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<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong><br />

Eine qualitative Studie zu Kommodifizierungsprozessen <strong>von</strong><br />

Familienarbeit im Bereich der <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />

<strong>Anita</strong> Maier<br />

Studiengang Sozialarbeit/Sozialmanagement<br />

FH Joanneum Graz<br />

2007<br />

Betreuer: Rainer Loidl - Keil


Abstract<br />

Pflegeeltern erbringen bedeutsame Leistungen für unsere Gesellschaft. Sie bieten<br />

Kindern, die aus verschiedensten Gründen nicht in ihrer Ursprungsfamilie aufwachsen<br />

können, eine Versorgung und Erziehung im Familienverband. Um den veränderten<br />

Anforderungen an Pflegefamilien zu begegnen, werden <strong>von</strong> Jugendwohlfahrtsträgern<br />

unterschiedliche Richtungen eingeschlagen: Es kommt zu einer Ausdifferenzierung der<br />

Formen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen, was Dauer und Intensität der Betreuung der Kinder<br />

sowie zu einer Ausweitung der Ausbildung, der Entlohnung und der begleitenden<br />

Unterstützungsangebote für Pflegeeltern. Kurzzeitige oder interimistische Formen der<br />

Pflegeplatzunterbringung können so auch zu einer beruflichen Tätigkeit für Pflegeeltern<br />

werden. Anhand dieser im Pflegekinderwesen beobachtbaren Entwicklungen wird der<br />

zunehmende Prozess der Kommodifizierung beschrieben. Dieser Begriff bezeichnet die<br />

zunehmende Vermarktung <strong>von</strong> Tätigkeiten, die der Sphäre der Familie zugeordnet sind<br />

und bisher nicht auf dem Markt entlohnt wurden.<br />

In der qualitativen Untersuchung werden auf Basis der Daten <strong>von</strong> 11 themenzentrierten<br />

Interviews mit Expert/inn/en und Pflegeltern Befunde über erlebte Belastungen,<br />

Selbstverständnis und Standpunkte zu Prozessen der Verberuflichung dieses Feldes<br />

dargestellt. In dieser <strong>Diplomarbeit</strong> wird gezeigt, dass <strong>Pflegeelternschaft</strong> auch <strong>als</strong><br />

berufliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, und verstärkte Einbindung <strong>von</strong> Pflegeeltern<br />

in eine Organisation zu einer Verbesserung der Qualität <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen<br />

beiträgt. Dieser Ansatz stellt jedoch nicht für alle Pflegefamilien und jede Pflegeform<br />

einen adäquaten Weg zur Bewältigung ihrer Aufgaben dar.


Foster parents do highly important work and thus contribute positively to society. They<br />

provide shelter for children who aren’t able to live with their biological parents for<br />

various reasons and they bring them up in an intimate family setting. Due to changing<br />

demands in family life and children’s education various strategies are followed by the<br />

social welfare authorities. Thus different types of foster care families are distinguished<br />

nowadays according to duration, intensity of care as well as further training, payment<br />

and ongoing support for foster parents. Short-term and temporary forms of children’s<br />

placement are on the way to becoming <strong>als</strong>o a job. This example is used to illustrate the<br />

increasing developments of commodification. This concept describes the ongoing<br />

process of commercialisation of duties which are rooted in the sphere of the family and<br />

which previously were not found on the job market.<br />

The qualitative research project gives an insight how foster parents experience their<br />

tasks and what they think about the “job” of a foster parent on the basis of data from 11<br />

focused interviews with foster parents and experts in this field. This thesis shows that<br />

fostering can be a job, and that enforced involvement of foster parents in an<br />

organisation contributes to the quality of foster care. Nevertheless, this approach is not<br />

adequate for all types of foster parents.<br />

II


Vorwort<br />

Das Thema <strong>Pflegeelternschaft</strong> wählte ich auf Grund <strong>von</strong> Erfahrungen und Erlebnissen<br />

mit Pflegefamilien aus meinem privaten Umfeld. Während eines Praktikums in einer<br />

Bezirkshauptmannschaft im ländlichen Raum wurde ich verstärkt mit der Rolle<br />

konfrontiert, welche die behördliche Sozialarbeit in diesen Familien einnimmt. Das<br />

südöstliche Burgenland und die angrenzenden steirischen Bezirke sind Regionen, die<br />

traditionell eine hohe Zahl an Pflegeverhältnissen aufweisen, dementsprechend viel<br />

Raum nimmt das Pflegekinderwesen in der Jugendwohlfahrtssozialarbeit in diesen<br />

Bezirken ein. Die Aufgaben der Steuerungsebene, die für die strategische Ausrichtung<br />

und Planung zur Ausbildung und Absicherung der Pflegeeltern und für die<br />

anzustrebende Qualität der Pflegeverhältnisse verantwortlich ist, lernte ich durch mein<br />

<strong>Beruf</strong>spraktikum in der Abteilung Soziales beim Amt der Steiermärkischen<br />

Landesregierung kennen. Im Zuge <strong>von</strong> Recherchetätigkeiten zu diesem Thema, wurde<br />

ich darauf aufmerksam, wie unterschiedlich die einzelnen Bundesländer ihre<br />

Gestaltungspotentiale in diesem Wirkungsbereich ausschöpfen, und die Bedingungen<br />

für das Ausüben einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> in Österreich verschieden sind. Dies war der<br />

Ausgangspunkt für die weitere Vertiefung mit dem Gegenstand, die mich bis zur<br />

Formulierung und Bearbeitung der Fragestellung im Rahmen dieser Arbeit führte.<br />

An dieser Stelle halte ich es auch für wichtig, mich bei meinen Interviewpartner/innen/n<br />

zu bedanken. Die Interviews mit den Vertreter/innen/n der Pflegeelternvereine<br />

Steiermark, Salzburg und Oberösterreich ermöglichten mir die Komplexität und die<br />

verschiedenen Zugänge zur Arbeit mit Pflegeeltern besser zu verstehen. Ein ganz<br />

besonderer Dank gilt den Pflegefamilien, die mir ihre Häuser geöffnet haben und sehr<br />

offen über Alltag, Sorgen und Freuden, die das Pflegeelterndasein mit sich bringt,<br />

gesprochen haben. Für die Anregungen und die gemeinsamen Stunden, die der<br />

kritischen Auseinandersetzung mit meinem Thema gewidmet waren, bedanke ich mich<br />

bei meiner Studienkollegin Kathrina. Meinen Schwestern Irmgard, Renate und Karin sei<br />

herzlich gedankt für den Rückhalt und die aktive Unterstützung während der<br />

Erstellungsphase. Abschließend möchte ich Herrn Prof.(FH) Mag. Dr. Rainer Loidl–<br />

Keil für die fachliche Anleitung und die Hilfe bei der Umsetzung dieser <strong>Diplomarbeit</strong><br />

meinen Dank aussprechen.<br />

III


Inhaltsverzeichnis<br />

ABSTRACT ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ I<br />

VORWORT ----------------------------------------------------------------------------------------------------------III<br />

INHALTSVERZEICHNIS ---------------------------------------------------------------------------------------- IV<br />

1 EINLEITUNG -------------------------------------------------------------------------------------------------------1<br />

1.1 FRAGESTELLUNG--------------------------------------------------------------------------------------------------- 2<br />

1.2 AUFBAU DER ARBEIT ---------------------------------------------------------------------------------------------- 3<br />

1.3 ZIELSETZUNG ------------------------------------------------------------------------------------------------------- 4<br />

1.4 RELEVANZ----------------------------------------------------------------------------------------------------------- 4<br />

2 DAS PFLEGEKINDERWESEN IM ÜBERBLICK ---------------------------------------------------------6<br />

2.1 RECHTLICHE VERANKERUNG DES PFLEGEVERHÄLTNISSES IN ÖSTERREICH------------------------------ 6<br />

2.1.1 Grundsätze der Jugendwohlfahrt -----------------------------------------------------------------------6<br />

2.1.2 Rechtsquellen für das Pflegeverhältnis ----------------------------------------------------------------7<br />

2.1.3 Legaldefinitionen Pflegekind und Pflegeeltern -------------------------------------------------------8<br />

2.1.4 Wie wird man zu Pflegeeltern? -------------------------------------------------------------------------9<br />

2.1.5 Wie kommt es zu einer Unterbringung in einer Pflegefamilie? ----------------------------------- 10<br />

2.1.6 Die rechtliche Situation <strong>von</strong> Herkunftsfamilien----------------------------------------------------- 12<br />

2.1.7 Leistungen für die Pflegefamilie ---------------------------------------------------------------------- 14<br />

2.2 FORMEN DER INPFLEGNAHME-----------------------------------------------------------------------------------16<br />

2.2.1 Dauerpflegefamilien------------------------------------------------------------------------------------ 16<br />

2.2.2 Kurzzeitpflege ------------------------------------------------------------------------------------------- 17<br />

2.2.3 Interims-Vollzeitpflege oder Familienbegleitende Pflegeplatzunterbringung ------------------ 17<br />

2.2.4 Heilpädagogische Pflegefamilien--------------------------------------------------------------------- 18<br />

2.2.5 Mutter-Kind Unterbringung bei Pflegefamilien ---------------------------------------------------- 18<br />

2.2.6 Verwandtenpflege--------------------------------------------------------------------------------------- 18<br />

2.3 STATISTISCHE DARSTELLUNG DES PFLEGEKINDERWESENS IN ÖSTERREICH-----------------------------19<br />

2.4 ÜBERSICHT ÜBER DIE UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME IN DEN BUNDESLÄNDERN --------------------------23<br />

3 STRUKTURELLE UND PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE DES PFLEGEVERHÄLTNISSES 29<br />

3.1 ALLGEMEINE STRUKTURMERKMALE VON FAMILIEN UND PFLEGEFAMILIEN IM VERGLEICH ---------29<br />

3.1.1 Aufgaben der Familie ---------------------------------------------------------------------------------- 29<br />

3.1.2 Wandel des familialen Zusammenlebens ------------------------------------------------------------ 32<br />

3.1.3 Konsequenzen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse für die Pflegefamilienerziehung-- 33<br />

3.1.4 Positionsstreit: Exklusives versus Inklusives Modell der Pflegefamilie ------------------------- 36<br />

3.2 DIE PFLEGEKINDER -----------------------------------------------------------------------------------------------38<br />

3.2.1 Bindungstheoretische Aspekte der Eltern – Kind – Beziehung------------------------------------ 40<br />

3.2.1.1 Das sichere Bindungsmodell (B-Bindung)------------------------------------------------------------------ 41<br />

3.2.1.2 Das unsicher vermeidende Bindungsmodell (A-Bindung) ----------------------------------------------- 41<br />

3.2.1.3 Das unsicher ambivalente Bindungsmodell (C-Bindung) ------------------------------------------------ 41<br />

3.2.1.4 Desorganisation (D-Bindung) -------------------------------------------------------------------------------- 42<br />

3.2.1.5 Die Angstbindung ---------------------------------------------------------------------------------------------- 42<br />

IV


3.2.1.6 Distanzlosigkeit------------------------------------------------------------------------------------------------- 43<br />

3.2.1.7 Auswirkungen des Bindungsmodells ------------------------------------------------------------------------ 43<br />

3.2.2 Integration in die Pflegefamilie ----------------------------------------------------------------------- 44<br />

3.2.2.1 Überanpassung-------------------------------------------------------------------------------------------------- 44<br />

3.2.2.2 Übertragung ----------------------------------------------------------------------------------------------------- 44<br />

3.2.2.3 Bindung---------------------------------------------------------------------------------------------------------- 44<br />

3.3 DIE HERKUNFTSFAMILIE -----------------------------------------------------------------------------------------45<br />

3.4 DIE PFLEGEELTERN -----------------------------------------------------------------------------------------------46<br />

3.4.1 Motive für die Aufnahme eines Pflegekindes-------------------------------------------------------- 47<br />

3.4.2 Rollenkonzepte ------------------------------------------------------------------------------------------ 48<br />

3.5 PROBLEMKREISE IN PFLEGEFAMILIEN -------------------------------------------------------------------------50<br />

3.5.1 Verhaltensaufälligkeiten ------------------------------------------------------------------------------- 51<br />

3.5.2 Identitätsproblematik----------------------------------------------------------------------------------- 51<br />

3.5.3 Besuchskontakte----------------------------------------------------------------------------------------- 52<br />

3.5.4 Loyalitätskonflikte -------------------------------------------------------------------------------------- 53<br />

3.5.5 Elternschaft auf Zeit------------------------------------------------------------------------------------ 54<br />

3.6 ZUSAMMENFASSUNG DER ENTWICKLUNGSLINIEN -----------------------------------------------------------54<br />

4 PFLEGEELTERNSCHAFT ALS BERUFLICHE TÄTIGKEIT --------------------------------------- 56<br />

4.1 ZUR BEDEUTUNG DES BERUFES IN DER MODERNEN GESELLSCHAFT -------------------------------------56<br />

4.1.1 Wandel der <strong>Beruf</strong>swelt --------------------------------------------------------------------------------- 60<br />

4.1.2 Frauen und Erwerbstätigkeit-------------------------------------------------------------------------- 62<br />

4.1.3 Tätigkeiten innerhalb des familiären Aufgabenkreises -------------------------------------------- 64<br />

4.2 DER PROZESS DER KOMMODIFIZIERUNG ----------------------------------------------------------------------65<br />

4.3 PROFESSIONALISIERUNG IM PFLEGEKINDERWESEN----------------------------------------------------------70<br />

4.3.1 Professionelles Handeln ------------------------------------------------------------------------------- 71<br />

4.3.2 Verberuflichung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong> ------------------------------------------------------------- 72<br />

4.4 DIE „PROFESSIONALISIERTE“ PFLEGEFAMILIE----------------------------------------------------------------77<br />

4.4.1 Sanfte Professionalisierung --------------------------------------------------------------------------- 78<br />

4.4.2 Doppelte Professionalisierung ------------------------------------------------------------------------ 82<br />

4.5 ZUSAMMENFASSUNG ---------------------------------------------------------------------------------------------84<br />

5 EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG--------------------------------------------------------------------------- 85<br />

5.1 FRAGESTELLUNGEN-----------------------------------------------------------------------------------------------85<br />

5.2 FORSCHUNGSMETHODIK -----------------------------------------------------------------------------------------86<br />

5.2.1. Datenerhebung ----------------------------------------------------------------------------------------- 86<br />

5.2.1.1 Das themenzentrierte, leitfadengestützte Interview-------------------------------------------------------- 87<br />

5.2.1.2 Auswahl, Zugang und Beschreibung der Interviewpartner ----------------------------------------------- 88<br />

5.2.1.3 Ablauf der Interviews -------------------------------------------------------------------------------- 92<br />

5.2.2 Auswertung der Interviews mittels Inhaltsanalyse <strong>von</strong> Mayring --------------------------------- 93<br />

5.3 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE -------------------------------------------------------------------------------95<br />

5.3.1 Motivation ----------------------------------------------------------------------------------------------- 96<br />

5.3.2 Kompetenz- und Anforderungsprofil ----------------------------------------------------------------- 98<br />

5.3.3 Herkunftssystem----------------------------------------------------------------------------------------100<br />

5.3.4 Belastungssituationen ---------------------------------------------------------------------------------102<br />

5.3.5 Netzwerk ------------------------------------------------------------------------------------------------105<br />

V


5.3.6 Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter/innen/n der Jugendwohlfahrt------------------------------108<br />

5.3.7 Wahrnehmung <strong>als</strong> Pflegeperson ---------------------------------------------------------------------110<br />

5.3.8 Absicherung --------------------------------------------------------------------------------------------113<br />

5.3.9 Verberuflichung----------------------------------------------------------------------------------------115<br />

5.3.10 Anerkennung ------------------------------------------------------------------------------------------119<br />

5.4 ZUSAMMENFASSUNG ------------------------------------------------------------------------------------------- 121<br />

6 SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK-----------------------------------------------------------122<br />

7 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ---------------------------------------------------------128<br />

8 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS -----------------------------------------------------------------------------141<br />

9 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS -----------------------------------------------------142<br />

10 ANHANG --------------------------------------------------------------------------------------------------------143<br />

10.1 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ----------------------------------------------------------------------------- 143<br />

10.2 INTERVIEWLEITFÄDEN ---------------------------------------------------------------------------------------- 144<br />

VI


1 Einleitung<br />

Pflegefamilien sind Frauen und Männer, mit oder ohne eigene Kinder, die eine soziale<br />

Elternschaft für Kinder und Jugendliche aus anderen Familien, die sich in<br />

Ausnahmesituationen befinden, eingehen. Pflegeeltern helfen mit ihrem Engagement<br />

Kindern so durch schwierige Zeiten und ermöglichen ihnen eine gefühlsmäßige<br />

Bindung in einer Familie, die für ihre Entwicklung wichtig ist. Sie erfüllen damit auch<br />

eine wichtige Aufgabe im Auftrag der Jugendwohlfahrt. Diese drei konstitutiven<br />

Merkmale <strong>von</strong> Pflegefamilien lassen bereits erahnen, dass die Tätigkeit der Pflegeeltern<br />

eine komplexe und anspruchsvolle ist.<br />

Im Konstrukt und Praxis der Pflegefamilie spielen viele Akteure eine Rolle: Die Kinder,<br />

die nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können, die Mitglieder der<br />

Herkunftsfamilie, die Pflegeeltern, die Pflegegeschwister, und die Verantwortlichen der<br />

Jugendwohlfahrt: Sie nehmen darin Schlüsselpositionen ein. Demzufolge gibt es in<br />

diesem Beziehungsgeflecht eine Vielzahl möglicher Forschungsthemen, deren<br />

Bearbeitung wichtig und notwendig ist. Nachholbedarf in der Forschung gibt es vor<br />

allem im Hinblick auf die Situation der Herkunftsfamilien und deren Umgang mit dem<br />

Umstand, ihr Kind nicht mehr bei sich zu haben und somit zentrale Elternfunktionen<br />

nicht mehr erfüllen zu können. 1 Weiters wird auch die Perspektive der Pflegekinder<br />

eher selten erfragt, wenn dies geschieht, dann meist im Rückblick nachdem ein<br />

Pflegeverhältnis beendet wurde. 2<br />

Was ist nun Gegenstand dieser Arbeit? Diese Arbeit setzt direkt im „Heute“ ein, es<br />

sollen weniger die historischen Entwicklungen und Problematiken des<br />

Pflegekinderwesens erörtert werden. Vielmehr sollen die aktuellen Bedingungen und<br />

die derzeitige Lebenswelt <strong>von</strong> Pflegeeltern vor dem Hintergrund sich verändernder<br />

Familienbilder, Lebensplanungen und Erwerbsbiographien beschrieben werden.<br />

Das Thema „<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>“ ist eingefasst in den Bezugsrahmen <strong>von</strong><br />

zunehmenden Tendenzen der Ausdifferenzierung der Formen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen<br />

und Strömungen, die über das Pflegekinderwesen hinaus zu beobachten sind, nämlich<br />

der zunehmenden Vermarktung <strong>von</strong> Tätigkeiten, die bislang großteils unentgeltlich in<br />

Familien erbracht wurden.<br />

1 siehe dazu Faltermeier et. al. (2000)<br />

2 vgl. Blandow (1999), S. 759f<br />

1


Man kann heute nicht mehr <strong>von</strong> „der“ Pflegefamilie sprechen, denn das<br />

Pflegekinderwesen ist alles andere <strong>als</strong> ein homogener Komplex, es entwickeln sich<br />

verstärkt neue, unterschiedliche Formen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen, „die sich an<br />

professionellen oder gar beruflichen Normen orientieren“. 3 Pflegeeltern arbeiten mit<br />

pädagogischem und therapeutischem Fachpersonal zusammen und werden für ihre<br />

Erziehungsarbeit bezahlt.<br />

In dieser Arbeit werden sowohl die traditionelle Pflegefamilie, die nicht oder sehr lose<br />

in eine Organisation eingebunden ist, <strong>als</strong> auch die professionalisierte Pflegefamilie, in<br />

der Pflegepersonen mit fachspezifischer Ausbildung mit Pflegekindern zusammenleben,<br />

ins Blickfeld gerückt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Darstellung der<br />

Anforderungen, denen Pflegeeltern gegenüberstehen und der Ansätze, diesen<br />

Anforderungen adäquat zu begegnen. Eine Antwort sind die Modelle der<br />

professionellen Pflegefamilien, die in unterschiedlicher Ausgestaltung und Qualität<br />

während des letzten Jahrzehntes in Österreich eingeführt worden sind und die in einem<br />

diffusen Graubereich zwischen den Familiennormen und den Normen des Arbeitslebens<br />

angesiedelt sind. Auf diese Weise wird versucht, die Vorteile der Privatheit und<br />

Geborgenheit des familialen Zusammenlebens, die Pflegefamilien Kindern bieten<br />

können, mit einem durch Grundausbildung und weiterführender Qualifizierung<br />

geschärften fachlichen Blick auf die Bedürfnisse der Kinder zu verbinden. Durch die<br />

ermöglichte Auseinandersetzung mit der Rolle <strong>als</strong> Pflegeperson wird versucht<br />

Handlungsstrategien bewusster zu gestalten.<br />

1.1 Fragestellung<br />

In der Jugendwohlfahrtsgesetzgebung ist die Unterbringung eines Minderjährigen in der<br />

Pflegefamilie <strong>als</strong> eine Form der Hilfe zur Erziehung festgelegt. Der Träger der<br />

öffentlichen Jugendwohlfahrt hat dafür zu sorgen, dass Pflegeeltern bei ihrer Aufgabe<br />

unterstützt werden, denn hier passiert „öffentliche Erziehung in privaten Institutionen“ 4 .<br />

Worin besteht in diesem Schnittfeld <strong>von</strong> Öffentlichkeit und Privatsphäre die<br />

Fachlichkeit, und mit welchen Mitteln wird versucht diese zu entwickeln, weiter zu<br />

entwickeln, zu professionalisieren? Ist das Bündel <strong>von</strong> Anforderungen an Pflegeeltern<br />

schon derart groß, dass sich damit die Notwendigkeit eines neuen <strong>Beruf</strong>sbildes<br />

3 Blandow (2004), S.14<br />

4 Thiersch (1974), S. 98<br />

2


„Pflegemutter/Pflegvater“ rechtfertigen lässt? Und will man ein (bisheriges) Ehrenamt 5 ,<br />

das darin besteht, Kinder bei sich zu Hause aufzunehmen und bei sich aufwachsen zu<br />

lassen, überhaupt zu einem <strong>Beruf</strong> werden lassen? Das hier eingebrachte<br />

Forschungsinteresse richtet sich auf die Zugänge der Pflegeeltern zu ihrer Aufgabe und<br />

darauf, ob sie ihre <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> eine Form der beruflichen Betätigung sehen.<br />

Weiters werden folgende Fragen aufgeworfen:<br />

Spielt die Option, die <strong>Pflegeelternschaft</strong> auch auf beruflicher Basis ausüben zu können,<br />

bereits einen wichtige Rolle für ein Engagement <strong>als</strong> Pflegeperson? Welche<br />

Überlegungen bei der Entscheidung für oder gegen ein Dienstverhältnis eines<br />

Pflegeelternteils werden gemacht und was verändert sich durch ein Dienstverhältnis im<br />

Selbstverständnis der Pflegeeltern? Welche Vorteile bringt diese Art der Erwerbsarbeit<br />

mit sich und mit welchen unbeabsichtigten Problemen oder Vorurteilen werden diese<br />

Pflegeeltern konfrontiert? Sind diese Modelle der professionellen Pflegeeltern ein<br />

Schritt hin zu einem allgemein anerkannten <strong>Beruf</strong>sbild Pflegemutter bzw. Pflegevater<br />

und zu einer generellen Anhebung der Qualität im Pflegekinderwesen?<br />

1.2 Aufbau der Arbeit<br />

Um zum Kern der Inhalte zu gelangen, führt der Weg über mehrere Stationen, die an<br />

dieser Stelle grob skizziert werden: Eingangs werden die grundlegenden Konturen des<br />

Pflegekinderwesens in Österreich herausgearbeitet. Dies geschieht durch die<br />

Darstellung des rechtlichen Rahmens, in dem die Pflegefamilie definiert wird und<br />

anhand statistischen Datenmateri<strong>als</strong> der letzten Jahre. Weiters wird ein kurzer Überblick<br />

über die momentanen Unterstützungssysteme für Pflegefamilien in Österreich geboten<br />

(Kap.2). Das dritte Kapitel führt uns zu den strukturellen und psychologischen Aspekten<br />

des Pflegeverhältnisses. Dies geschieht durch die Gegenüberstellung der strukturellen<br />

Merkmale und der Funktionen <strong>von</strong> Familie im Allgemeinen mit denen der Pflegefamilie<br />

im Besonderen. Darüber hinaus werden die Wandlungsprozesse, denen beide<br />

unterliegen, dargestellt. In diesem Abschnitt werden auch die<br />

Hauptfunktionsträger/innen des Systems Pflegefamilie vorgestellt. Die Problemkreise<br />

<strong>von</strong> Pflegeverhältnissen verdeutlichen, worin die Leistungen <strong>von</strong> Pflegeeltern bestehen<br />

5 „Ehrenamtlich/freiwillig Tätige sind Bürgerinnen und Bürger, die sich, ohne durch verwandtschaftliche<br />

Beziehungen oder durch ein Amt dazu verpflichtet zu sein, unentgeltlich oder für geringfügige<br />

Entschädigung, die weit unter der tariflichen Vergütung liegt, für Aufgaben zur Verfügung stellen.“ Bock<br />

(1997), S. 241, zit. n. Rauschenbach (2002), S. 345<br />

3


und dass deren Bewältigung über herkömmliches elterliches Erziehungs- und<br />

Problemlösungsverhalten hinausgeht.<br />

Das vierte Kapitel wird sich einer Diskussion rund um die Begriffe <strong>Beruf</strong>,<br />

Verberuflichung, und Professionalität widmen und der Frage nachgehen, unter welchen<br />

Bedingungen <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> gesehen werden kann und auch ausgeübt<br />

wird. Dafür wird auch auf die Bedeutung der Tätigkeiten eingegangen, die innerhalb<br />

<strong>von</strong> Familien - hauptsächlich <strong>von</strong> Frauen - geleistet werden. Welche Ansätze gibt es,<br />

diese Arbeit sichtbar und zu einer Möglichkeit des Erwerbs zu machen? Weiters wird<br />

dargestellt, wie diese allgemeinen Zeitströmungen, denen die westlichen Gesellschaften<br />

unterliegen, im Pflegekinderwesen Ausdruck finden.<br />

Dieser theoretischen Auseinandersetzung folgt im fünften Kapitel die Darstellung der<br />

Konzeption, der Durchführung und der Ergebnisse einer qualitativen empirischen<br />

Erhebung unter Pflegeeltern, die verschiedene Typen <strong>von</strong> Pflegefamilien repräsentieren,<br />

und welche einen unterschiedlichen Grad <strong>von</strong> Verberuflichung aufweisen, sowie unter<br />

Expert/innen/en aus dem Bereich des Pflegekinderwesens aus den Bundesländern<br />

Steiermark, Salzburg und Oberösterreich.<br />

Die daraus erhaltenen Erkenntnisse werden im 6. Kapitel zu Schlussfolgerungen und<br />

Hypothesen verdichtet.<br />

1.3 Zielsetzung<br />

Meine Ziele sind, mit dieser Arbeit den Trend zur Verberuflichung im<br />

Pflegekinderbereich umfassend darzustellen und seinen Ursachen sowie theoretischen<br />

und praktischen Argumenten auf den Grund zu gehen. Anhand der Ergebnisse einer<br />

empirischen Studie, die dem qualitativen Forschungsparadigma folgt, wird gezeigt,<br />

welche Sichtweisen unter Pflegeeltern zur Idee und Forderung einer Anerkennung <strong>von</strong><br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit vorhanden sind.<br />

1.4 Relevanz<br />

Die Befassung mit diesem Thema ist meines Erachtens aus mehreren Blickwinkeln<br />

relevant. Am Beispiel der Entwicklung des Pflegekinderwesens lässt sich ein Prozess<br />

darstellen, der über diesen Bereich hinaus gesamtgesellschaftliches Gewicht erlangt,<br />

nämlich der Prozess des Zur-Ware-Werdens und der Entlohnung <strong>von</strong> Leistungen, die<br />

bislang weitestgehend in der Privatsphäre der Familien ohne pekuniäre Honorierung<br />

4


erbracht wurden. Dieser Prozess verläuft nicht ohne Friktionen und Ambivalenzen, die<br />

hier beleuchtet werden sollen.<br />

Die <strong>von</strong> Pflegeeltern übernommene Aufgabe kann neben der Befriedigung <strong>von</strong><br />

Bedürfnissen, wie dem nach Familienleben mit Kindern, oder der Möglichkeit<br />

altruistisches Engagement zu verwirklichen, auch Belastungen in vielerlei Hinsicht mit<br />

sich bringen und schließt in jedem Fall große Verantwortung mit ein. Daher wird in<br />

dieser Arbeit der Prozess der Verberuflichung auch im Hinblick auf die damit<br />

einhergehenden Unterstützungsleitungen für Pflegeeltern untersucht. Diese<br />

Unterstützungssysteme, das Pflegekinderwesen generell, sind ein Feld für<br />

sozialarbeiterisches Handeln, sei es nun auf Seiten der behördlichen Sozialarbeit in den<br />

Jugendämtern oder auf Seiten der freien Träger im Pflegekinderwesen. Wie Pflegeeltern<br />

Unterstützungssysteme wahrnehmen, ist ein Teil der empirischen Erhebung und kann<br />

Hinweise liefern, wie Fachkräfte den sich verändernden Bedürfnissen weiter gerecht<br />

werden können, damit Pflegeverhältnisse gelingen.<br />

Die Relevanz meiner Arbeit begründet sich nicht zuletzt auch in der Aktualität der<br />

Professionalisierungsdebatte im Pflegekinderwesen, die sich in Publikationen und in der<br />

Thematisierung auf Kongressen und Tagungen in Österreich und international<br />

niederschlägt. Den Vereinen und Initiativen im Pflegekinderbereich ist es seit jeher ein<br />

Anliegen, dass die Leistungen, die Pflegeeltern tagtäglich im Auftrag der<br />

Jugendwohlfahrt erbringen, mehr Wertschätzung und Beachtung in der Öffentlichkeit<br />

erfahren, nicht nur, aber auch in Form einer sozialen Absicherung und einer<br />

angemessenen Entlohnung. Neben materiellem Anreiz braucht eine Pflegefamilie auch<br />

das Gefühl, anerkannt und geschätzt zu werden. Viele Pflegeeltern engagieren sich für<br />

ihr Recht auf Unterstützung und Anerkennung. Die Modelle zur Absicherung und<br />

Begleitung <strong>von</strong> Pflegeeltern sind ein „Meilenstein“ in der Realisierung dieser<br />

Bestrebungen. Hopp führt dazu aus: „Die Entwicklung <strong>von</strong> derartigen Konzepten […]<br />

geht aber weit darüber hinaus und Pflegefamilien erhalten so einen höheren Status“ 6 .<br />

6 Hopp (2004), S. 166<br />

5


2 Das Pflegekinderwesen im Überblick<br />

Den Begriff Pflegekinderwesen definiert Blandow folgendermaßen:<br />

Das Gesamt der institutionellen, personellen und rechtlichen Arrangements, die der<br />

Unterbringung <strong>von</strong> Kindern in Vollzeitpflege, ihrer und der Pflegepersonen Begleitung und<br />

Unterstützung in der Pflegefamilie, ggf. auch der Rückführung der Kinder in ihre<br />

Herkunftsfamilie oder der Vermittlung eines anderen Sozialisationsortes nach Beendigung<br />

eines Pflegeverhältnisses dienen. 7<br />

Um auf das Pflegekinderwesens und seine Entwicklungstendenzen eingehen zu können,<br />

muss zunächst auf dessen Bedeutung in der Jugendwohlfahrt und auf seine Verankerung<br />

in den entsprechenden Gesetzestexten hingewiesen werden.<br />

2.1 Rechtliche Verankerung des Pflegeverhältnisses in<br />

Österreich<br />

2.1.1 Grundsätze der Jugendwohlfahrt<br />

Der gesetzliche Auftrag Kinder zu erziehen, das heißt für eine gedeihliche Entwicklung<br />

in physischer, psychischer und geistiger Hinsicht zu sorgen, obliegt laut § 137 ABGB in<br />

erster Linie den leiblichen Eltern, den Erziehungsberechtigten: „Die Eltern haben für die<br />

Erziehung ihrer Minderjährigen Kinder zu sorgen und überhaupt ihr Wohl zu fördern“.<br />

Wenn Eltern ihre Pflichten nicht erfüllen (können) oder gröblich vernachlässigen, hat<br />

der Staat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wohl <strong>von</strong> minderjährigen Kindern und<br />

Jugendlichen zu gewährleisten.<br />

Die Sicherung des Kindeswohls ist <strong>als</strong>o der primäre gesetzliche Auftrag der<br />

Jugendwohlfahrt, <strong>als</strong> deren Träger die einzelnen Bundesländer fungieren. Der<br />

unbestimmte Gesetzesbegriff des Kindeswohls umfasst mehrere Dimensionen: das<br />

körperliche, geistige, und seelische Wohlergehen des Kindes. Das damit befasste<br />

Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 ist ein Grundsatzgesetz des Bundes. Es gilt für das ganze<br />

Bundesgebiet und soll eine einheitliche Vorgehensweise aller Länder in wichtigen<br />

Fragen der Jugendwohlfahrt sicherstellen. Die einzelnen Bundesländer waren<br />

verpflichtet, eigene Ausführungsgesetze zu erlassen, die nähere Bestimmungen zur<br />

7 Blandow (1999), S. 758<br />

6


Durchführung der einzelnen Aufgaben beinhalten. 8<br />

Aus diesem Umstand heraus<br />

entwickelten sich regional differierende Ausgestaltungen der Regelungen.<br />

Die Vollzugsorgane des Jugendwohlfahrtsgesetzes erster Instanz sind die<br />

Bezirkshauptmannschaften oder Magistrate, an sie wendet man sich, wenn in einer<br />

Familie Schwierigkeiten auftreten, die alleine nicht mehr bewältigt werden können. Ein<br />

wichtiger Grundsatz der Jugendwohlfahrt ist das Subsidiaritätsprinzip. Es besagt „dass<br />

die <strong>als</strong> subsidiär normierte Handlungsweise erst im Falle des Fehlens der <strong>als</strong> primär<br />

normierten Handlung erbracht werden“ 9 . Erst wenn die Erziehungsberechtigten das<br />

Wohl ihrer Kinder nicht mehr gewährleisten (können), besonders aber bei erzieherischer<br />

Gewalt an Kindern (Grundsatz der gewaltlosen Erziehung), ist die öffentliche<br />

Jugendwohlfahrt zum Handeln verpflichtet.<br />

Weiters ist es zentraler Auftrag der öffentlichen Jugendwohlfahrt die Erziehungskraft<br />

der Familie primär- und sekundärpräventiv zu stärken. Das JWG 1989 definierte <strong>als</strong>o<br />

eine Jugendwohlfahrt, die weniger <strong>als</strong> Kontrollinstanz fungiert, sondern vermehrt<br />

Beratung und Unterstützungsangebote für Familien bereitstellen soll.<br />

Die Jugendwohlfahrt kann je nach Hilfebedarf der Familie bzw. des Kindes Hilfen zur<br />

Unterstützung der Erziehung (Beratung, Therapien, Sozial- und Lernbetreuung etc.)<br />

geben oder Maßnahmen der Vollen Erziehung setzen (Unterbringung des Kindes bei<br />

Verwandten, Pflegefamilien oder Einrichtungen der Jugendwohlfahrt). Die<br />

Pflegefamilie <strong>als</strong> Ort und Medium der erzieherischen Hilfe soll die positiven Merkmale<br />

aufweisen, die der Familie allgemein zugeschrieben werden und welche die<br />

Herkunftsfamilie nicht in ausreichendem Maß besitzt. 10<br />

Mit der Orientierung an der Unterbringungsform der Pflegefamilie in der öffentlichen<br />

Erziehung wird beabsichtigt, das „Normale zu imitieren, das Schädigende durch<br />

Intaktes zu ersetzen und dadurch heilend zu wirken und das Fehlende zu<br />

kompensieren“. 11<br />

2.1.2 Rechtsquellen für das Pflegeverhältnis<br />

Der Begriff Pflegeverhältnis beschreibt die formale Beziehung zwischen einem fremd<br />

untergebrachten Pflegekind und den Pflegeeltern, die es aufnehmen. Die wichtigsten<br />

8 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 4<br />

9 vgl. Scheipl et al. (1993), zit. n. Sitz (1998), S. 8<br />

10 vgl. Kallert (2001), S. 209<br />

11 ebda, S. 212<br />

7


Rechtsquellen für das Pflegeverhältnis finden sich im Allgemeinen Bürgerlichen<br />

Gesetzbuch (ABGB) in dem das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind<br />

beschrieben wird, sowie im Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 (JWG). Im folgenden<br />

Abschnitt werden beispielhaft für Regelungen der Bundesländer das Steiermärkische<br />

Jugendwohlfahrtsgesetz 1991 (StJWG 1991) und die Durchführungsverordnung zum<br />

StJWG 2005 (StJWG - DVO 2005) zitiert.<br />

Für das Pflegeverhältnis finden sich grundsätzliche gesetzliche Regelungen:<br />

• im JWG 1989 in den §§14 bis 21a.<br />

• in der Neufassung der §§ 186, 186a ABGB durch das<br />

Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001 (KindRäg 2001).<br />

• Im StJWG 1991 befassen sich die §§ 21 bis 28a ausschließlich mit der<br />

Ausgestaltung des Pflegekinderwesen, weiters wird im § 37 StJWG 1991 darauf<br />

Bezug genommen. 12<br />

• In der StJWG- DVO 2005 sind in den Abschnitten 2, 3 und 4 detaillierte<br />

Regelungen zur Pflegeplatzunterbringung zu finden.<br />

2.1.3 Legaldefinitionen Pflegekind und Pflegeeltern<br />

Gemäß § 14 JWG sind Pflegekinder solche Minderjährige, die <strong>von</strong> anderen <strong>als</strong> bis zum<br />

dritten Grade Verwandten oder Verschwägerten, <strong>von</strong> Wahleltern oder <strong>von</strong> einem<br />

Vormund gepflegt und erzogen werden. Die Begründung eines<br />

Pflegefamilienverhältnisses für ein Kind ist gemäß § 16 JWG auf Kinder unter 16<br />

Jahren beschränkt.<br />

Die Legaldefinition der Pflegeeltern findet sich unter dem im KindRäg 2001 neu<br />

gefassten § 186 ABGB.<br />

Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz<br />

oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen<br />

leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder<br />

hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes<br />

betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.<br />

Das JWG 1989 brachte auch für die Pflegefamilie wichtige Neuerungen. Bei<br />

Notwendigkeit einer Fremdunterbringung wurde richtungsweisend verankert, dass der<br />

Familienerziehung vor allem bei Kleinkindern eine vorrangige Stellung gegenüber<br />

