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Wir brauchen die Finanztransaktionssteuer Von Simone Burger, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Nur eine Finanztransaktionssteuer kann Spekulationen und damit zukünftige Krisen eindämmen. Internationales Am 15. September 2008 meldete Lehmann Brothers Insolvenz an. Und niemand konnte mehr die Finanz- und Wirtschaftskrise übersehen. Seitdem wurde viel beraten, gesprochen und diskutiert. Doch 18 Monate später hat sich nur wenig verändert. Die ersten Prognosen zeichnen stattdessen ein verheerendes Bild über die Folgen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) berechnet die weltweiten Verluste auf 3.100.000.000.000 Euro (3,1 Billionen Euro). Eine vorsichtige Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) geht davon aus, dass global 51 Millionen Jobs vernichtet werden könnten. Und dabei ist die Hauptlast ungerecht verteilt: Die Finanzmarktkrise wird die Kluft zwischen Arm und Reich weiter verschärfen. Der „worldwealthreport“ prognostiziert, dass bis 2013 das Vermögen der Reichen jährlich um 8,1 % steigen wird. Es wird Zeit, dass sich grundlegend was ändert. Auftrag: Verursacher an den Kosten der Krise beteiligen Auf dem nächsten Gipfel der G-20 am 26. und 27. Juni in Kanada wollen die Staats- und Regierungschefs Maßnahmen beschließen, wie der Finanzmarktsektor an den Kosten der Krise beteiligt werden kann. Jetzt im Frühjahr wird der Internationale Währungsfonds erste Vorschläge vorlegen. Unser Vorschlag: Finanztransaktionssteuer Für uns <strong>Jusos</strong> steht bei dieser Frage vor allem eine Forderung im Mittelpunkt: die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS). Im Gegensatz zu anderen Vorschlägen werden bei der FTS sämtliche Transaktionen und Finanztitel (Devisen, Aktien, Anleihen oder Derivate) besteuert, egal ob sie an der Börse oder außerhalb gehandelt werden. Warum Finanztransaktionssteuer? Die Finanztransaktionssteuer stabilisiert die Finanzmärkte, indem sie bestimmte Spekulationen unattraktiv macht. Auch die Praxis, hundertfach in kürzester Zeit Aktien, Anleihen oder Derivate zu kaufen und zu verkaufen, mit dem Ziel, die Kurse zu beeinflussen, würde unrentabel werden, da die Gewinne in vielen Fällen geringer wären als die Finanztransaktionssteuer, die bei jedem Kauf und Verkauf fällig wird. Gleichzeitig wird das Geld dringend benötigt, um endlich Armut und Klimawandel zu bekämpfen oder die Daseinsvorsorge hier vor Ort nicht nur zu sichern, sondern auszubauen. In der Diskussion sind Steuersätze von 0,1 %, 0,05 % oder von 0,01 %. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) geht davon aus, dass mit der Einführung der FTS die Zahl der Käufe und Verkäufe zurückgehen wird. Würde man die Steuer mit einem Steuersatz von 0,1 % in Europa einführen, lägen die Einnahmen zwischen 3,26 % und 1,25 % des nominellen BIP, je nachdem um wie viel die Transaktionen auf den Finanzmärkten zurückgehen. Geht man von einem Mittelwert von 2,2 % aus, wären das nach aktuellem Stand 273 Milliarden Euro. Die FTS würde insgesamt zu mehr Transparenz führen, denn wir würden damit wieder Finanzströme erfassen, die außerhalb der Börse gehandelt werden. Vielfach ist der Handel außerhalb der Börse eine Blackbox, das beste Beispiel hierfür ist der Handel mit Kreditderivaten. Druck organisieren! Die bisherigen Erfahrungen zeigen, die Akteure an den Finanzmärkten sind nicht bereit, freiwillig ihr Verhalten zu ändern. Deshalb müssen wir politischen Druck organisieren, wenn wir die Finanztransaktionssteuer haben wollen. Wir <strong>Jusos</strong> unterstützen gemeinsam mit einem breiten Bündnis folgende Aktionen: • Steuer gegen Armut (www.steuer-gegen-armut.org) Wir suchen möglichst viele Menschen, die einen offenen Brief an die Regierungskoalition senden. Wir wollen die Finanztransaktionssteuer jetzt. • MakeFinanceWork (www.makefinancework.org) Weltweite Petition zum G-20-Gipfel in Kanada. Die Forderung für eine Finanztransaktionssteuer wird den Regierungschefs am Vorabend persönlich übergeben. Umso mehr Unterschriften, umso größer der Druck. Bitte unterstützt uns! Mehr Informationen zur Kampagne findet ihr unter www.jusos.de. • 8 Update 10.2 | April 2010
