Das Argument 88 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Soziologie 961<br />
tersucht er den algerischen Befreiungskrieg unter dem Gesichtspunkt,<br />
inwieweit er als Revolution anzusehen ist, und versucht dann<br />
das algerische Entwicklungsmodell zu analysieren. Tibi kommt zu<br />
dem Schluß, daß Algerien heute ein vom Militär beherrschtes Land<br />
ist, in dem zwar Modernisierungsprozesse vorangetrieben werden,<br />
nicht aber der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft (74). Tibi<br />
versucht aufzuzeigen, wie sich eine revolutionäre Befreiungsbewegung<br />
im Verlauf der postkolonialen Entwicklung zu einer konservativen<br />
Kraft entwickeln kann, wie diese Entwicklung bereits in der<br />
Struktur der nationalen Bewegung angelegt ist (78), wie unter der<br />
Oberfläche der vom Militärregime beschworenen klassenlosen Nation<br />
nach wie vor soziale Konflikte schwelen (75) und daß in der algerischen<br />
Gesellschaft demokratische Strukturen gegenwärtig nicht<br />
existieren (77). — In seinem zweiten Beitrag „Die tunesische Unabhängigkeitsbewegung<br />
und ihr Werdegang im Dekolonisationsprozeß<br />
— Vom Antikolonialismus zum .konstitutionellen Sozialismus'" skizziert<br />
Tibi die Rolle des nationalistischen Kleinbürgertums bei der<br />
Dekolonisation. Er zeigt auf, wo die Grenzen seines Antikolonialismus<br />
liegen und charakterisiert das von dieser Klasse aufgebaute<br />
Herrschaftssystem. Der Aufsatz von Grohs „Tanzania — Zur Soziologie<br />
der Dekolonisation" macht deutlich, „daß es in den ersten Jahren<br />
nach der Unabhängigkeit weder gelungen war, ein Modell einer sozialistischen<br />
afrikanischen Gesellschaft zu entwerfen, noch die Widersprüche<br />
einer weitgehend noch in kolonialen Strukturen lebenden<br />
Landwirtschaft, Industrie und Handelsorganisation zu überwinden"<br />
(132). Grohs kommt am Ende seiner Analyse zu dem Schluß, daß das<br />
tansanische Modell die durchdachteste Konzeption des Sozialismus in<br />
Afrika darstellt, daß es aber in zunehmendem Maße auf seine Grenzen<br />
stößt, die durch ein von der Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus<br />
und Sozialismus geprägtes Weltsystem determiniert werden<br />
(144). — Wohlmuth legt in seinem Beitrag „Sambia — Modell<br />
einer gescheiterten Dekolonisation" die Schwerpunkte auf die Interpretation<br />
der Unabhängigkeit in Sambia, die wesentlichen Dispositionen<br />
in der sambianischen Entwicklung, die Determinanten der<br />
Abhänggkeit, die ökonomische Position der verschiedenen sozialen<br />
Gruppen, die Rolle der sozialen <strong>Institut</strong>ionen und Gruppen im Dekolonisationsprozeß<br />
und die Ergebnisse der sambianischen Dekolonisierungspolitik<br />
nach 1964. Wohlmuth erkennt, daß der Sozialismus<br />
in Sambia als „staatliche Politik der Verbesserung von Lebensbedingungen<br />
der Sambianer" interpretiert wird (148). Die grundlegenden<br />
Voraussetzungen dafür, nämlich die Änderung der Produktions-<br />
und Eigentumsverhältnisse, werden in Sambia nicht benannt<br />
und realisiert. So ist es möglich, daß heute eine kleine parasitäre<br />
Schicht den Staatsapparat kontrolliert (149). Die Dekolonisation<br />
ist in Sambia gescheitert. — Dem Aufsatz von Ute Luig „Ugandas<br />
Weg über die koloniale in die neokoloniale Abhängigkeit" liegt die<br />
zentrale These zugrunde, „daß es weder Milton Obote noch Idi Amin<br />
gelingen konnte, die kolonial induzierten und verschärften inneren<br />
und äußeren Widersprüche aufzuheben" (191). Sie legt dar, daß alle