das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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268 Besprechungen<br />
ner »Kritik des Spiels 'Einstellungsgespriich' insgesamt« (195, Hervorh.d.Y.). Die distanzierte,<br />
von moralistischer Entrüstung freie Beschreibung weist nach, gegen welche<br />
wesentlichen Kooperationsmaximen und strategischen Leitlinien der als Verfassungsfeind<br />
Verdächtigte verstößt (allerdings nicht nur er), indem er sich nicht erfolgsorientiert<br />
verhält, sondern in der »christlichen Tradition des Bekennermuts« kommuniziert<br />
(201), in einer Haltung, die sich ohne Not zum Märtyrer macht. Kritisch anzumerken<br />
ist, daß der Zusammenhang des Sprachspiels »Einstellungsgespräch« mit der sozialen<br />
Lebensform, in der es wurzelt, nicht als methodisch Vorgängiges berücksichtigt worden<br />
ist. Im Sinne von Wittgensteins Gedanken - »Einer Regel folgen, eine Mitteilung ma·<br />
chen, ... sind Gepflogenheiten (Gebräuche, <strong>Institut</strong>ionen)« (PhU § 199) - müßte auch<br />
eine solche Sprachhandlungsbeschreibung an der Beschreibung von <strong>Institut</strong>ionen ansetzen.<br />
Strecker sieht diese Aufgabe bereits gelöst: »Wir kennen den institutionalisierten<br />
Sinn des Gesprächs.« (189) Das verhindert eine Analyse. die zeigen könnte, daß die<br />
Spielregeln, die die Gewinnstrategie bestimmen, durch den sog. Radikalenerlaß entscheidend<br />
verändert wurden, was eine Bedeutungsänderung des ganzen Spiels nach<br />
sich zieht. Will doch die Linguistik als Wissenschaft vom sprachlichen Handeln gerade<br />
zeigen, daß die vorgeführten Interaktionsbeziehungen nicht voraussetzungslos ablaufen.<br />
Gefordert wird damit keineswegs ein (politökonomisches, anthropologisches oder<br />
historisches) Reduktionsverfahren, <strong>das</strong> Sprachspiele »ableitet« und »erklärt«. Desiderat<br />
ist vielmehr eine Semantiktheorie, die den Zusammenhang von historischer, ideologischer<br />
und diskursiver Formation systematisch untersucht (ich denke dabei an Überlegungen<br />
in der Linguistik, die von Foucaults »Archäologie des Wissens« und v.a. von Lacans<br />
psychoanalytischer Sprachtheorie beeinflußt sind, wie die »Automatische Diskursanalyse«<br />
von Fuchs, Haroche, Henry, Pecheux u.a.). Die PS beschränkt sich in ihrer Bedeutungsanalyse<br />
auf die rein kommunikationslogischen Regeln. Dazu kommen muß<br />
der Rückgriff auf die transsubjektiven Produktionsbedingungen von Sinn/Bedeutung.<br />
Versteht man nämlich »Diskurs« nicht als Tätigkeit eines redenden Subjekts, sondern<br />
als objektive und materielle Existenz gewisser Regeln, denen <strong>das</strong> Subjekt unterworfen<br />
ist, sobald es sich am Diskurs beteiligt (Foucault), wird die Untersuchung grundlegender.<br />
Sie fragt dann nach jenen (auch linguistischen) Mechanismen oder Regeln, die<br />
dem redenden Subjekt eine Diskursautonomie aufzwingen und es in seinem Verhältnis<br />
zur Realität erst konstituieren. Ist es doch Kennzeichen von Ideologie, <strong>das</strong> Individuum<br />
durch den Komplex der ideologischen und diskursiven Formationen zum Subjekt seines<br />
Diskurses »anzurufen«, indem sie ihm die norwendige Illusion der Identität seines<br />
Ichs verschafft und ihm »seine. Realität liefert als System von »wahrgenommenen-angenommenen-ertragenen<br />
Bedeutungen« (Aithusser). D.h. nicht, daß die Sprache als solche<br />
ideologisch wäre (Überbau), aber daß sich in ihr eine Gesamtheit von (diskursiven)<br />
Praxis-Arten archiviert, wobei der Diskurs Schnittpunkt der ideologischen Prozesse ist,<br />
<strong>das</strong> Gesetz dessen, was gesagt werden kann: er hat seinen Ursprung außerhalb des Subjekts,<br />
verwirklicht sich aber in ihm (vgl. Pecheux/Fuchs in: Langages 37, Paris 1975).<br />
Die wissenschaftstheoretische Stellung der PS und der Diskursanalyse (als <strong>Theorie</strong> der<br />
historisch-ideologischen Determinierung semantischer Prozesse) gestattet einen Vergleich:<br />
beide verwerfen <strong>das</strong> Name-Gegenstand-Paradigma traditioneller Semantiktheorien<br />
sowie den Repräsentationsgedanken; beide verzichten auf <strong>das</strong> ideologische Paar<br />
langue/parole bzw. System/redendes Subjekt; beide lehnen die Vorstellung ab, daß<br />
<strong>das</strong> redende Subjekt die Bedeutung schöpferisch produziere (die PS durch die Idee des<br />
Eingebettetseins des Subjekts in ein System von Sprachspielen als Bestandteile der sozialen<br />
Lebensform, die Diskursanalyse durch ihre Definition von »Diskurs«).<br />
Sobald die PS jedoch den Zusammenhang von Sprachspiel und Ideologie ins Auge<br />
faßt, versteht sie Ideologie einfach als <strong>das</strong> Explizite einer Äußerung, zu dem die Sprachkritik<br />
<strong>das</strong> verborgene Implizite, <strong>das</strong> »hinter« der Aussage steckt, aufdeckt: Sprachhand-