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Das Argument 88 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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845<br />

Werner Haberditzl<br />

Sir Karls neue Kleider<br />

Bemerkungen zu Poppers Entwurf einer <strong>Theorie</strong> der<br />

objektiven Erkenntnis<br />

„Nach meiner Auffassung ist der größte Skandal der Philosophie,<br />

daß, während um uns herum die Natur — und nicht nur sie — zugrunde<br />

geht, die Philosophen weiter darüber reden — manchmal<br />

gescheit, manchmal nicht —, ob diese Welt existiert. Sie treiben<br />

Scholastik, beschäftigen sich mit sprachlichen Problemen wie dem,<br />

ob es Unterschiede zwischen ,sein' und ,existieren' gibt. ... Unter<br />

diesen Umständen muß man sich entschuldigen, wenn man Philosoph<br />

ist, besonders wenn man (wie ich es, wenn auch nur nebenbei,<br />

vorhabe) etwas ausspricht, was eine Trivialität sein sollte, nämlich<br />

den Realismus, die These, daß die Welt wirklich ist. Welche Entschuldigung<br />

habe ich?<br />

Folgende. Wir haben alle unsere Philosophien, ob wir dessen<br />

gewahr werden oder nicht, und die taugen nicht viel. Aber ihre<br />

Auswirkungen auf unser Handeln und unser Leben sind oft verheerend.<br />

Deshalb ist der Versuch notwendig, unsere Philosophien durch<br />

Kritik zu verbessern. <strong>Das</strong> ist meine einzige Entschuldigung dafür,<br />

daß es überhaupt noch Philosophie gibt." (44)<br />

Mit dieser „Entschuldigung", die jedoch eine Anklage sein soll,<br />

leitet Popper im zweiten Aufsatz seines neuen Buches „Objektive<br />

Erkenntnis" 1 ein energisches „Plädoyer für den Realismus des Alltagsverstandes<br />

und gegen die Erkenntnistheorie des Alltagsverstandes"<br />

ein. <strong>Das</strong> Zitat macht deutlich, daß es bei dieser Sammlung von<br />

Vorträgen und Aufsätzen Popper besonders darum geht, seine als<br />

„realistisch" deklarierte Erkenntnistheorie schärfer als früher gegenüber<br />

dem Neopositivismus abzugrenzen. Die erkenntnistheoretischen<br />

Positionen, die Popper bereits in seinen Büchern „Logik der Forschung"<br />

2 und „Conjectures and Refutations" 3 abgesteckt hat, werden<br />

hier weiter ausgebaut und vor allem verdeutlicht.<br />

Der aufmerksame Leser wird in einigen versteckten Fußnoten<br />

überraschenderweise beinahe respektvolle Erwähnungen des Begriffs<br />

„Materialismus" entdecken. (Noch in „Logik der Forschung"<br />

tauchte dieser Begriff nur einmal auf, und zwar synonym mit „mechanistisch".)<br />

Diese scheinbar nebensächliche Feststellung führt jedoch<br />

auf das in fast allen Aufsätzen auftretende, nicht nur für Pop-<br />

1 Popper, Karl Raimund: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer<br />

Entwurf. Hoffmann und Campe, Hamburg 1973 (417 S„ br., 36,— DM);<br />

englisches Original: Objective Knowledge. Oxford 1972.<br />

2 K. R. Popper: Logik der Forschung. Wien 1934.<br />

3 K. R. Popper: Conjectures and Refutations. London 1963.

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