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Knockout für Studiengebühren Von Veith Lemmen, Landeskoordinator Juso-Hochschulgruppen NRW Nachdem in Hessen jegliche und im Saarland zumindest die allgemeinen Studiengebühren abgeschafft wurde, gleicht das Modell der allgemeinen Studiengebühren im Bund einem taumelnden Preisboxer. Noch steht er, aber die Abschaffung der Gebühren in NRW käme einer harten Linken gleich, die unweigerlich zum K.o. führen würde. Schwerpunkt NRW Die Bildungsproteste im vergangenen Jahr, mit Bildungsstreik im Sommer und Besetzungen gegen Jahresende, waren eindrucksvoll und richtig. Die Politik heuchelte Verständnis, geändert hat sich freilich wenig, weshalb der Protest auch in diesem Jahr unvermindert weitergehen muss. Mindestens eins hat sich bei den politisch Verantwortlichen aber verändert. Ihre selbstverliebte Arroganz ist einer latenten Angst, versteckt hinter gespieltem Verständnis, gewichen. Angst, Bildungshürden zu verlieren Die Angst gibt es aus mehreren Gründen. Einerseits besteht Schiss vor der offenbar stark unterschätzten Wut und Frustration von Schülerinnen, Schülern und Studierenden. Niemand weiß, was da demnächst noch alles kommen wird, aber es wird schon hart werden für die BildungspolitikerInnnen im Land. Andererseits besteht aber auch Angst, lieb gewonnene Selek- tionsmechanis- men, also Bildungshürden, zu verlieren. So ist das zumindest bei CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen. Mit Gebühren für Kindertagesstätten, verbindlichen Grundschulgutachten, Kopfnoten und einem mehrgliedrigen Schulsystem überhaupt kann man beispielsweise zielgenau steuern, dass Menschen mit Migrationshintergrund kaum eine Chance auf einen höheren Bildungsabschluss haben. Das funktioniert einfach spitze! Doch jetzt ziehen Bildungsstreik, Gewerkschaften und <strong>Jusos</strong> gegen Schulministerin Barbara Sommer (CDU) ins Feld und fordern „Wir wollen endlich Sommerferien!“ Wie undankbar! Nach der Eliminierung vieler junger Talente, sozusagen bereits in der ersten Runde, schlägt dann in der zweiten Runde im Ring der Bildungschancen der Preisboxer Studiengebühren zu. Er möchte alle übriggebliebenen finanziell und kulturell Benachteiligten ausknocken unter ständiger Anfeuerung durch konservative und neoliberale PolitikerInnen. Knock-out für Studiengebühren Doch genau das können und werden wir <strong>Jusos</strong> zu verhindern wissen. Nachdem Hessen insgesamt und das Saarland zumindest allgemeine Studiengebühren abgeschafft haben, verlieren Bildungsgebühren in der Bundesrepublik an Boden und sind ins Wanken geraten. In NRW selbst ist die Opposition zu den Gebühren nach wie vor ungebrochen. Schwachsinnige Verteilung macht neben der grundsätzlichen Ablehnung der Gebühren die Masse der GebührengegnerInnen auch in der allgemeinen Bevölkerung stetig größer. Pinkys Lieblingsboxer ist angeschlagen, mit der Landtagswahl am 9. Mai in NRW könnte ihm das K.o. im größten Bundesland drohen. Dann sind die Gebühren insgesamt stark auf dem Rückzug und der Politik in den Bundesländern mit Gebühren gehen endgültig die Argumente aus. Die Abschaffung ist zu schwer umzusetzen? NRW mit 33 staatlichen Hochschulen hat es doch auch geschafft, also auf geht’s! Andere Bundesländer sind auch auf Studiengebühren angewiesen? Sorry Leute, ihr seid in der absoluten Minderheit und bildet euch nicht ein, dass unser Protest nicht weitergehen wird! Wir können es also gemeinsam schaffen, den Kampf zu gewinnen. Andere Bundesländer haben bereits Zeichen gesetzt. Jetzt gilt es, am 9. Mai Schwarz- Gelb in NRW abzuwählen und die Partei so lange und hart zu treten, bis es auch die Letzten verstehen, dass Studiengebühren sofort abgeschafft werden müssen. Wenn dann noch der gemeinsame Protest überall weitergeht, wo Bildungshürden bestehen, wird es was mit der bundesweiten Gebührenfreiheit. Also, was machen wir morgen? Das Gleiche wie jeden Tag: die Gebührenfreiheit an uns reißen! • 14 Update 10.1 10.2 | März April 2010