12 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 9<br />

8


Heimen zukommt. 13 Basis dafür waren die Ergebnisse der Deprivationsforschung und<br />

Entwicklungspsychologie, die verstärkt auf die verbesserten Entwicklungschancen <strong>von</strong><br />

in Familien fremd untergebrachten Kindern hinwiesen. 14<br />

Weiters ist im JWG 1989 das Ziel formuliert, bei Vollzeitpflegeverhältnissen ein<br />

tatsächliches Eltern-Kind-Verhältnis anzustreben, was bedeutet, dass ein Kind auf<br />

Dauer in einer fremden Familie untergebracht wird und die Pflegeeltern zu seinen<br />

Hauptbezugspersonen werden. Die Aufgabe der bloßen Unterbringung und physischen<br />

Versorgung, die in den Jahrzehnten zuvor stark das Bild der Pflegefamilie prägte, tritt<br />

damit deutlich in den Hintergrund. Die Jugendwohlfahrt hat folglich auch den Auftrag<br />

bekommen, verstärkt Hilfestellungen anzubieten, die dem Aufbau und der Festigung<br />

eines solchen Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Pflegeeltern und Pflegekind dienen<br />

sollen. 15<br />

2.1.4 Wie wird man zu Pflegeeltern?<br />

„Ein Pflegeverhältnis ist ein arrangiertes Verhältnis, bei dem Vertreter der<br />

Jugendwohlfahrt Schicksal spielen.“ 16 Dieses Zitat bringt auf den Punkt, dass beim<br />

Zustandekommen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen die Jugendwohlfahrtsbehörde bei der<br />

Mehrzahl der Entscheidungen eine tragende Rolle spielt.<br />

Personen, die sich um die Aufnahme eines Pflegekindes bemühen, müssen zunächst ein<br />

Verfahren zur Eignungsfeststellung bei der für ihren Wohnbezirk zuständigen<br />

Bezirkshauptmannschaft bzw. beim zuständigen Magistrat durchlaufen. Nach den<br />

Bestimmungen der jeweiligen Landesgesetze hat das Jugendamt zu diesem Zweck<br />

bestimmte Erhebungen zu machen. Sozialarbeiter/innen führen Informationsgespräche<br />

mit den Bewerber/innen/n und besuchen diese auch zu Hause. In der Steiermark sind<br />

laut § 7 Abs 4 StJWG-DVO 2005 drei dieser Gespräche vorgesehen, eines da<strong>von</strong> muss<br />

<strong>von</strong> zwei Sozialarbeiter/innen/n durchgeführt werden. Dabei soll überprüft werden, „ob<br />

die Familie einem Kind eine verlässliche Beziehungsbasis bieten und mit schwierigen<br />

Erziehungssituationen umgehen kann […] und ob die Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />

mit dem Jugendamt gegeben ist.“ 17 Damit Pflegeeltern den speziellen Anforderungen<br />

13 vgl. § 37 StJWG Abs 3<br />

14 vgl. Kumer et al. (1988), S. 17<br />

15 vgl. Peer (2004), S 140; Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 9<br />

16 Gintzel (1996), S. 12<br />

17 Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 11<br />

9


gerecht werden können, werden sie vor Übernahme eines Pflegekindes auf ihre Aufgabe<br />

vorbereitet.<br />

Der Besuch eines Orientierungs- und Vorbereitungsseminars zur<br />

Entscheidungsfindung und Informationsaneignung ist verpflichtend vorgeschrieben.<br />

Ab dem Zeitpunkt, an dem die grundsätzliche Eignung festgestellt ist, werden die<br />

Bewerber/innen vorgemerkt und es besteht die Möglichkeit, ein Pflegekind durch die<br />

Fachkräfte der Jugendwohlfahrt vermittelt zu bekommen. Dabei wird auf<br />

höchstmögliche Passung zwischen den Besonderheiten der Pflegeelternwerber/innen<br />

und den Bedürfnissen des Kindes geachtet. In realiter muss dieser Schritt häufig sehr<br />

schnell <strong>von</strong>statten gehen bzw. ist die Zahl möglicher „Kandidaten“, aus denen eine<br />

passende Familie für ein Kind gefunden werden soll, oft gering.<br />

Voraussetzung für die endgültige Aufnahme eines Pflegekindes ist der<br />

Pflegebewilligungsbescheid, der für das konkrete Pflegeverhältnis mit einem<br />

bestimmten Kind <strong>von</strong> der Behörde erteilt wird. 18<br />

Diese Pflegebewilligung ist nicht erforderlich zur Pflege <strong>von</strong> Kindern durch Verwandte<br />

oder Verschwägerte bis zum 3. Grad (Großeltern, Onkel). Solange ein Pflegeverhältnis<br />

aufrecht ist, unterliegt es der Aufsicht der Jugendwohlfahrtsbehörde. In der Steiermark<br />

ist jährlich eine Überprüfung dahingehend durchzuführen, ob die Voraussetzungen zur<br />

Pflegebewilligung noch bestehen. Diese erfolgt durch Sozialarbeiter/innen des<br />

Wohnbezirkes der Pflegeeltern 19 .<br />

2.1.5 Wie kommt es zu einer Unterbringung in einer Pflegefamilie?<br />

Die Beziehung zwischen einem Kind und seinen leiblichen Eltern ist rechtlich gut<br />

abgesichert. Diese Beziehung ist <strong>von</strong> Seiten der Eltern nicht nur ein Anrecht, sondern<br />

auch an Verpflichtungen gebunden.<br />

Die Gefährdung des Kindeswohls gibt dem Staat die Befugnis in die Familienautonomie<br />

einzugreifen und den Eltern können verschiedene Teile der rechtlichen Beziehung zum<br />

Kind per Gerichtsbeschluss vorübergehend oder ganz entzogen werden. 20<br />

Der Paragraph § 176 ABGB im Wortlaut:<br />

(1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat<br />

das Gericht, <strong>von</strong> wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des<br />

Kindes nötigen Verfügungen zu treffen.<br />

18 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 14<br />

19 vgl. Peer (2004), S. 144<br />

20 vgl. § 30 JWG<br />

10


(2) Solche Verfügungen können <strong>von</strong> einem Elternteil (…) den sonstigen Verwandten in<br />

gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem<br />

Jugendwohlfahrtsträger und dem mündigen Minderjährigen, <strong>von</strong> diesem jedoch nur in<br />

Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen<br />

können solche Verfügungen anregen.<br />

Die Obsorge über ein minderjähriges Kind setzt sich aus der Pflege, der Erziehung und<br />

der Vermögensverwaltung zusammen. Die Pflege umfasst besonders das Beachten des<br />

körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht. Die<br />

Erziehung umfasst „insbesondere die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen<br />

und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und<br />

Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen schulische und berufliche<br />

Ausbildung“ 21<br />

Der Jugendwohlfahrtsträger wird mit dem Bereich Pflege und Erziehung betraut und<br />

gibt nur diese Aufgaben an die Pflegeeltern weiter. Pflegeeltern übernehmen damit im<br />

Rahmen der Vollen Erziehung nur eingeschränkte Elternrechte. Die<br />

Vermögensverwaltung ist ein Teil der Obsorge, der meist bei den Eltern verbleibt, außer<br />

dem Jugendwohlfahrtsträger wird die gesamte Obsorge übertragen. Dies kann<br />

beispielsweise der Fall sein, wenn die Mutter selbst noch minderjährig ist.<br />

Pflegeeltern können bei Gericht die gesamte Obsorge beantragen, wenn dies auch im<br />

Interesse des Kindes liegt, ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist, und eine<br />

Rückführung in die Herkunftsfamilie nicht mehr möglich ist. 22<br />

Ohne Beschluss des Gerichtes kann eine Fremdunterbringung in eine Pflegefamilie in<br />

unmittelbarer Folge <strong>von</strong> Gefahr im Verzug für das Wohl eines Kindes nach § 215 Abs 1<br />

ABGB vorgenommen werden: wenn <strong>als</strong>o eine akute Gefährdung für sein Leben und<br />

seine Gesundheit besteht.<br />

Pflegefamilienverhältnisse können aber auch auf freiwilliger Basis zustande kommen,<br />

nämlich aufgrund eines Vertrages der Jugendwohlfahrtsbehörde mit den Eltern oder<br />

einer Ermächtigung durch die Eltern nach § 137a ABGB.<br />

21 Wille (2006), S. 9<br />

22 vgl. Peer (2004), S. 148<br />

11


2.1.6 Die rechtliche Situation <strong>von</strong> Herkunftsfamilien<br />

Eine Unterbringung eines Kindes außerhalb der leiblichen Familie erfolgt im Regelfall<br />

aus einer schwerwiegenden Begründung heraus. Familien, in die der Staat so<br />

folgenreich eingreift, befinden sich zumeist in äußerst prekären Lebenssituationen und<br />

deren Kinder finden dort wenig förderliche Bedingungen für einen guten Start ins Leben<br />

vor.<br />

Die folgenden Gründe werden häufig beobachtet, meist handelt es sich auch um<br />

Multiproblemkonstellationen in den Familien: „Vernachlässigung, Misshandlung,<br />

finanzielle oder Wohnprobleme, psychische Störungen der Eltern,<br />

Erziehungsunfähigkeit oder Erziehungsschwierigkeiten, emotionale Ablehnung des<br />

Kindes, Alkohol- und Drogenmissbrauch, sexueller Missbrauch<br />

Abwesenheit/Verschwinden/Tod <strong>von</strong> Elternteilen oder Kriminalität.“ 23<br />

Eine aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2005 bescheinigt bei<br />

den Faktoren, die zur Fremdplatzierung geführt haben, eine deutliche Zunahme der<br />

Nennung „Be- und Erziehungsproblem“ sowie der Nennung „Alleinerziehender<br />

Elternteil“ im Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 1987. 24<br />

Die leiblichen Eltern verlieren nicht alle elterlichen Rechte und Pflichten, wenn sie ihr<br />

Kind in Pflege geben. Wie oben schon erwähnt, bleiben sie weiterhin zuständig für die<br />

gesetzliche Vertretung die Vermögensverwaltung das Kind betreffend und sind<br />

unterhaltspflichtig. Leibliche Eltern verfügen über ein Informations- und<br />

Äußerungsrecht, weiters ist im …§ 148 ABGB das Recht der Eltern festgeschrieben,<br />

persönlich mit ihren Kindern zu verkehren. Ob und in welchem Ausmaß ein<br />

Besuchsrecht gewährt wird, hängt unter anderem vom Alter des Kindes und den<br />

Gründen, die zur Herausnahme des Kindes aus der Familie geführt haben, ab. 25 Eine<br />

Einschränkung oder Untersagung des Besuchsrechts kann nach § 178 Abs 3 ABGB<br />

durch das Gericht vorgenommen werden, wenn Elternteile: „…durch die Wahrnehmung<br />

des Besuchsrechtes das Wohl des Kindes ernstlich gefährden, oder er sie in<br />

rechtsmissbräuchlicher oder für den anderen in unzumutbarer Weise in Anspruch<br />

23 Textor (1995), S. 46f<br />

24 vgl. DJI (2006), S. 26<br />

25 vgl. Peer (2004), S. 148<br />

12


nimmt“. Gegen den Willen des mündigen Kindes, <strong>als</strong>o ab dem 14. Lebensjahr, kann das<br />

Besuchsrecht nicht durchgesetzt werden.<br />

Bei wichtigen Ereignissen, die das Pflegekind betreffen, besteht eine Meldepflicht der<br />

Pflegeeltern an den Jugendwohlfahrtsträger, nicht jedoch an die leiblichen Eltern. 26<br />

Abbildung 1: Der Weg zum Pflegeverhältnis<br />

(Quelle: eigene Darstellung)<br />

26 vgl. Wille (2006), S. 9<br />

13


2.1.7 Leistungen für die Pflegefamilie<br />

Pflegeeltern haben Anspruch auf Familienbeihilfe und Pflegefreistellung, sowie auf<br />

Kinderbetreuungsgeld, sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.<br />

Pflegekinder können bei einem Pflegeelternteil in der Krankenversicherung<br />

mitversichert werden.<br />

Zur Abdeckung der Unterhaltsleistungen für das Kind wird Pflegepersonen vom<br />

Jugendamt ab dem ersten Tag des Pflegeverhältnisses Pflegeelterngeld gewährt. Die<br />

Höhe dieses Betrages ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich und bewegt<br />

sich in einer Spanne <strong>von</strong> 320 bis 480 Euro, meist in gestaffelten Richtsätzen, je nach<br />

Alter des Kindes, und wird jährlich angepasst. Darüber hinaus gibt es Sonderpauschalen<br />

für die Erstausstattung mit Kleidung und Möbeln, die zu Beginn des Pflegeverhältnisses<br />

ausbezahlt werden. 27 Für Sonderbedarfe, wie Musikschule, Skikurse, Ersatz für<br />

Therapiekosten, Ferienaufenthalte und dergleichen, müssen jeweils Anträge zur<br />

Übernahme der Kosten bei der Jugendwohlfahrt gestellt werden. Diese Zahlungen<br />

stellen Leistungen für das Pflegekind dar, ob diese Leistungen gewährt werden, liegt im<br />

Ermessen der zuständigen Mitarbeiter/innen der Behörde. 28<br />

Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für die Pflegeeltern?<br />

Je nach Bundesland ist auch das Ausmaß der fachlichen Unterstützung und der sozialen<br />

Absicherung für Pflegeeltern äußerst unterschiedlich – <strong>von</strong> wenig bis gar keine im<br />

Burgenland bis zu sehr umfassend in Ober- und Niederösterreich. Als Mindeststandard<br />

kann man die Pflegeelternrunden für den Austausch untereinander anführen, die überall<br />

angeboten werden und zumeist unter fachlicher Anleitung abgehalten werden. Weiters<br />

gibt es vielerorts Möglichkeiten für Pflegeeltern Supervision, sowie begleitende<br />

Beratungs- Fortbildungsangebote in Anspruch zu nehmen, die zuweilen aber<br />

kostenpflichtig sind. In einigen Bundesländern kann der Pflegeelternteil, der<br />

hauptsächlich die Betreuung des Pflegekindes übernimmt, die<br />

Sozialversicherungsbeiträge <strong>von</strong> der Verwaltungsbehörde ersetzt bekommen und somit<br />

auch zusätzliche Versicherungsjahre für einen späteren Pensionsanspruch erhalten.<br />

27 Für das Bundesland Steiermark werden derzeit nach §§ 14 und 15 StJWG-DVO 2005 für Pflegekinder<br />

unter 12 Jahren € 379 ausbezahlt, für Pflegekinder über 12 Jahren € 418, das Erstausstattungspauschale<br />

beträgt € 379. Für Sonderformen der Pflegeplatzunterbringung wie der Kurzzeitunterbringung gelten um<br />

100% höhere Richtsätze.<br />

28 vgl. Wille (2006), S. 58<br />

14


Viele Pflegeeltern verzichten bei Übernahme ihrer sozialen Elternschaft zum Wohle der<br />

Kinder auf eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit und verlieren dadurch Pensionszeiten.<br />

Wenn die Übernahme in die Pflege nach dem vollendeten vierten Lebensjahr des<br />

Pflegekindes stattfindet, können die Pflegeeltern auch keine Ersatzzeiten für die<br />

Kindererziehung für ihren Pensionsanspruch erhalten.<br />

In einigen Bundesländern ist man dazu übergegangen, Pflegeeltern in ein festes<br />

Arbeitsverhältnis aufzunehmen, wenn sie dies möchten. Dieses wird zwischen einem<br />

freien Träger, dem diese Aufgabe <strong>von</strong> dem jeweiligen Amt der Landesregierung<br />

übertragen wurde, und den Pflegeeltern abgeschlossen.<br />

Dadurch ist es zu einer Zweiteilung der Pflegeeltern gekommen. Die einen behalten den<br />

ursprünglichen Status bei, bekommen Unterhalt für das Pflegekind und können die<br />

vorhandene Angebote zur fachlichen Unterstützung auf freiwilliger Basis annehmen.<br />

Die anderen werden darüber hinaus krankenversichert, können zusätzliche<br />

Pensionsjahre erwerben und werden für den Sozialpädagogischen Mehraufwand, den<br />

sie für ihre Pflegekinder erbringen, entlohnt. Mit dem Entstehen derartiger<br />

Arbeitsverhältnisse können auch qualitätssichernde Maßnahmen <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />

eingefordert werden.<br />

Die Ziele, die damit verfolgt werden sind Qualitätssicherung im Pflegeverhältnis,<br />

Professionalisierung der sozialpädagogischen Tätigkeit der Pflegeeltern, eine<br />

sozialrechtliche Absicherung der Pflegeeltern und dadurch vermehrte Bewerbungen <strong>als</strong><br />

Pflegeperson und allgemein eine gesellschaftliche Aufwertung der Pflegeelternarbeit.<br />

Dadurch wird ein Ansatz verfolgt, der da<strong>von</strong> ausgeht, dass „Hilfen für Erwachsene auch<br />

Hilfen für Pflegekinder“ 29 darstellen. Die Erwartungen der Länder, dass sich durch ein<br />

finanzielles Anreizsystem die Zahl der Pflegeeltern erhöhen würde, haben sich bisher<br />

aber nicht erfüllt. 30 Allerdings stehen diese Modelle angesichts angespannter<br />

öffentlicher Haushalte noch auf wackeligen Beinen und sind auch Kritik ausgesetzt.<br />

Die traditionelle Form der <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> ehrenamtliche Tätigkeit ist nach wie<br />

vor die vorherrschende.<br />

29 Lutter (1996), S. 12<br />

30 vgl. Loidl-Keil; Tschemer; Viechtbaur (2004), S. 189; Wiesner (2005), S. 75<br />

15


2.2 Formen der Inpflegnahme<br />

Unter dem Begriff Pflegeverhältnis können vielfältige Hilfearrangements<br />

zusammengefasst werden, die <strong>von</strong> der kurzfristigen Aufnahme eines Kindes in einer<br />

familiären Notsituation bis hin zu einer langfristigen Lebensperspektive reichen können.<br />

Maßgeblich ist die Feststellung des erzieherischen Bedarfes im Einzelfall. Unter<br />

Beachtung der unterschiedlichen Problemlagen <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen sowie<br />

ihrer Familien, muss eine Fremdunterbringung jeweils unterschiedliche Funktionen<br />

wahrnehmen können. Pflegeverhältnisse können mit verschiedensten Zielsetzungen<br />

begründet werden, deshalb ist es in den letzten beiden Jahrzehnten auch zu einer<br />

zunehmenden Ausdifferenzierung der Pflegeformen gekommen. „Die Pflegefamilie<br />

kann<br />

• vollen Ersatz für die Ursprungsfamilie bieten und auf Dauer angelegt sein,<br />

• für einen bestimmten, absehbaren Zeitraum <strong>als</strong> Ergänzung zum elterlichen<br />

Haushalt fungieren oder<br />

• der Überbrückung <strong>von</strong> Notsituationen dienen.“ 31<br />

Der Ausbau <strong>von</strong> ambulanten Hilfen für Familien, die mit der Versorgung und Erziehung<br />

ihrer Kinder nicht zurechtkommen, hat ebenfalls zur Differenzierung der Pflegeformen<br />

beigetragen. Angebote fachlich qualifizierter Erziehungsarbeit <strong>von</strong> Pflegepersonen für<br />

besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche in der privaten Sphäre<br />

der Pflegefamilie wurden geschaffen. Dem traditionellen Laienpflegefamilienmodell<br />

werden nunmehr qualifizierte und verberuflichte Möglichkeiten für <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />

beigestellt, um adäquat auf die Erfordernisse des Einzelfalls reagieren zu können.<br />

2.2.1 Dauerpflegefamilien<br />

Die Dauerpflegefamilie ist die Grundform aller Pflegefamilien. Es soll ein verlässlicher<br />

neuer Lebensort für die Pflegekinder geschaffen werden, die <strong>von</strong> ihren leiblichen<br />

Familien weitestgehend gelöst sind. Eine Rückführung in die Herkunftsfamilie ist keine<br />

Option mehr. Der Kontakt zur Herkunftsfamilie soll aber aufrecht bleiben, soweit dies<br />

im Interesse des Kindes ist. Diese Form des Pflegeverhältnisses kommt vor allem für<br />

Pflegeeltern mit einem traditionellen Bild <strong>von</strong> einem Pflegeverhältnis in Frage. 32<br />

31 vgl. Gintzel (1996), S. 7<br />

32 vgl. Blandow (2007), S. 13<br />

16


2.2.2 Kurzzeitpflege<br />

Es gibt die verschiedensten Termini für diese Art des Pflegeverhältnisses:<br />

Bereitschaftspflege, passagere Pflegeplätze, Krisenpflegeplätze etc. Sie dienen der<br />

vorübergehenden Unterbringung während einer akuten Krisensituation in der<br />

Herkunftsfamilie und sind meist für einen Zeitraum <strong>von</strong> bis zu drei Monaten gedacht.<br />

Sie sind für Übergangszeiträume konzipiert, sind gekennzeichnet durch unklare<br />

Situationen in vielen Aspekten und erfordern <strong>von</strong> den Pflegepersonen ein hohes Maß an<br />

Flexibilität und Einfühlungsvermögen. 33 Wenn Pflegefamilien häufig Kinder<br />

aufnehmen, müssen sie auch häufige Trennungen verarbeiten können.<br />

Der Arbeit mit dem Herkunftssystem kommt bei dieser Form der Unterbringung ein<br />

hoher Stellenwert zu. Ziel ist es, während der Zeit der Unterbringung eine<br />

Perspektivenklärung vorzunehmen, die weiteren nötigen Schritte zu planen und<br />

umzusetzen. Bei solchen Problemstellungen wurden früher meist Heimunterbringungen<br />

vorgezogen, da sie sich <strong>als</strong> neutraler Rückzugsort für den Zeitraum der Beruhigung der<br />

krisenhaften Ereignisse in der Familie gut eignen. Für jüngere Kinder und Säuglinge<br />

wird diese Praxis nicht <strong>als</strong> ideal angesehen, daher wurden Krisenpflegeplätze<br />

eingerichtet. In einigen Bundesländern (Salzburg, Burgenland) gibt es diese Art der<br />

Unterbringung nicht <strong>als</strong> fixes Angebot. 34 Im Akutfall werden dort erfahrene<br />

Dauerpflegeeltern <strong>von</strong> den Sozialarbeiter/innen/n der Jugendwohlfahrt angesprochen<br />

und um ihre Unterstützung gebeten. Es gibt jedoch keinen Pool an speziell dafür<br />

ausgebildeten Pflegeeltern wie dies in den anderen Bundesländern der Fall ist.<br />

2.2.3 Interims-Vollzeitpflege oder Familienbegleitende<br />

Pflegeplatzunterbringung<br />

Für einen bestimmten Zeitraum, der bis zu zwei Jahre dauern kann, ist die Pflegefamilie<br />

<strong>als</strong> vorübergehender neuer Lebensort für das Pflegekind angelegt. Diese Maßnahme<br />

wird gewählt, wenn eine gute Aussicht auf eine Stabilisierung der Lage in der<br />

Herkunftsfamilie – in einem für das Kind vertretbaren Zeitraum – besteht. Ziel ist es,<br />

die Herkunftsfamilie in dieser Zeit soweit zu festigen, dass eine Rückkehr des Kindes<br />

33 vgl. Steege; Szylowicki (1996), S. 182; Lercher (2006), unter<br />

http://www.pflegefamilie.at/?op=krisenpflege, (abgefragt am 27.06.07)<br />

34 vgl. E 2, Z. 29-34 (Hiermit wird Bezug auf Passagen aus den Interviews genommen: E bzw. P stehen<br />

für Interview mit Expert/in/en bzw. Pflegeperson, die Nummerierung verweist auf ein bestimmtes<br />

Interview, und die Angabe Z. zeigt mit der Zeilennummer die exakte Passage im Interview auf.<br />

17


wieder möglich ist. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass je länger ein Kind in<br />

Pflege bleibt, die Chancen einer Rückführung geringer werden. 35<br />

Gerade bei dieser Konstellation werden <strong>von</strong> Seiten der Behörde <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />

erweiterte Kompetenzen im Umgang mit der Herkunftsfamilie erwartet. Pflegeeltern<br />

haben die Aufgabe die Bindungen zur Herkunftsfamilie zu stützen und zu pflegen, darin<br />

unterscheidet sich diese Art der Beziehungsgestaltung zur Dauerpflege. Die Pflegeeltern<br />

sollen durch ihren Umgang mit den Kindern auch eine Art Vorbildfunktion für die<br />

Herkunftseltern erfüllen. 36<br />

2.2.4 Heilpädagogische Pflegefamilien<br />

Besonders qualifizierte Pflegepersonen, oder Personen mit einem entsprechenden<br />

<strong>Beruf</strong>sabschluss (z.B. <strong>als</strong> Erzieher/in, Sozialpädagog/in/en oder Lehrer/in) betreuen hier<br />

Kinder mit erhöhten pädagogischen Bedarfen, wie z. B. ausgeprägten<br />

Verhaltensauffälligkeiten, Behinderung oder anderen Störungsbildern, die aber noch in<br />

einem familiären Setting bewältigt werden können. Die Pflegepersonen setzten ihre<br />

fachlichen und menschlichen Kompetenzen für deren Erziehung gezielt ein. Solche<br />

Familien sollen auch älteren Kindern offen stehen, die den Halt einer Familie noch<br />

brauchen, aber schwer in traditionelle Pflegefamilien zu vermitteln sind. 37<br />

2.2.5 Mutter-Kind Unterbringung bei Pflegefamilien<br />

Diese Form der Inpflegnahme ist ein Angebot vom Pflegeelternverein Steiermark. Hier<br />

können sehr junge Mütter und ihre Kinder in eine Pflegefamilie integriert und in ihrem<br />

Entwicklungsprozess <strong>von</strong> erfahrenen Pflegefamilien unterstützt und begleitet werden.<br />

Sie sollen dadurch zu einem späteren gemeinsamen und selbständigen Leben mit ihrem<br />

Kind befähigt werden. 38<br />

2.2.6 Verwandtenpflege<br />

Diese Form der Unterbringung kommt am häufigsten vor, da sie keiner Bewilligung<br />

durch die Behörde bedarf. Pflegeverhältnisse im Verwandtenkreis, meist bei den<br />

35 vgl. Blandow (1999), S. 768<br />

36 vgl. Salgo (2005), S. 61; Lercher (2006): Familienbegleitende Pflege. unter<br />

http://www.pflegefamilie.at/?op=fambegleitende, (abgefragt am 27.06.2007)<br />

37 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 3<br />

38 vgl. E 1, Z. 173<br />

18


Großeltern, Onkeln oder Tanten haben eine andere Ausgangsposition <strong>als</strong><br />

Fremdpflegeverhältnisse. Es besteht in den meisten Fällen bereits ein Naheverhältnis<br />

zwischen den Pflegekindern und den Pflegeeltern. Zwischen Verwandten können aber<br />

in gleicher Weise Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten über Dauer und<br />

Ausgestaltung der Betreuung entstehen wie zwischen nichtverwandten Familien. Daher<br />

besteht auch hier die Notwendigkeit einer fachlichen Betreuung. In der Praxis bleiben<br />

diese Pflegeverhältnisse jedoch oft ohne Begleitung. Generell werden<br />

Verwandtenpflegeverhältnisse auch finanziell geringer ausgestattet <strong>als</strong><br />

Fremdpflegeverhältnisse. 39<br />

Der Vorteil dieser Art der Unterbringung ist darin zu sehen, dass das soziale und<br />

familiale Bezugsfeld für das Kind oder den Jugendlichen erhalten bleibt und sie mit<br />

weniger Stigmatisierung für das Kind einhergeht. Ein Nachteil kann sein, dass die<br />

Kinder einem möglichen negativen Einfluss der Eltern nicht entzogen werden. 40<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass einige dieser derzeit in Österreich in<br />

Umsetzung befindlichen Formen bereits deutlich in Richtung eines verberuflichten<br />

Systems erzieherischer Hilfe im Familiensetting zeigen.<br />

Wie viele Kinder benötigen ein solches Pflegeverhältnis? Die Darstellung des<br />

Pflegekinderwesens anhand <strong>von</strong> statistischen Aufzeichnungen der letzten Jahre soll<br />

darüber Aufschluss geben.<br />

2.3 Statistische Darstellung des Pflegekinderwesens in<br />

Österreich<br />

Zum statistischen Material muss Folgendes vorausgeschickt werden: Im letzten<br />

Jahrzehnt haben einschneidende Veränderungen in Art und Umfang der statistischen<br />

Aufzeichnungen zur Jugendwohlfahrt stattgefunden. Von 1991 bis 1999 gab es eine<br />

ausführliche Dokumentation der Fremdunterbringungen auf Bundesebene, aufbauend<br />

auf die Jugendwohlfahrtsstatistik der Statistik Austria (zuvor Statistisches Zentralamt).<br />

Ein Transfer dieser Kompetenz an die Länder und die Umstellung der Datensammlung<br />

hatte zur Folge, dass für die Jahre 2000 bis einschließlich 2002 unvollständige Berichte<br />

39 vgl. Blandow (2004), S. 182f<br />

40 vgl. Blandow (2006), S. 3ff.<br />

19


erstellt wurden, da einige Bundesländer keine Zahlen zur Verfügung stellten. Seit 2003<br />

liegen die Jugendwohlfahrtsberichte wieder vor, jedoch in bescheidenerem Umfang und<br />

weniger detailliert <strong>als</strong> zuvor. Das Sozialpädagogische Institut im Fachbereich<br />

Pädagogik <strong>von</strong> SOS Kinderdorf Österreich hat daher mit einem Statistischen<br />

Monitoring 41 begonnen und ist zu der Erkenntnis gelangt, dass teilweise erhebliche<br />

Differenzen zwischen den Fremdunterbringungszahlen auf Landes- und Bundesebene<br />

bestehen. 42 Hier wird auf die offiziellen Angaben des Bundesministeriums für<br />

Gesundheit Familie und Jugend (BMfGFJ) Bezug genommen.<br />

Laut Jugendwohlfahrtsbericht 2006 des BMfGFJ befanden sich mit Stichtag 31. 12.<br />

2006 4.341 Pflegekinder im Rahmen der Vollen Erziehung in einer Pflegefamilie. Von<br />

diesen sind 1.235 im Alter <strong>von</strong> 0 bis 5 Jahren, 1.956 sind zwischen 6 und 13 Jahre alt<br />

und auf die Gruppe der 14 bis 18 Jährigen entfallen 1.150 Jugendliche. Aufgrund einer<br />

Vereinbarung zwischen Jugendwohlfahrtsträger und leiblichen Eltern geschah dies in<br />

2.121 Fällen, aufgrund einer gerichtlichen Verfügung war dies bei 2.106 Kindern der<br />

Fall. Innerhalb desselben Berichtsjahres wurden überdies 616 Pflegeverhältnisse<br />

beendet. Auf die Gründe für die Beendigung – z. B. Abbruch des Pflegeverhältnisses<br />

oder Volljährigkeit des Pflegekindes – wurde in diesem Bericht nicht weiter<br />

eingegangen.<br />

Wie aus der Tabelle 3 auf der folgenden Seite ersichtlich, befindet sich beinahe die<br />

Hälfte der in Österreich fremd untergebrachten Kinder in der Obhut <strong>von</strong> Pflegefamilien,<br />

4341 <strong>von</strong> 9862 Minderjährigen, dies entspricht 44% aller Minderjährigen in Voller<br />

Erziehung.<br />

Bei der Dauer der Fremdunterbringung ist ein deutlicher Unterschied zwischen der<br />

Betreuung durch Pflegeeltern und der Unterbringung in sozialpädagogischen<br />

Einrichtungen zu beobachten (vgl. Tabellen 1 und 2). In über 30% der Fälle dauerte die<br />

Pflegeelternunterbringung länger <strong>als</strong> 5 Jahre, was das Erreichen <strong>von</strong> stabilen<br />

Pflegeverhältnissen zeigt. 43 Diese Zahlen deuten aber auch darauf hin, dass der<br />

41 Monitoring: Dauerbeobachtung eines bestimmten Systems<br />

42 vgl. Zoller-Mathies; Madner (2006), S. 175ff<br />

Die Zahlen der Länder sind durchgängig höher. Als mögliche Ursachen werden Doppelzählungen,<br />

unterschiedliche Stichtage, unterschiedliche Einschlusskriterien und Missverständnisse beim Ausfüllen<br />

der Belege angegeben.<br />

43 vgl. dazu auch Blandow (2007), S. 9<br />

20


überwiegende Teil der Pflegeverhältnisse <strong>von</strong> kürzerer Dauer ist <strong>als</strong> angenommen, und<br />

die Pflegefamilie vielfach vorübergehender Lebensort für Kinder ist. Diese Tatsache<br />

zeichnet sich auch in deutschen Untersuchungen ab 44 . Im Vergleich dazu dauert die<br />

institutionelle Betreuung <strong>von</strong> Kindern jedoch nur bei 15,4% der Fälle über diesen<br />

Zeitraum <strong>von</strong> 5 Jahren hinaus. Die Formen der Krisen-/Kurzzeitunterbringung in<br />

Pflegefamilien haben sich zu einem gefragten Angebot der Jugendhilfe gewandelt, galt<br />

doch lange der neutralere Ort einer Institution <strong>als</strong> geeigneter dafür. Bei der folgenden<br />

Darstellung ist zu beachten, dass keine Daten aus dem Bundesland Salzburg verfügbar<br />

waren.<br />

Tabelle 1: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in Pflegefamilien<br />

Dauer der Unter 12<br />

Länger <strong>als</strong> 5<br />

Bis 2 Jahre Bis 5 Jahre<br />

Gesamt<br />

Unterbringung Monaten<br />

Jahre<br />

Anzahl 266 87 74 189 616<br />

Prozent 43,2% 14,1% 12% 30,7% 100%<br />

(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des JWF- Berichtes 2006 des BMfFGJ)<br />

Tabelle 2: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in sonstigen<br />

Einrichtungen der Jugendwohlfahrt<br />

Dauer der Unter 12<br />

Länger <strong>als</strong> 5<br />

Bis 2 Jahre Bis 5 Jahre<br />

Unterbringung Monaten<br />

Jahre<br />

Gesamt<br />

Anzahl 764 403 429 289 1.894<br />

Prozent 40,4% 21,4% 22,8% 15,4% 100%<br />

(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des JWF- Berichtes 2006 des BMfFGJ)<br />

Ein Vergleich der Daten der letzten 16 Jahre anhand der Tabelle 4 zeigt, dass die Zahl<br />

der Pflegekinder zunächst rückläufig gewesen ist, seit 1999 relativ geringen<br />

Schwankungen unterliegt und in einem Bereich zwischen 4300 und 4600 Fällen<br />

pendelt.<br />

Gründe dafür sind der Ausbau der Sozialen Dienste und Hilfen zur Erziehung, die eine<br />

ambulante Betreuung der Familien vorsehen. Die Zunahme dieser Dienste trägt zur<br />

Verringerung der Fremdunterbringungen bei. Die Behörde ist vom Gesetzgeber dazu<br />

verpflichtet, stets das „gelindeste Mittel“ zur Stabilisierung <strong>von</strong> gefährdeten Familien<br />

einzusetzen. Bei Gefährdung des Kindeswohls haben demzufolge Hilfen innerhalb der<br />

Familie Vorrang. Auch das vermehrt verfolgte Ziel der erfolgreichen Rückführung in<br />

die Herkunftsfamilie schlägt sich in der Dauer der Fremdunterbringung nieder.<br />

44 vgl. Güthoff (1996), S. 39ff; Jenzig (1998), S. 2<br />

21


Tabelle 3: Pflegekinderstatistik Österreich für das Jahr 2006<br />

Wien NÖ Bgld Stmk OÖ Slzbg 45 Tirol Vlbg Kärnten Gesamt<br />

Einwohner/innen<br />

Stand 1.1.2003<br />

Da<strong>von</strong> Minderjährige<br />

0-18 Jahre<br />

1.673.176 1.545.804 277.569 1.202.087 1.376.797 528.351 697.435 364.656 560.300 8.226.175<br />

291.139 338.379 52.392 222.469 303.673 107.483 144.409 84.858 107.142 1.651.971<br />

MJ in Voller Erziehung 2.383 1.670 264 1.639 1.184 532 729 517 944 9.862<br />

Da<strong>von</strong> sind:<br />

MJ in institutioneller Erziehung 1.267 839 172 821 687 355 437 253 690 5.521<br />

MJ <strong>als</strong> Pflegekinder in<br />

Pflegefamilien<br />

1.116 831 92 818 497 177 292 264 254 4.341<br />

2006 beendete Pflegeverhältnisse 146 45 9 226 71 ---- 31 59 29 616<br />

(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Jugendwohlfahrtsberichtes des BMfGJF 2006)<br />

Tabelle 4: Pflegekinderstatistik Österreich: Verlauf 1990 bis 2006<br />

Jahr<br />

1990<br />

31.12.90<br />

1995 1999 2003 2004 2005 2006<br />

MJ <strong>als</strong> Pflegekinder in Pflegefamilien 6.577 5.503 4.354 4.399 4.298 4.584 4.341<br />

(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Österreichischen Statistischen Zentralamtes 1992, 1997;<br />

Zoller-Mathies; Madner (2006); S. 176f)<br />

45 Das Land Salzburg konnte keine Auswertung der Dauer der beendeten Maßnahmen EDV-mäßig erfassen. Die Auswertung erfolgte nicht mit Stichtag 31.12.,<br />

sondern im Monat Dezember 2006.<br />

22


2.4 Übersicht über die Unterstützungssysteme in den<br />

Bundesländern<br />

In Niederösterreich sind 2 Systeme zur Absicherung <strong>von</strong> Pflegeeltern vorgesehen. Seit<br />

1. Jänner 2005 gibt es das Projekt „Pensionsversicherung für Pflegeeltern". Das Land<br />

Niederösterreich bezahlt Pflegeeltern nicht nur eine finanzielle Abgeltung durch den<br />

Pflegebeitrag, sondern auch eine Pensionsversicherung für den haushaltsführenden<br />

Pflegeelternteil, der dafür gewisse Voraussetzungen erfüllen muss: So wird der<br />

Pensionsversicherungsbeitrag <strong>von</strong> €250 ab dem 4. Lebensjahr des Pflegekindes<br />

übernommen, wenn das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit €940 brutto nicht<br />

übersteigt. Dafür verpflichtet sich die Pflegeperson zwei Fortbildungstage pro Jahr zu<br />

absolvieren und an fünf Abendveranstaltungen einer Pflegeelternrunde teilzunehmen.<br />

Das zweite System nennt sich Professionelle Pflegestelle und wurde für Familien<br />

eingerichtet, die Pflegekinder mit besonderen Indikationen (z. B. äußerst schwieriger<br />

Kontakt mit Herkunftseltern, erhöhte pädagogische Anforderungen durch schwere<br />

Vernachlässigung etc.) aufnehmen, die für eine traditionelle Pflegefamilie eine<br />

