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Nrw wird unter wert regiert Im Gespräch mit der SPD-Spitzenkandidatin für Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, über Studiengebühren, Ausbildung und warum sie sich in der SPD engagiert. Schwerpunkt NRW Am 9. Mai wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Du trittst an, um die erste Ministerpräsidentin von NRW zu werden. Wie kamst du überhaupt zur Politik? Zur aktiven Politik bin ich erst spät gekommen, auch wenn ich mich schon früh für Politik interessiert habe. So habe ich mit meinem Vater auf dem Sofa gern die alten Debatten im Bundestag verfolgt. 1994 bin ich in die SPD eingetreten. Einer der wichtigsten Gründe war sicherlich die SPD-Bildungspolitik, die Aufstieg durch Bildung möglich gemacht hat. Ich war das erste Kind in einer sehr großen Familie, das Abitur gemacht und später auch studiert hat. Ich wollte der Partei, der ich nahestand, etwas zurückgeben, als die Partei 1994 in meiner Heimatstadt Mülheim eine bittere Niederlage einstecken musste. Ich bot meine Unterstützung an, kandidierte 1995 für den Vorstand der SPD Mülheim und wurde auch gewählt. Bei der Wahl der Kandidatinnen und Kandidaten zur Landtagswahl 2000 war ich zwar krasse Außenseiterin, wurde aber zur Überraschung vieler gewählt. Und wie ging es dann weiter? Im April 2001 wurde ich Ministerin für Europa- und Bundesangelegenheiten, später Wissenschaftsministerin. Nach der Landtagswahl 2005 wählte mich die SPD- Fraktion im NRW-Landtag zu ihrer Vorsitzenden. Seit Januar 2007 bin ich Landesvorsitzende der NRW-SPD und seit letztem Jahr auch stellvertretende Bundesvorsitzende. Dieser Werdegang hört sich jetzt so gradlinig an, doch das hätte ich mir alles nicht träumen lassen, als ich 2000 in den Landtag gekommen bin. Ein tolles Gefühl war es, als mich die Delegierten auf dem Parteitag zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl gewählt haben. Wir werden bis zum 9. Mai gemeinsam kämpfen und gemeinsam gewinnen! Davon bin ich fest überzeugt. Was möchtest du als Ministerpräsidentin verändern? Wir wollen beste Bildung für alle. Wir dürfen kein Kind mehr zurücklassen! Um das zu erreichen, haben wir den Mut, Strukturen zu verändern. Wir werden längeres gemeinsames Lernen und gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule umsetzen. Für starke, handlungsfähige Kommunen sorgen wir mit unserem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“, der die Städte und Gemeinden zeitweise von ihren Altschulden befreit. Wir stehen für gute Arbeit mit Löhnen, von denen die Menschen auch wirklich leben können. Mit unserem „Fortschrittsmotor Klimaschutz“ verbinden wir ökonomische Vernunft, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung. Damit schaffen wir Perspektiven für die Menschen in NRW. Und wir werden NRW wieder zum Mitbestimmungsland Nummer eins machen. Wir wissen, wie der soziale Zusammenhalt in NRW wieder gestärkt wird. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Solidarität, Mitmenschlichkeit, Fairness und Respekt Vorfahrt haben. 12 Update 10.2 | April 2010
Schwerpunkt NRW Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht der Markt. Wir möchten, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder mit Stolz sagen können: Unser Nordrhein-Westfalen ist gerecht, sozial und erfolgreich. Was können junge Menschen von der SPD erwarten? Viele junge Menschen haben in der heutigen Arbeitswelt keine sichere Perspektive. Sie hangeln sich mit teils unbezahlten Praktika, mit Minijobs, mit Leih- und Zeitarbeit oder ständig befristeten Verträgen von einer prekären Beschäftigung zur nächsten. Das wollen wir ändern. Wir wollen für diese jungen Frauen und Männer Perspektiven schaffen. Dazu müssen wir Strukturen verändern. Wir brauchen mehr gut ausgebildete junge Menschen. Das erreichen wir durch ein gerechteres Bildungssystem, das allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen bietet. Bildung darf nicht länger vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Mit der Gemeinschaftsschule sorgen wir für längeres gemeinsames Lernen und mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und machen sozialen Aufstieg durch Bildung wieder möglich. Wir lassen nicht länger zu, dass auf neun Absteiger im Bildungssystem nur ein Aufsteiger kommt. Darüber hinaus wollen wir eine Ausbildungsgarantie für alle jungen Menschen, die jeder und jedem eine Ausbildung auf qualitativ hohem Niveau ermöglicht. Auch an unseren Hochschulen gibt es viel zu verbessern. Damit niemand aus finanziellen Gründen an einem Studium gehindert wird, werden wir die Studiengebühren abschaffen. Und auch an Bachelor und Master wollen wir noch einmal ran. Wir wollen zum Beispiel freiere Wahlmöglichkeiten bei Seminaren und Vorlesungen, weniger Anwesenheitspflichten und eine neue, einheitliche Berechnung und Vergleichbarkeit der ECTS (Leistungs)-Punkte. Wir werden sicherstellen, dass qualifizierte Studierende mit Bachelorabschluss, die ihren Master machen möchten, auch einen Masterstudienplatz erhalten. Wie bewertest du die Arbeit von NRW- Ministerpräsident Jürgen Rüttgers? Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verspielt. NRW wird unter Wert regiert. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Pannenregierung Rüttgers nicht verdient. In zahlreichen unabhängigen Bundesländervergleichen schneidet Nordrhein- Westfalen schlecht ab. Statt aufzuholen, ist NRW seit Amtsantritt der Landesregierung 2005 zum Absteigerland geworden. Gleichzeitig hat sie die Finanznot unserer Städte und Gemeinden dramatisch verschärft. Der Raubzug durch die Kommunalkassen beläuft sich mittlerweile auf 3,1 Milliarden Euro. Viele Städte und Gemeinden haben kaum mehr Luft zum Atmen. Die sozialfeindliche „Privat vor Staat“-Politik hat Spuren hinterlassen, die vor allem Menschen mit kleinem Einkommen spüren. Ich nenne hier nur den Verkauf der landeseigenen LEG-Wohnungen an eine Heuschrecke. Und auch die erste Bilanz von Union und FDP auf Bundesebene fällt miserabel aus. Es ist bereits abzusehen, dass die Einführung der Kopfpauschale im Gesundheitswesen den Weg in die Zwei- Klassen-Medizin massiv verschärfen wird. Die Menschen spüren, dass Schwarz-Gelb Klientelpolitik zulasten der Mitte der Gesellschaft macht. Sie haben den Kontakt zu den Menschen verloren. Die Menschen merken, dass wir die richtigen Konzepte haben, um Nordrhein-Westfalen wieder nach vorne zu bringen. Und wir haben das bessere Personal: Unsere Kandidatinnen und Kandidaten haben die Begeisterung und die Leidenschaft, die man braucht, um eine Wahl zu gewinnen. Deshalb bin ich ganz sicher: Wir werden am 9. Mai allen Grund zum Jubeln haben. • 13 13
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