02.03.2014 Aufrufe

das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

211<br />

Ursula Rünen<br />

Vereinigte Arbeit und kollektive Politik in Jugoslawien<br />

Jugoslawien hat schon seit langem einen Stammplatz in der politischen Literatur und<br />

den Kommentarspalten der westlichen Medien. Hatte es doch vor gut 30Jahren eine ~<br />

nicht zuletzt für uns tastende Demokraten in der Bundesrepublik ~ reizvolle Konsequenz<br />

aus jenem Bruch mit dem Ostblock gezogen, nämlich Abkehr vom erstarrten<br />

Dogma des »realen Sozialismus« und Offenheit für eine spezifische politische und gesellschaftliche<br />

Identität. Bleibt man beim Maßnehmen am spitzen Bleistift westlicher<br />

Publizisten, so hat es mehr und mehr den Anschein. als ob bei diesen der Popularitätskurs<br />

des jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus ähnlich inflationäre Tendenzen<br />

aufweist wie der Kurs des jugoslawischen Dinar. Der Jahre überdauernde Vertrauenskredit<br />

auf <strong>das</strong> jugoslawische Modell eines demokratischen Sozialismus scheint zu<br />

schrumpfen. l Nicht selten sind Kassandrarufe zu vernehmen, die den Abtritt von<br />

Staats- und Parteichef Tito von der politischen Bühne seines Landes mit einem Staatsbankrott<br />

gleichsetzen.<br />

Dabei hat sich in jüngster Zeit wahrnehmbar <strong>das</strong> Bemühen führender jugoslawischer<br />

Kreise verdichtet, <strong>das</strong> Schwergewicht demokratischer und stabilitätsorientierter Errungenschaften<br />

des Landes auf die Haben-Seite seines gesellschaftspolitischen Kontos zu<br />

verlagern. Signifikante Merkmale dieser Bestrebungen:<br />

<strong>das</strong> Gesetz über die vereinigte Arbeit (1976)<br />

kollektive politische Führung<br />

Edvard Kardeljs Thesen über den »Pluralismus der Selbstverwalrungsinteressen« (als<br />

Komponente richrungsweisender gesellschaftspolitischer Grundsätze auf dem 11.<br />

Bundeskongreß des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens [BdKJl im Juni 1978).<br />

Gesellschaftliche Selbstverwaltung ~ Fortsetzung der Revolution mit anderen Mitteln<br />

Den jugoslawischen Selbstverwaltungs-Sozialismus auf den Begriff zu bringen setzt<br />

zunächst voraus, ihn nicht als Modell für andere Länder zu plakatieren. Die Selbstverwaltung<br />

in Jugoslawien hat eine eigene Geschichte und ein eigenes Selbstverständnis<br />

von gesellschaftlichen Zielen und Mitteln. Die jugoslawische Gesellschaft ist geprägt<br />

durch einen kaum übertragbaren intranationalen Interessenpluralismus. Hier ist Selbstverwaltung<br />

~ nach dem Volksbefreiungskampf von 1941 bis 1945 ~ ein weiteres Kapitel<br />

einer sozialistischen Revolution; der Enrwicklungsprozeß 111 Richtung einer Lebensgemeinschaft<br />

freier, sich selbst bestimmender Menschen ohne staatliches Reglement.<br />

Im besonderen bedeutet jugoslawischer Selbstverwaltungssozialismus ein Kommunikationssystem.<br />

Die bloße Reduktion auf <strong>das</strong> ökonomische Cmfeld einer innerbetrieblichen<br />

Selbstverwaltung wäre ebenso unzulänglich wie es der Versuch ist, vom bürgerlich-kapitalistischen<br />

Vorverständnis eines Mitbestimmungsmodells ausgehend konvergenztheoretische<br />

Bande mit dem jugoslawischen System knüpfen zu wollen 2 Die Forderung<br />

nach Mitbestimmung ist in der Tat in erster Linie eine innerbetriebliche Angelegenheit.<br />

Ihre Wirkungsweise beruht auf Zusammenarbeit und Partnerschaft der Produzenten<br />

auf der einen und der Kapitaleigentümer auf der anderen SeHe. Die Problematik<br />

divergierender Klasseninteressen bleibt ebenso ausgeklammert wie deren Neubestimmung<br />

(einer »erweiterten Arbeiterklasse«).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!