Überforderung bedeuten könnten. Diese Pflegeeltern können sich bei der<br />

Interessensgemeinschaft NÖ Pflege- und Adoptiveltern anstellen lassen. Pflegepersonen<br />

müssen neben dem Erfüllen der allgemeinen Voraussetzungen ein<br />

Ausbildungsprogramm für professionelle Pflegeeltern absolvieren. Prinzipiell darf kein<br />

weiteres aufrechtes Dienstverhältnis neben der Anstellung <strong>als</strong> professionelle/-r<br />

Pflegemutter/-vater bestehen. Unter folgenden Voraussetzungen kann ein weiteres<br />

Dienstverhältnis eingegangen werden:<br />

- das professionelle Pflegeverhältnis muss mindestens 2 Jahre bestehen<br />

- das Kind muss das 10. Lebensjahr erreicht haben<br />

- die Gesamtarbeitszeit beider Anstellungsverhältnisse darf 40 Wochenstunden<br />

nicht überschreiten.<br />

Der Zeitaufwand für jedes Kind wird mit 13 Stunden wöchentlich berechnet, derzeit<br />

sind in diesem Rahmen 19 Kinder bei 16 Pflegefamilien untergebracht. Dafür<br />

verpflichten sich die Pflegeeltern zu regelmäßiger Fortbildung, monatlichen<br />

23


Reflexionsgruppen, vierteljährlichen Verlaufsbesprechungen mit Sozialarbeiter/innen/n<br />

des Dienstgebers, monatlichen Hausbesuchen durch Sozialarbeiter/innen/n des<br />

Dienstgebers und zur Erstellung eines monatlichen Entwicklungsberichtes über das<br />

Pflegekind.<br />

Das Grundeinkommen beträgt €323,46 brutto (Stand 2007) - 14mal jährlich. Der<br />

sozialpädagogische Mehraufwand pro Pflegekind beträgt zusätzlich €218,02 brutto -<br />

14mal jährlich. Unabhängig vom Gehalt erfolgt die Auszahlung des Pflegebeitrages für<br />

das Pflegekind. 46<br />

Pflegeeltern in Oberösterreich können sich seit dem Jahr 2000 beim Verein für Pflegeund<br />

Adoptiveltern Oberösterreich in einem Teilzeitdienstverhältnis anstellen lassen und<br />

sind somit sozialversicherungsrechtlich voll abgesichert. Die Möglichkeit der<br />

Anstellung steht allen frei, ist aber keine Voraussetzung für ein Pflegeverhältnis, sie<br />

erfolgt nicht für die Pflege des Kindes - diese geschieht grundsätzlich unentgeltlich -<br />

sondern für sozialpädagogische Mehrleistungen, die erbracht werden und für<br />

Leistungen, die der Qualitätssicherung dienen und im Dienstvertrag festgelegt sind. Die<br />

Teilnahme an laufender Fortbildung, Einzelsupervision, Mitarbeitergespräche mit<br />

Sozialarbeitern des Dienstgebers, Verlaufsgespräche mit Sozialarbeiter/innen/n der<br />

Jugendwohlfahrt, Dienstbesprechungen, das Führen einer Dokumentation und die<br />

Teilnahme an Pflege- und Adoptivelterngruppen sind verpflichtend. Die Pflegeeltern<br />

verpflichten sich <strong>als</strong>o, sich mit ihrer Aufgabe vertieft auseinander zu setzen, zu<br />

reflektieren und sich weiterzubilden.<br />

Beim jährlichen Mitarbeitergespräch stehen die Pflegeperson und ihre Entwicklung im<br />

Mittelpunkt, sie bekommt Feedback <strong>von</strong> den Mitarbeiter/innen/n des Vereines und die<br />

nächsten Schritte in der Weiterbildung werden geplant. Ziele, die hier formuliert<br />

werden, fließen in das Verlaufsgespräch mit den Sozialarbeiter/innen/n der<br />

Jugendwohlfahrt ein. Dieses Gespräch dient der weiteren Hilfeplanung für das Kind.<br />

Die Protokolle dieser Gespräche werden im Jahr darauf zur Evaluierung wieder<br />

herangezogen.<br />

46 vgl. http://www.noe.gv.at/service/gs/gs6/Pfegekinder_Pflegeeltern/pk_professionelle.htm;<br />

http://www.noe.gv.at/service/gs/gs6/Pfegekinder_Pflegeeltern/pk_allgemein.htm (abgefragt am 26.05.<br />

2007)<br />

24


Das Pflegeverhältnis selbst wird nach wie vor <strong>von</strong> der Jugendwohlfahrt begleitet und<br />

beaufsichtigt. Das Gehalt beträgt für das erste Kind (8 Wochenstunden) €343,- brutto<br />

monatlich, bei zwei Kindern (12 Wochenstunden) €514,- monatlich und bei drei<br />

Kindern (16 Wochenstunden) €686,- monatlich. Neben der Anstellung <strong>als</strong> Pflegeperson<br />

kann überdies eine Beschäftigung aufgenommen werden, wenn das<br />

Beschäftigungsausmaß 50 Wochenstunden insgesamt nicht übersteigt. Die Anstellung<br />

kann für maximal drei Pflegekinder bis zur Beendigung der Maßnahme erfolgen.<br />

Tabelle 5: Ausmaß der jährlichen Dienstverpflichtungen für Angestellte PE in Oberösterreich<br />

Anzahl der<br />

Pflege- und<br />

Supervision<br />

Pflegekinder<br />

Adoptivelterngruppen<br />

Weiterbildung<br />

1 6 Einheiten<br />

15 Stunden<br />

(6 Treffen)<br />

12 Einheiten<br />

2 8 Einheiten<br />

20 Stunden<br />

(8 Treffen)<br />

12 Einheiten<br />

3 10 Einheiten<br />

25 Stunden<br />

(10 Treffen)<br />

12 Einheiten<br />

(Quelle: www.peae-ooe.at, abgefragt am 26.05.2007)<br />

Das Dienstverhältnis kann gemäß Angestelltengesetz auch aufgelöst werden: durch<br />

Kündigung durch einen der Vertragspartner unter Einhaltung der Kündigungsfrist,<br />

durch eine einvernehmliche Lösung, oder durch Entlassung. Urlaub kann nur <strong>von</strong> den<br />

Dienstverpflichtungen genommen werden, nicht aber <strong>von</strong> der Betreuung des<br />

Pflegekindes. Damit gibt es drei mögliche Formen der <strong>Pflegeelternschaft</strong> in<br />

Oberösterreich: Krisenpflege mit Anstellung, Dauerpflege mit Anstellung, Dauerpflege<br />

ohne Anstellung.<br />

Derzeit (August 2007) gibt es 196 angestellte Pflegepersonen in Oberösterreich, die 282<br />

Pflegekinder betreuen. Pflegeeltern, welche die Anstellung nicht in Anspruch nehmen<br />

wollen, können die Weiterbildungsangebote, Familienberatung und Pflegeelterngruppen<br />

auf freiwilliger Basis nutzen, die übrigen Leistungen zur Qualitätssicherung sind ihnen<br />

jedoch verwehrt.<br />

Derzeit überarbeitet das Land Oberösterreich die gesamten Abläufe im Bereich des<br />

Pflegekinderwesens <strong>von</strong> Grund auf, für 2008 werden Ergebnisse und auch<br />

Umgestaltungen erwartet. 47<br />

47 vgl. http://www.jugendwohlfahrt-ooe.at/xchg/SID-3DCFCFBE-<br />

18A3C03F/hs.xsl/173_DEU_HTML.htm ;http://www.pflegeeltern.at/fachbereiche_angestellte_allgemein<br />

(abgefragt am 26.05.2007); vgl. E 4, Z. 307-322<br />

25


In Wien haben Pflegeeltern seit 2003 die Möglichkeit sich beim Verein „Eltern für<br />

Kinder Österreich“ anstellen zu lassen, wobei die Höhe des Einkommens um einen Euro<br />

unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegt (€342,16 brutto). Der Dienstvertrag über<br />

eine geringfügige Beschäftigung wird auf die Dauer des Pflegeverhältnisses<br />

abgeschlossen. Voraussetzung ist auch hier der Besuch <strong>von</strong><br />

Weiterbildungsveranstaltungen, und die angestellte Pflegeperson darf kein Einkommen<br />

aus einer sonstigen selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit über mehr <strong>als</strong> 30<br />

Wochenstunden beziehen.<br />

Im Ausmaß <strong>von</strong> 20 Stunden im Monat sind <strong>von</strong> den Pflegeeltern sozialpädagogische<br />

Mehrleistungen (Ausfüllen <strong>von</strong> Dokumentationsbögen, Reflexion, Supervision,<br />

Dienstbesprechung und Fortbildungen) zu erbringen. Von den ungefähr 400 Wiener<br />

Pflegeeltern nehmen ca. 140 diese Möglichkeit in Anspruch.<br />

Dieses Modell ist der Nachfolger für das österreichische Pilotprojekt in diesem Bereich,<br />

das sich Projekt „Cinderella“ nannte und gezielt auch <strong>als</strong> arbeitsmarktpolitisches Projekt<br />

konzipiert war. Ziel war es einerseits allen Pflegeeltern ein Anstellungsverhältnis zu<br />

ermöglichen, da jedes Kind ein Recht auf gut ausgebildete Pflegeeltern hat, andererseits<br />

sollten auf diesem Weg neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen geschaffen<br />

werden. 48<br />

Das Land Salzburg hat das Pflegegeld aufgeteilt in monatlich €359 Unterhaltsleistung<br />

und einen nach dem Alter des Pflegekindes gestaffelten Erziehungsaufwand (zwischen<br />

€96 und €179 monatlich). Sollten die Pflegeeltern einen freien Dienstvertrag wünschen,<br />

werden bei einem Erziehungsaufwand unter der Geringfügigkeitsgrenze €48,14<br />

monatlich für den Sozialversicherungsbeitrag übernommen. Liegt der<br />

Erziehungsaufwand über der Geringfügigkeitsgrenze, werden sowohl der Dienstgeber<strong>als</strong><br />

auch der Dienstnehmerbeitrag vom Land übernommen. Für Kurzzeitpflege und bei<br />

verhaltensschwierigen Kindern wird das Pflegekindgeld um bis zu 50% angehoben.<br />

Angebote der fachlichen Unterstützung können auf freiwilliger Basis in Anspruch<br />

48 vgl. http://www.efk.at/pflegeeltern.htm (abgefragt am 26.05.2007)<br />

26


genommen werden, um Supervision zu erhalten ist <strong>von</strong> den Pflegeeltern ein Antrag bei<br />

der zuständigen Jugendwohlfahrtsbehörde zu stellen. 49<br />

In der Steiermark können Pflegeeltern, die besondere Formen der Inpflegnahme, wie<br />

Kurzzeitunterbringung oder Familienbegleitende Pflegeplatzunterbringung (FPU)<br />

ausüben, einen freien Dienstvertrag mit dem Pflegeelternverein Steiermark abschließen.<br />

Die Pflegepersonen werden (begleitend) zu Familienpädagog/en/innen ausgebildet,<br />

diese Schulung geht über einen Zeitraum <strong>von</strong> fast zwei Jahren. Für klassische<br />

Dauerpflegeverhältnisse sind solche Konstruktionen nicht vorgesehen. Aus einem<br />

solchen freien Dienstvertrag können keinerlei für einen „echten” Dienstvertrag typische<br />

Rechte (wie Urlaub, Karenzansprüche u. ä.) abgeleitet werden. 50<br />

Zur Absicherung <strong>von</strong> Pflegeeltern im Alter wurde im Jahr 1993 ein 4-stufiges so<br />

genanntes Ruhegeld eingeführt. Im Jahr 2000 wurde diese Richtlinie überarbeitet und<br />

eine Erhöhung der Pflegegeldstufen durchgeführt. Pflegepersonen, die das 60.<br />

Lebensjahr vollendet haben und mindestens 15 Jahre hindurch ein oder mehrere<br />

Pflegekinder betreut haben, steht das Ruhegeld zu. Es ist gestaffelt je nachdem, wie<br />

lange die Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegeperson ausgeübt wurde und beträgt zwischen €150 und<br />

€260. Das Ruhegeld für Pflegepersonen ist eine freiwillige Leistung des Landes<br />

Steiermark, das 12-mal im Jahr ausbezahlt wird und auf das kein Rechtsanspruch<br />

besteht. Das Ruhegeld für Pflegepersonen wurde auch aus<br />

sozialversicherungsrechtlichen Gründen <strong>als</strong> freiwillige Leistung eingeführt, da durch die<br />

Freiwilligkeit der Leistung das Ruhegeld für Pflegepersonen <strong>als</strong> Gnadenpension<br />

anzusehen ist. Dadurch kann es auch bezogen werden, wenn der Pensionsanspruch der<br />

Pflegeperson unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegt und diese die<br />

Ausgleichszulage beantragen kann, was sehr häufig der Fall ist. Bei anderer<br />

Bezeichnung würden diese Zahlungen an die Pension dazugerechnet werden und die<br />

Pflegeeltern würden die Ausgleichszulage verlieren. 51<br />

49 vgl. http://www.salzburg.gv.at/pflegeeltern.pdf (abgefragt am 23.02.2007)<br />

50 vgl. www.pflegeeltern.at (abgefragt am 22.04.2007)<br />

51 vgl.http://www.soziales.steiermark.at/cms/dokumente/10034772_5339/a2d7ea93/folder_pflegemuetter.<br />

pdf (abgefragt am 12.08.2007)<br />

27


Pflegeeltern in Kärnten können einen freien Dienstvertrag mit dem Pflegeelterndienst<br />

des Hermann-Gmeiner-Sozialzentrums des SOS-Kinderdorfes Kärntens abschließen.<br />

Als Gehalt erhalten Pflegeeltern monatlich €50 für das erste Pflegekind und €20 für<br />

jedes weitere Pflegekind. Aufgrund der Anstellung <strong>als</strong> Dienstnehmer können sich<br />

Pflegeeltern freiwillig sozial versichern. 52<br />

Auch das Land Tirol hat die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine<br />

Sozialversicherung (Krankheit, Unfall, Pension) für Pflegeeltern geschaffen, die einen<br />

freien Dienstvertrag mit dem Verein Jugend und Gesellschaft abschließen und sich<br />

damit zur regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungen, Verlaufsbesprechungen und<br />

einem jährlichen Verlaufsbericht verpflichten. Als Gegenleistung erhalten die<br />

Pflegeeltern monatlich ein Entgelt, mit dem sie den monatlichen Dienstnehmerbeitrag<br />

an die Tiroler Gebietskrankenkasse selbst einzahlen. Etwa 1/6 der insgesamt rund 300<br />

Pflegeeltern nehmen dieses Angebot in Anspruch. Tirol ist das einzige Bundesland, das<br />

<strong>als</strong> Kriterium für die Eignung <strong>als</strong> Pflegefamilie eine aufrechte Ehe vorsieht. 53<br />

Im Burgenland gibt es lediglich das reguläre Pflegegeld in der Höhe <strong>von</strong> €414. Die<br />

Kostenübernahme etwaiger freiwilliger Sozialversicherungsbeiträge ist nicht<br />

vorgesehen. Unabhängig da<strong>von</strong> ist anzumerken, dass das Burgenland <strong>als</strong> einziges<br />

Bundesland neben Salzburg keine fixen Kurzzeit- oder Krisenpflegeplätze vorsieht. 54<br />

Das Land Vorarlberg hat alle Agenden dem Verein Pflegekinderdienst übertragen –<br />

<strong>von</strong> der Suche bzw. Öffentlichkeitsarbeit, über die Auswahl, Schulung, Vermittlung,<br />

Prozesssteuerung, Pflegeaufsicht bis zum Berichtswesen. Es wird ein Beitrag <strong>von</strong> €50<br />

monatlich pro Pflegeperson zur Sozialversicherung geleistet. Ca. 1/5 der Pflegeeltern<br />

nehmen diesen Beitrag in Anspruch. Vorarlberg hat eine hohe Zahl an Pflegeeltern und<br />

Pflegekindern (197 Pflegeeltern, 288 Kinder) in Relation zu seiner Größe. 55<br />

52 vgl. http://www.verwaltung.ktn.gv.at/cgi-bin/evoweb.dll/web/akl/1992_DE-Produkte-Leistungen-<br />

Produkt-Detail.64F758773a3550091614b16b3d2adefa275a6b14?ipr_id=6918 (abgefragt am 29.03.2007)<br />

53 vgl. http://www.tirol.gv.at/bezirke/allgemein/soziales/pflegekinder-pflegeeltern/ (abgefragt am<br />

29.03.2007)<br />

54 vgl. www.burgenland.gv.at/pflegekinder (abgefragt am 29.03.2007)<br />

55 vgl. http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht20061.pdf, S. 134; S. 142 (abgefragt am 26.07.2007)<br />

28


3 Strukturelle und Psychologische Aspekte des<br />

Pflegeverhältnisses<br />

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Gestaltungsmacht des Staates <strong>als</strong>o den<br />

Behörden/Gerichten und seine/r/n Vertreter/innen, in Zusammenhang mit dem<br />

Pflegeverhältnis beleuchtet wurde, soll nun auf das System Pflegefamilie eingegangen<br />

werden, und auf die jeweiligen Rollen und das Beziehungsgeflecht zwischen den<br />

einzelnen Akteur/innen/en.<br />

3.1 Allgemeine Strukturmerkmale <strong>von</strong> Familien und<br />

Pflegefamilien im Vergleich<br />

Ziel dieses Abschnittes ist zu zeigen, welche umfassenden Funktionen Familien für ihre<br />

Mitglieder erfüllen. Dadurch wird klarer, wie folgenschwer es für ein Kind ist, wenn<br />

diese Aufgaben <strong>von</strong> seiner Familie nicht erbracht werden. Gleichzeitig wird so darauf<br />

hingewiesen, welche Aufträge an Pflegefamilien weitergegeben werden.<br />

3.1.1 Aufgaben der Familie<br />

Zentrales Merkmal einer Familie ist nach Böhnisch und Lenz die<br />

„Zusammengehörigkeit <strong>von</strong> zwei oder mehreren Generationen, die in einer Eltern-Kind-<br />

Beziehung zueinander stehen.“ 56 Diese Beziehung muss aber nicht auf biologischer<br />

Abstammung beruhen.<br />

Familien zeichnen sich durch ein Nebeneinander verschiedenster wichtiger Funktionen<br />

für ihre Mitglieder und für die Gesellschaft aus, wobei die Leistungen für die<br />

Gesellschaft <strong>als</strong> Ganzes neben der Bedürfniserfüllung für das einzelne Mitglied sehr im<br />

Hintergrund zu verorten ist.<br />

Goode benennt für die familialen Lebensformen der Gegenwart folgende, jeweils mit<br />

weiteren Unterfunktionen besetzte, Aufgaben:<br />

• „Die biologische Reproduktionsfunktion<br />

• Die Sozialisations- und Erziehungsfunktion<br />

• Die Platzierungsfunktion<br />

• Regenerationsfunktion: physisch und psychisch<br />

56 Böhnisch; Lenz (1997), S. 28<br />

29


• Die Freizeitfunktion<br />

• Die Spannungsausgleichsfunktion“ 57<br />

Die Familie ist nach wie vor der zentrale Lebensbereich <strong>von</strong> Kindern. Die Familie ist<br />

die erste Gruppe, welcher der Mensch in seinem Lebenslauf angehört. 58 Säuglinge und<br />

kleinere Kinder können allein nicht überleben, sie brauchen Pflege und Zuwendung <strong>von</strong><br />

kontinuierlich gleich bleibenden Bezugspersonen. Sie verfügen über eine instinktive<br />

Befähigung dieses Verhalten bei ihren Eltern hervorzurufen, wenn nicht das Kind oder<br />

das Vermögen der Eltern zur Fürsorge auf irgendeine Weise beeinträchtigt sind.<br />

Die Familie ist der Ort, an dem die physische, kognitive, psychische und emotionale<br />

und soziale Entwicklung <strong>von</strong> Kindern passiert, sie beeinflusst zum großen Teil die<br />

Grundstruktur ihrer Persönlichkeiten. Den Prozess, durch den Kinder zu vollwertigen<br />

und handlungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft werden, bezeichnet man <strong>als</strong><br />

Sozialisation. 59<br />

Mit Enkulturation wird das „Hineinwachsen des Einzelnen in die Kultur der ihn<br />

umgebenden Gesellschaft“ 60 beschrieben. Damit ist die Prägung der Kinder durch die<br />

<strong>von</strong> den Eltern repräsentierten Kultur, Schicht und Religion gemeint.<br />

Die Familie übt eine Platzierungsfunktion aus, das heißt, sie ist an der Zuweisung<br />

sozialer Positionen in Schule, Arbeitswelt, usw., entscheidend beteiligt. Die Familie<br />

lässt sich auch <strong>als</strong> ein „sicherer Hafen“ charakterisieren, der den Familienmitgliedern<br />

Intimität, Emotionalität und psychische Stabilisierung ermöglichen soll. 61<br />

Vieles erscheint selbstverständlich, weil diese alltäglichen Dienste der Familie erst dann<br />

erhöhte Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie aus der Perspektive <strong>von</strong> Außenstehenden<br />

nicht mehr erbracht werden. 62<br />

Die Beschaffenheit des Zusammenlebens in der Familie wirkt sich stark auf das<br />

emotionale Wohlbefinden ihrer Mitglieder aus. Der Begriff Familie steht für Freude und<br />

Streit, Eintracht und Auseinandersetzungen, Zuwendung und Feindseligkeit,<br />

57 Goode (1989), zit. n. Schulze; Tyrell; Kunzler (1989), S. 34<br />

58 vgl. Beham; Wilk (1998), S. 153<br />

59 vgl. http://lexikon.meyers.de/meyers/Sozialisation (abgefragt am 23.07.2007)<br />

60 Duden (2001), S. 227<br />

61 vgl. Beham; Wilk (1998), S. 154<br />

62 vgl. Böhnisch; Lenz (1997), S. 42<br />

30


Zärtlichkeit und Gewalt. Sie kann an Krisen, wie eine gefährliche Erkrankung,<br />

Suchterkrankung, Pflegebedürftigkeit oder Arbeitslosigkeit eines Familienmitgliedes,<br />

zerbrechen oder diese Krisen gut bewältigen. Sie kann die psychische Gesundheit ihrer<br />

Mitglieder fördern oder zur Entwicklung <strong>von</strong> psychischen Störungen und<br />

Verhaltensauffälligkeiten beitragen. Dauerhafte Entbehrung <strong>von</strong> materiellen<br />

(Einkommen, Wohnung) und sozialen (tragfähiges Netzwerk) Ressourcen können<br />

Familien und Elternschaft entgleisen lassen. 63<br />

Nave - Herz kommt zu dem Ergebnis, dass einzelne Funktionen auf gewisse Phasen im<br />

Familienzyklus begrenzt bzw. in ihnen verschieden stark ausgebildet sind, dass sie<br />

einzelne Familienmitglieder in unterschiedlichem Ausmaß in Anspruch nehmen und<br />

dass sie auf verschiedenste Arten ausgefüllt werden können. Der Alltag der<br />

Familienmitglieder wird durch die Erledigung der aus diesen Funktionen resultierenden<br />

Aufgaben geformt. 64<br />

Gehres und Hildenbrandt heben in ihrem Aufsatz mit Bezugnahme auf Parsons (1981)<br />

und Oevermann (1996) fünf zentrale Strukturmerkmale für Familienbeziehungen<br />

hervor, die nicht in Pflegefamilien, beruflichen Gemeinschaften, peer groups oder<br />

übrigen Gruppen <strong>als</strong> Kennzeichen der Ausgangslage des Miteinanderlebens zu finden<br />

sind:<br />

• Die zeitliche Unbegrenztheit der Beziehungen, zumindest bis zur Ablösung der Kinder<br />

(Solidarität des gemeinsamen Lebensweges)<br />

• Eine enge Verbindung zwischen biologischen und sozialen Funktionen (die<br />

Nichtaustauschbarkeit <strong>von</strong> Beziehungen)<br />

• Eine Paarverbindung bei Anwesenheit eines ausgeschlossenen Dritten, nämlich dem aus<br />

der Paarbeziehung entstandenem Kind (die erotische Solidarität)<br />

• Eine emotionale, dauerhafte und belastbare Bindung zwischen allen beteiligten<br />

Familienmitgliedern (affektive Solidarität)<br />

• Ein relativ großer grenzen- und kriterienloser Vertrauensvorschuss untereinander<br />

(unbedingte Solidarität) 65<br />

Fundamental für die Familie ist die Unkündbarkeit <strong>von</strong> Beziehungen, leibliche<br />

Kinder können auf dauerhafte Beziehungen bauen.<br />

63 vgl. Textor (2005), unter http://freenet-homepage.de/Textor/Familien.htm, (abgefragt am 17.05.2007)<br />

64 vgl. Nave-Herz (1989), S. 22<br />

65 Gehres (2005), S. 249<br />

31


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Familien bedeutende Leistungen für<br />

andere Gesellschaftsbereiche erbracht werden. Sie ist der Ort, an dem<br />

"Humanvermögen" 66 erwirtschaftet wird.<br />

3.1.2 Wandel des familialen Zusammenlebens<br />

Veränderungen, welche die Institution Familie betreffen, sind stets im Rahmen<br />

gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen zu sehen und zu erklären. Die<br />

Wandlungsprozesse in der Gesellschaft wirken sich auch auf das gesellschaftliche<br />

Subsystem Familie aus. Infolge des Industrialisierungs- und Modernisierungsprozesses<br />

geht mit der Differenzierung der Gesellschaft eine Individualisierung und Pluralisierung<br />

<strong>von</strong> Lebensverhältnissen und Lebensformen im Sinne einer größeren Akzeptanz und<br />

Ausweitung nicht-traditioneller Alternativen einher. Diese Wandlungsprozesse wirken<br />

auf das Leben in Familien „normativ verunsichernd“. 67 Familie ist somit „zu einem<br />

fragilen Gebilde geworden, das <strong>von</strong> gesellschaftlichen Anforderungen und idealisierten<br />

Erwartungen <strong>von</strong> außen und innen bedrängt wird.“ 68<br />

Das Bild der Familie ist facettenreicher geworden. Das verheiratete Ehepaar mit<br />

leiblichen Kindern stellt noch immer den Normalfall und das Leitbild dar, jedoch sind<br />

daneben zunehmend andere Familienformen entstanden, die gesellschaftlich auch<br />

akzeptiert sind.<br />

Heute gibt es eine Reihe <strong>von</strong> Möglichkeiten des familialen Zusammenlebens, die gelebt<br />

werden: z. B. Kernfamilien, Einelternfamilien, Adoptivfamilien, Stieffamilien (auch<br />

„Patchworkfamilien“ genannt), Pflegefamilien. „All diese Familienformen haben ihre<br />

eigenen Bedingungen, die sie <strong>von</strong>einander unterscheiden.“ 69<br />

Empirisch ist der Wandel der Familienstrukturen an einer Verkleinerung der<br />

Haushaltsgröße, einer Verringerung der Anzahl <strong>von</strong> Eheschließungen, der Zunahme der<br />

Scheidungen, einem Rückgang der durchschnittlichen Geburten pro Frau und einer<br />

Zunahme der Frauenerwerbsarbeit feststellbar. Statistiken zeigen, dass die meisten<br />

Kinder heute in Ein- oder Zweikindfamilien aufwachsen, die Zahl der Drei- und Mehr-<br />

Kinder-Familien ist sehr stark gesunken.<br />

66 Beham; Gössweiner (1999), S. 41f<br />

67 vgl. Nave-Herz (1989), S. 38<br />

68 vgl. Bier-Fleiter, (2001), S. 21<br />

69 Schattner (1987), S. 178<br />

32


Die Zahl der Scheidungen ist in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gestiegen, vor<br />

allem im urbanen Raum. Für Kinder bedeutet die Scheidung der Eltern immer eine<br />

Belastung, zumal sie oft in die Auseinandersetzungen einbezogen werden. Risiken für<br />

das Wohlbefinden der Kinder sind aber nicht allein in einer bestimmten Art und Weise<br />

des Zusammenlebens oder einer unmittelbar vorausgehenden Trennung der Eltern zu<br />

sehen, sondern in der Verbindung dieser mit zusätzlichen Faktoren, wie z. B. geringer<br />

Wohnraum, niedriges Einkommen, geringer Bildungsgrad der Eltern und einem<br />

strengen Erziehungsklima. 70<br />

Mit dem Eingehen dauerhafter neuer Partnerschaften <strong>von</strong> Elternteilen erweitert sich der<br />

Kreis der Bezugspersonen der Kinder; die/der neue Partner/in übernimmt Funktionen<br />

des leiblichen Elternteils.<br />

Kennzeichnend für die Entwicklung der Elternschaft in der Postmoderne ist das Entstehen<br />

<strong>von</strong> multiplen Formen <strong>von</strong> Elternschaft, bei der biologische, soziale und rechtliche<br />

Elternschaft entkoppelt werden. Es gibt in der Lebenswelt des Kindes Erwachsene, die<br />

nicht seine leiblichen Eltern sind und trotzdem Elternfunktionen wahrnehmen. 71<br />

Man kann zusammenfassen, dass immer weniger Menschen auf Dauer in einer dieser<br />

Formen leben, immer weniger Kinder werden in ihnen geboren. Familienformen<br />

verlieren an Stabilität.<br />

3.1.3 Konsequenzen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse für<br />

die Pflegefamilienerziehung<br />

Die Vielfalt der Lebensformen führt laut Bewertung des Hamburger<br />

Pflegekinderkongress, der im Jahr 1990 stattfand, zu einer veränderten, weniger starken<br />

Sonderstellung der Pflegefamilie. Sie stellt nun nicht mehr die einzige Ausnahme vom<br />

traditionellen Familienkonzept dar, sondern befindet sich in der Gesellschaft anderer<br />

<strong>von</strong> der Bevölkerung akzeptierten Lebensformen, die ebenfalls nicht dem Modell der<br />

Kernfamilie entsprechen. 72 Pflegekinder sind heute nicht mehr die einzigen Kinder, die<br />

nicht in einer traditionellen Kleinfamilie aufwachsen. Sie befinden sich in der<br />

Gesellschaft <strong>von</strong> Kindern alleinerziehender Mütter oder Väter, <strong>von</strong> Kindern, die mit<br />

Stiefeltern und Stiefgeschwistern aufwachsen. Pflegefamilien sind – wie auch die<br />

70 vgl. Kytir; Münz (1999), S. 118ff<br />

71 Wilk (1999) zit. n. Griebel (2005), S. 6<br />

72 vgl. Dokumentation Hamburger Pflegekinderkongreß (1990), S. 225<br />

33


Stieffamilien – „erweiterte“ 73 Familien. Was beide Familienformen verbindet ist die<br />

Tatsache, dass es für sie keine allgemein anerkannten Regeln für das Zusammenleben<br />

der Familienmitglieder gibt.<br />

Die in unserer Gesellschaft existierende Normen- und Wertevielfalt, die Möglichkeit,<br />

zwischen verschiedenen Optionen entscheiden zu können und die damit im<br />

Zusammenhang stehende Destandardisierung des Lebenslaufes erschweren die <strong>von</strong> der<br />

Familie wahrzunehmende Aufgabe der primären Sozialisation. 74<br />

Thiersch führt dazu aus:<br />

Die Lebenslagen heutiger Pflegefamilien müssen im Kontext der gegenwärtigen<br />

spezifischen Familienstrukturen gesehen werden, bestimmt durch die Individualisierung<br />

<strong>von</strong> Lebensstrukturen und Lebensführung und den Widerspruch <strong>von</strong> Intimität und<br />

Vergesellschaftung. Leben in Familien wird normativ verunsichert und damit hoch belastet,<br />

Familienleben und Familienerziehung werden zum Balanceakt. 75<br />

Pflegefamilien entsprechen auf dem ersten Blick einem eher traditionellen<br />

Familienkonzept. Sie sind in der Regel über Jahre hindurch stabil, Pflegeeltern haben<br />

eigene Kinder und nehmen ein fremdes bei sich auf, sie investieren und engagieren sich<br />

für das Leben mit Kindern. Aber auch innerhalb der Pflegefamilien zeigt sich die<br />

Pluralisierung <strong>von</strong> Lebensentwürfen und Selbstkonzepten – <strong>als</strong> Pflegepersonen werden<br />

zunehmend auch Alleinerziehende akzeptiert. 76<br />

Blandow definiert vor diesem Hintergrund die Pflegefamilie folgendermaßen:<br />

Der Begriff „Pflegefamilie“ wird zur Kennzeichnung des Sozialisationsortes, an dem das<br />

Pflegekind lebt, benutzt. Irrelevant für den Begriff ist die Frage nach dem Familienmodell,<br />

auch die Frage, ob es sich überhaupt um eine Familie im üblichen Sine oder um eine andere<br />

privat organisierte Lebensform zwischen Erwachsenen und Kindern handelt. 77<br />

Das Familienkonzept einer Pflegefamilie ist nur in Teilbereichen mit dem Konzept der<br />

„Normalfamilie“ vergleichbar. Bei einer genaueren Betrachtung, insbesondere beim<br />

Vergleich der leiblich begründeten Familie mit der besonderen Form der Pflegefamilie,<br />

zeigen sich markante Strukturunterschiede zwischen herkömmlichen, dem bürgerlichen<br />

Familienmodell entsprechenden, Familiensystemen und den Varianten der<br />

Pflegefamilien:<br />

73 Schattner (1987), S. 190<br />

74 vgl. ebda.<br />

75 Thiersch (1990), S. 17<br />

76 vgl. ebda, S. 20<br />

77 Blandow (1999), S. 757<br />

34


Beim Pflegefamilienmodell handelt es sich um einen „widersprüchlichen<br />

sozialisatorischen Ort für Identitätsbildungsprozesse insofern, <strong>als</strong> hier ein Milieu<br />

diffuser Sozialbeziehungen unter vertragsmäßigen Bedingungen begründet wird.“ 78 Vor<br />

dem Hintergrund dieser gegensätzlichen Ausgangslage stellt sich an die<br />

Familienmitglieder die Herausforderung, familienähnliche Beziehungen auf Zeit zu<br />

entwickeln. Im Detail ergibt sich folgende strukturelle Position für Pflegefamilien:<br />

• Die Austauschbarkeit <strong>von</strong> Personen (die soziale Elternschaft wird durch einen<br />

Pflegevertrag begründet; es handelt sich <strong>als</strong>o – zumindest aus der Sicht der<br />

Jugendhilfebehörden – um eine psychosoziale Dienstleistung der Pflegeeltern an einem<br />

den Eltern zunächst fremden Kind)<br />

• Keine Solidarität des gemeinsamen Lebensweges (das Betreuungsverhältnis ist rechtlich<br />

fixiert und befristet; meist bis zum Erreichen der Volljährigkeit)<br />

• Keine erotische Solidarität auf der Generationenachse<br />

• Die Vermischung <strong>von</strong> diffusen und spezifischen Sozialbeziehungen<br />

• Die potentielle Konkurrenz der Pflegeeltern gegenüber den Herkunftseltern sowie ggf.<br />

gegenüber der Jugendwohlfahrtsbehörde<br />

• Die Konfrontation des Pflegekindes mit unterschiedlichen Modellen der familiären<br />

Sozialisation 79<br />

Pflegefamilien befinden sich im Konflikt zwischen den Gesetzmäßigkeiten leiblicher<br />

Familien und den widersprüchlichen, nicht immer klaren Anforderungen an<br />

Pflegefamilien. Die Pflegekinder leben teilweise nur für einen begrenzten Zeitraum in<br />

der Pflegefamilie, es gilt ihnen „unbedingte familiale Solidarität bis auf weiteres“ 80 zu<br />

bieten. Fremdheitsgefühle dem Kind gegenüber müssen erst überwunden werden, das<br />

Kind ist kein natürliches Symbol für die Partnerschaft der Eltern.<br />

Pflegeeltern stehen vor der Aufgabe, einerseits die so wichtigen Eltern-Kind Bindungen<br />

aufzubauen, andererseits sollen sie grundsätzlich auch wieder bereit für eine<br />

Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie sein. Auch wenn Kinder bis zur<br />

Volljährigkeit in der Pflegefamilie aufwachsen sollten, werden sie nicht zu leiblichen<br />

Kindern der Familie.<br />

Diffuse Sozialbeziehungen sind Beziehungen zwischen ganzen Personen, wie sie z.B.<br />

zwischen Mutter und Kind bestehen, diese zeichnen sich durch die Beteiligung der<br />

Körper sowie eine bedingungslose affektive Bindung und Vertrauen aus. Diese<br />

78 Gehres (2005), S. 250<br />

79 ebda<br />

80 ebda<br />

35


Beziehungen sind unkündbar; wenn sie durchtrennt werden, ist dies mit Scheitern<br />

verbunden. 81<br />

Spezifisch-rollenförmige Beziehungen hingegen sind keine Beziehungen zwischen<br />

ganzen Menschen; Personen, die eine bestimmte Rolle einnehmen sind austauschbar<br />

und ersetzbar, ohne dass damit ein Scheitern verbunden ist. 82 In der Pflegefamilie<br />

kommt es zu einem Miteinander dieser beiden Beziehungsmöglichkeiten.<br />

Diese Konstitutionsbedingungen <strong>von</strong> Pflegefamilien sind in der Lebenspraxis nicht<br />

aufhebbar; sie bleiben auch dann erhalten, wenn sich im Verlauf eines<br />

Pflegeverhältnisses eine intensive Beziehung zwischen den Mitgliedern der Familie<br />

entwickelt hat.<br />

Beiden Familienarten gemeinsam sind die gewachsene seelisch, geistige Bindung<br />

zwischen den Kindern und ihren bleibenden Bezugspersonen, seien dies die leiblichen<br />

oder die Pflegeeltern. Diese Beziehung ist das Entscheidende, erst sie macht die Kind-<br />

Eltern Gemeinschaft zur Familie. 83<br />

3.1.4 Positionsstreit: Exklusives versus Inklusives Modell der<br />

Pflegefamilie 84<br />

Mitte der Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts entbrannte im Zuge der Herausgabe<br />

des Handbuches für Pflegeerziehung vom Deutschen Jugendinstitut in der Fachwelt<br />

eine Diskussion darüber, ob die Pflegefamilie nun <strong>als</strong> Ersatzfamilie fungieren sollte, wie<br />

es vor allem Vertreter/innen der Bindungstheorie befürworten oder ob sie <strong>als</strong><br />

Ergänzungsfamilie gestaltet sein sollte, was aus familiensystemtheoretischem<br />

Blickwinkel <strong>als</strong> förderlicher für das untergebrachte Kind eingestuft wird. Die beiden<br />

Theorieansätze haben jeweils ein unterschiedliches Konzept <strong>von</strong> der Funktion, welche<br />

die Herkunftsfamilie übernehmen kann und <strong>von</strong> der Beschaffenheit der Außengrenzen<br />

der Pflegefamilie.<br />

Beim Ersatzfamilienkonzept wird die Ursprungsfamilie weitestgehend ausgeschlossen,<br />

es wird sich gedanklich mit ihr auseinandergesetzt in Form <strong>von</strong> Biographiearbeit mit<br />

dem Kind, jedoch werden Kontakte so weit wie möglich vermieden (exklusives Konzept<br />

