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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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202 Bernd Giib/er<br />

die Alternativentwürfe am Kernpunkt wirklicher Gesellschaftsveränderung vorbei.<br />

Es gehört also zu elner verantwortlichen Diskussion über die Spontiströmung. Erscheinungen<br />

der Verfestigung bürgerlichen Krisenbewußtseins zu benennen. Thomas<br />

Waldhubel referiert, daß der »unüberschaubare universitäre Arbeitsproze&< von den<br />

Spontis für den erlebten Frust ve-rantwortlich gemacht werde. Dieser universitäre Arbeitsprozeß<br />

ist aktuell bestimmten Veränderungen unterlegen, hinter denen eine umfassende<br />

Konzeption reaktionärer Krisenbewältigung steckt. Das Hochschulrahmengesetz<br />

ist für diese Konzeption <strong>das</strong> Durchsetzungsinstrument. Es sieht für die Masse der<br />

Studenten Dequalifizierung ihres Arbeitsvermögens vor. Wenn auch im Zuge des wissenschaftlich-technischen<br />

Fortschritts insgesamt eine Ausweitung der akademisch qualifizierten<br />

Intelligenz zu verzeichnen ist, so darf doch über den inneren Wandel der sozialen<br />

Stellung dieser Intelligenzkategorien nicht hinweggesehen werden. Das Dequalifizierungskonzept<br />

sieht für die Masse der Studenten Kurzstudiengänge vor, in denen<br />

sie für Berufszweige in Büros und Verwaltungen ausgebildet werden sollen. also als<br />

nächste Opfer der folgenden kapitalistischen Rationalisierungswelle schon auserkoren<br />

sind. Der Hintergrund der erlebten Uni-Situation ist ein tiefgreifender sozialer Deklasslerungsprozeß.<br />

Im Studium selbst wird dieser Prozeß als Paradoxon erlebt. Der Sinn<br />

des Studiums als Vorbereitung auf eine konktete nützliche Tätigkeit geht zunehmend<br />

verloren, für eine unsichere Perspektive soll immer mehr geleistet werden. Das auch<br />

von Waldhubel konstatierte Bewußtsein existentieller Entwurzelung reflektiert diesen<br />

Tatbestand.<br />

Mit Lerevre sind wir der Meinung, daß es für die gesellschaftliche Orientierung der<br />

Studenten bedeutend ist, »ob und wieweit (sie) sich bereits während ihres Studiums antizipativ<br />

als Träger ihres zukünftigen Berufs zu verstehen vermögen.«2 Davon hängt ab,<br />

inwieweit die soziale Veränderung rational verarbeitet wird. Aus dieser sozialen Veränderung<br />

können neue Ansprüche an die eigene Tätigkeit enrwickelt werden. Mit dem<br />

bewußten Anschluß an den gewerkschaftlichen Interessenkampf und dem Versuch, Ansprüche<br />

der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen in die eigene Berufstätigkeit aufzunehmen,<br />

kann der Widerspruch zwischen eigenem »Berufsstolz« und seiner Sinnentleerung<br />

durch kapitalistische Verwertung, d.h. letztlich zwischen Produktivkraftentwicklung<br />

und Produktionsverhältnissen, ausgetragen werden. Der Angriff würde so<br />

dem kapitalistischen Charakter der Vergesellschaftung der Arbeit, der die Verkrüppelung<br />

des individuellen Arbeiters nach sich zieht, gelten.<br />

Die Reaktion der spontaneistischen Strömung auf die Vergesellschaftungsprozesse<br />

sieht aber oft anders aus. Die persönliche Leere, die Sinnktise wird gespürt, dagegen<br />

wird dann <strong>das</strong> Sinnerlebnis selbst zum Ziel der Spontipraxis (12). Dieses Ziel wird aber<br />

nicht aus der eigenen sozialen Lage entwickelt, sondern jenseits von Wissenschaft und<br />

Interessenkampf in erlebter und ausgelebter Subjektivität gesehen. Wo in solcherart<br />

»konkreter Uropie« der »erfrischende Realismus« steckt, der »<strong>das</strong> Studium als <strong>das</strong> nehme,<br />

was es ist, Ausbildung zum Beruf« (17), bleibt <strong>das</strong> Geheimnis des Autors.<br />

Das Entstehen der Spontibewegung als Reflex auf die durch die kapitalistische Krise<br />

beschleunigte Deklassierung großer Teile der Intelligenz zu fassen, beleuchtet die klassenmäßige<br />

Grundlage dieser Strömung. Sie zeigt sich im Bewußtsein der Spontis, ist<br />

aber allein sicher nicht hinreichend zur Erklärung dieser spezifischen Bewußtseinsausprägung.<br />

Hier sind weitere politische Vermittlungen zu beachten. Die anhaltenden<br />

Rechtstendenzen in der Gesellschaft, der Versuch, soziale und demokratische Errun-<br />

DAS ARGLMENT 120/1980 :i'

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