das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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224 Det/ev A/bers<br />
len zu wollen, was sie selbst im Unterschied zu dogmatischen Interpretationen innerhalb<br />
und außerhalb ihrer Partei gegenüber den Auffassungen der Begründer des wissenschaftlichen<br />
Sozialismus immer abgelehnt haben.<br />
Allerdings, so wenig ein dogmatischer, im strengen Sinne unmarxistischer Gebrauch<br />
der Beiträge Bauers oder Adlers zur Debatte steht, so wenig kann akzeptiert werden.<br />
daß ihre Arbeiten allein aufgrund der verhängnisvollen Niederlage der österreichischen<br />
Arbeiterbewegung vor dem AuStrofaschismus und dem Nationalsozialismus als erledigt<br />
betrachtet werden. Konsequenterweise müßten dann sämtliche theoretischen Aussagen<br />
der deutschen oder italienischen Arbeiterbewegung vor der faschistischen Machtübernahme<br />
(also auch wesentliche Teile des Werkes Antonio Gramscis) aus dem Verkehr gezogen<br />
werden; denn daß seinerzeit im Kampf gegen den aufkommenden Faschismus<br />
von sozialdemokratischer wie kommunistischer Seite schwerwiegende Fehler begangen<br />
wurden, dürfte unbestritten sein. Statt dessen kann es in de; Einschätzung jeder der<br />
damaligen grundsätzlichen Äußerungen doch lediglich darum gehen, sich mehr als nur<br />
allgemein des historischen Zusammenhangs ihrer Entstehung und Zielrichtung zu vergewissern,<br />
sondern sich speziell mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und wieweit ihr<br />
theoretischer oder strategischer Erkenntniswert durch <strong>das</strong> spätere Versagen vor dem Faschismus<br />
»infiziert«, gemindert oder völlig aufgehoben wurde.<br />
Im vollen Bewußtsein der Tiefe jener historischen Zäsur, die von der Herrschaft des<br />
Faschismus in Mitteleuropa und seiner schließlichen Niederlage dank des entscheidenden<br />
Beitrags der Sowjetunion gekennzeichnet ist, scheinen mir die Positionsbestimmungen<br />
des Austromarxismus etwa bezogen auf die Strategie des demokratischen Weges<br />
zum Sozialismus, zusammengefaßt im Linzer Programm von 1926, zur <strong>kritische</strong>n<br />
Solidarität mit den sozialistischen Gesellschaften im Aufbau und nicht zuletzt zur Suche<br />
nach einer Synthese zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus bis heute eine<br />
Beschäftigung unter aktuellem Interesse zu verdienen. Zu jedem dieser Punkte wird<br />
uns der Streit zwischen den verschiedenen ideologischen Strömungen der Arbeiterbewegung<br />
noch lange beschäftigen. Es wäre gut, wenn dabei trotz der von Bruno Frei vorgeführten<br />
Beschwörung des Trennenden, <strong>das</strong> Verständnis für die gemeinsamen Traditionen,<br />
Einsichten und Zielsetzungen der westeuropäischen Linken an Rückhalt gewinnt.<br />
In diesem Sinne beharre ich auf dem Nutzen einer ergänzenden und nicht alternativen<br />
Lektüre der Arbeiten von Otto Bauer und Antonio Gramsci.<br />
Anmerkungen<br />
1 Arbcitskreis Westeuropäische Arbeiterbewegung (Hrsg.): Eurokommunismus und marxistische <strong>Theorie</strong> der Politik. Argument<br />
Sonderband AS 44. BerlmlWesr 19"'9. Darin: Detlev Albers: atta Bauer und <strong>das</strong> Konzept des Jointegralen Sozialismus .. , 83-<br />
102~ Volker Gransow/Michaei Krätke: Thesen zur polimchen TheorIe im AuStromarxismus. 103·121.<br />
Giacomo Marramao' Zum Problem der politISchen Demokratle in der <strong>Theorie</strong> atta Bauers, in: Detlev Albers, Josef Hindels.<br />
Lucio Lombardo Radier: (Hrsg.); Oua Bauer und der .drine« Weg. Die W'iederentdeckung des Austro.marxismus durch Linkssozialisten<br />
und Eurokommunisten: Frankfurt! M, 19:-9. 61. Dort findet sich auch der vollständige Text meines in AS 44 nur auszugsweise<br />
abgedruckten Beiuags.<br />
3 Der ÜberSichtlichkeit nalber selen die betreffenden Sätze hier noch einmal Wiedergeben: _Ist dadurch Ouo Bauers Konzeption<br />
des 'Integralen SOZIalismus' uberholt? In wesentlichen Teilen Ihrer ursprünglichen Ableitung gewiß und Sicherlich auch dort.<br />
wo Bauer unmittelbare orgamsatlonspolitische Konsequenzen aus seinem Vorschlag glaubt ablenen zu kannen (wie etwa jene<br />
des Einmtts der Kommunisten in die großen SOZialdemokratischen Massenpaneien. wo jene nur über ganz kleine Parteien verfügen).<br />
Aber gerade weil die Angewlesenhen belder Richtungen der Arbeiterbewegung auf den fnedlichen, nicht-gewaltsamen<br />
W'eg zum SOZialismus. ob es gefällt oder nICht. dIe strategischen Übereinstimmungen zwischen ihnen objektiV vergroßert statt<br />
verkleinert hat. gerade deshalb behält auch die Konzeption des 'Integralen Sozialismus' zwar nicht als buchstäbliche Organisationsrichtlime<br />
und anders als es ihrem Urheber vermutlich vorschwebte: wohl aber als wesentlIcher Denkanstoß. als unzweideutiges<br />
Bekenntnis zu den Gemeinsamkeiten der ArbeIterbewegung und nicht zuletzt als beispIelhafte Begründung elOes<br />
kritisch-solidarischen Verhältnisses zu den bereItS eXistierenden sozialistischen Ländern ihre für die heutige Arbeiterbewegung<br />
aktuelle Bedeutung~ lAS 44. 94),<br />
Max Adler' Die Sraatsauffassung des Marxismus. ~'ien 1922, 10. Hervorhebungen bel Adler.<br />
DAS ARGUMENT 12011980 &