81 vgl. Oevermann (1996), S. 110<br />

82 vgl. ebda, S. 113<br />

83 vgl. Hassmann (2005), S. 69<br />

84 vgl. Gudat (1987), S. 38ff; Nienstedt; Westermann (1992), S.294ff; Cappenberg (2005), S. 90ff<br />

36


<strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong>). Die Pflegefamilie zeichnet sich hier durch Abgeschlossenheit<br />

vom Herkunftssystem aus.<br />

Das Ergänzungsfamilienkonzept hingegen betont die Ganzheitlichkeit der Familie und<br />

weist den Beziehungen zur Herkunftsfamilie einen wichtigen Stellenwert zu. Man<br />

verfolgt den Weg, diese für das Pflegekind und dessen Prozess der eigenen<br />

Identitätsbildung zu erhalten und nutzbar zu machen. Es wird daher auch <strong>als</strong> inklusives<br />

Modell bezeichnet, da die Herkunftsfamilie grundsätzlich miteinbezogen wird. Die<br />

Verbindung wird nicht abgebrochen, die Grenzen erweisen sich <strong>als</strong> offener und<br />

durchlässiger.<br />

Befürworter des exklusiven Modells befürchten eine Überforderung der Pflegeeltern,<br />

wenn diese Helfer des Pflegekindes und seiner Familie sein sollen. Die Kritiker<br />

konstatieren, dass sich ersatzfamilienorientierte Pflegeeltern in eine zu große<br />

Wettbewerbssituation mit der Herkunftsfamilie drängen, durch den Anspruch, diese in<br />

jeder Hinsicht besser vertreten zu können. 85<br />

In jüngsten Fachbeiträgen wird versucht, den Positionsstreit zu überwinden und einen<br />

für beide Seiten gangbaren Weg zu finden.<br />

Pflegefamilien werden <strong>von</strong> Griebel und Ristow auch <strong>als</strong> „Binukleare<br />

Familiensysteme“ 86 bezeichnet – <strong>als</strong> eine „Kernfamilie mit zwei Kernen“ 87 . Das<br />

Pflegekind ist durch die Inpflegnahme Mitglied in einem umfassenderen familialen<br />

System geworden. Als günstig erweist sich durch diesen systemischen,<br />

ressourcenorientierten Zugang, die geringere Verklärung des „Idealbildes“ der<br />

biologischen Kernfamilie und die Eröffnung weiterer Handlungsspielräume für die<br />

zugehörigen Personen. 88 Ein weiteres Kennzeichen binuklearer Familiensysteme ist die<br />

Anforderung, zwischen zwei Lebensumwelten hin und her zu pendeln. Dies fördert das<br />

Herausbilden einer „Norm eigener Art“ und vermeidet eine „Norm <strong>als</strong> ob“. 89<br />

85 vgl. Gudat, (1987), S. 40<br />

86 Griebel; Ristow (2004), S. 1. Dieser Begriff wurde <strong>von</strong> Ahrons (1979) für die Charakterisierung <strong>von</strong><br />

„Nach-Scheidungsfamilien“ eingeführt und wird <strong>von</strong> Griebel; Ristow auf die Pflegefamilie analog<br />

verwendet.<br />

87 ebda, S. 1<br />

88 vgl. ebda, S. 13<br />

89 Hoffmann-Rhiem (1989), zit. n. ebda, S. 13<br />

37


Die Ergebnisse einer Studie <strong>von</strong> Hildenbrand und Gehres über den Sozialisationsverlauf<br />

und Identitätsbildungsprozess <strong>von</strong> ehemaligen Pflegekindern an der Universität Jena<br />

zeigen, dass es fachlich anspruchsvollen Pflegeeltern möglich ist, wechselweise<br />

zwischen den beiden Pflegeelternkonzepten zu operieren. Je nach Alter und<br />

Sozialisationsphase des Kindes scheinen Verhaltensweisen des einen oder anderen<br />

Konzepts geeigneter, ausschlaggebend ist jeweils der spezifische Einzelfall. Sie<br />

plädieren daher dafür, „die Pflegefamilie <strong>als</strong> „eine Familie eigener Art“ 90 zu verstehen,<br />

die im Vergleich zur Herkunftsfamilie nicht geeignetere Bedingungen für das<br />

Aufwachsen bietet, sondern da<strong>von</strong> unterschiedliche, die Resilienzpotentiale, die<br />

Pflegekinder mitbringen, zu aktivieren vermögen. Unter Resilienz versteht man die<br />

Fähigkeit <strong>von</strong> Individuen oder Systemen, wie es die Familie ist, erfolgreich mit<br />

belastenden Situationen umzugehen. 91 Die Pflegefamilie ersetzt nicht die Beziehungen<br />

zur Herkunftsfamilie und setzt sich an deren Stelle, sondern bietet den Kindern die<br />

Chance, eigenständige, ergänzende Bindungen zu stabilen Bezugspersonen aufzubauen.<br />

3.2 Die Pflegekinder<br />

Im Vergleich zu Kindern, die in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, sind Pflegekinder<br />

viel größeren Schicks<strong>als</strong>risiken ausgesetzt. Pflegekinder stammen meist aus<br />

Herkunftsfamilien, die chaotische Familienstrukturen aufweisen und haben zumeist<br />

Unruhe, Unterversorgung, Gewalt, Angst und Einsamkeit erlebt.<br />

Die Kinder kommen weit häufiger <strong>als</strong> früher, dank des rasanten Ausbaus der<br />

ambulanten Hilfen, mit einem Bündel problematischer biographischer Erfahrungen, mit<br />

ambivalenten Beziehungen zum Herkunftsmilieu und nicht selten mit den leiblichen<br />

Eltern im Windschatten, in die Pflegefamilie 92 .<br />

Blandow unterscheidet vier Haupttypen <strong>von</strong> Pflegekindern:<br />

1) Unversorgte Kleinstkinder <strong>von</strong> 0 bis 3 Jahren zum Zeitpunkt der Vermittlung in<br />

eine Pflegefamilie machen rund 25 % aller Pflegekinder aus. Diese sind meist<br />

Kinder jüngerer Mütter, die alleinstehend sind und denen nicht selten das<br />

Sorgerecht aufgrund <strong>von</strong> Suchtproblemen entzogen wurde. Die Kinder sind<br />

90 Hildenbrand (2005), unter http://innovationsreport.de/html/berichte/<br />

gesellschaftswissenschaften/bericht-50388.html (abgefragt am 29.05.2007)<br />

91 http://www.fthenakis.de/cms/Vortrag_Bremen_HH1_2001-06-07.pdf, (abgefragt am 12.08.2007)<br />

92 vgl. Textor (1995), S. 55f<br />

38


evor sie geboren werden oder schon sehr früh schädigenden Einflüssen<br />

ausgesetzt worden. Kinder aus dieser Gruppe werden am häufigsten zu<br />

Dauerpflegekindern.<br />

2) Etwa 20 % sind Kinder zwischen 3 und 6 Jahren. Diese Kinder haben bereits<br />

häusliche Gewalt, Vernachlässigung, und häufig auch das „Herumgereicht-<br />

Werden“ zwischen Großeltern, verschiedenen Vaterfiguren, Nachbarn etc.<br />

erlebt. Der Fremdunterbringung gehen erfolglose Versuche der Jugendwohlfahrt<br />

zur Stabilisierung des Umfeldes voraus. Diese Kinder weisen bereits erhebliche<br />

Entwicklungsrückstände auf, wenn sie in eine Pflegefamilie kommen und stellen<br />

die Pflegeeltern vor die Aufgabe eine „nachholende Sozialisation“ zu<br />

ermöglichen.<br />

3) Weitere 25 % werden im Alter <strong>von</strong> 6 bis 12 Jahren vermittelt. In dieser Gruppe<br />

kommen mehrmalige Trennungserfahrungen, psychische Erkrankung eines<br />

Elternteils, sowie die Parentifizierung, d.h. die Einbindung des Kindes in die<br />

Versorgung der (sucht-) kranken Eltern häufig vor. Ein großer Teil kommt auch<br />

aus Familien, die sich bis zu diesem Zeitpunkt dem Zugriff der Behörde<br />

erfolgreich entziehen konnten und die nun auf die Einmischung mit<br />

Unverständnis und Aggression reagieren. In dieser Gruppe finden sich auch<br />

schon Kinder, die selbständig die Initiative ergriffen haben, um in eine<br />

Pflegefamilie zu kommen. Blandow weist darauf hin, dass gerade bei diesen<br />

Pflegekindern eine „quasi-therapeutische Grundhaltung“ <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />

gelebt werden soll.<br />

4) Kinder der vierten Gruppe, die ebenfalls 25% ausmacht, sind bereits über 12<br />

Jahre alt zum Zeitpunkt der Fremdunterbringung in eine Pflegefamilie. Viele<br />

<strong>von</strong> ihnen haben sich nach leidvollen Erfahrungen in der Herkunftsfamilie selbst<br />

auf die Suche nach Unterstützung gemacht und fanden sie womöglich bei den<br />

Eltern eine/r/s Schulfreund/in/es, bei eine/r/m Erziehungshelfer/in oder bei<br />

anderen Personen in ihrer Umgebung. Von Seiten des Jugendamtes werden sie<br />

vor die Entscheidung gestellt: Heimunterbringung, Wohngemeinschaft oder<br />

Pflegefamilie. Diese Gruppe ist schon äußerst selbständig, viele <strong>von</strong> ihnen<br />

bleiben dennoch bis zum 18. Lebensjahr in der Pflegefamilie. 93<br />

93 vgl. Blandow (2004), S. 197f<br />

39


Jede Gruppe <strong>von</strong> Pflegekindern setzt unterschiedliche Anforderungen an die Personen,<br />

die sie betreuen, voraus.<br />

3.2.1 Bindungstheoretische Aspekte der Eltern – Kind – Beziehung<br />

Bei Pflegeverhältnissen spielen insbesondere Aspekte <strong>von</strong> Bindung und Trennung eine<br />

große Rolle. Ist das Pflegekind bei seiner Aufnahme schon etwas älter, hat es mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit wesentliche Erfahrungen gemacht und hat einen bestimmten<br />

Bindungsmodus entwickelt, d. h. es ist mit Vorerfahrungen und Annahmen in Bezug auf<br />

Erwartungen an und Vertrauen in andere Menschen ausgestattet. Die<br />

Bindungsforschung und das damit verbundene Konzept <strong>von</strong> Bindung befassen sich mit<br />

psychologischen Auswirkungen einer frühen Trennung <strong>von</strong> den primären<br />

Bezugspersonen. Von diesem Konzept kann ein vertieftes Verständnis der Problematik<br />

<strong>von</strong> Pflegefamilien sowie ein Wissen darüber, welche Faktoren Integration in die<br />

Pflegefamilie beeinträchtigen können, erwartet werden. 94<br />

Die <strong>von</strong> Bowlby entwickelte Bindungstheorie, beschreibt die menschliche Tendenz,<br />

starke emotionale Beziehungen zu anderen Personen einzugehen. Im Bindungsverhalten<br />

<strong>von</strong> Kindern zeigen sich ihre Strategien mit Situationen innerer Not und Hilflosigkeit<br />

umzugehen. Bowlby versuchte weiters zu erklären, wie durch unfreiwillige Trennungen<br />

verursachte Gefühle wie Wut, Angst und Trauer das emotionale Gleichgewicht eines<br />

Kindes und des späteren Menschen auf Dauer stören. 95<br />

Cappenberg bietet einen Überblick über die Bindungstheorie:<br />

Die Entwicklung der Bindung erfolgt in vier Phasen, innerhalb derer das Kind eine feste<br />

und intensive Gefühlsbeziehung aufbaut. Während der ersten (0-3 Monate) und zweiten<br />

Phase (3-6 Monate) kann sich ein Säugling nur an wenige Personen, in der Regel an<br />

Mutter und Vater binden, die dafür zuverlässig zur Verfügung stehen müssen. Ab der<br />

dritten Phase (6 Monate - 3 Jahre) unterscheidet das Kind zunehmend zwischen fremden<br />

und bekannten Personen und entwickelt differenzierte soziale Interaktionen. Es erlebt<br />

94 vgl. Scheurer-Englisch (2001), S. 70<br />

95 vgl. Cappenberg (2005), S. 72<br />

40


die Abwesenheit der Bezugsperson <strong>als</strong> Verlust und zeigt dies durch Weinen, Suchen,<br />

und Verzweiflung. Dies sind erste Zeichen einer gewachsenen sicheren Bindung.<br />

In einer anschließenden vierten Phase (ab dem 3. Lebensjahr) ist das Kind aufgrund<br />

seiner kognitiven Entwicklung bereits in der Lage sich in andere Personen<br />

hineinzuversetzen, und sie so zu beeinflussen, dass sie seinen eigenen Bedürfnissen<br />

entsprechen. 96<br />

Aufgrund unterschiedlicher dauerhafter Erfahrungen mit den Bezugspersonen können<br />

Kinder folgende Bindungsarten entwickeln, die verschiedene Qualitäten <strong>von</strong><br />

Bindungsverhalten beschreiben:<br />

3.2.1.1 Das sichere Bindungsmodell (B-Bindung)<br />

Säuglinge und Kleinkinder müssen Sicherheit und Vertrauen zu den Eltern entwickelt<br />

haben, um sich auf neue unbekannte Situationen einlassen und <strong>von</strong> den Eltern ablösen<br />

zu können. Erwachsene, die auf die Bedürfnisse ihrer Kinder feinfühlig reagieren und<br />

Schutz in schwierigen Situationen gewähren, dienen ihrem Kind <strong>als</strong> sichere Basis. Von<br />

dieser sicheren Basis aus, gelingt es Kindern, die Welt zu erforschen und immer wieder<br />

neue Herausforderungen und damit Entwicklungsschritte zu wagen.<br />

3.2.1.2 Das unsicher vermeidende Bindungsmodell (A-Bindung)<br />

Erlebt das Kind, dass auf seine Signale nicht oder nicht ausreichend eingegangen wird<br />

und seine Bedürfnisse nicht befriedigt werden, entwickelt es eine unsicher vermeidende<br />

Strategie, das bedeutet, es sucht keine direkte Nähe und vermeidet direkten<br />

Gefühlsausdruck und Körperkontakt zur Bezugsperson.<br />

3.2.1.3 Das unsicher ambivalente Bindungsmodell (C-Bindung)<br />

Ist die Bezugsperson wenig einfühlsam und in ihren Reaktionen nicht einschätzbar für<br />

das Kind, erlebt es inkonsistente Verhaltensmuster. Es entwickelt eine unsicher<br />

ambivalente Bindung, bei der es in belastenden Situationen durch Weinen, Anklammern<br />

und Ärgerausdruck die Bezugspersonen in der Nähe halten und eine Trennung<br />

verhindern will. Diese Kinder haben auch häufig Schwierigkeiten im Umgang mit<br />

Gleichaltrigen und wenige Freunde.<br />

96 vgl. ebda, S. 76ff<br />

41


Unsichere Modelle sind Risikofaktoren für die weitere Entwicklung des Kindes,<br />

insbesondere wenn zusätzlich äußere Krisen, Stress oder traumatische Erfahrungen<br />

eintreten und je jünger das Kind zu diesem Zeitpunkt ist.<br />

3.2.1.4 Desorganisation (D-Bindung)<br />

Anfang der neunziger Jahre wurde eine vierte Art der Bindung identifiziert, „die <strong>als</strong><br />

Desorganisation im Bindungsverhalten“ bezeichnet wurde. 97 . In traumatisierenden<br />

Beziehungen ist die Bezugsperson nicht Quelle der Sicherheit sondern selbst Auslöser<br />

für Angst und Bedrohung. In der akuten Angstsituation können Kinder weder auf<br />

unsicher vermeidende Strategien noch auf Signale der Bindung an ihre Bezugsperson<br />

zurückgreifen, um aus ihrer Lage befreit zu werden. „Diese Kinder müssen die innere<br />

Überzeugung entwickeln, dass sie in größter Not alleine sind und ihnen niemand helfen<br />

kann oder helfen will.“ 98<br />

Solche Kinder sind zutiefst einsam, Gefühle werden nicht kommuniziert, sie zeigen oft<br />

aggressive Impulse und das Wiederholen erfahrener Gewaltmuster. In Beziehungen<br />

bleiben sie vorsichtig und kontrolliert. Die D-Bindung tritt am häufigsten bei<br />

misshandelten Kindern auf und wird <strong>als</strong> Folge der traumatisierenden<br />

Beziehungserfahrungen eingeschätzt.<br />

3.2.1.5 Die Angstbindung<br />

Eine Form der desorganisierten Bindung ist die Angstbindung. Sie bedeutet, dass ein<br />

Kind in Angst an seine es traumatisierende Bezugsperson gebunden ist. Eine<br />

Angstbindung kann leicht übersehen werden, da sie mit Überanpassung einhergeht und<br />

<strong>als</strong> enge und sichere Bindung wahrgenommen wird. Diese Kinder haben verinnerlicht,<br />

dass die Person, <strong>von</strong> der Bedrohung für sie ausgeht, die Person ist, <strong>von</strong> der sie abhängig<br />

sind und dass niemand anderer ihnen helfen kann. Das Verhalten zeichnet sich durch<br />

eine Überanpassung an den Bedürfnissen der Eltern, Rollenumkehr und Fürsorglichkeit<br />

aus, bei der eigene kindliche Bedürfnisse verleugnet werden müssen. 99<br />

97 Main (1995), zit. n. Cappenberg (2005), S. 74<br />

98 ebda, S. 82<br />

99 vgl. ebda, S. 86<br />

42


3.2.1.6 Distanzlosigkeit<br />

Kinder, die Distanzlosigkeit zeigen, wenden sich mit ihrem Bedürfnis nach Bindung an<br />

jede beliebige Person. Das heißt, dass sie mit jeder Person mitgehen und ausgesprochen<br />

offen und fröhlich wirken. Gleichzeitig lassen sie sich auf dichtere, emotional tiefere<br />

Beziehungen nicht ein. Dieses Verhalten ist Folge <strong>von</strong> einem häufigen Wechsel <strong>von</strong><br />

Bezugspersonen, oder häufigen stationären Aufenthalten. Es handelt sich um Kinder,<br />

die keine elterliche, exklusive Bezugsperson erfahren haben, was zu einer Störung der<br />

emotionalen Entwicklung führt. 100<br />

3.2.1.7 Auswirkungen des Bindungsmodells<br />

Diese früh entwickelten Bindungsmuster sind deshalb so bedeutend, weil sie in der<br />

späteren Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes in vielen Bereichen Einfluss<br />

nehmen und handlungsleitend werden. Bereiche, für die ein Zusammenhang mit den<br />

frühen Bindungserfahrungen nachgewiesen ist, sind der Umgang mit emotionalen<br />

Belastungen, die Entwicklung <strong>von</strong> Selbstkonzept und Überzeugungen <strong>von</strong><br />

Selbstwirksamkeit, die Gestaltung <strong>von</strong> Beziehungen und Kommunikation <strong>von</strong><br />

Gefühlen. Untersuchungen, welche die langfristigen Auswirkungen der frühen<br />

Bindungserfahrungen bestätigen, liegen mittlerweile für alle Altersbereiche bis in das<br />

Erwachsenenalter vor. Diese belegen eine relative Stabilität der einmal erworbenen<br />

Bindungsmuster. 101<br />

Wichtig für die Arbeit <strong>von</strong> Pflegeeltern ist die Erkenntnis, dass bei Pflegekindern oft<br />

unsichere und desorganisierte Bindungsmodelle vorliegen, aber auch die Feststellung,<br />

dass „der Bindungstyp eines Kindes sich weiterhin durch ein verändertes Umfeld […]<br />

verändern kann“. 102 Die Bindungstheorie geht da<strong>von</strong> aus, dass Bindungsmuster, auch<br />

wenn sie sich bei gleichbleibenden Bedingungen sehr festigen können, keineswegs<br />

unabänderlich sind. Sie können sich, je nachdem, welche neuen Erfahrungen das Kind<br />

macht, verändern. Voraussetzung dafür ist, dass die neuen Eltern <strong>als</strong> sichere und<br />

schützende Bezugspersonen wahrgenommen werden. 103<br />

100 vgl. ebda, S. 87<br />

101 vgl. Scheuerer-Englisch (2001), S. 76<br />

102 Cassidy (1998), zit. n. Cappenberg (2005), S. 78<br />

103 vgl. ebda, S. 90<br />

43


3.2.2 Integration in die Pflegefamilie<br />

Ein gelungener Integrationsprozess eines Pflegekindes in die neue Familie verläuft nicht<br />

ohne Verarbeitung der vorangegangenen traumatischen Erfahrungen. Das bedeutet für<br />

die Pflegeeltern, dass „sie durch ihr Beziehungsangebot an das Pflegekind quasi<br />

therapeutische Arbeit leisten.“ 104<br />

Nienstedt und Westermann 105 führen für den Integrationsprozess <strong>von</strong> Pflegekindern drei<br />

wesentliche Phasen an: Überanpassungs-, Übertragungs- und Bindungsphase.<br />

3.2.2.1 Überanpassung<br />

Das Kind verhält sich unauffällig in der neuen Familie, beachtet die dortigen Regeln,<br />

und genießt offensichtlich die Nähe, die Fürsorglichkeit und den Schutz. Das Kind<br />

nimmt die Erfahrungen mit den neuen Bezugspersonen auf, entwickelt aber noch keine<br />

Bindung.<br />

3.2.2.2 Übertragung<br />

Diese Phase zeichnet sich durch Prüfung <strong>von</strong> Vertrauen, Grenzsetzung und<br />

Eigenständigkeit <strong>von</strong> Seiten des Pflegekindes an den Pflegeeltern aus. Das Kind zeigt<br />

zunehmend eigene Bedürfnisse und frühe Bindungsmuster und prüft, ob die Pflegeeltern<br />

das bekannte Elternverhalten wiederholen oder neue Erfahrungen vermitteln. Es testet,<br />

wie tragfähig die Beziehung der Pflegeeltern zu ihm ist. Dabei überträgt das Kind<br />

Gefühle, die den leiblichen Eltern gelten auf die Pflegeeltern. Gelingt es den<br />

Pflegeeltern dem Kind das Gefühl des Angenommenseins zu vermitteln und gleichzeitig<br />

Grenzen deutlich zu machen, gewinnt das Kind zunehmend an Sicherheit. Diese<br />

anstrengende Phase ist die bedeutsamste im Rahmen des Pflegeverhältnisses und<br />

gleichzeitig die größte Herausforderung an die Pflegeeltern.<br />

3.2.2.3 Bindung<br />

In günstigen Fällen sind nach ungefähr einem Jahr neue Bindungen entstanden, was<br />

jedoch auch stark vom Alter des Kindes abhängig ist. Es kehrt nun häufig auf frühere<br />

Entwicklungsstufen zurück, holt damit Erfahrungen nach und erlebt, dass es<br />

befriedigende Beziehungen haben kann. Diese Phase wird auch häufig <strong>als</strong><br />

Regressionsphase bezeichnet.<br />

104 ebda, S. 88<br />

105 vgl. Nienstedt; Westermann (1992), S 45ff<br />

44


Beim Pflegekind bestehen, neben den rechtlichen Beziehungen, auch nach<br />

Inpflegnahme starke Gefühlsbeziehungen und Bindungen zu den leiblichen Eltern,<br />

wenn auch <strong>von</strong> Fall zu Fall in recht unterschiedlichem Ausmaß. Dies macht sich<br />

besonders deutlich bei zwei Problemkreisen des Pflegeverhältnisses, die in Kap 3.5<br />

näher beschrieben werden.<br />

3.3 Die Herkunftsfamilie<br />

Die Herausnahme eines Kindes hat immer auch Folgen für die Herkunftsfamilie 106 . Dies<br />

kann sich äußern in dem Gefühl versagt zu haben, oder die Eltern schämen sich vor der<br />

Nachbarschaft und Verwandtschaft, und müssen sich rechtfertigen, wieso sie ihr Kind<br />

nicht selbst erziehen können. Gesellschaftliche Ächtung droht und die Familie ist in<br />

einem Trauerprozess um das Kind. Oft hat das leibliche Kind in der Herkunftsfamilie<br />

einen wichtigen emotionalen Platz eingenommen, auch wenn dies eine negative Rolle,<br />

wie die des Sündenbocks, gewesen ist. Trotz massiver sozialer, psychischer und<br />

familiärer Probleme besteht in der Regel eine hohe Schwellenangst vor Hilfsangeboten<br />

wie Beratung und Therapie, dazu kommt häufig fehlende Problemeinsicht. Erschwert<br />

wird dies noch, wenn, wie in ländlichen Gegenden teilweise der Fall, die/der/selbe<br />

Sozialarbeiter/in mit der Betreuung der Herkunftsfamilie und der Pflegefamilie betraut<br />

ist.<br />

Häufig haben Herkunftsfamilien auch schon eine längere Geschichte mit<br />

Jugendhilfemaßnahmen über mehrere Generationen. Die Sprache der Fachkräfte und<br />

mitunter auch die der Pflegeeltern überfordert viele Herkunftseltern, die es nicht<br />

gewohnt sind, über emotionale Befindlichkeiten zu sprechen. Reaktionen wie<br />

Kontaktabbruch oder überzogenes und forderndes Verhalten gegenüber der Behörde<br />

sind die Folge. Bei den Herkunftsfamilien besteht häufig der Wunsch nach einer<br />

schnellen Rückkehr des Kindes. Große Hoffnungen und Versprechungen an ihr Kind<br />

stehen jedoch oft im Widerspruch zu den eigenen erzieherischen Möglichkeiten. 107<br />

Sie rivalisieren mit den Pflegeeltern und wenden ihre Aggressionen gegen sie. Manche<br />

Herkunftsfamilien strengen Verfahren vor Gericht an, um ihr Kind wieder zurück zu<br />

106 Zur Situation <strong>von</strong> abgebenden Eltern kann in dieser Arbeit nicht sehr ausführlich eingegangen werden,<br />

weiterführend zum Thema siehe: Faltermeier (2001); Andriopoulos (1995)<br />

107 vgl. Nienstedt; Westermann (1992), S. 204f<br />

45


ekommen, werben um seine Zuneigung indem sie es z. B. bei Besuchen mit<br />

Geschenken überschütten. Es zeigt sich, dass für die leiblichen Eltern mit der<br />

Inpflegegabe ebenfalls eine diskrepante Situation entsteht: Sie bleiben zwar die Eltern,<br />

aber andere Personen nehmen ihnen die meisten Funktionen, die Eltern erfüllen, ab. Ihre<br />

Kinder können nicht mehr bei ihnen sein. Ihre Rolle ist nicht eindeutig definiert und<br />

muss neu ausverhandelt und gestaltet werden. 108<br />

Die Betreuung der Herkunftseltern ist somit äußerst konfliktbehaftet und emotionsreich.<br />

In der Arbeit mit ihnen muss man sich mit gescheiterten Lebensentwürfen<br />

auseinandersetzen und einen Weg mit ihnen finden, damit sie eine neue, positive Art<br />

<strong>von</strong> Elternrolle einnehmen können. Ein wichtiger Schritt für Eltern, die ihr Kind<br />

abgeben müssen, ist die Entwicklung der Fähigkeit, die Trennung vom Kind auch <strong>als</strong><br />

eine Entlastung <strong>von</strong> nicht erfüllbarer Verantwortung sehen zu können.<br />

Diouani stellt dazu fest, dass die Arbeit mit dem Herkunftssystem „sicher zu den<br />

schwierigsten Aufgaben im Rahmen der Fremdunterbringung eines Kindes gehört und<br />

häufig nicht statt zu finden scheint.“ 109<br />

3.4 Die Pflegeeltern<br />

Im Gegensatz zu leiblichen Eltern haben Pflegeeltern die Möglichkeit, Wünsche<br />

bezüglich Geschlecht, Alter, Herkunft und anderer Merkmale vor der Vermittlung<br />

anzumelden. Andererseits müssen sie im Gegensatz zu leiblichen Eltern erst ihre<br />

Eignung durch die Behörde feststellen und sich schulen lassen.<br />

Die Entscheidung ein Kind in seine Familie aufzunehmen ist eine besonders<br />

schwerwiegende und ist auch <strong>von</strong> vielen Ungewissheiten begleitet. Daher müssen<br />

Pflegeeltern einen mehrmonatigen Prozess der Abklärung durchlaufen. Auch die<br />

Vertreter/innen der Behörde brauchen umfangreiche Informationen, um eine passende<br />

Vermittlung anbahnen zu können. Bei den Vorgesprächen zwischen<br />

Sozialarbeiter/n/innen und künftigen Pflegepersonen hat die Klärung der<br />

Aufnahmemotivation eine zentrale Bedeutung.<br />

108 vgl. Wiemann (1994), S. 17f<br />

109 Diouani (2005), S. 184<br />

46


3.4.1 Motive für die Aufnahme eines Pflegekindes<br />

Motivation ist ein „hypothetisches Konstrukt, mit dem man die Antriebe (Ursachen) des<br />

Verhaltens erklären will. Mit diesem Konstrukt soll die Frage nach dem Warum des<br />

Handelns beantwortet werden“ 110 . Es wird zwischen „intrinsischen und<br />

extrinsischen“ 111 Motiven unterschieden. Ersteres beschreibt, dass die Belohnung einer<br />

Handlung in der Handlung selbst liegt, zweiteres, dass die Handlung <strong>von</strong> außen belohnt<br />

wird. Wenn man <strong>von</strong> intrinsischer Motivation angetrieben wird, dann handelt man, weil<br />

man Dinge <strong>von</strong> sich aus tun möchte. Wird man tätig, weil man dadurch Lob,<br />

Anerkennung, oder sonstige Belohnung zu bekommen erhofft, ist man extrinsisch<br />

motiviert. Eine angemessene soziale Absicherung kann z. B. die extrinsische Motivation<br />

erhöhen, die erfahrenen positiven Erlebnisse im Zusammenleben mit Pflegekindern die<br />

intrinsische, beide Formen sind unerlässlich. 112<br />

In Anbetracht ihres in hohem Maße handlungssteuernden Effektes auf die Gestaltung<br />

der Beziehung zum Pflegekind sind die Motivationen und die darauf folgenden<br />

Rollenkonzepte für den Verlauf der Betreuungsverhältnisse besonders bedeutsam.<br />

Paltinat und Warzecha unterscheiden nach „bewussten und geäußerten Motiven, nicht<br />

geäußerten aber bewussten und unbewußten Motiven.“ 113<br />

In der Phase der Eignungsfeststellung wird versucht, unbewußte und nicht geäußerte<br />

Motive zu erfassen, sei es durch Gespräche mit Sozialarbeiter/innen/n oder durch<br />

Reflexions- und Selbsterfahrungsübungen in Vorbereitungsseminaren.<br />

Die Auseinandersetzung mit den Beweggründen für eine Bewerbung ist Dreh- und<br />

Angelpunkt für die Art, den Verlauf und das Gelingen eines späteren<br />

Pflegeverhältnisses. Blandow weist darauf hin, dass es oft gerade bestimmte<br />

Mangelgefühle und Deprivationserlebnisse sind, die Pflegeeltern dazu motivieren, ein<br />

Kind in ihre Familie aufzunehmen. 114<br />

Aus den vielschichtigen Beweggründen zur Aufnahme eines Pflegekindes werden<br />

beispielhaft folgende genannt:<br />

- Erfahrungen in der eigenen Herkunftsfamilie<br />

- Soziales Verantwortungsgefühl<br />

110 Kroeber-Riel (1998), S. 141<br />

111 Schattner (1987), S. 180<br />

112 vgl. Schattner (1987), S. 180<br />

113 Paltinat;Warzecha (1999), S. 13<br />

114 vgl. Lutter et. al. (1984), S. 30<br />

47


- Unerfüllter Kinderwunsch<br />

- Nachdem eigene Kinder bereits selbständig leben, möchte man die Leere in der<br />

Familie füllen<br />

- Die vergütete Erziehung eines fremden Kindes wird <strong>als</strong> Alternative für eine<br />

eigene <strong>Beruf</strong>stätigkeit gesehen 115<br />

Fragt man Pflegeeltern nach ihren Motiven, benennen zwar auch etwa die Hälfte<br />

Kinderlosigkeit <strong>als</strong> den wichtigsten Grund, betonen dann aber zumeist auch darüber<br />

hinausgehende altruistische Gründe. Ansonsten werden zunehmend häufiger<br />

professionell-pädagogische Gründe <strong>als</strong> primärer Grund benannt. In besonderen<br />

Pflegeformen wie sonderpädagogischen Pflegefamilien und Kurzzeitpflegefamilien<br />

können auch Erwerbsmotive eine gewichtige Rolle spielen, wobei nicht selten mit dem<br />

Wunsch argumentiert wird, „eine <strong>als</strong> unbefriedigend erlebte Lohnerzieher-Existenz<br />

gegen ein autonom gestaltbares berufliches Engagement tauschen zu wollen.“ 116<br />

3.4.2 Rollenkonzepte<br />

Freiburg/Lettau 117 erweiterten die <strong>von</strong> Blandow 1972 formulierten Selbstkonzepte <strong>von</strong><br />

weiblichen Pflegepersonen. Sie gehen <strong>von</strong> folgenden Rollenkonzepten der<br />

Pflegepersonen aus, die jeweils auf unterschiedlichen Motivationen beruhen:<br />

Mutterkonzept<br />

Die Pflegemutter erlebt das Pflegekind <strong>als</strong> leibliches Kind und hat dementsprechende<br />

Erwartungen. Es wird versucht, die Pflegekinder emotional <strong>von</strong> den leiblichen Eltern zu<br />

lösen und diese in die eigene Familie völlig zu integrieren.<br />

Pflegemutterkonzept<br />

Die Pflegepersonen identifizieren sich weniger mit dem Pflegekind und erkennen den<br />

Unterschied zu den leiblichen Eltern an, die Bindung zur Herkunftsfamilie wird zu<br />

halten versucht. Im Umgang mit dem Pflegekind weist sie geringere fachliche<br />

Kompetenz auf im Vergleich zum berufsorientierten Konzept, durch regelmäßige<br />

fachliche Begleitung und Weiterbildung kann dies jedoch ausgeglichen werden.<br />

Erfahrungsorientiertes Konzept 118<br />

115 vgl. Kolbe (2004), S. 54f<br />

116 Textor (2005), unter http://www.sgbviii.de/S13.htm, (abgefragt am 29.05.2007)<br />

117 vgl. Feiburg; Lettau (1998), zit. n. Kolbe (2004), S 101f<br />

48


Die Pflegeeltern haben bereits leibliche Kinder erzogen und wollen auf Basis dieser<br />

Erfahrungen ein Pflegekind begleiten. Diese Gruppe ist zunächst skeptisch, was die<br />

Annahme <strong>von</strong> Unterstützungsangeboten betrifft, da sie sich durch ihre Elternschaft<br />

ausreichend vorbereitet fühlen.<br />

Religiösmotiviertes Konzept<br />

Pflegeeltern handeln auch nach religiösen Konzepten. Die christlichen<br />

Religionsgemeinschaften betonen die Ausübung der Religion durch den Dienst am<br />

Nächsten, den Dienst an der Gemeinschaft der Gläubigen und Verantwortung<br />

gegenüber der Welt. Aus tiefer religiöser Überzeugung wird es <strong>als</strong> Verpflichtung<br />

gesehen, anderen zu helfen und in diesem Fall wird dies dadurch eingelöst, indem man<br />

ein Kind bei sich zu Hause aufnimmt.<br />

Gib-und-Nimm-/Kommerzielles Konzept<br />

Dieses zunächst <strong>von</strong> Blandow 1972 eingeführte Konzept scheint heute keine<br />

Berechtigung mehr zu haben. Es ging noch da<strong>von</strong> aus, dass Pflegekinder <strong>als</strong><br />

Arbeitskräfte im pflegeelterlichen Betrieb fungieren sollten, die Beziehung zum<br />

Pflegekind zeichnete sich durch ausgeprägte Distanziertheit aus.<br />

Freiburg/Lettau beschreiben in diesem Konzept den Wunsch <strong>von</strong> Pflegepersonen nach<br />

der Auflösung eigener Probleme, das Pflegekind soll diese Funktion erfüllen. Damit<br />

sind Erwartungen an das Kind verknüpft, es wird eine Gegenleistung für die erhaltene<br />

Unterstützung erwartet. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, kann dies zum<br />

Abbruch des Pflegeverhältnisses führen.<br />

<strong>Beruf</strong>sorientiertes Konzept<br />

Nach Freiburg/Lettau zeichnen sich Pflegepersonen mit einem rein berufsorientierten<br />

Konzept durch das Bestreben aus, ihre vorhandene Professionalität ins Pflegeverhältnis<br />

einzubringen und „fachkundige“ Arbeit zu leisten. Die Betreuung des Kindes wird <strong>als</strong><br />

berufliche Aufgabe gesehen, die auch eine entsprechende Entlohnung rechtfertigt. Die<br />

Pflegepersonen setzen sich vertieft mit ihrem Erziehungsverhalten auseinander und<br />

118 Zu dem Erfahrungsorientierten Konzept und dem Religiösmotivierten Konzept werden in der<br />

angeführten Quelle keine weiteren Angaben gemacht, die Inhalte dieser Unterabschnitte beziehen<br />

sich daher auf Interpretationen der Verfasserin.<br />

49


legen eine professionelle Distanz, sowie ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und<br />

therapeutischem Umgang mit dem Pflegekind an den Tag. Es besteht jedoch die Gefahr,<br />

dass die emotionalen Aspekte des Betreuungsverhältnisses zu kurz kommen.<br />

Diese kurz skizzierten Rollenkonzepte sind modellhafte Schemen, und eine eindeutige<br />

Zuordnung <strong>von</strong> Pflegepersonen ist schwierig, jedoch neigen Pflegeeltern manchmal<br />

mehr zum einen <strong>als</strong> zum anderen Konzept. Sie beinhalten Vorstellungen darüber, wie<br />

ein Pflegeverhältnis gelebt werden möchte und welche Form der Inpflegnahme zu den<br />

Bewerber/innen/n passt bzw. nicht passt. Die Kenntnis dieser grundsätzlichen<br />

Einstellungen unterstützen die Fachkräfte im Prozess der Vermittlung eines<br />

Pflegekindes an eine Pflegefamilie.<br />

In den vom Bundesverband der Pflegeelternvereine Österreichs herausgegebenen<br />

Qualitätskriterien für das Pflegekinderwesen wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass weniger die<br />

Motive der Pflegeeltern zu einem gelingenden Zusammenleben führen, sondern mehr<br />

die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Pflegeeltern mitbringen und ihre Erwartungen, die<br />

sie mit einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> verbinden. 119<br />

Im Mittelpunkt der Erwartungen an die Pflegeeltern steht heute die gezielte kognitive<br />

und emotionale Förderung der ihnen anvertrauten Kinder. Allerdings erschwert sich die<br />

Aufgabenerfüllung der Pflegeeltern durch die oftm<strong>als</strong> starken psychosozialen<br />

