Das Argument 88 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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944 Besprechungen<br />
Fritz, Axel: Ödön von Horvâth als Kritiker seiner<br />
Zeit. Taschenbücher der Wissenschaft, Bd. 1446. List Verlag,<br />
München 1973 (291 S., br., 12,80 DM).<br />
Es ist das erklärte Ziel der Arbeit von Fritz, Horvâth als Kritiker<br />
der sozialen und politischen Verhältnisse Deutschlands und Österreichs<br />
zwischen den Kriegen darzustellen. Dieser Ansatz entspricht<br />
einer wesentlichen Problemschicht in Horvâths Werk, er formuliert<br />
sich aber auch aus einem Widerspruch zu jener Variante der Horväth-Interpretation,<br />
die seine Gestalt eher auf das Irrationale und<br />
Intuitive zu reduzieren sucht. Verf. seinerseits leugnet keineswegs<br />
den durchaus vorhandenen metaphysischen Einschlag im Werk Horvâths<br />
(besonders in den Romanen); auch ist Horvâths Wende um<br />
1933, die nicht nur eine Abkehr vom Volksstück, sondern auch eine<br />
„Verlagerung der Perspektive von der kollektiven Moral zur individuellen"<br />
mit sich bringt (23), mehrmals expliziter Gegenstand der<br />
Analyse. Was die Gründe für diese Wandlung betrifft, so bleibt es<br />
freilich bei Mutmaßungen; Fritz verweist u. a. auf Horvâths Exilsituation.<br />
Wesentlicher scheint die radikale Wandlung der gesamten<br />
politischen und sozialen Situation mit dem Beginn der faschistischen<br />
Diktatur eingewirkt zu haben. Es ist kaum möglich, sich Horvâths<br />
Volksstücke nach 1933 bruchlos fortgeführt zu denken. <strong>Das</strong> Element<br />
dieser Dramaturgie, in dem sie sich allein herstellen und entfalten<br />
konnte, war offenbar die gesellschaftliche Szenerie der 20er Jahre.<br />
Maßgebend für Horvâths nach 1933 eher individualistische Problemsicht,<br />
wie sie in den Romanen „Jugend ohne Gott" und „Ein Kind<br />
unserer Zeit" zu beobachten ist, war ferner, wie Fritz mit Grund<br />
annimmt, ein resignierendes Mißtrauen in kollektive Prozesse und<br />
Lösungen, deren Manipulierbarkeit er als Lehre aus dem Sieg des<br />
Faschismus gezogen hatte. Anzumerken bleibt allerdings, daß das<br />
zeit<strong>kritische</strong> Potential auch dieser Romane nicht unterschätzt werden<br />
darf.<br />
Etwa seit Mitte der 20er Jahre ist das Zeitgeschehen definitiv im<br />
Blickfeld Horvâths, die Perspektive kritisch-links. Dabei stellt Horvâth<br />
die politische Szenerie mehr oder minder vereinfachend antithetisch<br />
dar: hier konservativ-reaktionär, dort progressiv-links, wobei<br />
er in der dramatischen Vergegenwärtigung, etwa im „Sladek"<br />
oder in der „Italienischen Nacht", gern auf vorgefertigtes Sprachmaterial<br />
zurückgreift. Der immer wieder montierte Propagandajargon<br />
des konservativen und völkischen Heimatkultes, seine antisemitischen<br />
und militaristischen Phrasen diskreditieren diesen wirkungsvoll.<br />
Dabei ist zu berücksichtigen, daß Horvâth in den „Endfassungen"<br />
manches abschwächte. Es ist ein wesentliches Verdienst dieser<br />
Arbeit, neben den bekannten Texten auch die Masse der kaum bekannten<br />
Entwürfe mit heranzuziehen. Der satirisch-karikaturistischen<br />
Schärfe, mit der die Rechtsradikalen gezeichnet werden, entspricht<br />
auf der Seite der Vertreter marxistischer Ideen (vgl. Martin<br />
in der „Italienischen Nacht") eine diskrete Ironisierung, die nach<br />
Fritz eine „Distanz zum Gegenstand" schafft und so Horvâths eigene