Ein Jahr wie im Flug - Internet World Business
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<strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS MEINUNG<br />
23. Dezember 2013 26/13<br />
KOMMENTAR<br />
Das Schweigen<br />
der Fürsprecher<br />
Haben Sie in diesem <strong>Jahr</strong><br />
auch Weihnachtsgeschenke<br />
<strong>im</strong> Web bestellt?<br />
Dann willkommen <strong>im</strong><br />
Club der Innenstädtevernichter,<br />
Menschenausbeuter<br />
und Umweltschweine.<br />
Aber Glückwunsch,<br />
dass Sie Ihre<br />
Ware überhaupt bekommen<br />
haben. Schließlich<br />
Daniela Z<strong>im</strong>mer,<br />
Redakteurin<br />
weiß man ja, <strong>wie</strong> viele Ganoven sich <strong>im</strong> Web so<br />
herumtreiben.<br />
Fürwahr: <strong>Ein</strong>en besonders guten Ruf hatte der<br />
Handel in Deutschland noch nie. Doch die Hetzjagd,<br />
die derzeit quer durch die Medienlandschaft<br />
gegen den E-Commerce geführt wird, sucht<br />
schon ihresgleichen. Bei Günther Jauch darf<br />
Günter Wallraff dem Online-Handel mehr oder<br />
weniger unwidersprochen die ganze Schuld für<br />
das Verkümmern unserer Kultur in die Schuhe<br />
schieben. Der „Stern“ titelt marktschreierisch „Die<br />
Wahrheit über Amazon“ und stilisiert den E-Commerce-Riesen<br />
einmal mehr zur eiskalten Profitmaschine.<br />
Und Tageszeitungen überschlagen sich<br />
mit Verbrauchertipps unter der Headline „So<br />
schützen Sie sich vor der Abzocke <strong>im</strong> Netz“.<br />
Inzwischen trägt die anhaltende Negativkampagne<br />
gegen den Online-Handel erste Früchte: Im<br />
OC&C-Index der beliebtesten deutschen Handelsunternehmen<br />
rangierten <strong>im</strong> vergangenen <strong>Jahr</strong><br />
noch fünf Web-Händler unter den Top 20. Jetzt<br />
sind es nur noch zwei. Die Menschen bestellen<br />
zwar noch aus Bequemlichkeit <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, aber<br />
sie tun es nicht mehr mit einem guten Gefühl.<br />
Stellt sich die Frage: Wo bleiben eigentlich die<br />
Fürsprecher des Online-Handels? Wann melden<br />
sich die zuständigen Branchenverbände laut und<br />
vernehmlich mit Gegenargumenten gegen die<br />
harsche Kritik zu Wort? Über 800.000 Beschäftigte<br />
<strong>im</strong> Online-Handel und 43 Millionen deutsche<br />
Webshopper stehen unter Generalverdacht – und<br />
ihre Verteidiger schweigen. Das ist ein Skandal!<br />
Flat Design verkauft nicht<br />
Der neue Trend <strong>im</strong> Webdesign birgt für den E-Commerce große Probleme<br />
eduziert, vereinfacht, übersichtlich –<br />
RFlat Design beherrscht als neues Gestaltungsparadigma<br />
die Online-Welt. Gerade<br />
erst wurden Karstadt.de und Douglas.de<br />
flach designt relauncht. Mehr Usability und<br />
Orientierung sollen sie bieten. Doch verkaufen<br />
sie auch besser? Hilft Flat Design,<br />
mehr Interessenten in Käufer umzuwandeln?<br />
Anlass genug, die Entwicklung<br />
einmal kritisch zu hinterfragen.<br />
Was macht Flat Design so attraktiv für<br />
die Gestaltung und Strukturierung<br />
von User Interfaces? Es<br />
ist die aufgeräumte, zielgerichtete<br />
und klar strukturierte<br />
Optik, in der man sich besser<br />
zurechtfindet. Große Flächen<br />
und deutlich erkennbare Raster<br />
schaffen einen aufgeräumten<br />
Look und ermöglichen<br />
eine bessere Produktinszenierung.<br />
Im besten Fall entsteht<br />