Beeinträchtigungen der vermittelten Kinder und durch die, gegenüber nicht<br />

beeinträchtigten Kindern, verminderte Leistungsfähigkeit. Weiters sollen sie der<br />

Aufgabe gerecht werden, Wege zur Zusammenarbeit mit den Personen zu finden, die<br />

abweichendes Verhalten der Kinder verursacht haben.<br />

3.5 Problemkreise in Pflegefamilien<br />

Im folgenden Abschnitt wird auf die häufigsten Problemfelder in Pflegeverhältnissen<br />

eingegangen, um einen Hinweis darauf zu geben, dass <strong>Pflegeelternschaft</strong> heutzutage<br />

nicht mehr allein durch guten Willen und Liebe zu Kindern zu bewältigen ist, und die<br />

Anforderungen sich vielgestaltig erweisen.<br />

119 vgl. Bundesverband der Österreichischen Pflege- Adoptiv- und Tageseltervereine (2006), S. 15<br />

50


3.5.1 Verhaltensaufälligkeiten<br />

Eine standardisierte Befragung <strong>von</strong> über 400 Pflegeeltern durch das Deutsche<br />

Jugendinstitut im Jahr 2005 lieferte folgende Ergebnisse:<br />

– 30 % der Pflegekinder haben klinisch bedeutsame internalisierende Verhaltensstörungen<br />

(Ängste, sozialer Rückzug).<br />

– 40 % der Pflegekinder zeigen in klinisch bedeutsamem Ausmaß externalisierende<br />

Verhaltensauffälligkeiten (Aggression, Unruhe).<br />

– Etwas mehr <strong>als</strong> die Hälfte der einbezogenen Pflegekinder besuchte eine Sonderschule,<br />

hatte bereits eine Schulklasse wiederholt oder litt unter Lernschwierigkeiten.<br />

– Etwa 30 % der Kinder wies eine körperliche Behinderung oder ein hohes Maß an<br />

körperlichen Beschwerden auf. 120<br />

Diese Resultate zeigen, dass ein Großteil der Pflegekinder, v.a. wenn sie im<br />

Vorschulalter in eine Pflegefamilie wechseln, mit Handicaps zu kämpfen hat. Für<br />

Pflegeeltern ergibt sich daraus die Aufgabe diagnostische und therapeutische<br />

Verfahren, die dem Pflegekind zu Gute kommen sollen, zu begleiten und zu<br />

unterstützen.<br />

3.5.2 Identitätsproblematik<br />

Von der sozialen Struktur her lassen sich die meisten Herkunftsfamilien randständigen<br />

sozialen Schichten zuordnen, die oft über Generationen hinweg mit der Erziehung ihrer<br />

Kinder nicht zurande kamen. Pflegefamilien hingegen setzen sich fast ausschließlich<br />

aus Angehörigen der unteren und mittleren Mittelschicht zusammen und leben unter<br />

besseren materiellen Verhältnissen. 121<br />

Durch diese Milieuunterschiede werden die Pflegefamilien mit Kindern konfrontiert, die<br />

oft völlig andere Wertorientierungen, Verhaltensmuster, eine andere „Sprache“ und<br />

Umgangsformen mitbringen, die einen ganz anderen Lebens- und Erziehungsstil<br />

gewöhnt sind. Dies erfordert <strong>von</strong> den Pflegeeltern ein hohes Maß an Toleranz und<br />

Offenheit gegenüber dem Herkunftsmilieu der Kinder und auch die Pflegekinder<br />

müssen sich umstellen.<br />

Ein Ansatz, der zur Vermeidung dieser Konflikte beitragen kann ist das Kinship Foster<br />

Care Konzept, das z. B. in den Niederlanden praktiziert wird. Hier wird primär im<br />

Verwandtenkreis, im Umfeld der Familie und im Herkunftsmilieu nach<br />

120 Projektgruppe Pflegekinderhilfe in Deutschland (2006), S. 17<br />

121 vgl. Blandow (2002) Sozialraum, S. 6; Blandow (1999), S. 86 ff.<br />

51


Unterbringungsmöglichkeiten gesucht. Die Differenzen zwischen den Lebensstilen<br />

fallen somit geringer aus und vom Kind wird eine weniger massive Anpassungsleistung<br />

gefordert. 122<br />

3.5.3 Besuchskontakte<br />

Das „neuralgischste Problem <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen“ 123 ist wie schon mehrfach<br />

angedeutet der Besuchskontakt. Trotz Trennung und negativer Vorerfahrungen bestehen<br />

Bindungen zwischen den Herkunftseltern und den Kindern, die nach Möglichkeit<br />

erhalten bleiben sollen. Am konfliktlosesten gestalten sich die Kontakte, wenn die<br />

Sicherheit besteht, dass das Pflegekind in der Pflegefamilie bleiben wird. Eine andere<br />

Funktion erfüllen sie jedoch, wenn die Pflegekinder nur für einen bestimmten Zeitraum<br />

in der Familie sind und eine Rückkehr angestrebt wird.<br />

Wenn Besuchskontakte nicht konfliktfrei verlaufen, werden sie häufig auf einen<br />

neutralen Ort verlagert und <strong>von</strong> Fachkräften begleitet. Meist reduzieren sie sich mit<br />

Dauer des Pflegeverhältnisses; einige Herkunftseltern nehmen ihr Besuchsrecht<br />

unregelmäßig bis gar nicht war.<br />

Die Bereitschaft, die leiblichen Angehörigen anzuerkennen und die Kontakte, in<br />

welcher Form auch immer, zu halten, ist daher eine wichtige Voraussetzung im<br />

Auswahlprozess <strong>von</strong> Pflegeeltern. Das kann durchaus schwer sein, wenn man die<br />

problematischen Familienverhältnisse kennt und weiß, welche Erfahrungen das Kind<br />

dort gemacht hat. Eine zumindest neutrale Haltung hierzu einzunehmen, ist bereits eine<br />

große Hürde für viele Pflegeeltern. Erschwerend kommt hinzu, dass die leiblichen<br />

Eltern bewusst oder unbewusst <strong>als</strong> Rivalen erlebt werden, insbesondere wenn das Kind<br />

noch positive Bindungen an sie zeigt.<br />

In der <strong>von</strong> Kötter Anfang der Neunziger Jahre durchgeführten Studie zu<br />

Besuchskontakten erwiesen sich karitative Motive <strong>als</strong> Entscheidungsgrund für ein<br />

Pflegekind, das Vorhanden sein <strong>von</strong> leiblichen Kindern und ein höheres Alter der<br />

Pflegemutter <strong>als</strong> Indikatoren für funktionierende und dauerhafte Besuchskontakte. 124<br />

Cappenberg sieht aus bindungstheoretischer Sicht in Besuchskontakten ein Hindernis<br />

für den Beziehungsaufbau in der Pflegefamilie und für eine Traumaverarbeitung für das<br />

122 vgl. Loidl-Keil; Viechtbaur (2004), S. 194<br />

123 Blandow (2007), S. 9<br />

124 vgl. Kötter (1997), S. 158f<br />

52


Pflegekind. Jede Wiederbegegnung mit den leiblichen Eltern aktualisiert frühere<br />

Erinnerungen und Bindungsmuster. Bei Besuchskontakten werde beständig das Recht<br />

der leiblichen Eltern über das Wohl des Kindes gestellt. 125<br />

Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes wie Nienstedt/Westermann, Zenz und Eberhard<br />

betonen, dass man durch Besuchskontakte das Kind stark verunsichere. Gerade die<br />

Pflegeeltern, die ihm Sicherheit bieten sollen, liefern es wieder den Personen aus, <strong>von</strong><br />

denen es womöglich misshandelt worden ist. Reaktionen der Kinder können aggressives<br />

Verhalten, generelle Unruhe und Rückzug sein. Kindern sollte ein Recht auf einen<br />

völligen Neubeginn gegeben werden. 126<br />

Andere Expert/innen/en im Pflegekinderbereich vertreten die Meinung, dass sich Kinder<br />

auf neue Menschen besser einlassen können, wenn sie die Menschen des früheren<br />

Lebens nicht völlig verlieren. Klare Vereinbarungen über Häufigkeit und Rahmen des<br />

Besuchskontaktes, die Begleitung durch neutrale Personen sowie die Orientierung am<br />

Verhalten des Kindes können dazu beitragen, dass Besuchskontakte weniger<br />

problematisch erlebt werden. 127<br />

Eine Erschwerung oder Verhinderung der Kontakte zur Herkunftsfamilie bzw. eine<br />

abwertende Haltung gegenüber den Herkunftseltern kann zu massiven<br />

Loyalitätskonflikten beim Pflegekind führen.<br />

3.5.4 Loyalitätskonflikte<br />

Pflegekinder leiden häufig unter Loyalitätskonflikten zwischen ihren Herkunftseltern<br />

und den Pflegeeltern. Loyalität ist ein stark wirkendes ethisches Prinzip, das<br />

Familienangehörige zur Einhaltung der geltenden Regeln im Umgang miteinander und<br />

mit anderen verpflichtet. Beide Eltern haben Erwartungen und Wünsche an das Kind,<br />

was das Kind natürlich auch spürt. Ein Brechen der Regeln kann zum Verlust <strong>von</strong><br />

Zugehörigkeit führen. Dies kann bedeuten, dass die Beziehungsangebote <strong>von</strong><br />

Pflegeeltern an das Kind dessen Konflikte weiter verstärken. Denn jeder Schritt in<br />

Richtung Veränderung und Verbesserung kann mit dem Versuch des Kindes<br />

zusammenfallen, sich der eigenen Familie gegenüber solidarisch zu verhalten. Wenn die<br />

125 vgl. Cappenberg (2005), S. 95<br />

126 vgl. Eberhard (2000); Zenz (2001), S. 33<br />

127 Wiemann (1994), S. 12<br />

53


Herkunftsfamilie dem Kind nicht ermöglicht sich in einer Pflegefamilie einzuleben und<br />

wohlzufühlen, verstärkt dies die Schuldgefühle beim Kind. Die Erwachsenen haben<br />

einen entscheidenden Anteil daran, ob es dem Kind gelingt, Loyalitätskonflikte zu<br />

bewältigen. Sie müssen <strong>von</strong> ihnen erkannt und richtig gedeutet werden, um dem Kind<br />

den nötigen Handlungsspielraum zu deren Bearbeitung einzuräumen.<br />

Idealerweise geben Herkunftseltern ihre soziale Elternrolle schrittweise auf und<br />

delegieren sie an die Pflegeeltern. Damit kann das Kind aus dem Loyalitätsdilemma<br />

entkommen. 128<br />

3.5.5 Elternschaft auf Zeit<br />

Pflegeeltern möchten dem Kind Sicherheit und Halt bieten, wissen jedoch oft nicht, wie<br />

lange es bei ihnen bleiben wird. Es wird <strong>von</strong> ihnen erwartet, dass sie jederzeit<br />

„Loslassen“ können. 129 Wenn es der Fall sein kann, dass das Kind nicht auf Dauer bei<br />

einer Pflegefamilie bleiben kann, sollte dies im Vorhinein <strong>von</strong> den<br />

Sozialarbeiter/innen/n transparent gemacht werden und allen involvierten Personen eine<br />

zeitliche Perspektive gegeben werden. Gerade in Fällen, in denen das Kind noch sehr<br />

jung ist, oder wenige Kontakte mit der Herkunftsfamilie stattfinden, darf diese Spanne<br />

der Unsicherheit nicht zu lange dauern. Die Rückkehr in die Ursprungsfamilie wird so<br />

lange angestrebt, <strong>als</strong> es für das Wohl des Kindes noch vertretbar ist und ohne<br />

empfindliche Bindungsabbrüche zu provozieren. Außerdem muss die Herkunftsfamilie<br />

sich weitestgehend stabilisiert haben. Das Recht <strong>von</strong> leibliche Eltern jederzeit einen<br />

Antrag auf Rückführung bei Gericht stellen zu können, kann Pflegeeltern wie<br />

Pflegekinder sehr beunruhigen. Dies wurde auch in den geführten Interviews mit den<br />

Pflegeeltern sehr deutlich. Gerade hier sind Begleitung und Unterstützung <strong>von</strong><br />

Fachkräften unbestritten wichtig. 130<br />

3.6 Zusammenfassung der Entwicklungslinien<br />

Immer weniger Kinder werden in Pflegefamilien untergebracht. Es wird mit mehr<br />

Aufwand und unterstützenden Maßnahmen versucht, eine Fremdplatzierung <strong>von</strong><br />

Kindern zu vermeiden und die Familien <strong>von</strong> Kindern zu stabilisieren. Diese<br />

128 vgl. Müller-Schlotmann (1998), S. 258ff<br />

129 vgl. E 4, Z. 655-658<br />

130 vgl. Maywald (2000), unter http://agsp.de/html/a11.html (abgefragt am 17.05.2007)<br />

54


Stabilisierungsangebote laufen über eine relativ lange Zeitspanne. Sind diese Hilfen<br />

nicht erfolgreich, dann bedeutet dies, dass Kinder bei der Unterbringung in einer<br />

Pflegefamilie älter und traumatisierter bzw. verhaltensauffälliger geworden sind. Diese<br />

Entwicklung wiederum führt zu der Frage, ob traditionelle Pflegefamilien unter diesen<br />

Voraussetzungen noch in der Lage sind, diesen Kindern die angemessene Hilfe bieten<br />

zu können.<br />

Die Analyse der Strukturmerkmale und Problemkreise machen deutlich, dass<br />

Pflegeeltern gefordert sind und dass <strong>von</strong> ihnen viele Kompetenzen verlangt werden, die<br />

nicht „per se“ und nicht durch das Wissen aus der Erfahrung eigene Kinder erfolgreich<br />

großgezogen zu haben, vorausgesetzt werden können.<br />

Für Eltern genügt es in der Regel über das durch Tradition, Erfahrung, soziale Kontakte<br />

und Ratgeber erworbene Wissen über pädagogische Fragen und Entwicklungsprozesse<br />

zu verfügen. Empathie ergibt sich schon aus der biologisch begründeten Bindung.<br />

Dennoch müssen auch Eltern Informationen einholen und sich um Hilfe bemühen, wenn<br />

sie sich in einer Überforderungssituation befinden.<br />

Pflegefamilien müssen alle Bereiche der sozialen Elternschaft sehr bewusst angehen<br />

und gestalten. Was bei Familien, in denen biologische und soziale Elternschaft<br />

zusammenfällt, natürlich ergibt, muss hier erarbeitet werden.<br />

Die Pflegefamilie ist nicht mehr der Ort, an dem Kinder versorgt werden, sondern sie<br />

versucht Kinder – wie auch bei anderen Hilfen zur Erziehung im institutionellen<br />

Rahmen- gezielt zu fördern und therapeutisch zu begleiten. 131<br />

Die Jugendwohlfahrtsträger und die freien Träger der Jugendhilfe reagieren auf diese<br />

Entwicklungen mit unterschiedlichen Lösungsstrategien:<br />

Die Kinder werden weiter nach üblicher Praxis in Pflegefamilien untergebracht und die<br />

Betreuung dieser Familien ist nicht anders, <strong>als</strong> sie vor Jahren war. Oder die<br />

Pflegefamilien werden besser auf ihre Aufgaben vorbereitet. Eine andere mögliche<br />

Reaktion ist, Pflegefamilien nicht nur besser vorzubereiten, sondern sie auch besser<br />

abzusichern und Pflegeverhältnisse umfassender zu begleiten <strong>als</strong> früher. Die<br />

Pflegefamilie erhält dadurch die Position der professionellen Pflegefamilie. Dieser<br />

Position begründet dann vermehrte Beratung, Unterstützung und Bezahlung. Die<br />

131 vgl. Kolbe (2004), S. 68<br />

55


eobachtbare Entwicklung kann auch <strong>als</strong> die Herausbildung eines neuen <strong>Beruf</strong>sbildes<br />

gesehen werden.<br />

4 <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit<br />

Um beurteilen zu können, ob und wie <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> ausgeübt werden<br />

kann, sollen nun die Merkmale einer <strong>Beruf</strong>stätigkeit definiert werden und der Einfluss<br />

des ausgeübten <strong>Beruf</strong>es auf Personen generell dargestellt werden.<br />

4.1 Zur Bedeutung des <strong>Beruf</strong>es in der modernen Gesellschaft<br />

Arbeit und <strong>Beruf</strong> sind vielschichtige Themen. Die Strukturen und Prozesse der<br />

Arbeitswelt besitzen sowohl negative, <strong>als</strong> auch positive Aspekte. Auf der einen Seite<br />

schränken unter anderem Vorgaben und Strukturen den Handlungsspielraum der<br />

einzelnen Akteure ein, andererseits wohnen der Arbeit identitätsstiftende Elemente inne.<br />

Arbeiten dient nach Arendt der Selbsterhaltung des Menschen und ist damit im Leben<br />

selbst begründet. Die Notwendigkeit der Arbeit liegt in der Erhaltung <strong>von</strong> Leben und<br />

Welt und ist daher zeitlich nicht begrenzt. 132<br />

Luckmann und Sprondel sprechen <strong>von</strong> Arbeit, „wenn immer ein Mensch so handelt,<br />

dass sein Handeln unmittelbar in die natürliche oder gesellschaftliche Umwelt eingreift,<br />

dass sein Handeln <strong>als</strong>o (<strong>von</strong> ihm selbst oder anderen) beobachtbare Folgen hat“ 133 .<br />

Giddens definiert Arbeit <strong>als</strong> „Verrichtung <strong>von</strong> Aufgaben, bei der geistige und<br />

körperliche Energie aufgewendet wird; Diese Aufgaben haben zum Ziel, Güter und<br />

Dienstleistungen hervorzubringen, die sich an menschliche Bedürfnisse wenden.“ 134<br />

Eines der charakteristischsten Merkmale des Wirtschaftssystems moderner<br />

Gesellschaften ist die Herausbildung einer sehr komplexen und vielfältigen<br />

Arbeitsteilung. Arbeit wird in eine große Zahl verschiedener <strong>Beruf</strong>e zerlegt, auf die sich<br />

Personen spezialisieren. Der <strong>Beruf</strong> kann <strong>als</strong> eine spezifische Bündelung <strong>von</strong> Arbeit<br />

verstanden werden. In erster Linie werden jene „Arbeiten“ zu <strong>Beruf</strong>en, die<br />

gesellschaftlich für unentbehrlich erachtet werden und so eine gesellschaftliche<br />

Befugnis erhalten. Ferner braucht es eine Ermächtigung dafür, was die<br />

132 vgl. Arendt (1994), zit. n. Pasquale (1998), S. 17<br />

133 Luckmann; Sprondel (1972), S. 12<br />

134 Giddens (1998), S. 335<br />

56


<strong>Beruf</strong>sangehörigen tun dürfen und sollen, und welche Qualifikationen und<br />

Voraussetzungen dazu <strong>von</strong>nöten sind. Das Arbeitsvermögen des einzelnen wird auf<br />

Strukturen bezogen, in denen <strong>Beruf</strong>sarbeit ermöglicht und dafür Lohn erhalten werden<br />

kann. 135<br />

Unter dem Begriff Verberuflichung versteht man die Übergangsphase des Wandels <strong>von</strong><br />

Arbeiten zu <strong>Beruf</strong>en, in der eine bisher <strong>von</strong> Laien und ohne Entgelt ausgeübte Tätigkeit<br />

nunmehr vollzeitlich gegen ein vertraglich festgelegtes Entgelt verrichtet wird. Der<br />

<strong>Beruf</strong>sbegriff umfasst sowohl wenig qualifizierte Erwerbsarbeit <strong>als</strong> auch sehr<br />

hochqualifizierte. 136<br />

Seine grundsätzlich positive Konnotation hat der Begriff des <strong>Beruf</strong>es aus seinem<br />

Ursprung im Wort „<strong>Beruf</strong>ung“, „d.h. <strong>von</strong> Gott an diese Stelle gesetzt“ 137 und mit dessen<br />

Betonung in der protestantischen Ethik Luthers. Auf diesen bezieht sich auch Weber,<br />

der im asketischen Protestantismus die Keimzelle für die <strong>Beruf</strong>sarbeit <strong>als</strong><br />

herausragendes Charakteristikum der modernen westlichen Kultur sieht. In der<br />

klassischen Definition <strong>von</strong> Weber heißt es, dass es sich beim <strong>Beruf</strong> um eine<br />

„Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination <strong>von</strong> Leistungen einer Person handle<br />

[…] welche für sie Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance<br />

ist.“ 138<br />

Beck, Brater und Daheim definieren <strong>Beruf</strong>e <strong>als</strong> „relativ tätigkeitsunabhängige,<br />

gleichwohl tätigkeitsbezogene Zusammensetzungen und Abgrenzungen <strong>von</strong><br />

spezialisierten, standardisierten und institutionell fixierten Mustern <strong>von</strong> Arbeitskraft, die<br />

u a. <strong>als</strong> Ware am Arbeitsmarkt gehandelt und gegen Bezahlung in fremdbestimmten<br />

kooperativ–betrieblich organisierten Arbeits- und Produktionszusammenhängen<br />

eingesetzt werden“ 139 .<br />

<strong>Beruf</strong>e sind nach Lempert im Wesentlichen durch drei Merkmale erläutert:<br />

Es handelt sich dabei erstens um personengebundene Kombinationen <strong>von</strong> Leistungen<br />

beziehungsweise <strong>von</strong> Kompetenzen (Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten,<br />

135 Müller (2002), S. 726<br />

136 vgl. Heinze (1998), S. 106, Pfadenhauer (2003), S. 19f<br />

137 Pfadenhauer (2003), S. 20<br />

138 Weber (1919), zit. n. Hartmann (1972), S. 37<br />

139 Beck; Brater; Daheim (1980), S. 20, zit. n. Heinze (1998), S. 22<br />

57


Orientierungen, Verhaltens- und Handlungsmuster), die <strong>von</strong> den Individuen in speziellen<br />

Ausbildungsgängen erworben und nach einer Abschlussprüfung bescheinigt werden.<br />

Zweitens vermittelt diese Kompetenzbündel eine Erwerbschance und zwar drittens für<br />

längere Zeit. 140<br />

Diese Definitionen aus verschiedenen Zeiten haben Gemeinsamkeiten darin, dass der<br />

<strong>Beruf</strong> darin <strong>als</strong> auf eine einzelne Person bezogene, eine auf Dauer übernommene<br />

sinnhafte Tätigkeit beschrieben wird zum Zweck der Sicherung des Einkommens. <strong>Beruf</strong><br />

hat zum einen eine funktionale Dimension, die Fertigkeiten, Leistungen und Wissen<br />

umfasst, daneben gibt es aber noch eine soziale Bedeutung, die den einzelnen <strong>Beruf</strong>en<br />

beigelegt wird. Mit dem Erlernen und Ausüben eines <strong>Beruf</strong>es gehen auch<br />

identitätsstiftende und die Persönlichkeit stabilisierende Prozesse einher.<br />

Helmut Schelsky hat 1972 zum <strong>Beruf</strong> angemerkt, dass er „zu einer der großen sozialen<br />

Sicherheiten gehört, die der Mensch in der modernen Gesellschaft […] noch besitzt,<br />

verglichen etwa mit seinem Verhältnis zur Politik, zur Freizeit, zur Kultur und,<br />

jedenfalls in den meisten Fällen, auch zur Religion.“ 141 Die <strong>Beruf</strong>stätigkeit ist für den<br />

modernen Menschen der wesentlichste Bereich sozialer Lebensaktivität, neben der<br />

Familie. Der <strong>Beruf</strong> verbindet den Menschen mit der sozialen Welt außerhalb der<br />

Familie. Die wesentlichste Leistung des <strong>Beruf</strong>es für den modernen Menschen ist die<br />

„Umwelt- und Innenstabilisierung“ 142 einer Person. Durch seinen <strong>Beruf</strong> baut sich der<br />

Mensch in der Vielzahl der möglichen sozialen Rollen ein bestimmtes<br />

Handlungssystem auf, das verhältnismäßig dauerhaft ist. Dieses Handlungssystem wird<br />

<strong>von</strong> außen gestützt und stabilisiert. Zwischen der Stabilität <strong>von</strong><br />

Lebenszusammenhängen und der Basis der sozialen Identität des Menschen und <strong>Beruf</strong><br />

besteht eine enge Verbindung. 143<br />

<strong>Beruf</strong>e besitzen und erzeugen einen „Habitus, der die <strong>Beruf</strong>srollenträger erkennbar<br />

werden lassen.“ 144<br />

„Der berufliche Habitus ist ein stabiles System verinnerlichter Handlungsregeln, die<br />

nicht nur in der Anpassung an die Arbeitsanforderungen, sondern auch in<br />

140 Lempert (2002), S. 179<br />

141 Schelsky (1972), S. 25<br />

142 ebda, S. 32<br />

143 vgl. ebda, S. 25ff<br />

144 Kurtz (2002), S. 94; Habitus: „Ein System internalisierter Handlungsmuster einer Kultur oder sozialen<br />

Klasse“, Bourdieu (1974), zit. n. Heinze (1998), S. 51<br />

58


Selbstinterpretation und der Deutung gesellschaftlicher Verhältnisse dienen.“ 145 Der<br />

berufliche Habitus bildet sich nach mehr oder weniger langen beruflichen<br />

Orientierungsphasen heraus. 146<br />

<strong>Beruf</strong>stätigkeit ist immer noch ein wichtiger Faktor für die soziale Bestimmung des<br />

menschlichen Lebens in unserer Kultur. Das Verhältnis Mensch und Gesellschaft ist<br />

gerade in unserer Gesellschaft noch immer sehr berufsbestimmt, und die gewichtigsten<br />

sozialen Bedürfnisse werden <strong>von</strong> der <strong>Beruf</strong>stätigkeit her befriedigt, sowohl materieller<br />

<strong>als</strong> auch sozialer Art. Soziale Stellung und soziales Ansehen des einzelnen werden <strong>von</strong><br />

der Stellung im <strong>Beruf</strong>, <strong>von</strong> seinem Ansehen, und da<strong>von</strong>, was der <strong>Beruf</strong> „einbringt“ <strong>von</strong><br />

anderen wahrgenommen. Menschen werden hauptsächlich nach der Art ihres <strong>Beruf</strong>es<br />

sozial eingeordnet. Die Leistungsansprüche an die <strong>Beruf</strong>sarbeit sind allenthalben<br />

gestiegen, was ein wesentlicher Grund für immer umfassendere <strong>Beruf</strong>squalifikation in<br />

vielen <strong>Beruf</strong>sfeldern ist. 147<br />

<strong>Beruf</strong>sarbeit hat einen hohen Stellenwert, durch sie werden aber nicht alle Arbeiten des<br />

täglichen Lebens erfasst. Verborgener wird unbezahlt eine Vielzahl <strong>von</strong> gesellschaftlich<br />

ebenso wichtigen Tätigkeiten verrichtet, wie die Reproduktionsarbeit im Haushalt.<br />

Tätigkeiten wie Fürsorge, Erziehung, Altenpflege spielen in der Arbeitssoziologie lange<br />

eine untergeordnete Rolle bzw. wurden sie eben <strong>als</strong> „Gegenstück“ zur beruflichen<br />

Arbeit mit Erwerbsabsicht verstanden, die sich in der Privatsphäre der Menschen<br />

vollzieht.<br />

Um den monetären Wert dieser Reproduktionsarbeit in Österreichs Haushalten zu<br />

bestimmen, wurde den erbrachten Leistungen <strong>von</strong> ÖSTAT (heute Statistik Austria) auf<br />

Basis der 1992 dafür aufgewendeten Zeit und Gehälter ein finanzieller Wert zugeordnet.<br />

Schon der Mindestlohn für im Haushalt Beschäftigte <strong>als</strong> Maßstab ergibt einen Wert <strong>von</strong><br />

€49,71 Mrd. Bei Annahme, dass Frauen gleich viel wie Männer verdienten - <strong>als</strong>o bei<br />

durchschnittlichen Männerlöhnen <strong>als</strong> Berechnungsgrundlage – erhöht sich die Summe<br />

auf €141,06 Mio. Der Anteil der Frauen beträgt €98,98 Mio, der <strong>von</strong> Männern €42,08<br />

145 Heinze (1998), S. 51<br />

146 vgl. ebda, S. 52<br />

147 vgl. ebda, S. 27f<br />

59


Mio. Werden diese Beträge zum Bruttoinlandsprodukt dazugerechnet, so tragen Frauen<br />

insgesamt (bezahlte und unbezahlte Arbeit) 55 % und Männer 45 % zur<br />

volkswirtschaftlichen Wertschöpfung Österreichs bei. 148<br />

4.1.1 Wandel der <strong>Beruf</strong>swelt<br />

Vergleichbar mit dem Wandel der Familie haben sich auch entsprechende Änderungen<br />

in <strong>Beruf</strong>skarrieren und Erwerbsbiographien in den letzten drei Jahrzehnten ergeben. Die<br />

heutige Arbeitswelt ist durch eine Auflösung <strong>von</strong> klassischen Tätigkeitsfeldern,<br />

beständigen Erwerbsbiografien und der üblichen Beschäftigungsformen „selbstständig“<br />

oder „unselbstständig“ gekennzeichnet. Der <strong>Beruf</strong> ist zwar noch immer wichtiger<br />

Ausgangspunkt für Orientierung und Beteiligung am Arbeitsmarkt, allerdings wird<br />

<strong>Beruf</strong> mit seinem umfassenden Geltungsbereich für Lebensstil und Zugehörigkeit zu<br />

einer gesellschaftlichen Schicht heute oft <strong>als</strong> am absteigenden Ast gesehen. 149<br />

Eine fundierte <strong>Beruf</strong>sausbildung in jungen Jahren ist heute keine Garantie mehr für den<br />

dauerhaften Verbleib in der gewählten <strong>Beruf</strong>ssparte. Es ist erkennbar, dass das Merkmal<br />

"Dauerhaftigkeit" für die Charakterisierung <strong>von</strong> <strong>Beruf</strong> derzeit in Frage gestellt wird,<br />

denn ein <strong>Beruf</strong>swechsel wird zum Alltag. In der Dienstleitungsgesellschaft kommt es<br />

ebenfalls zu einer Individualisierung und Pluralisierung; die Arbeitskraft des Einzelnen<br />

muss flexibel auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes abgestimmt werden.<br />

Arbeitsbedingungen verändern sich heute durch das Auflösen <strong>von</strong> Standards und<br />

Individualisierung was die Arbeitsform und Arbeitszeit betrifft. 150<br />

Eine Zunahme <strong>von</strong> Arbeitsverhältnissen, die nicht dem Normalarbeitsverhältnis<br />

(standardisiert, vollzeitig, kontinuierlich, arbeits- und sozialrechtlich abgesichert)<br />

entsprechen, ist zu beobachten. Zahlenmäßig scheinen Formen der „Atypischen<br />

Beschäftigung“ (umfassen Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, befristete<br />

Beschäftigung, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, Telearbeit und so genannte<br />

scheinselbstständige Beschäftigungen) das<br />

überholen. 151<br />

Normalarbeitsverhältnis langsam zu<br />

Diese Entwicklungen haben für Unternehmen gesamtwirtschaftlich<br />

gesehen viele Vorteile, da sie flexibel auf den Markt reagieren können, indem sie<br />

Personal schnell abstoßen oder bei Bedarf auch wieder aufnehmen können. Dies zeigt<br />

148 vgl. Beham; Gossweiner; Gross (1999), S. 58ff<br />

149 vgl. Kurtz (2001), S. 14<br />

150 vgl. Daheim (2001), S. 32<br />

151 Fink (2003), S. 138<br />

60


sich für den Einzelnen aber in einem vermehrten Risiko arbeitslos zu werden und in<br />

Stress, diese existenziellen sozialen Probleme bewältigen zu müssen.<br />

Kurtz fasst die Erkenntnisse der neueren <strong>Beruf</strong>ssoziologie dahingehend zusammen, dass<br />

der <strong>Beruf</strong> heute nicht mehr <strong>als</strong> der beste einzelne Indikator zur Beschreibung der<br />

Sozi<strong>als</strong>truktur einer Gesellschaft gesehen werden kann, <strong>als</strong> der er lange angesehen<br />

wurde, sondern <strong>als</strong> eines unter vielen Kriterien. Im Vergleich zu früher ist seine<br />

Bedeutung deutlich relativiert. 152<br />

Wie sich die Familie zum Projekt mit Gestaltungsnotwendigkeit und mit „beschränkter<br />

Haftung“ entwickelt hat, zeigt sich auch eine fortschreitende Instabilität <strong>von</strong><br />

<strong>Beruf</strong>sverläufen und <strong>Beruf</strong>skarrieren; berufliche Leitbilder sind uneindeutig und können<br />

sich rasch ändern. 153<br />

Unter Karriere verstehen Becker und Strauss „berufliche Laufbahnen, d.h.<br />

gesellschaftlich anerkannte und normierte Abfolgen <strong>von</strong> Arbeitstätigkeiten, die<br />

aufeinander bezogen sind und sich in Prestige sowie Einkommen unterscheiden“. 154<br />

Wird die <strong>Beruf</strong>skarriere einer Person mehrm<strong>als</strong> unterbrochen, etwa durch Elternschaft,<br />

Tätigkeits-, Betriebs- oder <strong>Beruf</strong>swechsel, aber auch durch Erwerbslosigkeit – vor der<br />

heute wenige gefeit sind – dann ist die Verwirklichung beruflicher Lebenspläne und<br />

berufsbezogener Identitäten gefährdet.<br />

Wenn <strong>Beruf</strong>e gewechselt werden müssen, dann stehen Erwerbstätige vor dem Problem,<br />

häufig neue Ausrichtungen gegenüber veränderten Arbeitssituationen und<br />

Karrieremöglichkeiten finden zu müssen. Die einmal entwickelte <strong>Beruf</strong>sidentität muss<br />

transformiert werden, damit die in der modernen Arbeitswelt erwartete Flexibilität<br />

geboten werden kann, und man im Kampf um den Arbeitsplatz erfolgreich<br />

hervorgeht. 155<br />

Senghaas/Knobloch beschreiben vier Gründe, warum Erwerbsarbeit trotzdem nach wie<br />

vor zentrale Funktionen für den Einzelnen übernimmt:<br />

Erwerbsarbeit sichert erstens das individuelle Einkommen; hat darüber hinaus zweitens<br />

eine psychosoziale Funktion im Hinblick auf die psychische Gesundheit und die soziale<br />

152 vgl. Kurtz (2001), S. 14<br />

153 vgl. ebda, S. 10<br />

154 Becker; Strauss (1972), zit. n. Heinze (1998), S. 103<br />

155 vgl. Heinze (1998), S. 65f<br />

61


Anerkennung der Individuen; sie ist drittens <strong>von</strong> grundlegender Bedeutung für die<br />

wohlfahrtsstaatliche Absicherung, insbesondere in jenen Systemen sozialer Sicherung, die<br />

auf individuellen Statuserhalt aufbauen; und viertens ist an Erwerbsarbeit die<br />

bürgerschaftliche Integration gebunden. 156<br />

Auch wenn sich die <strong>Beruf</strong>swelt immer schneller dreht, bleibt die Bedeutung der<br />

sozialen Organisationseinheit „<strong>Beruf</strong>“ bestehen.<br />

4.1.2 Frauen und Erwerbstätigkeit<br />

Bis vor wenigen Jahrzehnten war in den westlichen Ländern die bezahlte Arbeit vor<br />

allem den Männern vorbehalten, diese Situation hat sich aber grundlegend geändert. Die<br />

steigende Zahl erwerbstätiger Frauen und Mütter lässt sich damit erklären, dass heute<br />

Frauen auf den <strong>Beruf</strong> hin sozialisiert werden und eine bessere Schul- und<br />

<strong>Beruf</strong>sausbildung <strong>als</strong> früher erhalten. Zunehmend sehen sich auch beide Elternteile dazu<br />

gezwungen, für den Familienunterhalt zu sorgen. Für Frauen ist es mittlerweile ein<br />

Privileg geworden, sich zwischen Familie oder <strong>Beruf</strong> entscheiden zu können. Diese<br />

Wahlmöglichkeit haben auch Familien aus der Mittelschicht nur noch mit erheblichen<br />

Einschränkungen. Familiengründung und ökonomische Zwänge führen dazu, dass<br />

Frauen den Spagat zwischen Familie und Erwerbstätigkeit versuchen. Prioritäten<br />

bleiben jedoch nicht ein Leben lang erhalten, mit dem Alter der Kinder verändert sich<br />

die Rolle der Mutter und ihre Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt. 157<br />

So nimmt die Erwerbstätigkeit einen dominierenden Platz im Bewusstsein <strong>von</strong> Frauen<br />

ein. Zudem wird sie mit Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit,<br />

Arbeitsfreude, Anregung, Kommunikation mit anderen und Anerkennung durch Dritte<br />

verknüpft. Dementsprechend nähern sich Frauen in ihren Einstellungen zum <strong>Beruf</strong>,<br />

ihren Karriereerwartungen und ihrer Arbeitsmotivation immer mehr den Männern an.<br />

So kann für Österreich im Jahr 2006 eine allgemeine Frauenerwerbsquote <strong>von</strong> 83%<br />

angegeben werden, unter der Gruppe der Mütter, liegt sie bei 68%. 158<br />

Ein großer Teil der verheirateten erwerbstätigen Frauen hat die <strong>Beruf</strong>stätigkeit aus<br />

familienbedingten Gründen unterbrochen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die<br />

Familientätigkeit in der Öffentlichkeit stark abgewertet. Trotz der großen Bedeutung der<br />

156 vgl. Senghaas; Knobloch (1999), zit. n. Kreimer (2007), S. 419<br />

157 vgl. Lecallion (2001), S. 83f<br />

158 vgl. Scheuer; Dittmann (2007), S. 2<br />

62


Haushaltsfunktion für die Daseinsfürsorge, den Lebensstandard und das Wohlbefinden<br />

der Familienmitglieder werden die mit ihr verbundenen Aufgaben <strong>von</strong> der Gesellschaft<br />

unterbewertet, da sie in erster Linie der Frau zugeschrieben werden, keine großen<br />

<strong>Beruf</strong>squalifikationen verlangen und nicht bezahlt werden. Hier wirken sich<br />

traditionelle Geschlechtsrollenleitbilder, soziokulturelle Normen und Vorstellungen<br />

über geschlechtstypische Begabungen abschlägig aus. So wird reine Familientätigkeit<br />

heute <strong>von</strong> der Gesellschaft wenig geschätzt, haben nichterwerbstätige Frauen einen<br />

niedrigen sozialen Status. Das hat zur Folge, dass vielen Frauen der <strong>Beruf</strong>sverzicht sehr<br />

schwer fällt – er bedeutet für sie einen Verlust an Möglichkeiten der<br />

Selbstverwirklichung, an finanzieller Unabhängigkeit und familialer Macht. Vielfach<br />

fühlen sie sich benachteiligt und entwickeln negative Selbstwertgefühle. 159<br />

Für Frauen ergibt sich durch die anhaltende Verantwortlichkeit für die<br />

Reproduktionsarbeit im Haushalt und die Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit durch<br />

