben<br />
innerer und äußerer Ereignisse vermitteln und oft als Erwartung<br />
vorweg definieren. Im Unterschied zu Affekten sind sie mit einem<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger ausgedehnten impliziten Wissen verbunden<br />
(vgl. Kuhl, 2001, S. 618)<br />
Die Forschung sieht Angst und Unsicherheit oftmals<br />
als „Vorbereitungsgefühle“ für alle an<strong>der</strong>en als belastend<br />
empfundenen Emotionen (vgl. Machleidt<br />
et al., 1989). Ängste und Unsicherheiten von Berufseinsteigerinnen<br />
und Berufseinsteigern sind daher<br />
immer an konkrete Situ<strong>at</strong>ionen gebunden, die durch-<br />
Bedrohung, Hilflosigkeit und Ungewissheit gekennzeichnet<br />
sind. Bedrohend wirkt bei Berufseinsteigenden<br />
vor allem die angenommene Unfähigkeit,<br />
eine Situ<strong>at</strong>ion zu bewältigen, da die <strong>zur</strong> Verfügung<br />
stehenden Handlungsstr<strong>at</strong>egien nicht <strong>zur</strong> gewünschten<br />
Situ<strong>at</strong>ionsbewältigung führen könnten (vgl.<br />
Wartha-Majtény, 2004). Angst ist jedoch ein höchst<br />
sinnvoller Affekt, dem nicht nur neg<strong>at</strong>ive Wirkungen<br />
zugesprochen werden können. Julius Kuhl (2010,<br />
S. 463) spricht davon, dass Ängste eng mit dem<br />
„Objekt erkennungsgedächtnis“ verbunden sind,<br />
welches auch für das Erkennen neuer Erfahrungen<br />
zuständig ist. Erst durch die Erkenntnis, dass eine<br />
adäqu<strong>at</strong>e Handlungsstr<strong>at</strong>egie fehlt, wird die Notwendigkeit<br />
erkannt, neue Lernprozesse/Erfahrungen<br />
zuzulassen. Voraussetzung dafür ist eine selbstkonfront<strong>at</strong>ive<br />
Bewältigung einer als unangenehm<br />
empfundenen Situ<strong>at</strong>ion, bei <strong>der</strong> Angst bereitende<br />
Einzelerfahrungen in das Netzwerk persönlicher Erfahrungen<br />
(d.h. ins Selbst) integriert werden.<br />
Allgemein können Emotionen als entscheidende<br />
Faktoren für adaptive Prozesse (z.B. Lernprozesse)<br />
gesehen werden. Emotionen machen Druck auf<br />
kognitive Bewältigungsstr<strong>at</strong>egien, d.h., dass den<br />
Steuerungsprozessen zwischen diesen beiden Ebenen<br />
(Emotion und Kognition) – Selbststeuerungskompetenz<br />
– höchste Bedeutung zukommt, vor<br />
allem im Sinne <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />
(vgl. Ciompi, 2005; Kuhl, 2001). Beson<strong>der</strong>s wichtig<br />
ist dieses Potenzial für Berufseinsteigerinnen und<br />
Berufseinsteiger, die sehr sensibel auf Belastungen<br />
reagieren. Insgesamt spielen Erstmaligkeiten bei<br />
Lernprozessen eine entscheidende, gestaltende Rolle.<br />
In <strong>der</strong> Entwicklung dieser Basissensibilität sind vor<br />
allem Erfahrungen mit Lern- und Lehrkulturen prägend,<br />
die bereits in <strong>der</strong> frühen Kindheit gesammelt<br />
bzw. nicht gesammelt werden. Dabei ist vor allem<br />
ausschlaggebend, wie in <strong>der</strong> eigenen Schulzeit<br />
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