der <strong>Ein</strong>druck von Wertigkeit<br />
und Eleganz. Außerdem macht es mobil.<br />
Flat Design ist hochgradig responsiv, eignet<br />
sich für Touchscreens und erleichtert<br />
somit die Opt<strong>im</strong>ierung für mobile Geräte.<br />
Orientierung wird erschwert<br />
So weit die Vorteile. Doch so widersprüchlich<br />
es klingt: Indem es den Überblick erleichtern<br />
soll, reduziert Flat Design zugleich<br />
die Differenzierungsmöglichkeiten<br />
und damit eben auch die Orientierung.<br />
Denn der Mensch ist es gewohnt, Dinge zu<br />
fokussieren und mehrd<strong>im</strong>ensional zu betrachten.<br />
Flat Design weicht davon ab und<br />
ist durch seine <strong>Ein</strong>d<strong>im</strong>ensionalität weniger<br />
intuitiv. Um nicht eintönig zu wirken,<br />
erfordert Flat Design den exzessiven <strong>Ein</strong>-<br />
GASTKOMMENTAR<br />
Matthias Steinforth<br />
Geschäftsführer der<br />
<strong>Internet</strong>-Agentur Kernpunkt<br />
GmbH in Köln<br />
■ www.kernpunkt.de<br />
satz von Farben. Das <strong>wie</strong>derum bringt<br />
Unruhe in die Gestaltung – <strong>wie</strong> etwa Windows<br />
8 anschaulich belegt. Schl<strong>im</strong>mer<br />
noch: Je mehr Farben zum <strong>Ein</strong>satz kommen,<br />
desto weniger fallen Conversion-<br />
Elemente auf. Buttons etwa gehen <strong>im</strong> Farbenspiel<br />
unter, heben sich nicht mehr von<br />
anderen Gestaltungselementen ab und<br />
stehen in direkter Konkurrenz zueinander.<br />
Klare Strukturen und starke Reduktion –<br />
Charakteristika des flachen Designs – unterdrücken<br />
zudem den „Entdeckertrieb“ des<br />
Nutzers. Sie ermöglichen zwar eine<br />
schnelle Information, doch genau jene<br />
erschwert das Cross-Selling, da jeder Querverweis<br />
irritiert und aus der strukturellen<br />
Gliederung herausbricht. Oder einfach<br />
ausgedrückt: „das könnte sie ebenfalls<br />
interessieren“ und „andere Kunden kauften<br />
auch“ fallen schlicht nicht mehr auf.<br />
Kleinere Produktsort<strong>im</strong>ente können <strong>im</strong><br />
Flat Design durchaus als strukturierte<br />
Produktübersichtsseite präsentiert werden.<br />
Diese ist bestenfalls filterbar und<br />
kann somit Cross-Selling-Funktionen<br />
erfüllen. Und selbst größere Shop-Umsetzungen<br />
können versuchen, sich mit dem<br />
Flat Design zu arrangieren, und auch Produkt-Bundles<br />
anstelle von <strong>Ein</strong>zelprodukten<br />
anbieten. Klassisches Cross Selling<br />
ersetzt so etwas allerdings nicht. Für mehr<br />
Verkauf ist und bleibt es zwingend, Angebote<br />
in die Produktseiten zu integrieren<br />
und wirksam hervorzuheben.<br />
Flat Design ist deshalb durchaus ein<br />
Conversion-Killer. Für den E-Commerce<br />
kann es zu edel sein. Denn Wertigkeit und<br />
Eleganz verheißen eben weder Angebot<br />
noch Schnäppchen.<br />
Tui zog die Reißleine<br />
Wie notwendig es ist, hier gegenzusteuern,<br />
hat Tui gerade anschaulich be<strong>wie</strong>sen.<br />
Bereits wenige Monate nach dem Relaunch<br />
seiner flat designten Website hat<br />
der Reiseanbieter eine weitreichende<br />
Anpassung vorgenommen: Alle Calls-toaction<br />
waren zunächst flach gestaltet.<br />
Jetzt sind sie markant, auffällig – und<br />
<strong>wie</strong>der wirkungsvoll, in einer Art „Nearly<br />
Flat Design“.<br />
Flat Design erleichtert die strukturelle<br />
Gliederung und Produktinszenierung.<br />
Technisch betrachtet, ist das ein Vorteil.<br />