Mutterschaft, die Schwierigkeit des Wiedereinstiegs in die <strong>Beruf</strong>swelt. Dem begegnet<br />

man mit immer kürzeren Zeitphasen, die zu Hause mit der Versorgung <strong>von</strong> Kindern<br />

verbracht werden oder durch die Kombination <strong>von</strong> atypischen Beschäftigungsformen<br />

mit außerhäuslicher privater oder staatlicher Kinderbetreuung, um die<br />

Erwerbsbiographie so durchgängig wie möglich zu gestalten. Denn eine längere<br />

Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ist mit geringerer sozialer Absicherung auch im<br />

Alter gekoppelt. Frauen sind daher in Formen der Atypischen Beschäftigung<br />

überproportional stark vertreten. 160<br />

Für Frauen entsteht eine Diskrepanz zwischen der hohen Wichtigkeit des eigenen<br />

<strong>Beruf</strong>es und dem Wunsch auch der Familie gerecht zu werden. Diese Diskrepanz ist in<br />

Österreich besonders ausgeprägt, da hier der familiären Betreuung der eigenen Kinder<br />

und der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau ein hoher Wert<br />

zugemessen wird. 161<br />

159 vgl. Meier (2001), S. 41ff<br />

160 vgl. Kreimer (2007), S. 417<br />

161 vgl. ebda, S. 418; Scheuer; Dittmann (2007), S. 2: Eurobarometer 2006: Zustimmung der Europäer zur<br />

„traditionellen“ Arbeitsteilung in der Familie: Ö: 67%, Durchschnitt der EU-15: 46%<br />

63


Die Verantwortung für die Erziehung <strong>von</strong> Kindern und damit auch der Erfolgsdruck in<br />

dieser Hinsicht werden zum Großteil in den Zuständigkeitsbereich <strong>von</strong> Müttern<br />

übertragen. An die Mütter werden extrem hohe Erwartungen gerichtet, die leicht zu<br />

Überforderung und Stress führen können.<br />

Da Mutterschaft aber etwas „Wunderbares“ ist, darf diese nicht dafür verantwortlich<br />

gemacht werden. Und da sie im Wesen der Frau liegt und etwas Natürliches ist, sind keine<br />

besonderen Qualifikationen für sie notwendig. So haben Mütter nur einen geringen<br />

gesellschaftlichen Status, wird Erziehung nicht entlohnt. 162<br />

Pasquale, die über die Arbeit der Mütter schreibt, bemerkt, dass sich immer mehr<br />

Frauen <strong>von</strong> einem spontanen unreflektierten Handeln im Bezug auf Kindererziehung<br />

weg entwickeln und zu einem überlegten und durchdachten Handeln hinbewegen. 163<br />

Von Müttern wird <strong>als</strong>o einiges erwartet, bei Pflegemüttern verstärkt sich diese<br />

Erwartungshaltung. Diese werden mit einer besonders widerspruchsvollen und unklaren<br />

Sachlage konfrontiert. In ähnlicher Weise, wie das Konzept der „Normalfamilie“ nur<br />

bedingt auf die Pflegefamilie übertragbar ist, behält auch das Mutterkonzept für<br />

Pflegemütter nur eingeschränkt Geltung. Obwohl sie <strong>als</strong> Mütter bezeichnet werden, und<br />

oft auch so <strong>von</strong> den ihnen anvertrauten Kindern gesehen werden, sind sie keine<br />

leiblichen Mütter. Bei der Erziehung der Kinder sind die leiblichen Eltern gescheitert;<br />

die Pflegemütter sind gefordert, die Defizite auszugleichen, die bei der Erziehung der<br />

Kinder durch die leiblichen Eltern entstanden sind und die sich in Form <strong>von</strong><br />

Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und psychischen<br />

Beeinträchtigungen zeigen. Sie sollen die Kindern nicht nur normal erziehen, sondern<br />

auch die aus der missglückten Sozialisation in der Herkunftsfamilie resultierenden<br />

Auffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und seelischen Verletzungen<br />

ausgleichen. 164<br />

4.1.3 Tätigkeiten innerhalb des familiären Aufgabenkreises<br />

Familiäre Aufgaben und Leistungen sind schwer in das System „<strong>Beruf</strong>“ einzufassen,<br />

Familie und Arbeit wird oft <strong>als</strong> Gegensatzpaar dargestellt. Unser <strong>Beruf</strong>ssystem ist nicht<br />

an Familien angepasst und umgekehrt. Die Bedingungen der Arbeitswelt, die Trennung<br />

162 Textor (2006), unter: http://www.familienhandbuch.de/cmain/s_112, (abgefragt am 17.05.2007)<br />

163 vgl. Pasquale (1998), S. 30<br />

164 vgl. Textor, unter: http://www.sgbviii.de/S14.html, (abgefragt am 17.05.2007)<br />

64


<strong>von</strong> Arbeits- und Familienbereich führen zum „strukturellen Widerspruch der beiden<br />

großen Bindungen und sozialen Lebensnotwendigkeiten, auf denen die Sicherheiten des<br />

Menschen in der modernen Gesellschaft beruhen.“ 165 . Diese grundlegende<br />

Kontradiktion des Systems führt zu großen Belastungen für die erwerbstätige Mutter.<br />

Frauen, die im Familienhaushalt arbeiten, lassen sich verschiedenen Kategorien<br />

zuordnen:<br />

1) „Frauen, die Vollzeit im eigenen Haushalt ohne Entlohnung arbeiten<br />

2) Frauen, die im Haushalt eine Fremdarbeit übernehmen<br />

3) Frauen, die sich um Familie und Haushalt kümmern und zusätzlich einer<br />

außerhäuslichen Arbeit nachgehen“. 166<br />

Bei <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit <strong>von</strong> Pflegemüttern wird die traditionelle<br />

Trennung <strong>von</strong> Arbeitssphäre und Privatsphäre durchbrochen, sie lässt sich auch nicht<br />

eindeutig einer der drei Typen <strong>von</strong> Scallon zuordnen, da sich die Erziehungsarbeit mit<br />

Kindern, die über Jahre hinweg in die Familie integriert sind, nicht <strong>als</strong> Fremdarbeit<br />

titulieren lässt. Sie ist demnach eine „eigene, ganz spezifische Art“ <strong>von</strong><br />

Erwerbstätigkeit, sie stellt eine neue Form der Atypischen Beschäftigung dar.<br />

4.2 Der Prozess der Kommodifizierung<br />

Der Begriff Kommodifizierung geht zurück auf den Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi.<br />

Man drückt damit den Prozess der „Kommerzialisierung bzw. des zur Ware Werdens<br />

aus.“ 167 Mit der Kommodifizierung beschreibt man die Privatisierung <strong>von</strong> Gütern und<br />

Dingen. 168<br />

Der Terminus wird in zwei Richtungen gebraucht. Zum einen in der<br />

Informationswissenschaft; dort beschreibt er die systematische Privatisierung <strong>von</strong><br />

Wissen, da auch Wissensbestände <strong>als</strong> Waren gesehen werden können. Der Zugang zu<br />

165 Schelsky (1972), S. 26<br />

166 vgl. Scallon (2001), S. 129<br />

167 Definition <strong>von</strong> Kommodifizierung unter<br />

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kommodifizierung& oldid=31010348, abgefragt am<br />

08.05.2007. Der Begriff leitet sich aus Polanyis 1944 veröffentlichtem Werk The Great Transformation<br />

ab. Darin beschreibt er die gesellschaftlichen und politischen Folgen der Wandlung <strong>von</strong> der<br />

kapitalistischen Wirtschaft zur kapitalistischen Gesellschaft und die Veränderung des Charakters der<br />

Arbeit. Der Begriff ist wenig eingeführt, da er in Lexika und Fremdwörterbüchern nicht zu finden ist.<br />

168 vgl. ebda<br />

65


und die Nutzung <strong>von</strong> Wissen werden somit ebenfalls zu auf Märkten gehandelten<br />

Produkten und Leistungen, für die man Gebühren entrichten muss. 169<br />

Der Begriff Kommodifizierung bezeichnet weiters die zunehmende Vermarktung <strong>von</strong><br />

Tätigkeiten, die der Sphäre der Familie zugeordnet sind und bislang weitestgehend <strong>als</strong><br />

Erwerbsquelle ausgeschlossen wurden. Große Bereiche <strong>von</strong> Tätigkeiten, die traditionell<br />

innerfamilial erbracht wurden, wachsen nun verstärkt in den Bereich der Erwerbsarbeit<br />

hinein.<br />

Die Idee, private Rollen und Beziehungen einer Kommerzialisierung zu unterziehen,<br />

scheint vielen befremdlich und stößt im ersten Moment auf Ablehnung. Gerade sie<br />

zeichnen sich durch ihre Privatheit aus, die im Gegensatz zu dem Bereich der <strong>Beruf</strong>e<br />

steht. Kommodifizierung ist <strong>als</strong>o ein sehr widersprüchlicher Prozess.<br />

„Er kann entmenschlichen und entsolidarisieren, aber er kann auch die Menschen<br />

befreien und Raum für soziale Innovationen schaffen, indem er die traditionellen<br />

Fesseln zerstört“ 170 . Krankenpflege, Erziehungsarbeit etc. werden verstärkt zu Arbeiten,<br />

die bisher ohne Tauschabsicht im Privathaushalt erbracht wurden, und nun auf dem<br />

Markt entlohnt werden und somit Erwerbschancen eröffnen. 171<br />

In der sozialpolitischen Diskussion ist dieser Terminus <strong>von</strong> Esping-Andersen geprägt<br />

und wird <strong>von</strong> ihm für den Prozess des Einschlusses <strong>von</strong> Personen in den Arbeitsmarkt<br />

verwendet. 172<br />

Für die eingehende Auseinandersetzung mit diesem Prozess wurde der Begriff „Care“ 173<br />

aus dem angloamerikanischen Raum übernommen.<br />

Der Begriff Care <strong>als</strong> Aufwertung fürsorgender Tätigkeiten meint „einerseits eine innere<br />

Einstellung und zielt auf eine zwischenmenschliche, fürsorgende Tätigkeit […],<br />

andererseits bezeichnet Care gesellschaftlich notwendige Arbeit.“ 174<br />

Brückner unterscheidet drei Arten <strong>von</strong> „caring work“, je nach Stufe der Formalisierung:<br />

169 vgl. Fleissner (2006), S. 10<br />

170 Fleissner (2006), S. 3<br />

171 vgl. Geisler (2000), S.117<br />

172 vgl. Lewis (1997), S. 70<br />

173 Lewis (1997), S. 67<br />

174 Thiessen (2004), S. 372<br />

66


Caregiving Work: findet in privaten Kontexten statt und ist verbunden mit persönlichen<br />

Beziehungen und Gefühlen, „skills“ haben dabei kaum eine Bedeutung. (familiale<br />

Tätigkeit)<br />

Carework: meint ungelernte, bezahlte Tätigkeit in informellen und institutionellen<br />

Kontexten, „skills“ haben eine geringe Bedeutung (informelle Tätigkeit)<br />

Professional Care: bezeichnet eine anerkannte berufliche Tätigkeit mit formaler<br />

Qualifikation, die in einem institutionellen Kontext angesiedelt ist (formalisierte<br />

Tätigkeit). 175<br />

Mit der Eröffnung neuer Arbeitsmarktsegmente für Carework und Professional Care<br />

erhofft man sich zusätzliche Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, die für diese<br />

Tätigkeiten vorherbestimmt scheinen. Die Entwicklung <strong>von</strong> Formen der<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> mit beruflicher Orientierung kann man <strong>als</strong>o diesem Prozess zuordnen.<br />

Ein konkretes Beispiel dafür ist das EU geförderte Projekt Cinderella, in dessen<br />

Rahmen in Mecklenburg-Vorpommern und Wien Konzepte zur Vorbereitung,<br />

Entlohnung und Begleitung <strong>von</strong> Pflegeeltern erstellt und umgesetzt wurden. Zielsetzung<br />

dieser Projekte war, neben der umfangreicheren Qualifizierung <strong>von</strong> Pflegeeltern,<br />

ausdrücklich auch eine Initiative auf dem Arbeitsmarkt für Frauen zu schaffen. Weiters<br />

wurde beabsichtigt mit Hilfe solcher Qualifizierungs- und<br />

Professionalisierungskonzepte die Schaffung eines neuen Sozialberufs Pflegemutter/<br />

Pflegevater voranzutreiben. 176<br />

Bei Care geht es aber um „Güter“, die nicht den herkömmlichen<br />

wirtschaftlichen/beruflichen Konzepten erfassbar sind. Die Situation eines Kindes,<br />

welches Zuwendung braucht, erfordert dass die Pflegeperson seine Bedürfnisse zur<br />

Grundlage ihres Handelns nehmen muss.<br />

Die Tätigkeit <strong>von</strong> Pflegeeltern beinhaltet neben dem instrumentellen Aspekt des „caring<br />

for“ 177 (Erziehungshandlungen, Begleitung zur Therapie etc.) auch einen ideellen<br />

Aspekt der Zuwendung, das „care about“ 178 . Jochimsen spricht daher <strong>von</strong> einer<br />

zwiefältigen Erscheinung dieser Tätigkeiten (angesprochen ist neben Kinderbetreuung<br />

die Pflege alter Menschen). 179 Der erwartete „emotionale Zusatz“ 180 , der einen hohen<br />

moralischen Wert besitzt, wird nicht vergütet bzw. darf nicht vergütet werden, da<br />

175 Brückner (2001), S. 155; zit. n. Thiessen (2004), S. 372<br />

176 vgl. Lutter (1996), S. 116<br />

177 Grahmen, zit. n. Brückner (2001); zit. n. ebda, S.374<br />

178 ebda<br />

179 vgl. Jochimsen (1999), zit. n. Kreimer (2007), S. 421<br />

180 Thiessen (2004), S. 367<br />

67


ansonsten die emotionale Verbundenheit verloren zu gehen droht. Diese Dienstleistung<br />

setzt ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl voraus. „Dieses wird jedoch <strong>als</strong> „Liebe“<br />

und weibliches Wesensmerkmal codiert und damit entwertet.“ 181 Die Monetarisierung<br />

und Ökonomisierung <strong>von</strong> personenbezogenen Dienstleistungen, <strong>als</strong> solche man die<br />

pflegeelterliche Tätigkeit durchaus bezeichnen kann, wird äußerst kritisch betrachtet, da<br />

sie dadurch „in ihrem Charakter pervertiert würde“. 182<br />

Betreuungsarbeiten brauchen langfristige Vereinbarungen, die deren Eigenheiten- die<br />

emotionale Verbindung, moralische Verpflichtung und intrinsische Motivation- in<br />

angebrachter Weise berücksichtigen. Solche Vereinbarungen sind schwer festzulegen.<br />

Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um unbezahlte Betreuungsbeziehungen in<br />

der Familie auf Basis sozialer Normen, oder um ausdrückliche Verträge, <strong>als</strong>o um echte<br />

Dienstverhältnisse handelt. Wer diese Tätigkeiten für die pflegebedürftige Person - sei<br />

es nun ein Kind oder ein alter Mensch – ausübt, hat weitreichende Folgen für die<br />

betreute Person. 183<br />

Kreimer schließt: „Die zentrale Frage ist nicht, ob Betreuungsarbeit über<br />

marktvermittelte Prozesse angeboten und gestaltet werden soll, sondern wie diese<br />

Prozesse selbst gestaltet sind.“ 184 Im Mittelpunkt der Debatten soll nicht der Prozess der<br />

Kommodifizierung an sich stehen, sondern der Aufbau <strong>von</strong> Strukturen, die es<br />

ermöglichen Tätigkeiten, die mit dem Begriff Care bezeichnet werden - die <strong>als</strong>o<br />

pflegeelterliche Tätigkeit mit ein schließen – unter guten Bedingungen zu leisten.<br />

Um Frauen abzusichern, die Fürsorgearbeit im Rahmen der eigenen Familie leisten,<br />

wird in Wohlfahrtsstaaten auch der Weg der De-kommodifizierung 185 gewählt. Darunter<br />

versteht Esping-Andersen die sozi<strong>als</strong>taatlich geschaffene Möglichkeit, nicht<br />

erwerbstätig zu sein und trotzdem monetär abgesichert zu werden. Kritiker/innen sehen<br />

darin jedoch die Gefahr einer wachsenden Abhängigkeit <strong>von</strong> erwachsenen Frauen <strong>von</strong><br />

öffentlichen Leistungen und <strong>von</strong> der Person, die <strong>von</strong> ihnen gepflegt wird - die entweder<br />

jünger oder älter <strong>als</strong> sie ist - sowie eine Verfestigung der vorherrschenden Strukturen<br />

181 ebda, S. 376<br />

182 ebda, S. 368<br />

183 vgl. Kreimer (2007), S. 424<br />

184 Kreimer (2007), S. 428<br />

185 Lewis (1997), S. 69<br />

68


dahingehend, dass Fürsorgearbeit weiterhin ungleich zwischen den Geschlechtern<br />

verteilt ist und unbezahlt <strong>von</strong> Frauen geleistet wird. 186<br />

Kann die Qualität dieser Arbeiten nur dadurch erhalten bleiben, wenn sie nicht bezahlt<br />

werden? Bei vielen anderen Leistungen gilt gerade der hohe Preis <strong>als</strong> Sicherheit dafür,<br />

dass man qualitätsvolle Arbeit erwarten kann. Sobald Care in der öffentlichen Sphäre<br />

geleistet wird und Frauen zu bezahlten „Fürsorgearbeiterinnen“ werden, wird diese<br />

Arbeit schlecht entlohnt. 187<br />

Die Auffassung, dass Bezahlung per se die Motivation, Empathie und Fürsorglichkeit<br />

im Betreuungsprozess zerstört, ist auch im Bezug auf <strong>Pflegeelternschaft</strong> verbreitet.<br />

Allein aufgrund der Bezahlung können Absichten in ein schiefes Licht geraten.<br />

Pflegeeltern bekommen Schuldgefühle, wenn sie für ihre materiellen Forderungen<br />

eintreten, denn Geldverdienen wird mit der Verfolgung eigener Interessen gleichgesetzt.<br />

In der Pflegekindschaft wurde daher die finanzielle Seite lange beiseite geschoben und<br />

vernachlässigt. Die Wurzel für das materiell eher gering ausgestattete<br />

Pflegekinderwesen liegt in seiner Geschichte 188 , und darin, dass der <strong>Beruf</strong> de/r/s<br />

Erzieher/in/s mit Wissen und mit durchdachtem Vorgehen verknüpft wird, während eine<br />

Mutter, in diesem Fall die Pflegemutter, dagegen ihre natürliche Rolle bei der Erziehung<br />

ihrer Kinder einnimmt und intuitiv vorgeht. Der Pflegekinderbetreuung haftet der<br />

„Stallgeruch der Hausfrauenarbeit“ 189 an. Pflegeeltern haben Bedenken, für ihre stark<br />

beanspruchenden Pflegekinder einen Lebensunterhalt zu fordern, der alle Bedarfe<br />

abdeckt, und wenige wollen Entgelt für die Betreuungs- und Erziehungsleistung<br />

verlangen. Häufig wird ihnen mit Misstrauen begegnet, da sie womöglich Kinder bei<br />

sich auf nehmen, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Dem Argument,<br />

dass für die Erziehung eines Pflegekindes kein „Lohn“ erhalten werden darf, entgegnet<br />

Lutter in einem Interview:<br />

Pflegemütter sind leiblichen Müttern nicht gleichzusetzen! Ihre Aufgabe erfüllen sie nicht<br />

privat, sondern im öffentlichen Auftrag unter der Weisung und Kontrolle. Es ist unfair, nur<br />

an den Idealismus <strong>als</strong> Mutter zu appellieren – kein anderer Sozialberufsstand muss ein<br />

186 vgl. ebda, S. 69f<br />

187 vgl. ebda, S. 81<br />

188 siehe dazu Heitkamp (1995)<br />

189 Widemann (1994), S. 264<br />

69


schlechtes Gewissen haben, wenn er – neben all dem Idealismus des Einsatzes – auch für<br />

seine Arbeit entlohnt und sozialversichert wird. 190<br />

Jordan formuliert, dass „es unakzeptabel ist, die Bereitschaft <strong>von</strong> Pflegepersonen<br />

<strong>als</strong> eine unentgeltliche, ehreamtliche Leistung des Gemeinwesens zu nutzen […]<br />

Die bezahlte Pflegeelternarbeit steht nicht im Widerspruch zum Heimerzieher und<br />

Sozialarbeiter. Wie diese erfüllen Pflegepersonen Aufgaben für das<br />

Jugendamt.“ 191 Er sieht in einer finanziellen Honorierung nichts Bedrohliches für<br />

das Pflegeverhältnis, wenn Pflegeeltern ihrer Aufgabe gut und verantwortungsvoll<br />

nachgehen.<br />

Im 2003 ausverhandelten Kollektivvertrag für Gesundheits- und Sozialberufe<br />

(BAGS-KV) wurden Pflegeltern bereits explizit <strong>als</strong> eigene Entlohnungsgruppe<br />

berücksichtigt.<br />

Im Zusammenhang mit Kommodifizierung <strong>von</strong> pflegeelterlicher Tätigkeit wird auch<br />

immer <strong>von</strong> der professionellen Pflegefamilie und der Professionalisierung des<br />

Pflegekinderwesens gesprochen. Doch was bedeuten diese Begrifflichkeiten genau?<br />

4.3 Professionalisierung im Pflegekinderwesen<br />

Die Frage, was man unter Professionalisierung versteht, muss zuerst geklärt werden. In<br />

der Soziologie versteht man darunter im engeren Sinne den Prozess der Erhebung eines<br />

akademischen <strong>Beruf</strong>es zu einer anerkannten Profession. Die Profession wird weiters<br />

abgegrenzt gegen den „Job“, der eine befristete Tätigkeit ausschließlich zum<br />

Gelderwerb darstellt und zum <strong>Beruf</strong>, der den Lebensunterhalt auf Dauer sichern soll. 192<br />

Nur wenige <strong>Beruf</strong>e können diese höchste Stufe der gesellschaftlichen Anerkennung<br />

erreichen. Ihre Aufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass sie häufig schwerwiegende<br />

und schwierige Entscheidungen verlangen, weil es um wichtige Bereiche des<br />

menschlichen Lebens geht, nämlich die Gesundheit (Medizin), die Gerechtigkeit<br />

(Jurisprudenz) und das Seelenleben (Klerus). Die Folgen dieser Entscheidungen sind<br />

schwer voraussehbar, eine ungenügende Güte der Entscheidungen kann massive Folgen<br />

190 Lutter (1996), S. 112<br />

191 Jordan (1990), S. 240<br />

192 Pfadenhauer (2003), S. 12<br />

70


für die/den Klient/en/in bedeuten. Professionsangehörige müssen daher einen langen<br />

Weg der Ausbildung beschreiten, damit die dafür nötigen Kompetenzen angeeignet<br />

werden können.<br />

Es wurden verschiedenste Kriterien für die Zugehörigkeit eines <strong>Beruf</strong>es zu den<br />

Professionen gebildet: eine lang dauernde, in der Regel akademische Ausbildung, ein<br />

hoher Grad an beruflicher Organisation, ein beträchtliches gesellschaftliches Ansehen,<br />

persönliche und sachliche Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit in der Tätigkeit sowie<br />

eine besondere <strong>Beruf</strong>sethik. Die Tätigkeit wird vor allem wegen der Herausforderung,<br />

die in der Aufgabe liegt, ausgeübt. 193<br />

Die Sozialarbeit befindet sich einem solchen Prozess der Professionalisierung bzw. wird<br />

darüber debattiert, ob sie Professionsstatus schon erreicht hat bzw. über den Status einer<br />

Semi-Profession nicht hinaus kommen kann. Auf eine genauere Thematisierung der<br />

jüngeren Professionsdiskussion wird in diesem Rahmen jedoch verzichtet. 194<br />

Daneben gibt es auch noch die Auffassung, dass die „freien <strong>Beruf</strong>e“ wie der de/r/s<br />

Journalist/in/en, oder Künstler/in/s mit Professionen gleichzusetzen sind. 195<br />

Im weiteren Sinne meint Professionalisierung die Tendenz zur Verlagerung <strong>von</strong><br />

Aufgaben aus dem Bereich der Familie, des Ehrenamts oder der Freiwilligkeit heraus zu<br />

einer bezahlten <strong>Beruf</strong>stätigkeit, die spezielles Wissen und Können voraussetzt. Eine<br />

solche Professionalisierung geht oft mit einer Steigerung der Effizienz einher. Im<br />

Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und<br />

Standardisierungen erreicht. Der Begriff Professionalisierung ist aber nur ein Teil der<br />

Begriffskette, zu der weiters „Verberuflichung und Verfachlichung“ 196 zählen.<br />

4.3.1 Professionelles Handeln<br />

Professionelles Handeln lässt sich nicht nur dadurch beschreiben, dass die handelnde<br />

Person einer Profession angehört, sondern auch <strong>als</strong> Handeln <strong>von</strong> gewisser Güte. Wenn<br />

man einer Person professionelles Handeln bescheinigt, dann meint man damit<br />

üblicherweise, dass die Person das, was sie getan hat, gekonnt und nicht mangelhaft<br />

193 vgl. Lempert (2002), S. 184, Wetterer (1993), S. 17ff<br />

194 Siehe dazu Overmann (1996); Pfadenhauer (2005); Combe/Helsper (1996); Nagel (1997)<br />

195 vgl. Hartmann (1972), S. 36<br />

196 Kolbe (2004), S. 33<br />

71


durchgeführt hat. Mit professionellem Handeln verbindet man ferner durchdachte,<br />

überlegte, auf vorhergehende Betrachtungen aufgebaute Handlungen. 197<br />

Professionell klingt für viele aber auch kühl, distanziert, geschäftsmäßig, ohne Wärme<br />

und echte Solidarität. Daher scheint ein Widerspruch zwischen den Konzepten hinter<br />

den Begriffen „professionell“ und Pflegefamilie zu bestehen, der sich nicht auflösen<br />

lässt.<br />

Für die Darstellung <strong>von</strong> Professionalität spielen Requisiten eine wichtige Rolle. Über<br />

welche Requisiten verfügen Pflegeeltern? Sie sind nach außen hin kaum <strong>von</strong> einer<br />

Hausfrau und Mutter zu unterscheiden. Sie haben weder eine besondere Kleidung, noch<br />

spezifische Geräte. Man braucht sich nicht umzuziehen, nirgends anzumelden, hat<br />

keinen vom privaten Wohnraum abgegrenzten Arbeitsbereich, keine festgelegten<br />

Arbeitszeiten. Somit fehlen für die ausübende Person, <strong>als</strong> auch für die/den<br />

Beobachter/in <strong>von</strong> außen, die Symbole, die klar machen, dass es sich um Spezialisten in<br />

der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit handelt. Sie werden deswegen auch nicht <strong>als</strong><br />

solche behandelt und dies wirkt sich wiederum auf deren Selbstdefinition aus. Es gibt<br />

aber auch Gründe, wieso hier auf spezifische Requisiten verzichtet wird, die in den<br />

Bedürfnisse des untergebrachten Kindes zu suchen sind. 198<br />

Das tägliche Leben mit Pflegekindern zu teilen und mit dem normalen Familienalltag<br />

fertig zu werden, erscheint vielen auch nicht sehr herausfordernd – und daher nicht <strong>als</strong><br />

ein zu „professionalisierender“ Bereich. Das Zusammenleben in Pflegefamilien enthält<br />

aber eine Fülle <strong>von</strong> Möglichkeiten für Hilfeleistungen und Therapie für die<br />

Pflegekinder.<br />

4.3.2 Verberuflichung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />

Unter „Verberuflichung“ versteht man die Übergangsphase in der Herausbildung <strong>von</strong><br />

<strong>Beruf</strong>en, in der eine bisher <strong>von</strong> nicht dafür ausgebildeten Personen ohne Entgelt<br />

ausgeübte Tätigkeit nun dauerhaft gegen ein vertraglich festgelegtes Entgelt verrichtet<br />

wird. 199<br />

197 vgl. Pfadenhauer (2005), S. 11<br />

198 vgl. Freigang; Wolf (2001), S. 65<br />

199 vgl. Pasquale (1998), S. 37f<br />

72


Hartmann bezeichnet mit dem Begriff Verberuflichung weiters die Entwicklung <strong>von</strong><br />

einem Bündel <strong>von</strong> Arbeitsverrichtungen zu einem <strong>Beruf</strong>. Dieser Schritt erfolgt auf den<br />

zwei Ebenen der „Systematisierung und der Vergesellschaftung“ 200 . Im Einzelnen weist<br />

Verberuflichung eine stärkere Veränderung einer relativ schwachen Ausprägung zu<br />

einer relativ stärkeren Ausprägung zweier Dimensionen aus: des „Wissens und der<br />

sozialen Orientierung“ 201 . Entsprechendes gilt für die Professionalisierung.<br />

Für die Verrichtung <strong>von</strong> „Arbeit“ genügt einzelnes und einfaches alltägliches<br />

Erfahrungswissen. Die mit der Verberuflichung verbundene Systematisierung des<br />

Wissens besteht in der Kombination einzelner Wissensstoffe. Die jeweiligen Muster<br />

sind darauf angelegt, dem einzelnen <strong>Beruf</strong>sangehörigen die Lösung der Aufgaben zu<br />

ermöglichen, die diesen <strong>von</strong> der Umwelt in typischer Weise gestellt werden. Der Fokus<br />

wird auf Effizienz gelegt. In dieser Phase des Systematisierungsprozesses spielt das<br />

Erfahrungswissen im Gegensatz zum formalen Wissen noch eine vergleichsweise<br />

bedeutsame Rolle. 202<br />

200 Hartmann (1972), S. 40<br />

201 ebda.<br />

202 vgl. Hartmann (1972), S. 40f<br />

73


Abbildung 2: Prozesse <strong>von</strong> Verberuflichung und Professionalisierung<br />

(Quelle: Eigene Darstellung nach Hartmann 1972, S. 40)<br />

Dieses Modell lässt sich am Beispiel der pflegeelterlichen Tätigkeit überprüfen: Auch<br />

bei den Pflegeeltern ist eine einschlägige Vorbildung nicht ausschlaggebend für die<br />

grundsätzliche Eignung zur professionellen Pflegeperson, sondern es wird darauf<br />

geachtet, dass sie eigene Kinder bereits gut auf das Leben in Selbständigkeit vorbereitet<br />

haben bzw. frühere Pflegeverhältnisse bereits gut verlaufen sind. Da bloßes<br />

Erfahrungswissen jedoch nicht ausreicht, werden Pflegeeltern begleitend zu ihrer<br />

Tätigkeit höherqualifiziert. Die Förderung <strong>von</strong> Kindern greift auch auf Ergebnisse der<br />

Forschung zurück, dieses Wissen muss <strong>von</strong> den handelnden Personen aber auch<br />

„abgerufen“ und in der konkreten Situation eingesetzt werden können. 203<br />

Auch die soziale Orientierung weitet sich mit fortschreitender Verberuflichung weiter<br />

aus. Während es im Rahmen <strong>von</strong> Arbeitsverrichtungen bei einem relativ<br />

eingeschränkten Sozialbewusstsein bleibt, geraten im Verlauf der Vergesellschaftung<br />

immer größere Sozialräume ins Blickfeld und werden im Selbstverständnis der<br />

<strong>Beruf</strong>sangehörigen fest mit ihrer Tätigkeit verknüpft. Die Entwicklung zum <strong>Beruf</strong><br />

bedeutet <strong>als</strong>o in dieser Dimension, dass sich Mitglieder des <strong>Beruf</strong>es nicht nur an der<br />

203 vgl. E 1, Z. 512<br />

74


Zufriedenstellung ihrer persönlichen Bedürfnisse orientieren, sondern sich ihrer Rolle in<br />

größeren Wirtschaftzusammenhängen bewusst werden. Die Skala lässt sich auch <strong>als</strong> ein<br />

„Kontinuum der sozialen Interessiertheit“ 204 verstehen. An dem einen Kräftepunkt der<br />

Ausdehnung der Sozialen Orientierung steht die Selbstbezogenheit der einzelnen Person<br />

bzw. die persönliche Bedürfnisbefriedigung – am anderen die Gesamtgesellschaft bzw.<br />

die Interpretation der eigenen Tätigkeit in gesellschaftlichen Kategorien (<strong>von</strong><br />

Selbstbezogenheit zu Uneigennützigkeit). 205<br />

Auch im Pflegeelternwesen lässt sich die Entwicklung dieser Dimension verfolgen. Den<br />

Pflegeeltern wird zunehmend bewusst, dass sie eine Leistung für die Gesamtgesellschaft<br />

erbringen und dass sie im System Jugendhilfe eine wichtige Rolle <strong>als</strong><br />

Leistungserbringer/innen spielen. Durch den Zusammenschluss in Vereinen und<br />

Gruppen wird die Position eine/r/s Einzelkämpfer/in/s aufgegeben.<br />

Hartmann sieht in seiner Schematik den Vorteil, dass unterschiedliche zurückgelegte<br />

Wegstrecken bezeichnet werden können, die zwischen Arbeit und <strong>Beruf</strong> liegen. 206 Auf<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> in Österreich umgelegt, lässt sich damit zeigen, dass ein<br />

unterschiedlich langer Weg bereits beschritten worden ist, je nach Bundesland und je<br />

nach Form der Inpflegnahme. <strong>Pflegeelternschaft</strong> befindet sich <strong>als</strong>o im Zwischenbereich<br />

<strong>von</strong> Arbeit und <strong>Beruf</strong>, sie nimmt einen interimistischen Zustand ein.<br />

Verberuflichung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong> bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen der<br />

Arbeit, die <strong>von</strong> der einzelnen Person/Familie geleistet wird, ohne Interesse an<br />

Verberuflichung bis zur ausgebildeten Erziehungshelferin, die mit dieser Tätigkeit ihren<br />

Lebensunterhalt bestreitet und der Merkm<strong>als</strong>definition <strong>von</strong> einem <strong>Beruf</strong> deutlich nahe<br />

kommt bzw. schon dort angekommen ist.<br />

Entlang der Dimension des Wissens ist die Entwicklung schon weiter fortgeschritten;<br />

auf der Linie der Vergesellschaftung muss konstatiert werden, dass in der breiten<br />

Öffentlichkeit ein Informationsdefizit bezüglich der Tätigkeiten und Aufgaben <strong>von</strong><br />

Pflegeeltern besteht und daher die Ausübung eines solchen <strong>Beruf</strong>es noch <strong>als</strong><br />

ungewöhnlich bis nicht notwendig wahrgenommen wird. An dieser Stelle wird <strong>von</strong><br />

204 Hartmann (1972), S. 46<br />

205 vgl. ebda<br />

206 vgl. ebda, S. 50<br />

75


Seiten der Verbände der Pflegeeltern oft der Vergleich mit den Tagesmüttern<br />

angestrengt, jedoch unterscheiden sich die Aufgabenprofile meines Erachtens nach<br />

erheblich in ihrer Reichweite.<br />

Professionalisierung stellt gegenüber der Verberuflichung auf beiden Ebenen (Wissen<br />

und soziale Orientierung) einen fortgeschrittenen Prozess dar. In der Systematisierung<br />

des Wissens geht er über die einfache Musterbildung hinaus. Die Systematisierung wird<br />

weiterverfolgt zur Theorieentwicklung und zur Erklärung. Die Professionalisierung<br />

bringt neben dem Wissen über die Lösung eines Problems auch das Wissen über die<br />

Gründe des Problems ins Spiel, durch „Verwissenschaftlichung“. Daneben drängt<br />

Professionalisierung zur verstärkten Ausrichtung auf die Gesellschaft. Die gegenseitige<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> beruflicher Leistung für die Gesellschaft und der Einschätzung des<br />

<strong>Beruf</strong>es durch die Gesellschaft wird deutlich. In den hochentwickelten Stadien der<br />

Professionalisierung kommt es auf Seiten der <strong>Beruf</strong>sgemeinschaft sowohl zur<br />

Ausbildung einer <strong>Beruf</strong>sethik <strong>als</strong> auch zu geschickter–organisatorischer Beeinflussung<br />

der Öffentlichkeit. 207<br />

Diese Prozesse können aber auch in entgegengesetzte Richtung ablaufen. gemeinsame<br />

Wissensstoffe können auseinanderfallen oder die soziale Orientierung schränkt sich auf<br />

Grund <strong>von</strong> Individualisierungsprozessen ein. Solche Entwicklungen werden „Deprofessionalisierung<br />

bzw. Entberuflichung“ genannt. 208<br />

Thiessen konstatiert, dass dieses Schema heute nur mehr eingeschränkt Gültigkeit<br />

besitzt. „Längst ist wissenschaftliches Wissen in <strong>Beruf</strong>e eingedrungen und wird dort<br />

eingefordert.“ 209 Ebenso würde es den <strong>Beruf</strong>sfeldern der personenbezogenen<br />

Dienstleistungen, wie Pflege <strong>von</strong> Menschen und Erziehungstätigkeit, die eine hohe<br />

moralische Orientierung aufweisen, nicht gerecht werden. 210<br />

Nimmt man einen Vergleich der Intentionen der Zusammenschlüsse im Interesse der<br />

Pflegeeltern vor, so zeigt sich, dass die Vereine derzeit nicht die „Professionalisierung“<br />

207 Hartmann (1972), S. 41<br />

208 vgl. ebda, S. 42<br />

209 Thiessen (2004), S. 375<br />

210 ebda<br />

76


im engeren soziologischen Sinn verfolgen, sondern eine Verberuflichung oder<br />

zumindest eine Qualifizierung der Tätigkeit vorantreiben. Unter Qualifizierung versteht<br />

man die „Gesamtheit der Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für die<br />

Bewältigung konkreter Anforderungen im Alltag und <strong>Beruf</strong> erforderlich sind“. 211<br />

Viele Forderungen nach einer Professionalisierung des Pflegekinderwesens sind relativ<br />

alt und stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Selbsthilfebewegung in den<br />

1970ern. In dem gleichen Maße, in dem sich Selbsthilfegruppen öffentlich artikulierten,<br />

wurde das Pflegekinderwesen auch <strong>als</strong> Forschungsbereich für die Wissenschaft<br />

entdeckt, es kam zu Forderungen nach besserer Ausbildung, Begleitung und<br />

leistungsadäquater Bezahlung. Parallel dazu bildete sich zunehmend ein Spezialwissen<br />

aus Psychologie, Sozialpädagogik, Recht und Medizin zum Thema Fremdplatzierung<br />

heraus. 212<br />

Die qualifizierten und angestellten Pflegepersonen erzielen mit ihrer Arbeit im<br />

sozialpädagogischen Bereich ein Erwerbseinkommen. Die Bezeichnungen<br />

„Professionelle Pflegeperson“ oder „Familienpädagog/e/in“ fungieren in diesem Sinne<br />

<strong>als</strong> Abgrenzung zur ehrenamtlichen Mutterfunktion.<br />

4.4 Die „professionalisierte“ Pflegefamilie<br />

Hinter dem Wunsch nach Professionalisierung im Pflegekinderwesen verbergen sich<br />

unterschiedliche Motive. Von zentraler Bedeutung scheint ein Streben nach<br />

Anerkennung, fachlicher Kompetenz, nach leistungsgerechter Bezahlung und dem<br />

