5. Bericht zur Lage der Kinder - derStandard.at
5. Bericht zur Lage der Kinder - derStandard.at
5. Bericht zur Lage der Kinder - derStandard.at
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendgesundheit in Österreich 2014<br />
du dabei gewesen wärst. Und man weiß überhaupt<br />
nicht, was man tun soll. Also diese ganze erzieherische<br />
Geschichte. Das wäre, und das habe ich jetzt<br />
schon von voll vielen Junglehrern gehört, dass die<br />
alle mit dem voll überfor<strong>der</strong>t sind. […] Und wenn<br />
einem das vielleicht nicht so gegeben ist von Haus<br />
aus, dass man da recht ruhig [bleibt].“ (L3/16_1,100–<br />
122)<br />
2.4.2 Bewältigungsstr<strong>at</strong>egien im Berufseinstieg<br />
In <strong>der</strong> Bewältigung von belastenden Erfahrungen<br />
werden jedoch nicht immer eigene „Schwächen“<br />
o<strong>der</strong> Unsicherheiten eindeutig bewusst erkannt. Bei<br />
solchen Bewältigungsstr<strong>at</strong>egien werden bewusst<br />
wahrgenommene Unstimmigkeiten auch an<strong>der</strong>en<br />
Objekten zugewiesen, was dem Selbstschutz dienen<br />
kann. So werden Erfolg o<strong>der</strong> Misserfolg einer Handlung<br />
unbewusst auf externe Objekte <strong>at</strong>tribuiert, was<br />
dazu führen kann, dass die Angst und Unsicherheit<br />
von Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern<br />
durch Aktionismus verleugnet wird. Dieser Aktionismus<br />
kann sich in unterschiedlichen Handlungen<br />
zeigen, abhängig davon, welches implizite Motiv 7<br />
verfolgt wird. H<strong>at</strong> die Person beispielsweise ein ausgeprägtes<br />
Machtmotiv, kann sich dieser Aktionismus<br />
in einer strengen Führung und konflikthaften<br />
Machtdemonstr<strong>at</strong>ion zeigen, wie folgendes Beispiel<br />
veranschaulicht (vgl. Kuhl, 2013, S. 78).<br />
„[Über disziplinäre Probleme] Weil da ist es drunter<br />
und drüber gegangen teilweise. Ah, ich habe einfach<br />
auch viele Tipps von den Kollegen zu Herzen<br />
genommen, was jetzt disziplinäre Geschichten betrifft.<br />
Dass man halt einfach da nicht locker lassen<br />
soll und dass man halt einfach den engen Rahmen<br />
einmal stecken soll, und den kann man dann immer<br />
noch erweitern. Wenn es soweit ist. Aber zuerst einmal<br />
richtig eng stecken, dass die Schüler wissen sozusagen,<br />
wer <strong>der</strong> Herr im Haus ist.“ (L3/2_1,182)<br />
7 Die Umsetzung von Motiven wird von Affekten moduliert, „und<br />
zwar durch den Einfluss, den Affekte auf die Aktivierung <strong>der</strong> für die<br />
Umsetzung wichtigen kognitiven Systeme ausüben“ (Kuhl, 2013, S.<br />
10). Es kann von vier Basismotiven gesprochen werden: Anschluss<br />
(Beziehung), Leistung (Fähigkeit), Macht (Durchsetzen), Freiheit<br />
(Selbstsein) (vgl. Kuhl, 2013, S. 78).<br />
Wie im letzten Interviewabschnitt dargestellt wurde,<br />
können Kolleginnen und Kollegen dazu beitragen,<br />
gewisse Bewältigungsstr<strong>at</strong>egien zu aktivieren bzw.<br />
zu deaktivieren. So können Unsicherheiten nicht nur<br />
bewältigt werden, indem „die Flucht nach vorne“<br />
– Aktionismus – angetreten wird, son<strong>der</strong>n auch beispielsweise<br />
durch gute Stimmung und Unterhaltung<br />
– die „Flucht in den positiven Affekt“ (vgl. Kuhl,<br />
2001, S. 603).<br />
„Und sind alle da hereingekommen. Wir sind da<br />
hinten in <strong>der</strong> Klasse im Kreis gesessen. Und haben<br />
dann, ah, also meine Kollegin, die h<strong>at</strong> das irgendwie<br />
schon mehr draufgehabt, dass sie, ah, da mehr auf<br />
die Kin<strong>der</strong> zugeht. Da war ich halt einfach, wirklich,<br />
habe ich noch die Unsicherheit ein wenig gespürt.<br />
Und dann haben wir eh halt ein Lied gemeinsam gesungen,<br />
ich habe mit <strong>der</strong> Gitarre gespielt und gesungen,<br />
und beim ersten, im ersten Moment habe<br />
ich fast keine Stimme herausgekriegt (schmunzelt).<br />
Weil ich ja doch ziemlich nervös war, und es ist<br />
aber dann eigentlich ganz gut gegangen. Also, ja.“<br />
(L3/1_1,229–237)<br />
Was beide Bewältigungsstr<strong>at</strong>egien gemeinsam<br />
haben, ist die Tendenz, Ängste eher zu leugnen<br />
(erscheint manchmal vernünftig), wodurch die<br />
Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger<br />
nach außen gerichtet wird (vgl. Kuhl,<br />
2001, S. 603).<br />
Aufgrund dieser D<strong>at</strong>en wird nun <strong>der</strong> Versuch gewagt,<br />
die äußeren (soziales System) und inneren<br />
(Persönlichkeitssystem <strong>der</strong> Berufseinsteigerinnen<br />
bzw. Berufseinsteiger) Muster ihres zwar selbstreferentiellen,<br />
aber nach außen offenen Zusammenwirkens<br />
nachzuzeichnen.<br />
3. SCHULSYSTEM: REKONSTELLIERUNGEN UND<br />
TRANSFORMATIONEN<br />
„Es ist unmöglich, nach einer Orientierungsmarke zu<br />
segeln, die wir an den Bug unseres eigenen Schiffes<br />
genagelt haben.“<br />
D. M. McKay<br />
61