Nur reicht das nicht aus, um Konversionsraten<br />
hochzuhalten oder gar zu steigern<br />
und somit noch besser zu verkaufen. Deshalb<br />
kann Flat Design kein einheitlicher<br />
Maßstab sein, sondern muss Ermessensspielraum<br />
lassen. <strong>Ein</strong> service- und kundenfreundlicher<br />
E-Commerce braucht ein<br />
Flat Design, das von den puren Gestaltungsgrundsätzen<br />
abrückt und die Blicke<br />
der Nutzer zum Ziel führt: zur Produktinszenierung,<br />
zur Handlungsaufforderung<br />
und schließlich zum Kauf. Wie flat<br />
das Flat Design dabei sein darf, ist <strong>im</strong> <strong>Ein</strong>zelfall<br />
zu entscheiden.<br />
■<br />
mail@internetworld.de<br />
Gehört<br />
„Facebook heißt bald Adbook“<br />
Facebook hat angekündigt, die Reichweite<br />
von Posts auf Firmenseiten sukzessive zurückzufahren.<br />
Damit sollen Unternehmen dazu<br />
gebracht werden, stattdessen Werbung zu<br />
schalten. Dazu Leserkommentare – gefunden<br />
auf unserer Facebook-Seite:<br />
<strong>Ein</strong>e Sauerei vor allem für NGOs! (Anm. d.<br />
Red: Nichtregierungsorganisationen)<br />
SONJA SCHWARZ<br />
Facebook heißt also bald Adbook.<br />
MARC DREFFKE<br />
Wir waren bei unseren letzten Postings auch<br />
schon über die geringe Reichweite verblüfft.<br />
Scheint sich wohl leider komplett zu Paybook<br />
zu entwickeln.<br />
EAZEE DESIGNSTUDIO<br />
Immer noch günstiger als viele andere Medien.<br />
GREGOR VON MATTERHORN<br />
„Großen Schritt wagen“<br />
Zum Beitrag „Unter einem gemeinsamen<br />
Dach“ (Heft 25/2013, S. 36/37) über das<br />
Content-Management-System Typo3:<br />
Große Änderungen bei den CMS-Systemen:<br />
Bei Drupal 8 wird mal eben der Core auf Symphony<br />
umgestellt. PHP entwickelt sich so<br />
schnell weiter, dass man wohl nach einigen<br />
<strong>Jahr</strong>en so einen großen Schritt wagen muss,<br />
um den Anschluss nicht zu verpassen.<br />
DIETMAR LUDMANN<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig!<br />
Haben Sie Kommentare, Vorschläge oder<br />
Kritik? Schreiben Sie einen Leserbrief an<br />
■ mail@internetworld.de<br />
Haben Sie sich beruflich verändert? Dann<br />
schicken Sie uns doch eine Nachricht an<br />
■ aufstieg@internetworld.de<br />
Fragen zu Ihrem Abo richten Sie bitte an<br />
■ leserservice@internetworld.de<br />
„Es ist großartig.“<br />
LARRY ELLISON, Gründer des Datenbankanbieters Oracle, lässt in einem<br />
TV-Interview keinen Zweifel daran, <strong>wie</strong> sehr er die Arbeit der NSA schätzt.<br />
Schließlich verdient der 35-fache Milliardär auch an Regierungsaufträgen<br />
„Die Menschen werden keine Technologie nutzen, der sie nicht<br />
vertrauen. Regierungen haben dieses Vertrauen aufs Spiel gesetzt – und<br />
Regierungen müssen helfen, es <strong>wie</strong>derherzustellen.“<br />
Microsoft-Chefjurist BRAD SMITH fordert staatliche Konsequenzen aus der NSA-Affäre<br />
„So ist das Netz, so ist unsere Wirtschaftslogik.<br />
Wir sollten nur damit aufhören, uns und anderen<br />
etwas vorzumachen.“<br />
Autor CASPAR C. MIERAU über die mediale Aufregung um User Tracking<br />
„<strong>Ein</strong> Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft<br />
unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr.“<br />
Aus dem Aufruf DIE DEMOKRATIE VERTEIDIGEN IM DIGITALEN ZEITALTER, in<br />
dem 550 Autoren ein Ende der Totalüberwachung der digitalen Kommunikation fordern