Schwierigkeitsgrad der Aufgabe angemessenen fachlichen Unterstützung durch<br />

Beratung, Supervision und therapeutischen Hilfen für Pflegepersonen zu sein. Nicht die<br />

formale Qualifikation einer oder mehrer Personen, die in einer Pflegefamilie leben,<br />

machen das professionelle Niveau aus, sondern die spezifischen Leistungen, die das<br />

System Pflegefamilie für die Erziehung und Betreuung <strong>von</strong> Pflegekindern erbringt. 213<br />

Im Jahr 1994 wurde im Rahmen der Europäischen Konferenz der International Foster<br />

Care Organisation (IFCO) eine Resolution verabschiedet, in der die Erziehung <strong>von</strong><br />

211 Schaub; Zenke (1995), S. 287, zit. n. Gratz (2005), S. 77<br />

212 vgl. Thiersch (1990), S. 25<br />

213 vgl. Hansen-Dannath (1994), S. 259<br />

77


fremd untergebrachten Minderjährigen <strong>als</strong> eine „qualifizierte sozialpädagogische<br />

Arbeit“ definiert wird. Um diese zu gewährleisten, seien „im Pflegekinderwesen […]<br />

geeignete Formen der Aus- und Weiterbildung sowie inhaltliche und methodische<br />

Mindeststandards zu entwickeln.“ 214<br />

Professionalisierung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong> kann Verschiedenes bedeuten bzw. werden<br />

in der Fachliteratur zwei Ansätze hervorgehoben: die sanfte und die doppelte<br />

Professionalisierung.<br />

4.4.1 Sanfte Professionalisierung<br />

Modelle der Anbindung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen an gesellschaftliche<br />

Sicherungssysteme, wie Kranken- und Pensionsversicherung, sowie der Bezahlung<br />

eines (symbolischen) Entgelts bezeichnet Jordan <strong>als</strong> den Weg der „sanften<br />

Professionalisierung.“ 215<br />

Dieser Weg wird in einigen Bundesländern, wie im zweiten Kapitel skizziert, bereits<br />

verfolgt. Durch die bessere Absicherung der Person, die die Betreuung des Pflegekindes<br />

hauptsächlich übernimmt, erhoffen sich die Jugendwohlfahrtsträger höhere bis<br />

zumindest gleichbleibende Zahlen an Bewerber/innen/n. Auf diese Weise wird<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> aus dem Bereich des unentgeltlichen Ehrenamtes gehoben. Die Höhe<br />

der Entlohnung bewegt sich dabei meist in einem Rahmen, der für den Lebensunterhalt<br />

nicht ausreicht. Bei dem Modell des Dienstverhältnisses in Oberösterreich, das allen<br />

Pflegeeltern für jede Pflegeform offensteht, ist dies auch nicht <strong>als</strong> Ziel deklariert. Der<br />

Haushalt sollte auch ohne Aufnahme eines Pflegekindes auf einer finanziell sicheren<br />

Basis stehen. 216 Die Absicherung der Pflegeperson kann eine Erleichterung im<br />

Finanzhaushalt der Pflegefamilie bedeuten und zur Zufriedenheit der Pflegeperson<br />

beitragen, und zwar durch die Gewissheit, durch ihren Einsatz eine Mindestsicherung<br />

für das Alter zu erwerben.<br />

Dies allein bedingt jedoch noch keine Erhöhung der Qualität der Betreuung für das<br />

Pflegekind und eine bessere Bewältigung der pflegeelterlichen Aufgaben. Erst die<br />

Teilnahme an den anerkannten Ausbildungskursen für Pflegeeltern, in denen<br />

214 ebda, S. 256<br />

215 Jordan (1996), S. 15<br />

216 Diese Argumentation ist nicht unumstritten, da durch diese Praxis weite Bevölkerungsschichten für ein<br />

Pflegeverhältnis aufgrund ihrer materiellen Ausstattung nicht in Frage kommen.<br />

78


Bewerber/innen gezielt auf die gestellten Anforderungen vorbereitet werden, und die<br />

Wahrnehmung der begleitenden Unterstützungsangebote veranlassen diesen Schub nach<br />

vorwärts. 217<br />

Inhalte dieser Fortbildungseinheiten sind z.B. Grundlagenwissen über<br />

Entwicklungspsychologie, Selbsterfahrungeinheiten, in denen man sich mit dem<br />

eigenen Familiensystem auseinandersetzt, oder rechtliche Informationen. Auch die<br />

zusätzlichen Pflichten, die aus dem Dienstverhältnis zum Trägerverein entstehen, wie<br />

Dokumentation, Verfassen <strong>von</strong> Entwicklungsberichten und vor allem die Teilnahme an<br />

Mitarbeiter/innen- und Verlaufsgesprächen, können – in Verbindung mit dem zugrunde<br />

liegenden Rollenkonzept der beruflichen Orientierung – zur Ausbildung einer<br />

beruflichen Identität <strong>als</strong> Pflegemutter oder Pflegevater führen.<br />

Natürlich ist dies ein Prozess, der nicht <strong>von</strong> heute auf morgen <strong>von</strong>statten gehen kann,<br />

sondern erst durch eine andauernde und kontinuierliche Einbindung <strong>von</strong> Pflegepersonen<br />

in dieses berufliche „Setting“, in dem sie die Rolle <strong>als</strong> Dienstnehmer/in einnehmen,<br />

erfolgen kann. Dies kann <strong>als</strong> Prozess der beruflichen Sozialisation gesehen werden.<br />

Darunter versteht Lempert „die Entwicklung, das heißt Entfaltung, Verfestigung, und<br />

Veränderung individueller Persönlichkeitsstrukturen in Prozessen der direkten und<br />

indirekten Auseinandersetzung (Interaktion) mit sozialen und sozial geprägten<br />

Merkmalen beruflicher und betrieblicher Umweltstrukturen, die dadurch selbst<br />

reproduziert, aber auch transformiert werden können.“ 218<br />

Die direkte Auseinandersetzung erfolgt durch die Weiterbildungsmaßnahmen,<br />

Dienstbesprechungen etc. an denen Pflegeeltern teilnehmen; man spricht daher <strong>von</strong> der<br />

Sozialisation durch den <strong>Beruf</strong>. Indirekt wird jeder Mensch bereits durch seine<br />

Erziehung und Schullaufbahn, wo Grundqualifikationen erworben werden, die man im<br />

späteren <strong>Beruf</strong>sleben benötigt, für den <strong>Beruf</strong> sozialisiert. 219<br />

Bei der Professionalisierung <strong>von</strong> Pflegeeltern geht es <strong>als</strong>o nicht nur um die Vermittlung<br />

<strong>von</strong> Fachwissen, sondern auch um partielle Einstellungsänderungs- und Lernprozesse,<br />

die über längere Zeiträume gehen. 220<br />

217 vgl. Loidl-Keil; Viechtbaur (2004), S. 205<br />

218 Lempert (2002), S. 186<br />

219 vgl. ebda, S.186<br />

220 vgl. Gritzka (1994), S. 376<br />

79


Eine <strong>Beruf</strong>srolle im klassischen Sinne, die man an- und ablegen kann, ist mit den<br />

Konzepten zur professionellen Pflegefamilie nicht realisierbar. Denn das eigene<br />

Zuhause wird zum Arbeitsfeld, man steht ständig in der Verantwortung für das eigene<br />

Verhalten. Abstand zum Geschehen kann man sich nur in einem sehr bescheidenen<br />

Ausmaß verschaffen. 221<br />

In Anlehnung an die Kriterien für professionelle Mutterarbeit <strong>von</strong> Pasquale 222 wird hier<br />

zusammenfassend ein Katalog <strong>von</strong> Kriterien für professionelle Pflegefamilien erstellt:<br />

• wissenschaftlicher Bezugshintergrund für die Gestaltung des Zusammenlebens<br />

und die Begleitung des Pflegekindes: Durch Aus- und Weiterbildung werden<br />

Zusatzqualifikationen erreicht und problembezogene Wissensschwerpunkte<br />

kristallisieren sich heraus, die Bezüge zu entwicklungspsychologischen,<br />

sozialtherapeutischen Erkenntnissen haben. Dies schließt mit ein, dass die<br />

Pflegeperson Probleme wahrnimmt und deuten kann, Probleme definiert, dabei<br />

den sozialen Zusammenhang beachtet, und Methoden und Handlungskonzepte<br />

jeweils direkt auf das Kind in der Familie anpasst.<br />

• Supervision der kindlichen Entwicklungsverläufe<br />

• Supervision der eigenen Tätigkeit (Projektionen, Bearbeitung eigener<br />

Persönlichkeitsanteile etc.)<br />

• Reflexionskompetenz<br />

• umfassendes „Management“ des Pflegeverhältnisses: Dies umfasst die<br />

Koordination <strong>von</strong> Therapie, Gericht, Schule, Besuchskontakten, etc. Immer<br />

wieder müssen Informationen eingeholt werden, Anträge gestellt werden; dafür<br />

ist entsprechendes Wissen über die rechtlichen Ansprüche notwendig.<br />

• Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Fachleuten <strong>von</strong> Vereinen und der<br />

Jugendwohlfahrt<br />

• Bewusste Annahme des Auftrages der Arbeit mit der Herkunftsfamilie, wenn<br />

diese – in welcher Form auch immer – in Erscheinung tritt<br />

221 vgl. Lutter et al. (1984), S. 67<br />

222 vgl. Pasquale (1998), S. 279<br />

80


• Fähigkeit zu emotionaler Distanznahme (reflexive Emotionalität): besonders<br />

dann, wenn routiniertes Alltagshandeln gegenüber dem Kind nicht den erhofften<br />

Effekt zeigt, eine andere Vorgehensweise entwickelt werden muss und neue<br />

Energie für das Zusammenleben mit dem Kind getankt werden muss. 223<br />

• Bewusstsein über die Grenzen erzieherischer Maßnahmen 224<br />

Blandow sieht auch Risiken in der zunehmenden Verberuflichung des<br />

Pflegekinderwesens. Problematisch erscheinen ihm nicht die verschiedenen<br />

Anstellungsmodi für Pflegeeltern, sondern „die Hereinnahme beruflicher<br />

Orientierungsmuster und eines beruflichen Beziehungsmodus in die konkrete<br />

Interaktion mit dem Kind.“ 225 Er befürchtet, dass Pflegeeltern in die Sphäre der<br />

professionellen Helfer/innen wechseln und sich mehr <strong>als</strong> die Therapeut/innen/en ihres<br />

Pflegekindes und weniger <strong>als</strong> seine Eltern sehen. Gerade die Hereinnahme eines Habitus<br />

der <strong>Beruf</strong>srolle könnte zu einer Versachlichung der Beziehung führen, und beim Kind<br />

Orientierungsverlust und Verwirrung auslösen. In Pflegefamilien sollte es nicht um den<br />

Aufbau <strong>von</strong> beruflichen Beziehungen gehen, sondern vorrangig um persönliche. Er<br />

führt dazu weiters aus: „Professionelle Pflegeeltern erkennen die Besonderheiten ihrer<br />

Rolle, ihrer Beziehung zum Kind, ihrer Position in der gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />

und für die primäre Sozialisation vorausgesetzten Interaktions- und Beziehungsmuster<br />

gleichzeitig an.“ 226<br />

Man kann da<strong>von</strong> ausgehen, dass er hierbei Dauerpflegefamilien im Fokus hatte und<br />

diese Befunde für Typen <strong>von</strong> stark familienergänzenden und zeitlich beschränkten<br />

Pflegeverhältnissen, mit ihren <strong>von</strong> Dauerpflegefamilien differenten Rollen, nicht im<br />

gleichen Maße gelten.<br />

Damerius sieht in der Professionalisierung der Pflegefamilie einen überfälligen<br />

Ausgleich der strukturellen Unterschiede zu Unterbringungsformen in Institutionen. Die<br />

Unterbringung in Heimen und sozialpädagogischen Wohngemeinschaften wird<br />

qualitativ dadurch abgesichert, dass die darin tätigen Fachkräfte eine<br />

223 vgl. Blandow (2005), S. 121<br />

224 vgl. Pasquale (1998), S. 280<br />

225 Blandow (2005), S. 123<br />

226 ebda, S. 124<br />

81


sozialpädagogische Grundausbildung vorweisen, sowie Weiterbildung und Supervision<br />

in Anspruch nehmen müssen. Eine ähnliche qualitative Sicherung sollte auch für<br />

Pflegefamilien gelten. 227<br />

4.4.2 Doppelte Professionalisierung<br />

Nach diesem Verständnis wendet sich der Anspruch nach Professionalisierung an alle<br />

bei Vermittlung und Betreuung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen beteiligten Personen, nicht nur<br />

an die Pflegeeltern. Nur bei den Pflegefamilien anzusetzen greift zu kurz, um Qualität<br />

zu sichern und zu heben. Das gesamte Helfernetzwerk, in das Pflegefamilien<br />

eingebunden sind, hat gleichfalls auf Bedarfe <strong>von</strong> Pflegekindern und Pflegeeltern zu<br />

reagieren.<br />

Potenziale zur Verbesserung gibt es bei jedem Schritt auf dem Weg zum<br />

Pflegeverhältnis. 228 Beispielsweise bei der Werbung <strong>von</strong> Pflegeeltern, der<br />

Eignungsfeststellung und in besonderem Ausmaß bei der Vermittlungsphase auf Seiten<br />

der Behörde. Für das Gelingen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen wird immer wieder das<br />

„Matching“ <strong>von</strong> Pflegekind und Pflegeeltern angeführt. Vermittlungskarteien, in denen<br />

Informationen, Profile, Wissen um Besonderheiten <strong>von</strong> Pflegeelternwerbern gesammelt<br />

und die Bewerber/innen z.B. eines Bundeslandes erfasst werden, könnten dazu einen<br />

Beitrag leisten.<br />

Textor sieht die bessere Begleitung <strong>von</strong> Pflegeeltern auch eng verbunden mit einer<br />

besseren Zusammenarbeit aller genannten Gruppen, was auch durch die gemeinsame<br />

Teilnahme an Schulungen gefördert werden soll. Weiters wird auch das Aneignen <strong>von</strong><br />

spezifischen Fachkenntnissen zum Bereich Fremdunterbringung auf Seiten der<br />

Sozialarbeiter/innen angesprochen. 229<br />

Abschließend soll noch ein allgemeines Konzept zur Darstellung des<br />

Pflegekinderwesens erläutert werden, dass auch die derzeitige Situation des<br />

Pflegekinderwesens in Österreich gut illustriert. Nancy Hazel hat 1994 sechs<br />

227 vgl. Damerius (2004), unter http://www.agsp.de/html/a49.html (abgefragt am 02.07.2007)<br />

228 vgl. Abbildung 1, S. 13<br />

229 vgl. Textor (1995), unter http://www.sgbviii.de/S11.htm (abgefragt am 01.03.2007)<br />

82


Entwicklungsstufen für das Pflegekinderwesen in Großbritannien identifiziert und auch<br />

den Standard anderer Länder danach beurteilt. 230<br />

Das Pflegekinderwesen ist demnach wie eine Pyramide aufgebaut, die Basis dieses<br />

Gebäudes bildet das traditionelle Pflegekinderwesen, mit traditionellen<br />

Dauerpflegefamilien, die sich <strong>als</strong> Ersatz für das Herkunftssystem sehen und möglichst<br />

kleine Kinder bei sich aufnehmen wollen.. Darauf aufbauend entwickeln sich<br />

Pflegeverhältnisse weiter.<br />

Stufe zwei beschreibt ein Pflegekinderwesen, das die Herkunftseltern „entdeckt“ und<br />

vermehrte Anstrengungen unternimmt, sie einzubeziehen.<br />

Der nächste Aufstieg geht mit der vermehrten Vermittlung <strong>von</strong> auffälligen Kindern, die<br />

bis dahin eher in Heimen untergebracht wurden, in Pflegefamilien. Dieser Ansatz<br />

bedingt eine Ausweitung der Bereuung der Pflegeeltern.<br />

Stufe vier dieses Konzeptes beschreibt die Professionalisierung eines Teils der<br />

Pflegeeltern, die dadurch in den Status aufrücken, Kolleg/innen/en der anderen<br />

Fachkräfte zu sein. Damit wird ein größeres Selbstbewusstsein unter Pflegepersonen<br />

und besseres Zusammenarbeiten erreicht. Hazel bescheinigt Österreich das Erreichen<br />

der Stufen eins bis vier, sowie Bemühungen die beiden übrigen Stufen zu erreichen.<br />

Die fünfte Stufe zeichnet sich durch verstärkte Nachsorge des Pflegeverhältnisses durch<br />

die Pflegeeltern aus, insbesondere durch die Vermittlung <strong>von</strong> eigenständigen<br />

Wohnmöglichkeiten für Pflegekinder und dadurch, dass sie verlässliche erwachsene<br />

Bezugspersonen über das 18. Lebensjahr des Pflegekindes hinaus bleiben.<br />

Die sechste Stufe wird <strong>als</strong> eine – noch selten realisierte – Ausweitung des<br />

Pflegekinderwesens auf sozialräumliche und Konzepte bezeichnet. Pflegeeltern sollten<br />

hier Familien in prekären Lebenssituationen schon vor einer Fremdunterbringung<br />

bekannt gemacht werden und <strong>als</strong> Anlaufstelle zur Verfügung stehen. Die Notwendigkeit<br />

einer Fremdunterbringung soll so abgewendet werden können.<br />

Hazel hebt in ihren Ausführungen hervor, dass das Erreichen einer höheren Stufe in der<br />

Entwicklung nicht mit einem Verschwinden der Grundstufen einhergeht, sondern dass<br />

diese gleichzeitig vorhanden sind. Ein weiterer Gedanke ist, dass die jeweils höheren<br />

Stufen der Entwicklung nicht ohne Einfluss auf die unter ihnen liegenden bleiben. Die<br />

230 vgl. Hazel (1994), S. 75ff<br />

83


Pyramide unterliegt einem „trickle-down-Effekt (>>Sicker-Effekt


Fachkenntnissen durch Qualifizierung und Fortbildungen zu integrieren, umschreibt die<br />

Aufgabe <strong>von</strong> professionellen Pflegeeltern.<br />

Die Rahmenbedingungen für eine berufliche Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegeperson sind bereits<br />

teilweise vorhanden, aber befinden sich für die Mehrzahl der Pflegeverhältnisse auf<br />

relativ niedrigem Niveau.<br />

5 Empirische Untersuchung<br />

In vielen Publikationen zum Pflegekinderwesen wird darüber geschrieben, dass es ein<br />

großes Anliegen ist, Pflegeeltern besser abzusichern, sie besser zu begeleiten und es<br />

ihnen ermöglicht werden soll, dieser Tätigkeit auch <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> nachzugehen. In diesem<br />

Zusammenhang ist es <strong>von</strong> Interesse, zu erfragen, wie Pflegeeltern selbst darüber<br />

denken. Die Sicht der potentiellen und tatsächlichen <strong>Beruf</strong>sangehörigen wird in den<br />

Mittelpunkt dieser Erhebung gestellt.<br />

5.1 Fragestellungen<br />

Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird vor dem Hintergrund der bisherigen<br />

theoretischen Analysen den Fragen nachgegangen, ob Pflegeeltern in ihrer Funktion<br />

berufliche Handlungsmuster ausgebildet haben, und ob der Faktor <strong>Beruf</strong> sich in ihrem<br />

Selbstverständnis <strong>als</strong> Pflegeperson niederschlägt. Wo lassen sich im Datenmaterial<br />

Tendenzen der Verberuflichung ausmachen und wie stellen sie sich im Alltag der<br />

Pflegeeltern dar? Welche Auswirkungen hat die Professionalisierungsdynamik auf ihre<br />

Akteur/innen/e? Spiegelt sich der Prozess der Professionalisierung in der<br />

Selbstreflexion der einzelnen Pflegepersonen wider?<br />

Für den empirischen Arbeitsprozess waren folgende Unterfragen erkenntnisleitend, die<br />

aus der Befassung mit der wissenschaftlichen Literatur zum Pflegekinderwesen und aus<br />

dem Feld der <strong>Beruf</strong>ssoziologie ergeben haben 233 :<br />

- Welche Motive geben Pflegeeltern für ihre Tätigkeit an?<br />

- Welchen Anforderungen sollen Pflegeeltern gerecht werden?<br />

- Wie bewältigen Pflegeeltern die Anforderungen, die sich mit der Aufnahme eines<br />

Kindes in die eigene Familie ergeben?<br />

233 vgl. Blandow (1972) u. (2005); Kolbe (2004); Lutter (1996); Lempert (2002); Heinze (1998)<br />

85


- Welche Formen der Unterstützung durch außerfamiliale Netzwerke und Institutionen<br />

stehen bei traditionellen Pflegefamilien bzw. bei Pflegefamilien mit Dienstverhältnis<br />

bereit?<br />

- Wie erfahren Pflegeeltern Anerkennung für die Tätigkeit?<br />

5.2 Forschungsmethodik<br />

Für die Untersuchung dieser komplexen Fragestellungen erwies sich ein qualitativer<br />

Ansatz <strong>als</strong> geeignet. Die Erhebung spezifischer und tiefer gehender Sichtweisen, die<br />

über eine quantitative Herangehensweise nicht erfassbar sind, wird dadurch ermöglicht.<br />

Der Forschungsprozess zielt auf das Verstehen und Deuten <strong>von</strong> sozialem Handeln<br />

einzelner Subjekte ab. Dazu ist theoretisches Vorwissen unabdingbar.<br />

5.2.1. Datenerhebung<br />

Als angemessenes Erhebungsinstrument für dieses Vorhaben wurde das<br />

leitfadengestütze Interview angewandt. Die interviewten Personen sind Träger/innen<br />

<strong>von</strong> Informationen, die für die Fragestellungen relevant sind. Es handelt sich um<br />

ermittelnde, analytische – „<strong>als</strong>o auf die Erfassung sozialer Sachverhalte abzielende“ 234 –<br />

Interviews.<br />

Für das Forschungsvorhaben war es <strong>von</strong> großer Bedeutung, Sichtweisen, Meinungen,<br />

Interpretationen und Handlungsbegründungen zu erheben, sowie die alltagsweltlichen<br />

Handlungen und Deutungen <strong>von</strong> Pflegeeltern zu verstehen und zu analysieren. Die<br />

interviewten Pflegeeltern stellen ihre Lebenszusammenhänge aktiv dar. Den<br />

Pflegeeltern wurden Fragen zu ihrer Motivation, zur Alltagsorganisation und zu ihren<br />

Bewältigungsstrategien gestellt<br />

Weiters wurden Gespräche mit Personen geführt, die beruflich oder ehrenamtlich mit<br />

der Weiterbildung und Beratung <strong>von</strong> Pflegeeltern und mit der Erstellung <strong>von</strong><br />

Arbeitskonzepten für Pflegeeltern, die in einem professionellen Rahmen tätig sein<br />

wollen, beschäftigt sind. Diese Interviews zeichnen sich durch ihren informatorischen<br />

Charakter aus. Die Expert/innen/en beantworteten die oben angeführten relevanten<br />

Fragenkomplexe aus ihrer Sicht auf die Pflegeeltern und vor dem Hintergrund der<br />

Entwicklungen des gesamten Pflegekinderwesens.<br />

234 Lamnek (2005), S. 724f<br />

86


5.2.1.1 Das themenzentrierte, leitfadengestützte Interview<br />

Beim themenzentrierten Interview geht die/der Forscher/in mit einem theoretischen<br />

Grundkonzept ins Feld, was auch in dieser Untersuchung der Fall ist, daher wurde diese<br />

Methode zur Datenerhebung gewählt. 235<br />

Bei einem Leitfadeninterview handelt es sich um ein halboffenes Interviewverfahren zur<br />

Durchführung einer thematisch strukturierten Befragung. Die Gesprächspartner/innen<br />

können während des Interviews ihre persönlichen Erfahrungen anhand <strong>von</strong> Beispielen<br />

schildern. Der durch die Auseinandersetzung mit den theoretischen Hintergründen zu<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong>, den Fragestellungen und die Schwerpunktsetzung eingegrenzte<br />

Themenbereich sollte jedes der Interviews derart erhoben werden, dass sie miteinander<br />

in Bezug gesetzt werden können. Den Interviewpartner/n/innen sollte im Rahmen des<br />

Interviews dennoch, dem Paradigma der qualitativen Ausrichtung folgend, möglichst<br />

umfassend die Möglichkeit zur Darstellung ihrer persönlichen Sichtweisen, Deutungen<br />

und Handlungen gegeben werden. Sie sollten frei ansprechen können, was für sie im<br />

Zusammenhang mit dem angesprochenen Thema bedeutungsvoll ist. Somit gehen beim<br />

themenzentrierten Interview „Deduktion (theoretisch) und Induktion (empirisch) […]<br />

Hand in Hand.“ 236<br />

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden zwei Leitfäden 237<br />

für die<br />

themenzentrierten Interviews entwickelt; dies bedeutet, dass das Interview entlang<br />

zuvor definierter Themenblöcke geführt wird. Dabei finden hauptsächlich offene Fragen<br />

Verwendung, zu denen bei Bedarf zusätzlich Sondierungsfragen gestellt werden<br />

können. Der Leitfaden besteht aus einer Fragenpalette, die in jedem Einzelinterview<br />

angesprochen werden sollte. Der Leitfaden dient der/dem Interviewer/in <strong>als</strong><br />

Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen, in dem er/sie das Hintergrundwissen<br />

thematisch organisiert. Der gesamte Problembereich ist darin in Form <strong>von</strong> einzelnen<br />

thematischen Schwerpunkten formuliert. In Stichworten oder in Frageform gefasst, sind<br />

die Inhalte des jeweiligen Problemfeldes zusammengestellt. Die Themenbereiche sind<br />

in vier Dimensionen gefasst, denen jeweils Sondierungsfragen zugeordnet werden:<br />

• Dimension 1: Motivation und Entscheidungsprozess<br />

235 vgl. ebda, S. 368<br />

236 Lamnek (2005), S. 368<br />

237 Leitfaden 1 und Leitfaden 2 befinden sich im Anhang.<br />

87


• Dimension 2: Anforderungsprofil<br />

• Dimension 3: Handlungsstrategien, Orientierungsmuster, Netzwerk<br />

• Dimension 4: Anerkennung der Tätigkeit<br />

Die Reihenfolge muss dabei nicht zwingend eingehalten werden, die Fragen sollten je<br />

nach Gesprächsfortgang zum passenden Zeitpunkt gestellt werden. Für die interviewten<br />

Personen besteht die Möglichkeit eigene Themen, die im Leitfaden nicht berücksichtigt<br />

worden sind, zu ergänzen. 238<br />

Die Vorteile des Leitfadeninterviews liegen darin, dass konstant zu denselben<br />

Themenbereichen Aussagen getroffen werden. Es kommt vor allem dann zum Einsatz,<br />

wenn konkrete Aussagen über ein Thema erhoben werden sollen. Der Nachteil <strong>von</strong><br />

Leitfadeninterviews ist ein relativ hoher Aufwand für die Auswertung, da<br />

Einzelaussagen in eine „(intersubjektiv) nachvollziehbare Ordnung gebracht werden<br />

müssen.“ 239 Im Vergleich zur Auswertung anderer Interviewformen, wie z.B. dem<br />

narrativen Interview, geht sie jedoch mit einem überschaubaren Arbeitspensum einher,<br />

da man sich dabei weitgehend an den zuvor definierten Themenblöcken orientiert. Das<br />

Leitfadeninterview ist daher eine viel genutzte und populäre Form der<br />

Datenerhebung. 240<br />

5.2.1.2 Auswahl, Zugang und Beschreibung der Interviewpartner<br />

Bei Qualitativen Untersuchungen werden meist kleinere Stichproben gewählt, da es in<br />

diesen Untersuchung primär nicht um statistisch repräsentative, sondern um<br />

exemplarische bzw. inhaltlich repräsentative Ergebnisse geht. Für die Fragestellung<br />

typische und exemplarische Fälle werden gezielt in die Untersuchung aufgenommen. 241<br />

Diese Vorgehensweise des „Theoretical Samplings“, in der man eine gezielte Auswahl<br />

der Interviewpartner/innen vornimmt, setzt Kenntnis des Feldes voraus und „dass der<br />

Forscher weiß, worauf er seine Aufmerksamkeit richten muss.“ 242 Dies wird erreicht<br />

durch vorherige theoretische Befassung mit dem Untersuchungsgegenstand. Die<br />

Grenzen dieses Vorgehens zeigen sich in der Reichweite der Ergebnisse, die praktisch<br />

238 vgl. Lamnek (2005), S. 364ff<br />

239 Schaffer (2002), S. 88<br />

240 vgl. Lamnek (2005), S. 366f<br />

241 vgl. Schaffer (2002), S. 142<br />

242 Lamnek, (2005), S. 266<br />

88


nicht verallgemeinert werden können. Diese Vorgehensweise bietet aber eine gute<br />

Möglichkeit, exemplarische Fälle vertieft und genau zu untersuchen um Aussagen, die<br />

über den Einzelfall hinausgehen, zu erlangen und Hypothesen zu entwickeln. 243<br />

Ziel dieser Untersuchung ist es, Aussagen <strong>von</strong> Pflegeeltern zu erhalten, die schon<br />

mehrere Jahre Pflegekinder betreuen, die in verschiedenen Formen der Inpflegnahme<br />

tätig sind und die sich in unterschiedlichen Stufen der „Verberuflichung“ befinden bzw.<br />

daran kein Interesse haben und darauf folgend deren Sichtweisen miteinander in<br />

Beziehung zu setzen. Dadurch soll ein möglichst umfassendes Spektrum an Positionen<br />

zum Thema <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> erhoben werden.<br />

Dafür wurde Kontakt zu freien Trägern der Jugendwohlfahrt im Bereich des<br />

Pflegekinderwesens hergestellt, die Kontaktanbahnung erfolgte zunächst mittels einer<br />

Voranfrage per E-mail, in dem das Forschungsvorhaben kurz skizziert wurde. In<br />

weiterer Folge kam es zur Zusammenarbeit mit dem Pflegeelternverein Steiermark, dem<br />

Verein Pro Juventute Salzburg und dem Verein Pflege- und Adoptiveltern<br />

Oberösterreich. Dank der Vermittlung durch Vertreter der Vereine in der Steiermark<br />

und Salzburg war es möglich, direkten Kontakt mit Pflegeeltern aufzunehmen, die die<br />

vorab festgelegten Kriterien erfüllten, bzw. meldeten sich drei Pflegepersonen<br />

selbständig per E-mail für ein Interview, nachdem sie die Projektskizze erhalten hatten.<br />

Alle übrigen Pflegeeltern, die <strong>von</strong> der Verfasserin um ein Gespräch gebeten wurden,<br />

kamen der Bitte auch nach. Es konnten sieben Interviews – sechs mit Pflegemüttern,<br />

eines mit einem Pflegeelternpaar – aus den Bundesländern Steiermark und Salzburg<br />

geführt werden. Drei der Interviewpartnerinnen haben kein Dienstverhältnis für ihre<br />

pflegeelterlichen Tätigkeiten. Bei zwei Pflegepersonen ist ein Dienstverhältnis über<br />

geringfügige Beschäftigung mit der Jugendwohlfahrtsbehörde abgeschlossen worden,<br />

diese übernimmt die Beiträge für die Unfall- und Pensionsversicherung. Weitere zwei<br />

Interviewpartnerinnen verfügen über einen freien Dienstvertrag mit einem Verein, damit<br />

gehen sie auch Dienstverpflichtungen wie Dokumentation, Teambesprechungen und die<br />

Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen ein.<br />

243 vgl. ebda.<br />

89


Drei Vertreterinnen aus den genannten Vereinen wurden interviewt, damit ihr vertieftes<br />

Sonderwissen in die Untersuchung Eingang finden konnte. Ihnen ist der<br />

Arbeitsschwerpunkt „Professionalisierung im Pflegekinderwesen“ sowie eine<br />

langjährige berufliche Erfahrung in der Arbeit mit Pflegeeltern gemein. Ein Interview<br />

wurde mit einem Vertreter des Vereines „Kinder brauchen Eltern“ geführt. Dieser<br />

Verein, der im Herbst 2006 neu gegründet wurde, ist ein Zusammenschluss <strong>von</strong><br />

Pflegeeltern aus Salzburg, die sich dafür engagieren, die Rahmenbedingungen für<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> in Salzburg zu verbessern. Der Vereinsobmann ist zudem selbst<br />

Pflegevater. Die Interviews wurden im Zeitraum <strong>von</strong> Mai 2007 bis August 2007<br />

geführt. Die Nummerierung der Interviews bezieht sich nicht auf deren Abfolge.<br />

90


Tabelle 6: Übersicht über die Interviewpartner/innen<br />

Alter/ Familien Zahl Form der Inpflegnahme<br />

Geschl -stand der<br />

echt<br />

Kinder/<br />

Pflegekinder<br />

Pflegeeltern<br />

P 1 Slzbg 40-45,<br />

w<br />

P 2 Slzbg 40-45,<br />

w<br />

und<br />

50-55,<br />

m<br />

P 3 Stmk 55-60,<br />

w<br />

P 4 Slzbg 45-50,<br />

w<br />

P 5 Slzbg 45-50,<br />

w<br />

Verh. 4/2 Dauerpflege<br />

Verh. 3/2 Dauerpflege, bei Bedarf<br />

Krisenpflege<br />

Verh. 4/1 Dauerpflege, bei Bedarf<br />

Kurzzeitpflege<br />

Gesch. 2/1 Dauerpflege, Kind mit<br />

erhöhtem Pflegebedarf<br />

4/2 Zunächst Krisenpflege,<br />

danach Dauerpflege<br />

Anstellung/Dienstverhältnis<br />

<strong>als</strong> Pflegeelternteil ja/nein<br />

Derzeit zusätzliche<br />

Erwerbstätigkeit ja/nein<br />

nein<br />

selbständig<br />

nein<br />

ja, seit 3 Monaten, Teilzeit<br />

nein<br />

selbständig<br />

ja, Pensionsbeitrag wird<br />

übernommen, aber keine<br />

Dienstverpflichtungen<br />

gegenüber Verein<br />

nein<br />

ja, Pensionsbeitrag wird<br />

übernommen, aber keine<br />

Dienstverpflichtungen<br />

gegenüber Verein<br />

selbständig<br />

P 6 Stmk 35-40,<br />

w<br />

P 7 Stmk 35-40,<br />

w<br />

Interviews mit<br />

Experten/innen<br />

E 1 Stmk<br />

E 2 Slzbg<br />

E 3 Slzbg<br />

E 4 OÖ<br />

Gesch.<br />

(Quelle: eigene Darstellung)<br />

Alleinstehend<br />

2/unterliegt<br />

Schwan<br />

-kungen<br />

Familienbegleitende<br />

Pflegeplatzunterbringung,<br />

Mutter-Kind-<br />

Unterbringung<br />

Verh. 4/2 Familienbegleitende<br />

Pflegeplatzunterbringung,<br />

Kurzzeitpflege<br />

Dauer der Tätigkeit im Pflegekinderwesen<br />

Seit 20 Jahren im Pflegekinderwesen tätig<br />

Seit 10 Jahren im Pflegekinderwesen tätig<br />

Seit 1 Jahr <strong>als</strong> Vereinsobmann ehernamtlich tätig, Pflegevater<br />

Seit 8 Jahren im Pflegekinderwesen tätig<br />

ja, freier Dienstvertrag mit<br />

Verein<br />

nein<br />

ja, freier Dienstvertrag mit<br />

Verein<br />

nein<br />

91


5.2.1.3 Ablauf der Interviews<br />

Bei qualitativen Interviews ist es <strong>von</strong> besonderer Bedeutung, eine möglichst natürliche<br />

und angenehme Gesprächssituation herzustellen, um authentische Informationen zu<br />

erhalten. Daher sollten sie in der gewohnten Umgebung der interviewten Personen<br />

durchgeführt werden. 244<br />

Die vier Experten/innen wurden jeweils an ihrem Arbeitsplatz befragt.<br />

Die Interviews mit den Pflegeeltern fanden in allen sieben Fällen bei den Pflegeeltern<br />

zu Hause statt. Die Interviewsituation war bei sechs Gesprächen so, dass sich in<br />

unmittelbarer Nähe, etwa im Nebenzimmer, die Pflegekinder aufhielten und diese sich<br />

des Öfteren auch in das Geschehen einbrachten. Die Folge waren zeitweise<br />

Unterbrechungen des Interviews, die jedoch nur <strong>von</strong> kurzer Dauer waren. Dies weist<br />

bereits auf die Beschaffenheit der pflegefamilialen Außengrenzen hin, die sich durch<br />

große Offenheit und Auskunftsbereitschaft auch fremden Personen gegenüber zeigt.<br />

Man kann weiters da<strong>von</strong> ausgehen, dass die in den Gesprächen eingebrachten<br />

Erfahrungen und Schilderungen für die Pflegepersonen <strong>von</strong> großer Relevanz sind, da sie<br />

sich teilweise auch <strong>von</strong> sich aus für die Interviews gemeldet haben, um zum Thema<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> Stellung zu nehmen.<br />

Allen Pflegepersonen wurde die vollständige Anonymisierung ihrer Interviews<br />

zugesichert, auch die Zustimmung zur Aufzeichnung des Gesprächs mit einem audiodigitalen<br />

Gerät wurde vor Gesprächsbeginn eingeholt. Es wurde darauf Wert gelegt,<br />

dass der Einstieg in die Interviews mit sehr offenen Fragen erfolgte, damit ein erster<br />

längerer Erzählfluss angeregt wurde. Der weitere Gesprächsverlauf erfuhr eine immer<br />

stärkere Strukturierung (Semistrukturierung). Das Verhalten der Interviewerin wurde<br />

möglichst zustimmend, empathisch und zurückhaltend gestaltet. Die interviewten<br />

Personen sollten über möglichst viel Freiraum zur Darstellung ihrer<br />

Lebenszusammenhänge verfügen.<br />

Die Interviews dauerten zwischen 35 Minuten bis 100 Minuten und orientierten sich am<br />

Gesprächsverhalten der Interviewpartner/innen.<br />

244 vgl. Lamnek (2005), S. 509<br />

92


Folgende Rahmendaten wurden ebenfalls festgehalten: Interviewte Person, Datum und<br />

Ort der Befragung, Zahl der Pflegekinder/Kinder, kurze Beschreibung der<br />

Interviewsituation.<br />

5.2.2 Auswertung der Interviews mittels Inhaltsanalyse <strong>von</strong> Mayring<br />

Die Auswertung der Interviews mittels Inhaltsanalyse verfolgt das Ziel subjektive<br />

Einstellungen, Deutungen und Sinnzuschreibungen zu erfassen, zu verstehen und aus<br />

diesen Bausteinen bestimmte Muster und überindividuell gemeinsame Wissensbestände<br />

herauszuarbeiten. 245<br />

Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring untersucht offengelegte<br />

