Das Argument 88 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Geschichte 1005<br />
an der Oberfläche bleibende „Sozialreformen" zu befrieden. Und<br />
zum anderen in der, von Düding unter dem Einfluß der sozialliberalen<br />
Koalition über Gebühr betonten sozialliberalen Kontinuität, die<br />
der Verfasser mehrfach zur modischen Legitimierung seines Themas<br />
heranzieht (etwa 10, 199).<br />
<strong>Das</strong> nationalsoziale Konzept bestand nach Düding darin, „die<br />
divergierenden politischen Strömungen des Nationalismus und des<br />
Sozialismus für den Verein zu konstitutiven politischen Ideengehalten<br />
zu machen. Dies geschah, indem man einerseits im Bürgertum<br />
um Verständnis für eine aktive Sozialpolitik warb, andererseits um<br />
die Weckung des nationalen Gedankens in der Arbeiterschaft bemüht<br />
war" (9). Die zumindest proklamierte Synthese von Liberalismus<br />
und Sozialismus läßt den Nationalsozialen Verein nach eigenem<br />
Verständnis schließlich als „Protagonist einer ,gesamtliberalen'<br />
Bewegung, eines neuen, regenerierten proletarisch-bürgerlichen Gesamtliberalismus"<br />
erscheinen.<br />
In seiner Darstellung, die Düding als einen „Kompromiß zwischen<br />
systematischer und chronologischer Untersuchung" versteht (14), versucht<br />
er eingangs, die gesellschaftlich-politischen Antagonismen zu<br />
benennen, die Programmatik und Taktik des Nationalsozialen Vereins<br />
prägten. Dem Junkertum als einflußreichster Gruppe der alten<br />
Elite stand eine gespaltene bürgerliche, sekundär integrierte (Sauer)<br />
Bewegung gegenüber: die nationalliberale Gruppierung, die die<br />
anti-emanzipatorische Sammlungspolitik mittrug und „auf der Ebene<br />
des Kompromisses mit der monarchisch-konservativen Staatsgewalt<br />
(kooperierte)", und den linksliberalen Gruppen (das „fortschrittliche<br />
Bürgertum" [16]), die — zumindest verbal — auf ihrer Forderung<br />
„von der Priorität der politischen Freiheit vor der nationalen Einheit"<br />
beharrten (ebd.). Beide Einstellungen des Bürgertums wertet<br />
Düding zu Recht als verschiedene Richtungen „bürgerlicher Emanzipationsbestrebungen",<br />
ohne daß er sich mit den dahinter verborgenen<br />
Emanzipationskonzeptionen auseinandersetzt. Die Differenzierung<br />
des Bürgertums liefert Düding zufolge eine wichtige Ursache<br />
und gleichermaßen die Folie für die Entstehung verschiedenster liberaler<br />
Gruppierungen (18). Den zweiten Hauptgrund für die Gründung<br />
des Nationalsozialen Vereins vermutet er in der anwachsenden<br />
Arbeiterbewegung, die in ihrer sozialen Problematik von den liberalen,<br />
in der Beurteilung der sogenannten „Sozialen Frage" zum<br />
Manchestertum tendierenden Parteien zunächst nicht erkannt wurde.<br />
Innerhalb des skizzierten weitgefaßten Rahmens rekonstruiert Düding<br />
in einer für die von Schieder beeinflußte moderne geisteshistorische<br />
und organisationsgeschichtliche Parteienforschung typischen<br />
Weise die Lösung einer kleinen Gruppe jüngerer Christlich-Sozialer<br />
um Friedrich Naumann von Stöckers antisemitischer Bewegung in<br />
der Absicht, eine eigenständige Arbeiterbewegung zu gründen, deren<br />
Kennzeichen die Ablehnung des Marxismus und die Befürwortung<br />
von Reformen — z. B. in Zusammenarbeit mit dem revisionistischen<br />
Flügel der SPD und den Gewerkschaften — war. Daß sich langfristig<br />
nicht einmal dieses Ziel durchhalten ließ, wurde bereits in der Grün-