Ein Jahr wie im Flug - Internet World Business
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E-COMMERCE<br />
28 <strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS<br />
23. Dezember 2013 26/13<br />
Bilder (v.l.n.r.): Serie Peeled Untitled 2009 (Chad Coombs); Creationism 2011<br />
(Lissy Elle); Panic Spaces IV – The Future Remembered (Noémie Stegmüller);<br />
Stolz (Vineeta Oertel-Kaltz). Alle Bilder: Allyoucanart.de<br />
ONLINE-KUNSTVERLEIH<br />
Die Kunst zu mieten<br />
Online-Portale bieten Kunst nicht nur zum Verkauf, sondern auch zur Miete an – und sprechen so neue Zielgruppen an<br />
in Bild muss her, so viel steht fest: Die<br />
EWand über dem Sofa – sie wartet schon<br />
viel zu lang weiß und leer auf den<br />
geschmackvollen Farbtupfer. Doch die<br />
gängigen Motive, die es in Möbelhäusern<br />
zu kaufen gibt, sind irgend<strong>wie</strong> nicht das<br />
Wahre. Was also macht der „Kunst-Laie“?<br />
Woher weiß er, dass ein teures Kunstwerk<br />
„An klassischen Maßstäben<br />
des Profits sollte man das<br />
nicht orientieren“<br />
TILL BRÄUNING<br />
Gründer Die Artothek<br />
auf Dauer das richtige für seine Wohnz<strong>im</strong>merwand<br />
ist? 2012 hat Till Bräuning<br />
gemeinsam mit seiner Schwester Die Artothek<br />
gegründet. Das Online-Portal bietet<br />
Kunstwerke an, die nicht nur gekauft, sondern<br />
auch gemietet werden können.<br />
Größere Auswahl, mehr Übersicht<br />
In Galerien trauen sich, so Bräuning, oft<br />
nur erfahrene Kunstsammler: „Für viele<br />
andere ist die Hemmschwelle zu groß.<br />
Man weiß nicht, <strong>wie</strong> das in einer Galerie<br />
funktioniert, weiß nichts über den Künstler<br />
und hat keine Vorstellung davon, was<br />
ein Bild kosten könnte.“ Stöbern in einem<br />
Online-Portal ist da entspannter. Das Angebot<br />
ist meist größer, eine „Besichtigung“<br />
weder zeit- noch ortsgebunden. Und Informationen<br />
zu Werk, Preis und Künstler<br />
sind meist sofort ersichtlich.<br />
Zudem muss sich der Kunde durch die<br />
Mietmöglichkeit nicht langfristig an ein<br />
Kunst-Plattformen <strong>im</strong> Netz<br />
■ Allyoucanart: www.allyoucanart.de<br />
Gegründet 2009<br />
Verkauf und Vermietung zeitgenössischer<br />
Kunst, Verkauf ausgewählter Fotografien in<br />
„Customized“-Formaten (individuelle Größen<br />
und Formate)<br />
■ Die Artothek: www.dieartothek.de<br />
Gegründet 2012<br />
Verkauf und Vermietung zeitgenössischer<br />
Kunst<br />
Kunstwerk binden. „Man muss den Leuten<br />
einfach mal die Chance geben, auszuprobieren,<br />
was zu Hause funktioniert“,<br />
sagt Bräuning. Gefällt es, kann es weiter<br />
gemietet oder gekauft werden. Gefällt es<br />
nicht (mehr), wird es zurückgegeben.<br />
Mit ihrer Idee, ein Online-Portal zu<br />
gründen, auf dem Kunst auch verliehen<br />
wird, waren Lotte und Till<br />
Bräuning nicht die ersten.<br />
Claudia Scholz rief 2009<br />
Allyoucanart ins Leben,<br />
bereits 2004 wurde die Kunst<br />
Arbeitsgemeinschaft (Kunst.<br />
ag) gegründet. Scholz und<br />
Bräuning verstehen ihre Seiten<br />
als Online-Galerien. Sie<br />
organisieren den Kauf- und<br />
Vermietungsprozess und wählen selbst<br />
aus, was dort angeboten wird. Bei Kunst.ag<br />
sind die Künstler für die Abwicklung<br />
von Verkauf und Vermietung<br />
verantwortlich. Die Artothek<br />
und Allyoucanart finanzieren<br />
sich durch Provisionen. Die<br />
Künstler der Kunst Arbeitsgemeinschaft<br />
zahlen einen Monatsbeitrag<br />
von vier Euro.<br />
Viel Aufwand fürs Geld<br />
■ Grand Art Club: www.grandartclub.com<br />
Gegründet 2012<br />
Verkauf von Werken der bildenden Kunst,<br />
keine Vermietung, Besonderheit: „virtuelles<br />
Wohnz<strong>im</strong>mer“ (Das Kunstwerk wird <strong>im</strong><br />
Browser in ein hochgeladenes Bild eingefügt)<br />
■ Kunst Arbeitsgemeinschaft: www.kunst.ag<br />
Gegründet 2004<br />
Präsentationsplattform für Galerien und<br />
Künstler<br />
Die <strong>Ein</strong>nahmen reichen aus, um<br />
