update 10.2.pdf - Jusos
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Systemfehler<br />
Arbeitslosigkeit<br />
Von Ralf Höschele und Sonja Pellin, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende<br />
Das SPD-Präsidium hat mit dem Beschluss „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“<br />
größere Korrekturen an den Hartz-Gesetzen vorgeschlagen. Doch mit dem<br />
grundsätzlichen Fehler der sozialdemokratischen Arbeitsmarktpolitik der<br />
letzten Jahre wird nur unzureichend gebrochen: Noch immer wird die Ursache<br />
von Arbeitslosigkeit bei den Arbeitslosen selbst gesehen, die „aktiviert“<br />
werden müssten, statt endlich wieder klar zu benennen, dass Arbeitslosigkeit<br />
keine individuellen, sondern ökonomische Ursachen hat.<br />
Die Debatte um die Hartz-Gesetze lässt<br />
die SPD nicht los. Zu Recht: Kaum eine<br />
Gesetzgebung der Regierungsjahre hat so<br />
massiv zur Verunsicherung beigetragen<br />
und so massive Abstiegsängste ausgelöst<br />
wie Hartz IV. Und in kaum einem anderen<br />
Politikfeld wurde so deutlich mit<br />
sozialdemokratischen Grundüberzeugungen<br />
gebrochen. Die Hartz-Gesetze<br />
sind eine der Hauptursachen, warum die<br />
SPD die Bundestagswahl so katastrophal<br />
verlor.<br />
SPD erneuern – auch in der<br />
Arbeitsmarktpolitik<br />
Für die SPD ist dies eine der größten politischen<br />
und inhaltlichen Herausforderungen.<br />
Nötig sind ein klares Bekenntnis<br />
zu den Entscheidungen und Fehlentscheidungen<br />
während der Regierungszeit<br />
und mutige Korrekturen bei Fehlentwicklungen.<br />
Mit dem Beschluss „Fairness auf<br />
dem Arbeitsmarkt“ versucht das SPD-<br />
Präsidium erste Schritte in diese Richtung<br />
zu gehen.<br />
Grundsätzlich ist es begrüßenswert,<br />
dass sich die Parteiführung nun endlich<br />
mit größeren Reformschritten in der Arbeitsmarktpolitik<br />
beschäftigt und sich<br />
nicht mehr nur auf kleinere, symbolische<br />
Veränderungen beschränken will. Viel zu<br />
lange wurden Schröders Arbeitsmarktgesetze<br />
zum alternativlosen und unveränderlichen<br />
Dogma erklärt. Selbst offensichtliche<br />
Fehlentwicklungen konnten so<br />
nicht korrigiert werden.<br />
Viele richtige Einzelmaßnahmen<br />
Der Beschluss enthält eine Vielzahl von<br />
Einzelmaßnahmen, die aus Juso-Sicht zu<br />
begrüßen sind. Dazu gehört<br />
u. a. die verlängerte<br />
Zahlung von Arbeitslosen-geld<br />
I. Dazu gehören<br />
die Rechts ansprüche<br />
auf das Nachholen eines<br />
Schulabschlusses und einer<br />
beruflichen Qualifizierung,<br />
und die Korrekturen<br />
bei der Leiharbeit<br />
waren längst überfällig.<br />
Dieser Beschluss kann<br />
als Basis genommen werden,<br />
um in den nächsten<br />
Jahren innerparteilich, gemeinsam<br />
mit Gewerkschaften weitere<br />
wesentliche Korrekturen zu diskutieren.<br />
Weitere Veränderungen sind mindestens<br />
an folgenden Punkten nötig:<br />
• Eine deutliche Verbesserung der<br />
Situa tion von Kindern – mit einem<br />
eigenen Regelsatz, der die wirklichen<br />
Bedarfe abbildet.<br />
• Deutlich höhere Regelsätze, um allen<br />
das tatsächliche sozioökonomische<br />
Existenzminimum zu garantieren.<br />
• Ein Konzept für einen öffentlich geförderten<br />
Beschäftigungssektor, um<br />
Langzeitarbeitslosen eine Perspektive<br />
zu geben.<br />
• Eine tatsächliche aktive Arbeitsmarktpolitik<br />
– und keine, die die<br />
Menschen „aktivieren“ will. Dazu gehört<br />
auch die Abschaffung der 1-Euro-Jobs.<br />
• Eine Abschaffung der Sanktionen, die<br />
derzeit bis hin zur vollständigen Streichung<br />
der ALG-Zahlungen führen<br />
können. Diese sind mit einem sozialdemokratischen<br />
Menschenbild nicht<br />
vereinbar.<br />
Umverteilung<br />
Arbeitslosigkeit hat ökonomische<br />
Ursachen!<br />
Am grundsätzlichen Konstruktionsfehler<br />
der Hartz-Gesetze wird allerdings festgehalten:<br />
Es sind noch immer die Arbeitslosen,<br />
die für ihre Arbeitslosigkeit<br />
individuell verantwortlich gemacht werden.<br />
Doch in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung<br />
entsteht Arbeitslosigkeit<br />
nicht, weil Arbeitslose anscheinend zu<br />
faul zum Arbeiten sind oder sich individuell<br />
zu wenig anstrengen, sondern weil<br />
– auch wegen einer verfehlten angebotsorientierten<br />
Wirtschaftspolitik – zu wenig<br />
Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.<br />
Arbeitslosigkeit hat ökonomische und<br />
gesellschaftliche Ursachen. Als Konzept<br />
gegen Arbeitslosigkeit benötigt die SPD<br />
deshalb dringend wieder ein<br />
wirtschaftspo litisches Programm, das<br />
durch eine Stärkung der Nachfrage aktiv<br />
für Beschäftigung sorgt. Von der Idee,<br />
mit ökonomischem Druck auf den Einzelnen<br />
Arbeitslosigkeit bekämpfen zu<br />
können, muss sich die SPD eindeutig<br />
verabschieden. •<br />
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