update 10.2.pdf - Jusos
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Titelthema<br />
In ihrem konkreten Umfeld erleben<br />
sie, dass ihnen sämtliche Türen verschlossen<br />
sind. Es ist kaum möglich, einen Ausbildungsplatz<br />
zu finden. Wenn sie einen<br />
finden, hat dieser weniger mit Ausbildung<br />
und mehr mit der Ausbeutung billiger<br />
Arbeitskräfte zu tun. Sie fühlen sich von<br />
der Mehrheitsgesellschaft als die sowieso<br />
Gescheiterten behandelt. Sie müssen sich<br />
anhören, dass sie fauler, unfähiger und<br />
dümmer sind.<br />
Menschen mit Migrationshintergrund<br />
erfahren darüber hinaus noch eine<br />
besondere Diskriminierung. Lehrer, die<br />
rassistische Sprüche wiederholen, Menschen<br />
auf der Straße, die die Straßenseite<br />
wechseln und feindselige Blicke in der<br />
U-Bahn. All das erzeugt ein Gefühl, dass<br />
sie nicht gewollt sind. Hinzu kommt, dass<br />
der Großteil in seinem Umfeld jemanden<br />
kennt, der das Land verlassen musste.<br />
Ein Teil der Jugendlichen hat den<br />
Eindruck, außerhalb dieser Gesellschaft<br />
zu stehen. Die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit<br />
hat sich ihnen so eingebrannt,<br />
dass sie noch nicht einmal mehr<br />
die Wünsche formulieren können, an denen<br />
sie eventuell scheitern könnten. Ihnen<br />
sind schon die Wünsche genommen<br />
worden.<br />
Gesellschaftlich kann man mit diesem<br />
Phänomen unterschiedlich umgehen. Die<br />
reaktionäre Antwort ist die Repression<br />
und die Behauptung, dass die Jugendlichen<br />
selber schuld seien und ihnen nur<br />
mehr Druck gemacht werden müsse. Dies<br />
würde aber nur zu noch mehr Ausgrenzung<br />
führen. Im Übrigen erscheint es<br />
mehr als fraglich, dass unter Druck und<br />
Anspannung Hoffnungen, Träume und<br />
Wünsche entwickelt werden können. Außerdem<br />
ist das ein Armutszeugnis für<br />
eine Gesellschaft, wenn sie Jugendliche in<br />
solche eine Perspektivlosigkeit entlässt.<br />
Die progressive Änderung ist die Veränderung<br />
der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.<br />
Wir wollen schließlich,<br />
dass alle Menschen selbstbestimmt ihrer<br />
Lebensvorstellung nachgehen können.<br />
Zu den schlechten Rahmenbedingungen<br />
trägt viel bei und deshalb gibt es nicht<br />
die eine Forderung, mit der sich sämtliche<br />
Probleme lösen. Vielmehr sind verschiedene<br />
Ebenen in den Blick zu nehmen.<br />
Alle können hier gar nicht angesprochen<br />
werden.<br />
Das ist natürlich die Bildungspolitik.<br />
Es bleibt richtig, an der Kostenfreiheit<br />
des gesamten Bildungsweges festzuhalten.<br />
Es bleibt richtig, länger gemeinsam in<br />
Ganztagsschulen und in kleineren Klassen<br />
zu lernen. Es bleibt richtig, eine bessere<br />
Kontrolle der Ausbildung und bessere<br />
Studienbedingungen ohne Studiengebühren<br />
zu fordern. Um das zu<br />
finanzieren, sollen die Vermögenssteuer<br />
wieder eingeführt, die Erbschaftssteuer<br />
und der Spitzensteuersatz angehoben<br />
werden.<br />
Außerdem brauchen junge Menschen<br />
Freiräume. Sie brauchen Freiräume konkret<br />
vor Ort, wenn es darum geht, dass<br />
Jugendliche unter sich sein können. Sie<br />
brauchen Freiräume auch in ihren Biografien,<br />
Dinge mal auszuprobieren und sie<br />
nicht von vornherein einem derartigen<br />
Leistungsdruck auszusetzen.<br />
Der Kampf gegen Rassismus ist zweifelsohne<br />
weiterhin dringend notwendig.<br />
Ein Element dabei ist sicherlich das offene<br />
und deutliche Eintreten gegen jede<br />
rassistische Aussage. Dazu muss aber eine<br />
Änderung des Ausländer- und Asylrechts<br />
treten. Eine humanere Bleiberechtsregelung<br />
ist zwingend notwendig.<br />
Die Sozialdemokratie hat die Aufgabe,<br />
die richtigen Fragen und klare Forderungen<br />
zu stellen. Sie muss aber auch, um<br />
politischen Druck zu erzeugen, für ihre<br />
politischen Anliegen kämpfen. Deshalb<br />
ist es an der Zeit, dass wir raus gehen, an<br />
die Orte, an denen politische Organisationen<br />
sonst nicht so oft anzutreffen sind.<br />
Dabei geht es darum, zu erfahren, wie die<br />
verdammten Realitäten in dieser Gesellschaft<br />
sind. Es geht aber auch darum, dafür<br />
einzutreten, dass wir nur gemeinsam<br />
und mit Organisierung diese Gesellschaft<br />
nach links verändern können. •<br />
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