Das Argument 88 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Sprach- und Literaturwissenschaft 947<br />
„Aktion" nach dem Kriege zum „Spartakusbund" linkskommunistischer<br />
Organisationen (1926) und nicht zuletzt auch Pfemferts eigene<br />
Annäherung an anarchistisch-linksradikale Strömungen, korrespondieren<br />
mit den skizzierten Bewußtseinsstrukturen, die Peter überzeugend<br />
herausarbeitet.<br />
Dennoch dürfen nicht die Versuche übersehen werden, die Annäherung<br />
an das Proletariat praktisch werden zu lassen. Etwa bei<br />
Oskar Kanehl, Max Herrmann-Neiße, Albert Ehrenstein, Erich<br />
Mühsam (nach der Zerschlagung der Revolution in München) und<br />
anderen entwickelt sich ein neues, anderes Bewußtsein von den Aufgaben<br />
des Schriftstellers und seinem politischen Standort. Gleichzeitig<br />
entsteht eine Agitationslyrik, die ästhetisch neue Qualitäten<br />
aufweist: „Die Fetischisierung des poetischen Wortes als politische<br />
Potenz wich einer Instrumentalisierung des Gedichtes und mithin<br />
der Einsicht, daß Poesie nicht eo ipso gesellschaftliche Wirkung erlangt,<br />
sondern der Umsetzung in revolutionäre Praxis bedarf, soll<br />
die ihr inhärente politische Intention verwirklicht werden" (136).<br />
Damit wird eine sich durch die bisherige Expressionismus-Forschung<br />
hindurchziehende Behauptung widerlegt, die Schlußphase des Expressionismus<br />
sei eine literarisch uninteressante Modebewegung<br />
von ästhetisch minderwertigem Rang.<br />
Peter liefert mit seiner fundierten Analyse der „Aktion" auch<br />
reichhaltiges Material für eine <strong>kritische</strong> Rezeption der sog. „Expressionismus-Debatte".<br />
Die Debatte selbst streift er allerdings nur<br />
kursorisch, die Positionen Brechts z. B. werden nicht diskutiert.<br />
Hermann Körte (Bochum)<br />
Scharang, Michael (Hrsg.): Über Peter Handke. Suhrkamp<br />
Verlag, Frankfurt/M. 1972 (393 S., br., 10,— DM).<br />
Handke, Peter: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms.<br />
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1972 (233 S., br., 5,—<br />
DM).<br />
Handke, Peter: Wunschloses Unglück. Residenz Verlag,<br />
Salzburg 1972 (99 S., gb., 12,80 DM).<br />
Die Besprechungsrituale der offiziösen Kritik dokumentiert der<br />
Band „Über Peter Handke"; die Textauswahl ist ein Potpourri aus<br />
Rezensionen und Aufsätzen, denen zumeist Sensibilität nicht abgesprochen<br />
werden kann, wohl aber analytische Schärfe. Es dominieren<br />
die liberalen Großkritiker und Handke-Verehrer, die jeweils mit<br />
mehreren Beiträgen aufwarten (Bohrer, Baumgart, Karasek, Rühle,<br />
Wendt, Iden); einige österreichische Dichter dürfen argen Unsinn,<br />
den sie für Witz halten mögen, äußern; die konservative Position<br />
ist auch vertreten (Werner Weber, Krämer-Badoni, Ignée, Schulze-<br />
Vellinghausen). Dagegen erscheint die marxistische Handke-Kritik,<br />
deren Auseinandersetzung mit der bürgerlichen das Zentrum eines<br />
solchen Buches bilden sollte, nur am Rand und per Kontext neu-