Systemfehler Arbeitslosigkeit Von Ralf Höschele und Sonja Pellin, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Das SPD-Präsidium hat mit dem Beschluss „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ größere Korrekturen an den Hartz-Gesetzen vorgeschlagen. Doch mit dem grundsätzlichen Fehler der sozialdemokratischen Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre wird nur unzureichend gebrochen: Noch immer wird die Ursache von Arbeitslosigkeit bei den Arbeitslosen selbst gesehen, die „aktiviert“ werden müssten, statt endlich wieder klar zu benennen, dass Arbeitslosigkeit keine individuellen, sondern ökonomische Ursachen hat. Die Debatte um die Hartz-Gesetze lässt die SPD nicht los. Zu Recht: Kaum eine Gesetzgebung der Regierungsjahre hat so massiv zur Verunsicherung beigetragen und so massive Abstiegsängste ausgelöst wie Hartz IV. Und in kaum einem anderen Politikfeld wurde so deutlich mit sozialdemokratischen Grundüberzeugungen gebrochen. Die Hartz-Gesetze sind eine der Hauptursachen, warum die SPD die Bundestagswahl so katastrophal verlor. SPD erneuern – auch in der Arbeitsmarktpolitik Für die SPD ist dies eine der größten politischen und inhaltlichen Herausforderungen. Nötig sind ein klares Bekenntnis zu den Entscheidungen und Fehlentscheidungen während der Regierungszeit und mutige Korrekturen bei Fehlentwicklungen. Mit dem Beschluss „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ versucht das SPD- Präsidium erste Schritte in diese Richtung zu gehen. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass sich die Parteiführung nun endlich mit größeren Reformschritten in der Arbeitsmarktpolitik beschäftigt und sich nicht mehr nur auf kleinere, symbolische Veränderungen beschränken will. Viel zu lange wurden Schröders Arbeitsmarktgesetze zum alternativlosen und unveränderlichen Dogma erklärt. Selbst offensichtliche Fehlentwicklungen konnten so nicht korrigiert werden. Viele richtige Einzelmaßnahmen Der Beschluss enthält eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die aus Juso-Sicht zu begrüßen sind. Dazu gehört u. a. die verlängerte Zahlung von Arbeitslosen-geld I. Dazu gehören die Rechts ansprüche auf das Nachholen eines Schulabschlusses und einer beruflichen Qualifizierung, und die Korrekturen bei der Leiharbeit waren längst überfällig. Dieser Beschluss kann als Basis genommen werden, um in den nächsten Jahren innerparteilich, gemeinsam mit Gewerkschaften weitere wesentliche Korrekturen zu diskutieren. Weitere Veränderungen sind mindestens an folgenden Punkten nötig: • Eine deutliche Verbesserung der Situa tion von Kindern – mit einem eigenen Regelsatz, der die wirklichen Bedarfe abbildet. • Deutlich höhere Regelsätze, um allen das tatsächliche sozioökonomische Existenzminimum zu garantieren. • Ein Konzept für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, um Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu geben. • Eine tatsächliche aktive Arbeitsmarktpolitik – und keine, die die Menschen „aktivieren“ will. Dazu gehört auch die Abschaffung der 1-Euro-Jobs. • Eine Abschaffung der Sanktionen, die derzeit bis hin zur vollständigen Streichung der ALG-Zahlungen führen können. Diese sind mit einem sozialdemokratischen Menschenbild nicht vereinbar. Umverteilung Arbeitslosigkeit hat ökonomische Ursachen! Am grundsätzlichen Konstruktionsfehler der Hartz-Gesetze wird allerdings festgehalten: Es sind noch immer die Arbeitslosen, die für ihre Arbeitslosigkeit individuell verantwortlich gemacht werden. Doch in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung entsteht Arbeitslosigkeit nicht, weil Arbeitslose anscheinend zu faul zum Arbeiten sind oder sich individuell zu wenig anstrengen, sondern weil – auch wegen einer verfehlten angebotsorientierten Wirtschaftspolitik – zu wenig Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Arbeitslosigkeit hat ökonomische und gesellschaftliche Ursachen. Als Konzept gegen Arbeitslosigkeit benötigt die SPD deshalb dringend wieder ein wirtschaftspo litisches Programm, das durch eine Stärkung der Nachfrage aktiv für Beschäftigung sorgt. Von der Idee, mit ökonomischem Druck auf den Einzelnen Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können, muss sich die SPD eindeutig verabschieden. • 9
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