die Portale zu finanzieren, mehr<br />
geht kaum. „<strong>Ein</strong> Nullsummenspiel“,<br />
so Till Bräuning. „Die<br />
Artothek ist ein Kunstprojekt. An<br />
klassischen Maßstäben des Profits sollte<br />
man das nicht orientieren.“ Das Vermieten<br />
von Kunst ist ein nicht ganz einfaches<br />
Geschäftsfeld. „Bei jeder Vermietung<br />
trage ich das Risiko mit, dass etwas schiefgehen<br />
kann und ich ein beschädigtes Bild<br />
<strong>im</strong> Streitfall selbst zahlen muss.“<br />
In der Kunst Arbeitsgemeinschaft bieten<br />
deshalb nur wenige Künstler ihre<br />
Werke als Leihgabe an. „Ich denke, ein Teil<br />
fürchtet sicher das Risiko und den Aufwand“,<br />
mutmaßt deren Betreiber Matthias<br />
Klopp, der gleichzeitig Inhaber einer<br />
Ideenagentur in Berlin ist. Auch für den<br />
Grand Art Club, ein weiteres Online-<br />
Kunstportal aus Hamburg, ist das Vermieten<br />
noch mit zu vielen Sch<strong>wie</strong>rigkeiten<br />
verbunden: „Wir haben das ursprünglich<br />
angedacht, nehmen <strong>im</strong> Moment aber noch<br />
davon Abstand“, sagt Sebastian Braun,<br />
einer der drei Gründer. „Wir wollen erst<br />
das Kerngeschäft, den Verkauf, anschieben.“<br />
Die größten Probleme sieht er in den<br />
hohen Transportkosten und dem in<br />
Deutschland geltenden Widerrufs- und<br />
Die Gründer des Grand Art Club: Sebastian Braun,<br />
Stanislaw Schmidt und Karol Domagalski (v. l. n. r.)<br />
Rückgaberecht, das jedem Verbraucher<br />
bei einem Online-Handel zugesprochen<br />
wird. Werden zu viele Werke reklamiert,<br />
seien die <strong>Ein</strong>nahmen aus Mietprovisionen<br />
zu gering. „Für jemanden, der seine eigenen<br />
Bilder direkt vermietet, könnte das<br />
aber durchaus ein lohnendes Geschäft<br />
sein“, meint Braun.<br />
Scholz und Bräuning halten an der<br />
Miet-Option fest, auch weil die Online-<br />
Portale sie nicht ernähren müssen. Die Artothek-Macher<br />
besitzen in Hamburg eine<br />
Kunstgalerie, Allyoucanart-Gründerin<br />
Scholz ist Inhaberin einer Marketingagentur<br />
in München und sagt: „Ich bin in der<br />
glücklichen Situation, dass das nicht mein<br />
erstes Standbein ist. Ich kann das also mit<br />
der nötigen Muße betreiben.“<br />
■<br />
KERSTIN VIELLEHNER<br />
Interview<br />
Claudia Scholz<br />
gründete 2009 den<br />
Kunstverleih<br />
Allyoucanart<br />
■ www.allyoucanart.de<br />
„Bilder kommen selten zurück“<br />
Was gab den Ausschlag zur Gründung?<br />
Claudia Scholz: Die Idee ist aus einer<br />
Art Selbstbedarf heraus entstanden.<br />
Es hat mich geärgert, dass man tolle<br />
Kunst <strong>im</strong>mer kaufen muss und sich<br />
bei jedem Kauf entscheiden muss, ob<br />
man dieses Bild tatsächlich ein Leben<br />
lang in der Wohnung hängen haben<br />
will. Aber oft ist das ja gar nicht so<br />
und man will einfach nach einiger<br />
Zeit ein wenig Abwechslung.<br />
Was bieten Sie auf Ihrer Plattform an?<br />
Scholz: Derzeit arbeite ich mit 30<br />
Künstlern und Galerien zusammen.<br />
Es werden rund 60 Bilder zum Mieten<br />
und 200 Werke zum Verkauf angeboten.<br />
Circa 20 Bilder sind für den Bereich<br />
„Customized“ geeignet, das<br />
heißt, sie können in individuellen<br />
Formaten angefertigt werden. Welche<br />
Künstler ich aufnehme, entscheide<br />
ich selbst, weil ich will, dass da eine<br />
rote Linie zu erkennen ist.<br />
Was kommt häufiger vor: mieten oder<br />
kaufen?<br />
Scholz: Das kann ich schwer sagen, das<br />
Interesse am Mieten ist groß. Aber<br />
meist werden die gemieteten Werke<br />
dann auch gekauft. Es gibt nur wenige<br />
Bilder, die <strong>wie</strong>der zurückgehen.<br />
Welche Zielgruppe sprechen Sie an?<br />
Scholz: Das ist ganz unterschiedlich.<br />
Das sind natürlich einmal Privatpersonen,<br />
aber es sind auch viele Unternehmen,<br />
Arztpraxen oder Kanzleien,<br />
die sich einfach für eine gewisse Zeit,<br />
für einen best<strong>im</strong>mten Event, mit<br />
Kunst umgeben wollen.