BAföG-Aushöhlung durch die Hintertür Von Erkan Ertan, Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen Wie Schwarz-Gelb mit ihrem Modell der „nationalen Stipendien“ die Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem noch weiter einstampfen will. Bildung Die schwarz-gelbe Regierung hat sich 2010 das Ziel gesetzt, ein Gegenmodell zur bisherigen bundesweiten Studienfinanzierung zu etablieren und so Stück für Stück dem BAföG den Garaus zu machen. 10% der Studierenden sollen mit einem einkommensunabhängigen „nationalen Stipendium“ von 300 Euro monatlich gefördert werden. Bezahlt werden sollen diese Stipendien jeweils zur Hälfte durch Spenden der Wirtschaft. Öffentlich thematisiert oder unter den Studierenden umfassend diskutiert wird dies aber bislang selten. Was vielleicht zunächst gut anklingt – wer hat schon etwas gegen mehr Geld für Studierende? – sollte einem zweiten kritischen Blick unterzogen werden. Schwarz- Gelb ist schließlich nicht für ihr soziales Gewissen bekannt und stellt mit diesem Vorhaben die gesamte solidarische Förderung eines Studiums und damit die Chancengleichheit an sich infrage. Mit diesem nationalen Stipendienprogramm wird ein sozial selektives Instrument zur Spitzen- und Elitenförderung in Deutschland implementiert und es läuft somit der Breitenförderung des BAföG entgegen. Im Gegensatz dazu profitiert vom Stipendiensystem nämlich nur eine deutlich kleinere Gruppe, meist Menschen mit akademischem Elternhaus, die bereits in den bestehenden Begabtenförderwerken die Mehrheit bildet. Nicht jede/r hat dieselbe Chance, in diese Gruppe aufgenommen zu werden, und auch soziale Aspekte spielen (bis auf wenige Fälle) keine Rolle. Bis zu zwei Drittel der Stipendien können zweckgebunden vergeben werden, sodass bestimmte Fachrichtungen überproportional stark profitieren, während Studierende ökonomisch unattraktiver Studiengänge außen vor bleiben. Durch das Ziel, primär die „Leistungsbesten“ zu fördern, profitieren vor allem Studierende aus finanzstarken und/ oder AkademikerInnen-Familien, da diese nachweislich positiver gestellt sind. Somit wird durch die schwarz-gelben Pläne die soziale Selektion unseres Bildungssystems weiter verstärkt. Inwieweit die Möglichkeit genutzt wird, bei der Stipendienvergabe auch soziale Umstände zu berücksichtigen, ist fraglich. Und selbst wenn diese berücksichtigt würden, kann der Erfolg einer staatlichen Förderung durch ein Stipendienprogramm nicht ersetzt werden. Die hälftige Finanzierung durch Bund und Länder hat laut Schätzungen des Kabinettsentwurfs nach der Anlaufphase ein der diesjährigen BAföG-Erhöhung ähnliches jährliches Finanzvolumen. Die Gelder sollten jedoch direkt für eine deutlichere Erhöhung der BAföG-Freibeträge genutzt werden, sodass sich der Berechtigtenkreis erweitert und im Gegensatz zum Stipendiensystem soziale Ungleichheit verringert würde. Das könnte tatsächlich mehr jungen Menschen ein Studium ermöglichen, da auf BAföG Rechtsanspruch besteht und auch die Sicherheit der finanziellen Unterstützung gegeben ist. Um mehr jungen Menschen, insbesondere aus bisher unterrepräsentierten Gruppen (z. B. MigrantInnen und Menschen aus sozial und/oder finanziell schwachen Familien), ein Studium zu ermöglichen, brauchen wir ein Studienfinanzierungssystem, das allen gleichermaßen offensteht und auf das ein Rechtsanspruch besteht. Wir brauchen eine staatliche, flexible, bedarfsdeckende, eltern- und altersunabhängige Studienfinanzierung und keine, die nur den vorgeblichen „Leistungsbesten“ zugutekommt. Statt eine vermeintliche gesellschaftliche Elite noch stärker heranzuzüchten, sollte dem Grundsatz der Breitenförderung und der Notwendigkeit von vielen gut gebildeten Menschen nachgekommen werden. Deshalb müssen die geplanten Mittel in eine deutlichere Erhöhung des BAföG investiert werden. So hätten wirklich diejenigen etwas davon, die auf derartige Studienfinanzierung tatsächlich angewiesen sind. • 15
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