Kommunikationsinhalte, <strong>als</strong>o bewusste bzw. explizite Aussagen <strong>von</strong> Personen, die<br />

meistens in Textform vorliegen oder in Textform gebracht werden. Über die Texte<br />

werden Informationen weitergegeben, die dokumentierten Aussagen der interviewten<br />

Personen geben Hinweise auf externe Sachverhalte. Alle Interviews wurden darum mit<br />

MP3-Player aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Transkription erfolgte<br />

wörtlich, ohne besondere Zeichen für Pausen oder Betonungen, da dies in der<br />

Auswertung nicht berücksichtigt wird.<br />

Damit keine beliebigen Resultate erzielt werden, muss der Verlauf der Auswertung und<br />

Interpretation regelgeleitet sein. Das Auswertungsinstrument muss weiters an den<br />

untersuchten Gegenstand angepasst sein und speziell dafür angefertigt werden. 246<br />

Die Inhaltsanalyse umschreibt Lamnek somit <strong>als</strong> „eine Form wissenschaftlich<br />

kontrollierten Fremdverstehens.“ 247<br />

Im Ablaufmodell nach Mayring werden bei der Inhaltsanalyse neun Stufen beschrieben.<br />

Zunächst wird das Material, das interpretiert werden soll, exakt bestimmt (1). Nicht alle<br />

getätigten Aussagen müssen interpretiert werden, sondern, die für die Forschungsfragen<br />

relevanten. Eine Betrachtung der konkreten Interviewsituation (2) und die Beschreibung<br />

der Beschaffenheit des Materi<strong>als</strong> (3)folgen <strong>als</strong> die nächsten beiden Stufen. Die Richtung<br />

der Analyse muss festgelegt werden, um zu bestimmen, was man aus dem Textmaterial<br />

herausfiltern möchte (4). Die Fragestellung der Analyse muss vorher festgelegt werden<br />

245 vgl. Lamnek (2005), S. 510<br />

246 vgl. Mayring (2003), S. 42ff<br />

247 Lamnek (2005), S. 510<br />

93


und sich an theoretischen Befunden zum Gegenstand orientieren (5). Danach wird man<br />

sich für eine Analysetechnik entscheiden (6), in diesem Fall wurde eine strukturierende<br />

Analyse vorgenommen. Dies bedeutet, dass Material zu bestimmten Themenbereichen<br />

aus den Interviewprotokollen herausgehoben und zusammengefasst wird (inhaltliche<br />

Strukturierung). Dafür muss auch festgelegt werden, welche Einheit des Textes zur<br />

Analyse herangezogen wird (7). Die achte Stufe führt uns zur Analyse des Materi<strong>als</strong><br />

(8) 248 :<br />

Jedes einzelne Interview wurde daher anhand eines zuvor auf Basis der theoretischen<br />

Auseinandersetzung mit dem Gegenstand erstellten Kategoriensystems systematisch<br />

ausgewertet. Die Kategorien basieren somit auf grundsätzlichen Themenkreisen, die für<br />

Pflegeverhältnisse typisch sind, wie z.B. die Motivation für eine Pflegschaft, die sich<br />

aus intrinsischen und extrinsischen Aspekten zusammensetzt. 249<br />

Die Aussagen der einzelnen Interviewpartner/innen wurden nach ihrem Inhalt der dafür<br />

relevanten Kategorie zugeordnet, um zu einer Verdichtung des Textmateri<strong>als</strong> zu<br />

gelangen und die Komplexität der Daten zu reduzieren (Kodierung). Damit wurden die<br />

Aussagen vom Einzelfall losgelöst. Dieser Vorgang der Zuordnung entspricht einer<br />

ersten Interpretationsstufe. Das Auswertungsinstrument wurde am Datenmaterial<br />

geprüft und angepasst. Dem im qualitativen Ansatz geforderten Prinzip der Offenheit<br />

folgend, wurden nach Durchsicht des Materi<strong>als</strong> und der Erkenntnis, dass zwei für die<br />

Pflegeeltern wichtige Schwerpunkte noch nicht berücksichtigt worden waren, zwei<br />

zusätzliche Kategorien gebildet, um diese in die Auswertung einbeziehen zu können. 250<br />

Nach dieser Aufbereitung des Materi<strong>als</strong> konnte die Interpretation der in den einzelnen<br />

Kategorien zusammengefassten Aussagen im Hinblick auf die Fragestellung erfolgen<br />

(9).<br />

Ziel ist es, Positionen zur Verberuflichung in der <strong>Pflegeelternschaft</strong>, die unter jeder<br />

Kategorie aufzufinden sind, systematisch herauszufiltern. Wo decken sich die Angaben<br />

der Interviewpartner/innen? Wo treten unterschiedliche Positionen deutlich hervor? Was<br />

erwähnen alle bzw. was spricht nur ein Teil der Pflegeeltern an?<br />

248 vgl. Mayring (2003), S. 46-89<br />

249 vgl. Blandow (1972); Paltinat; Warzecha (1999)<br />

250 vgl. Lamnek (2005), S. 508<br />

94


5.3 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die Darstellung der Ergebnisse orientiert sich an den gebildeten<br />

Auswertungskategorien. Der Schwerpunkt liegt auf den Sichtweisen der Pflegeeltern,<br />

bei den angeführten Zitaten handelt es sich um subjektive Aussagen der Pflegeeltern.<br />

Um die Perspektiven zu erweitern, werden in jeder Kategorie auch die zum Thema<br />

gehörenden Interviewpassagen der Expert/innen/en dazu in Bezug gesetzt. Nach der<br />

Zusammenfassung der erhaltenen Informationen zum jeweiligen Thema folgt eine<br />

Interpretation und Verknüpfung mit Wissensbeständen aus der Fachliteratur.<br />

Ich folge in meinen Ausführungen anderen Autor/innen/en 251 , welche die Personen, die<br />

kein Dienstverhältnis für die <strong>Pflegeelternschaft</strong> eingegangen sind, <strong>als</strong> traditionelle<br />

Pflegeeltern bezeichnen (3). Pflegeeltern, die in einem Dienstverhältnis zu einem Verein<br />

stehen und darüber hinaus über eine zusätzliche Ausbildung <strong>als</strong> Familienpädagog/in/e<br />

verfügen, werden <strong>als</strong> professionelle Pflegeeltern bezeichnet (2).<br />

Personen, die zwar einen Dienstvertrag mit dem Jugendwohlfahrtsträger abgeschlossen<br />

haben, aber keine damit einhergehenden Ausbildungen absolvieren müssen oder<br />

Dienstverpflichtungen eingehen, werden <strong>als</strong> entlohnte Pflegepersonen bezeichnet (2).<br />

Betrachtet man Motivation und Selbstkonzept der beiden entlohnten Pflegemütter, ist<br />

eine dem traditionellen Pflegeeltern zuzuordnen und eine den professionellen, weshalb<br />

sie bei der Auswertung in die jeweiligen Gruppen aufgenommen wurden.<br />

Die vorliegende Studie hat auch regionalen Bezug, da Pflegepersonen aus zwei<br />

Bundesländern befragt wurden, in denen Pflegepersonen unterschiedliche<br />

Ausgangspositionen für diese Tätigkeit vorfinden. Auch wenn die Stichprobe wenige<br />

Personen umfasst, lassen sich aus den Aussagen der Pflegeeltern Rückschlüsse auf die<br />

Auswirkungen des jeweiligen Ansatzes für die Ausgestaltung des Pflegekinderwesens<br />

ziehen.<br />

Vorausschickend kann festgehalten werden, dass die hier dargestellten und verdichteten<br />

Aussagen auf tatsächlichen Erfahrungen der Beteiligten beruhen. Die Schilderungen<br />

beschreiben daher das konkrete Erleben der Pflegeeltern. Das Erleben der Pflegeeltern<br />

251 vgl. Kolbe (2004), S. 146<br />

95


zeichnet sich durch weitgehende Kongruenz zu den Befunden aus der<br />

wissenschaftlichen Fachliteratur aus.<br />

5.3.1 Motivation<br />

Unter der Kategorie Motivation werden die genannten Hauptgründe für die Übernahme<br />

einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> erfasst. Die angeführten Motive bilden einen wichtigen<br />

Mosaikstein für das Rollenkonzept der Pflegeeltern und den späteren Umgang mit den<br />

übrigen Beteiligten. Eine Unterkategorie bildet die Phase der Entscheidungsfindung, die<br />

hier auch berücksichtigt werden soll.<br />

Bei den drei Pflegemüttern, die die Form der traditionellen Dauerpflege repräsentieren,<br />

lagen die Motive im unerfüllten Kinderwunsch, in positiven Erlebnissen mit<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> im Umfeld und in der eigener Familie sowie im sozialen Engagement<br />

für Kinder.<br />

Es sieht keiner mehr die Stärken <strong>von</strong> einem Kind heutzutage, und die Herausforderung<br />

taugt mir auch, so einfach sehen, was in einem Menschen drinnen steckt und wenn man sie<br />

gut begleitet, dass man irrsinnig viel erreichen kann! 252<br />

Bei den zwei entlohnten Pflegemüttern liegen die Motive ähnlich, einerseits im<br />

unerfüllten Kinderwunsch, im anderen Fall wird eine deutliche Tendenz zu einer<br />

beruflichen Orientierung und Freude an Arbeit mit Kindern ersichtlich:<br />

Für mich war es in meinem Leben immer so, die erste Schiene für Kinder etwas zu tun […]<br />

Schlussendlich bin ich bei der Pflegemutterstelle gelandet, wo ich gemerkt habe, ja ich<br />

kann viel bei einem Kind ausrichten, dass ich tagtäglich bei mir habe. 253<br />

Überlegungen zur Aufnahme eines Kindes gingen über einen längeren Zeitraum; die<br />

Angebote der Vereine zur Entscheidungsfindung wurden genutzt und <strong>als</strong> sehr hilfreich<br />

erlebt. Man hatte sich eingehend damit auseinandergesetzt, was eine Pflegschaft für die<br />

Familie bedeutet. Bei den Pflegeeltern, die zunächst einen Adoptionswunsch hegten,<br />

wurden durch die Informationsseminare auch Befürchtungen und Vorurteile gegenüber<br />

252 P 1, Z. 33-37<br />

253 P 5, Z. 3-8<br />

96


einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> abgebaut – diese wurden dadurch überhaupt erst auf die<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> aufmerksam.<br />

Bei den beiden professionellen Pflegemüttern stand der Kinderwunsch nicht an erster<br />

Stelle. Hier wurden die gute Kombinationsmöglichkeit einer Erwerbstätigkeit mit den<br />

Versorgungsaufgaben in der Familie neben ausgeprägtem sozialen Engagement und<br />

dem Interesse an beruflicher Arbeit mit Kindern und deren Eltern <strong>als</strong> Motive genannt.<br />

Und für mich war es deshalb ein Thema, weil ich immer mit Kindern und Jugendlichen zu<br />

tun gehabt habe, wo man aber immer die Grenze gehabt hat, du kannst nicht wirklich was<br />

erreichen, weil du bist mit denen ein paar Stunden zusammen und dann sind sie immer<br />

zurück in ihr System gegangen. Und ich habe mich dann erkundigt, was es da alles gibt und<br />

ich bin dann eben auf diesen <strong>Beruf</strong> der Familienpädagogin gestoßen, wo es eben auch<br />

darum geht, mit den Eltern zu arbeiten, die Kinder zwar bei dir zu haben, aber auch mit den<br />

Eltern zu arbeiten. Und Ziel ist es eben, die Kinder wieder zurückzubringen in die Familie.<br />

Und das hat mir <strong>von</strong> der Grundidee sehr gut gefallen. 254<br />

Die Gelegenheit ihren pädagogischen <strong>Beruf</strong> in einem intensiveren Setting ausüben zu<br />

können, schien dieser Pflegemutter ideal.<br />

Diese Hauptmotive wurden auch <strong>von</strong> den Experten/innen genannt, auch sie konstatieren<br />

eine Art Zweiteilung der Bewerber/innen in die aus Familienorientierung motivierten<br />

Bewerber/innen und Personen, denen die Aufgabe <strong>als</strong> Pflegeperson gefällt.<br />

Es gibt den Wunsch das Pflegekind ganz in die Familie zu integrieren oder aber es gibt den<br />

Wunsch, für Kinder da zu sein und professionell in diesem Bereich zu arbeiten. Da<br />

unterscheiden wir. 255<br />

Bei der endgültigen Entscheidung über die Aufnahme eines Kindes waren Partner/innen<br />

und – wenn vorhanden – übrige Kinder in der Familie stark eingebunden. Aus den<br />

Interviewpassagen geht hervor, dass diese Vorgehensweise für die Pflegeeltern sehr<br />

wichtig war. Alle waren in der Phase der Entscheidungsfindung in ein<br />

Unterstützungssystem aus behördlicher Sozialarbeit und Verein eingebunden. Die<br />

Unterstützung seitens der Sozialarbeiter/innen des Jugendamtes ist in dieser Phase der<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> angemessen empfunden worden.<br />

Die interviewten Pflegemütter lassen sich anhand ihrer Ausführungen zu Motivation<br />

und Entschlussfindung in das Pflegemutterkonzept und in das berufsorientierte Konzept<br />

einordnen, wobei teilweise auch eine Verschränkung der Modelle beobachtet werden<br />

254 P 6, Z. 9-17<br />

255 E 1, Z. 25-27<br />

97


kann. Die Selbstkonzepte lassen auf einen reflektierten Umgang mit dem Pflegekind<br />

und seiner Herkunftsfamilie schließen. Beide Konzepte schließen die Herkunftsfamilie<br />

nicht aus bzw. stehen für ein inklusives Modell <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong>, was sich positiv<br />

auf das Pflegeverhältnis auswirkt. Nach Freiburg/Lettau sind diese beiden Konzepte<br />

eine gute Basis für die Betreuung <strong>von</strong> bereits älteren Kindern mit geringeren bis<br />

schweren Verhaltensauffälligkeiten. Das berufsorientierte Konzept eignet sich<br />

besonders für Kinder mit schweren Verhaltensauffälligkeiten, die häufig<br />

Trennungssituationen erlebt haben und die eine anspruchsvolle Herkunftsfamilie ins<br />

Pflegeverhältnis einbringen. Diese Pflegeeltern lassen sich auch durch eine bestimmte<br />

Distanz zu den Pflegekindern charakterisieren. Auch wenn ein großes Maß an<br />

Emotionalität vorhanden ist, so sind sie auch auf unangenehme Situationen vorbereitet<br />

und kalkulieren sie mit ein. 256<br />

5.3.2 Kompetenz- und Anforderungsprofil<br />

Auf die Frage, welche Eigenschaften und Fähigkeiten Pflegeeltern unbedingt<br />

mitbringen sollten, wurden zahlreiche Angaben gemacht. Durch die genannten<br />

Kompetenzen kann man bereits auf die zu erwartenden Anforderungen schließen.<br />

Als grundsätzliche Rahmenbedingungen wurden ausreichend Platz für die Kinder und<br />

eine finanziell konsolidierte Situation in der Pflegefamilie genannt.<br />

Empathie, Kinderliebe sowie Reflexionsfähigkeit kamen in allen Interviews zur<br />

Sprache. Die Summe der beschriebenen Eigenschaften und Kompetenzen decken sich<br />

großteils mit dem Kriterienkatalog für professionelle Pflegefamilien in Kapitel 4.2.2.<br />

Die Aussage eines Pflegevaters macht deutlich, worin er die Unterschiede zur<br />

Erziehung eigener Kinder sieht:<br />

JA und da kommen Sachen, <strong>von</strong> denen du vorher nie gehört hast, dann besuchst du die<br />

leibliche Mutter im Gefängnis…sonst wärst du nie in ein Gefängnis gegangen! Und da ist<br />

es halt nicht schlecht, wenn du ein bissl weißt, wie sollst du dich denn verhalten, gegenüber<br />

dem Kind und auch der Mutter? Das ist ja kein Fehler, wenn man da ein bisschen Bildung<br />

hat in diese Richtung. Und das sind alles Mehrbelastungen, ich brauche mit meinen<br />

leiblichen Kindern nicht ins Gefängnis gehen, um die Mutter zu besuchen. 257<br />

Eine Pflegemutter, die sowohl ein Adoptivkind <strong>als</strong> auch ein Pflegekind bei sich<br />

aufgenommen hat, zieht den Vergleich zur Adoption:<br />

256 vgl. Freiburg; Lettau (1998), zit. n. Kolbe (2004), S. 164f<br />

257 E 3, Z. 40-46<br />

98


Bei <strong>Pflegeelternschaft</strong> ist es ein professionelleres Herangehen <strong>als</strong> bei Adoption, wegen der<br />

ganzen Familiengeschichte, die dazu kommt. 258<br />

Viele der <strong>von</strong> den Pflegeeltern genannten Fähigkeiten werden bei der grundsätzlichen<br />

Eignungsfeststellung <strong>von</strong> Pflegeelternwerbern „abgeklopft“ und nachgefragt. In der<br />

StJWG- DVO 2005 werden unter anderem noch die Bereitschaft zur Einsicht in die<br />

eigenen Familiendynamiken, Verständnis für den Umgang mit<br />

Verhaltensauffälligkeiten und eine grundsätzliche wohlwollende Einstellung zur<br />

leiblichen Familie <strong>als</strong> Kriterien festgelegt.<br />

Angesichts einer breiten und umfassenden Palette an Kriterien lässt sich auch verstehen,<br />

dass die Zahl der positiven Eignungsfeststellungen zurückgeht. Blandow stellte die<br />

Annahme in den Raum, dass der vielbeklagte Rückgang der Zahl der Pflegeelternwerber<br />

nicht nur auf das generell zurückgehende Interesse an Familiengründung und geringerer<br />

Bereitschaft Kinder zu erziehen schließen lässt, sondern auch darauf, dass<br />

Pflegeelternwerber <strong>von</strong> den Behörden heute viel häufiger <strong>als</strong> früher <strong>als</strong> nicht geeignet<br />

für diese Aufgabe beurteilt werden, da höhere Maßstäbe angelegt werden. 259<br />

Eine Expertin führt weiter aus, was <strong>von</strong> Pflegeeltern verlangt wird:<br />

Es ist wirklich mehr <strong>als</strong> berechtigt, den Pflegeeltern zuzugestehen, dass es eine berufliche<br />

Herausforderung ist, mit der sie fertig werden müssen. Also nicht nur das Sich-persönlich-<br />

Einlassen und dieses private Engagement, das reicht einfach nicht aus. Da brennen sie<br />

früher oder später aus, damit. Es wird <strong>von</strong> ihnen verlangt, dass sie reflektieren und dass sie<br />

sich auseinandersetzen mit der Herausforderung“ 260<br />

Für eine Ausübung <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> nennt eine Pflegemutter zusätzlich folgende<br />

Voraussetzungen:<br />

Ich bin ein großer Verfechter, dass es Leute sein sollen, die schon <strong>von</strong> Vornherein im<br />

Sozialbereich oder im pädagogischen Bereich tätig waren. Ich finde, dass das nicht gut ist,<br />

wenn Leute einfach genommen werden, die <strong>von</strong> dem Ganzen keine Ahnung haben. […] 261<br />

…deswegen meine ich eben, dass es gut wäre, wenn die Leute vorher schon einmal eine<br />

Ahnung haben mit welcher Klientel sie zu tun haben. 262<br />

Eine Projektgruppe des DJI kommt auch zu der Erkenntnis, dass die traditionell eher<br />

mitfühlenden und Emotionen weckenden Strategien zur Werbung <strong>von</strong> Pflegeeltern kein<br />

258 P 4, Z. 170<br />

259 vgl. Blandow (2005), S. 116<br />

260 E 4, Z. 633-640<br />

261 P 6, Z. 40-42<br />

262 P 6, Z. 43-47<br />

99


ealitätsgetreues Bild über die zu erwartenden Aufgaben eröffnen, dies kann Grund für<br />

f<strong>als</strong>che Erwartungen an das Pflegeverhältnis werden. 263<br />

5.3.3 Herkunftssystem<br />

In den Interviews wurde nicht explizit nach dem Herkunftssystem gefragt, das<br />

Verhältnis zu ihm fand in den Ausführungen der Pflegeeltern aber viel Platz, daher<br />

wurde auch diese Auswertungskategorie noch hinzugefügt. Sechs der sieben befragten<br />

Pflegeeltern haben Kontakt zu den Herkunftsfamilien der Kinder.<br />

Bei Betrachtung der Aussagen der professionellen Pflegemütter mit denen der<br />

traditionellen Pflegeeltern, stellt sich heraus, dass die Besuchskontakte verschieden<br />

gesehen werden. Je nach Pflegeform wird die Herkunftsfamilie mehr oder weniger stark<br />

eingebunden. Pflegeeltern, die sowohl Dauerpflege <strong>als</strong> auch bei Bedarf Kurzzeitpflege<br />

übernehmen, sind sich der unterschiedlichen Ausrichtung und Grenzziehung sehr<br />

bewusst. Ein Grund dafür ist sicher auch die unterschiedliche Zielsetzung der<br />

Pflegeform. Bei Interims-Pflegeplätzen - auch wenn sie für mehrere Jahre gedacht sind-,<br />

wird die Konkurrenz zu den leiblichen Eltern nicht so stark empfunden.<br />

Dauerpflegefamilien haben hier verstärkt zu kämpfen und schildern die<br />

Besuchskontakte <strong>als</strong> belastende Situation für sie.<br />

Der Zugang der professionellen Pflegeeltern ist hier partnerschaftlicher, denn das klare<br />

Ziel ist die Bindungen des Kindes zu den leiblichen Eltern zu erhalten und dazu<br />

beizutragen, dass eine Rückkehr des Kindes in die Ursprungsfamilie gelingt.<br />

Für eine professionelle Pflegemutter ist die Arbeit mit den Eltern das zentrale Element<br />

ihrer Tätigkeit. Sie formuliert es so:<br />

Ich arbeite gerne mit den Leuten, mit den Eltern. Ja und wenn jemand sagt: „Ja den Kindern<br />

geht es gut bei dir“, das ist doch selbstverständlich für mich, das braucht mir keiner sagen,<br />

das ist für mich nichts. Also mir ist es wirklich lieber mit den Leuten zu arbeiten […] Ja<br />

und das ist die wichtigste Arbeit. Und das wird auch oft übersehen, muss man dazusagen.<br />

Denn wenn ich das Ziel habe, ein Kind wieder zurückzugeben, dann muss ich mit den<br />

Eltern gut arbeiten und nicht mit den Kindern, ich muss bei den Eltern ansetzen. 264<br />

Sie nutzt die Besuchskontakte gezielt zur Beobachtung der Interaktion <strong>von</strong> leiblichen<br />

Eltern und Pflegekind und bringt diese Informationen in Fallbesprechungen ein. Für sie<br />

263 vgl. DJI (2007b), unter http://www.dji.de/cgibin/projekte/output.php?projekt=439&Jump1=LINKS&<br />

Jump2=32 (abgefragt am 13.07.2007)<br />

264 P 6, Z. 248-250; Z. 253-255<br />

100


ist es ein wichtiger Erfolg, wenn sie eine gute Gesprächsbasis mit den leiblichen Eltern<br />

aufbauen konnte. An ihrem Beispiel zeigt sich, wie sich die berufliche Orientierung im<br />

konkreten Handeln niederschlägt, und sich zu beständigen Handlungsmustern ausformt.<br />

Das Schwierige dabei ist, dass Herkunftseltern nach einer Unterbringung ihrer Kinder<br />

meist das Vertrauen in die behördliche Sozialarbeit verloren haben und Angebote <strong>von</strong><br />

deren Seite ausschlagen. Das Einbinden des Herkunftssystems trägt aber viel zum<br />

Gelingen eines Pflegeverhältnisses bei und kann den leiblichen Eltern dabei<br />

unterstützen, ihre Kinder wieder zu sich nehmen zu können, oder eine dauerhafte<br />

Herausnahme des Kindes zu akzeptieren.<br />

In den Beschreibungen der Pflegeeltern schwingen auch Verständnis für die<br />

Lebenslagen der leiblichen Eltern mit, die mit schwierige Bedingungen in der eigenen<br />

Kindheit, psychischen Krankheiten, Sucht, Alkohol etc. zu kämpfen haben. Als<br />

schwierig schildern Pflegeeltern Situationen, wenn die Herkunftseltern Hilfe <strong>von</strong> ihnen<br />

erwarteten. Die Pflegeeltern sind nicht nur Konkurrenten um die Zuneigung des Kindes,<br />

sie werden <strong>von</strong> den leiblichen Eltern auch <strong>als</strong> Anlaufstelle bei Problemen genutzt. Die<br />

Besuchskontakte werden <strong>von</strong> den abgebenden Müttern für Gespräche mit den<br />

Pflegeeltern genutzt, in denen es um ihre persönliche Lage geht.<br />

Aber sie will gar nicht mit ihm spielen, sondern sie will immer mit mir reden!<br />

Ja, das ist wie mit einem Kind! Man bekommt mit dem eigentlichen Kind noch ein Kind<br />

dazu, meistens ist das so. Das sind ja betreuungsbedürftige Personen, sonst wären die<br />

Kinder ja nicht weggekommen. 265<br />

Und dann ist es oft so gewesen, dass nur mehr wir wichtig waren und das Kind haben sie<br />

gar nicht mehr angeschaut. 266<br />

Wenn Pflegeeltern sich damit überfordert sehen, bzw. wenn sie das Gefühl haben durch<br />

ihre Anwesenheit werden Besuchskontakte erschwert, werden Maßnahmen getroffen,<br />

Besuchskontakte in einen neutralen Rahmen zu verlegen. Strategien im Umgang mit<br />

den leiblichen Eltern, die ihr Kontaktrecht zum Kind wahrnehmen, müssen sich<br />

Pflegeeltern erst aneignen.<br />

Die Häufigkeit der Besuchskontakte war im Rahmen der zeitweisen<br />

Unterbringungsformen erwartungsgemäß höher und die Anforderungen der Arbeit mit<br />

265 P 2, Z. 251-254<br />

266 P 1, Z. 185-191<br />

101


dem Herkunftssystem hatte bei den beiden professionellen Pflegemüttern zusammen mit<br />

der geforderten zeitlichen Verfügbarkeit und Bereitstellung der Räumlichkeiten, den<br />

Stellenwert der „eigentlichen“ Arbeit, für die sie bezahlt werden.<br />

Gerade für die Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern und bei der Vorbereitung <strong>von</strong><br />

Rückführungen machen sich die Qualifizierungsmaßnahmen in einer größeren<br />

Handlungssicherheit der Pflegeeltern bemerkbar.<br />

5.3.4 Belastungssituationen<br />

Die in dieser Kategorie zusammengefassten Aussagen waren sehr umfangreich und<br />

beziehen sich auf Situationen, die die interviewten Betreuungspersonen an ihre<br />

Belastbarkeitsgrenzen geführt haben. Im Interview wurde gezielt nach einer besonders<br />

anstrengenden, schwierigen Situation gefragt, in jedem der Interviews wurden eine<br />

Reihe weiterer Belastungsfaktoren angesprochen.<br />

Eine traditionelle Pflegemutter gab zunächst an, dass sie keine Belastungen speziell<br />

durch das Pflegeverhältnis verspüre, zählte aber in der weiteren Folge eine Vielzahl <strong>von</strong><br />

Belastungen auf.<br />

Die geäußerten Szenen spiegeln die Befunde im theoretischen Teil zu den<br />

Problemkreisen großteils wider. Sie lassen sich grob in vier Gruppen gliedern, diese<br />

Reihung kann auch <strong>als</strong> Ranking gesehen werden, nach der Häufigkeit und Intensität der<br />

Schilderungen:<br />

1. Konflikte mit dem Herkunftssystem werden <strong>als</strong> besonders heikel empfunden,<br />

wie das Nichteinhalten <strong>von</strong> Besuchsregelungen, Unzuverlässigkeit, anhaltender<br />

Telefonterror, Anschuldigungen <strong>von</strong> Seiten der Herkunftseltern, die zu langwierigen<br />

Gerichtsverhandlungen führen. Beschimpfungen über sich ergehen zu lassen und<br />

plötzlich Feindbild für jemanden zu sein, sind Situationen, mit denen Pflegeeltern neu<br />

konfrontiert werden und mit denen sie erst einen Umgang erlernen müssen.<br />

2. Massive Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die sich durch verbale und<br />

körperliche Gewalt den anderen Familienmitgliedern gegenüber äußern, werden <strong>als</strong><br />

belastend empfunden und führten zu Reaktionen bei Pflegeeltern, die sie eigentlich nie<br />

setzen wollten. Hyperaktivität, übermäßige Risikobereitschaft des Kindes, Albträume,<br />

102


über Jahre andauernde Schlafstörungen des Kindes führen auch bei den Pflegeeltern zu<br />

körperlicher Beanspruchung.<br />

3. Pflegeeltern erleben ihre Position <strong>als</strong> wenig gefestigt. Sie wurden darüber in<br />

Ungewissheit gelassen, ob und wie lange ein Kind bei ihnen bleiben kann. Die<br />

schwache Rechtsposition führt zu Besorgnissen, was wohl passieren könnte, wenn es zu<br />

einem Unfall des Pflegekindes kommt oder die Aufsichtspflicht vernachlässigt wird.<br />

Pflegeeltern befürchten, dass sie in einem solchen Fall sehr schnell die Kinder wieder<br />

verlieren könnten und sie einen „schwachen Stand“ haben.<br />

Eine Pflegemutter dazu :<br />

Und wo ich Angst gehabt habe, dass wirklich mal ganz was Schlimmes passieren könnte.<br />

Und wo ich dann auch <strong>als</strong> Pflegemutter jetzt nicht nur vom emotionalen, sondern auch<br />

rechtlich einfach drinnen hänge […] Wahnsinn, die Verantwortung, die ich da habe, ich<br />

weiß gar nicht, ob ich sie tragen kann. Und da war ich wirklich verzweifelt. Und da habe<br />

ich auch Träume gehabt im Nachhinein, <strong>als</strong>o das waren traumatische Geschichten<br />

einfach 267 .<br />

4. Zweifel an den eigenen Fähigkeiten kommen massiv an die Oberfläche nach<br />

erfolglosen Versuchen eine schwierige Situation alleine zu bewältigen. Resignation,<br />

Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und Kraftlosigkeit sind Begriffe, die in diesem<br />

Zusammenhang fallen. Man glaubt, keine Fortschritte erkennen zu können. Bei einer<br />

professionellen Pflegemutter keimt die Frage auf, ob diese Tätigkeit wirklich die<br />

richtige für sie ist, da sie mit ihren üblichen Interventionsversuchen bei einem Kind<br />

nicht weiterkommt.<br />

Von den Pflegeeltern wird aber grundsätzlich erwartet, dass es durch die bloße<br />

Tatsache, ein Pflegekind in ihre Familie aufzunehmen und dass jedes Pflegekind eine<br />

ganz persönliche Geschichte mitbringt, üblicherweise zu Zusatzbelastung für die<br />

Familie kommt:<br />

Jedes Kind, das schon eine Vorgeschichte hat braucht viel Betreuung, es gibt kein Kind, das<br />

keine Betreuung braucht! 268<br />

Nicht genügend klar war immer wieder, dass zusätzlich zu den Phasen der<br />

Eingewöhnung 269 oft weitere Belastungsmomente entstehen, die über Jahre anhalten<br />

267 P 4, Z. 213-217; Z. 222-225<br />

268 P 1, Z. 325-326<br />

103


können. Oft ist zum Zeitpunkt der Übernahme auch noch nicht erkennbar, welchen<br />

Betreuungsbedarf das Pflegekind tatsächlich aufweist bzw. wird nicht <strong>von</strong> Seiten der<br />

vermittelnden Behörde auf einen zusätzlichen Betreuungsbedarf hingewiesen, der sich<br />

in erhöhten finanziellem und zeitlichem Aufwand äußern kann.<br />

Das hohe Maß an Verantwortung, die emotionale Verbundenheit mit dem Kind und die<br />

starke Identifikation mit der pflegeelterlichen Tätigkeit ermöglichen viel Stärke und<br />

Engagement bei Pflegeeltern. Wenn Belastungssituationen aus eigener Kraft nicht<br />

befriedigend bewältigt werden und eine Dauerbelastung in Kombination mit einer<br />

hohen Erfolgserwartung auf Seiten der Pflegeeltern in Erscheinung tritt, wird dies auch<br />

<strong>als</strong> persönliches Scheitern interpretiert. Nach Paltinat und Warzecha kann es zu Burn-<br />

Out bei Pflegeeltern kommen und Pflegeverhältnisse daran scheitern. 270<br />

Einige Aussagen in den Interviews lassen die Interpretation zu, dass die Belastungen,<br />

die durch die Übernahme eines Pflegekindes entstehen können in manchen Fällen,<br />

deutlich unterbewertet wurden. Die Belastungen werden aber zu tragen versucht, da die<br />

positiven Erlebnisse im Zusammenleben mit den Pflegekindern sie für Vieles stärkt und<br />

motiviert. Pflegeeltern gewinnen Zuversicht aus den Fortschritten und Anzeichen <strong>von</strong><br />

Stabilisierung beim Pflegekind.<br />

Das Doppelmandat der Jugendamtsozialarbeiter/innen <strong>von</strong> gleichzeitiger Hilfe- und<br />

Kontrollfunktion, die sie auch gegenüber der Pflegefamilie ausüben, lässt die<br />

traditionellen Pflegeeltern davor zurückscheuen, bei ihnen Unterstützung zu suchen.<br />

Wenn sie aber konkret Hilfe suchen, dann an erster Stelle dort bzw. wird es versucht.<br />

Wenn, ein Helfernetz zur Verfügung steht, das über die behördliche Sozialarbeit<br />

hinausgeht, wird auch darauf zurückgegriffen. Pflegeeltern fühlen sich bei der<br />

tatsächlichen Bewältigung der Probleme aber tendenziell eher auf sich und ihre<br />

Fähigkeiten alleine gestellt.<br />

Die beiden professionellen Pflegepersonen wenden sich in erster Linie an den Verein,<br />

bei dem sie angestellt sind, oder sie versuchen auftretende Probleme aus professioneller<br />

Motivation allein zu lösen, da sie sich <strong>als</strong> Profis verstehen.<br />

269 vgl. Kap. 3.2.2<br />

270 vgl. Paltinat; Warzecha (1999), S. 72f<br />

104


5.3.5 Netzwerk<br />

Im Rahmen dieser Kategorie erfolgt eine Analyse der Einbindung der Familien in<br />

außerfamiliäre, institutionelle Unterstützungssysteme und deren Nutzung in schwierigen<br />

Situationen. Die Wahrnehmung der Unterstützungsleistungen kann <strong>als</strong> eine Möglichkeit<br />

zur Burn-Out-Prophylaxe gesehen werden.<br />

Eine zusammenfassende Analyse der institutionellen Netzwerke gestaltet sich<br />

schwierig, da die interviewten Pflegeeltern aus zwei Bundesländern stammen, deren<br />

institutionelle Unterstützungsnetzwerke sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Diese<br />

müssen daher gegenüber gestellt werden.<br />

In Salzburg stehen für Pflegeeltern weniger Angebote speziell für Pflegeeltern bereit <strong>als</strong><br />

in der Steiermark (siehe auch Kap. 2.4) unabhängig da<strong>von</strong>, ob sie einen Dienstvertrag<br />

abgeschlossen haben oder nicht, was sie in den Interviews deutlich beklagt haben.<br />

Neben der Jugendamtssozialarbeit gibt es keine spezialisierte Einrichtung, die eine<br />

laufende Betreuung sicherstellt. Mit dem Eingehen eines Dienstvertrags sind sie nicht in<br />

eine Organisation eingebunden, <strong>von</strong> der sie bei ihrer Tätigkeit begleitet und fachlich<br />

beraten werden. Daraus ergibt sich der Umstand, dass sie obwohl sie sich <strong>von</strong> der<br />

finanziellen Abgeltung und Absicherung her in etwa in der Höhe der steirischen<br />

Pflegeeltern befinden, ihre subjektive Lage <strong>als</strong> nicht sehr zufriedenstellend einschätzen.<br />

Eine Pflegemutter bringt ihren Unmut auf den Punkt:<br />

In meinen Augen können sie sich die Anstellung behalten! Aber nur man bräuchte einen<br />

größeren Hilfsfaktor! 271<br />

Die Ressourcen, die da wären, sind in dem Moment, wo sie gebraucht werden, nicht<br />

verfügbar, es muss auf private Einrichtungen (z.B. zur Diagnostik <strong>von</strong><br />

Verhaltensauffälligkeiten) ausgewichen werden, deren Kosten <strong>von</strong> der Behörde nicht<br />

übernommen werden. Das System wird <strong>von</strong> den Pflegeeltern mitunter <strong>als</strong> schwerfällig<br />

und im Bedarfsfall nicht verfügbar erlebt.<br />

Ein unzureichendes institutionelles Netzwerk macht sich schmerzlich bemerkbar, wenn<br />

auch das informelle Netzwerk <strong>von</strong> Familie, etwa durch Scheidung löchrig geworden ist,<br />

wie bei einer alleinstehenden Pflegemutter, deren Pflegekind einen erhöhten<br />

271 P 1, Z. 343-344<br />

105


pflegerischen Bedarf aufweist. Die langen Sommerschulferien werden für sie so zur<br />

Belastungsprobe. Ähnlich geht es einer anderen alleinstehenden Pflegemutter:<br />

Man bekommt eben monatlich die finanzielle Unterstützung, das Pflegeelterngeld – aber<br />

sonst […] und ich kann nie krank sein, ich kann nie einen Urlaub machen – und immer<br />

wieder stellst du dir die Frage: Hältst du das aus? 272<br />

Aus diesen Gründen wurde daher auch der Selbsthilfeverein „Kinder brauchen Eltern“<br />

<strong>von</strong> Pflegeeltern gegründet, dessen Forderungen auch einen Ausbau <strong>von</strong> adäquaten und<br />

verfügbaren Hilfen zur Alltagsbewältigung und eine Ausweitung <strong>von</strong><br />

Weiterbildungsmaßnahmen umfassen. Ein besonderes Anliegen ist ihnen, dass fixe<br />

Krisenpflegefamilien ermöglicht werden, da es derzeit keine Differenzierung der<br />

Pflegeformen für solche Bedarfe gibt.<br />

...es gibt derzeit keine professionelle Schiene in diese Richtung, ja. Wenn das dann schon<br />

ältere Kinder sind, die kurzfristig untergebracht werden müssen, kennen sich die<br />

Pflegeeltern oft nicht aus bei den Traumata, die diese Kinder haben, oft haben wir solche<br />

Unterbringungen auch bei anonymen Geburten, bevor sie zu den Adoptiveltern kommen.<br />

Und das ist auch oft sehr unprofessionell, <strong>als</strong>o dann gibt es manchmal <strong>von</strong> den ersten zwei<br />

Monaten keine Fotos <strong>von</strong> den Babys und das fehlt dann für die Geschichte des Kindes, das<br />

habe ich z.B. schlimm gefunden. 273<br />

Auf die Frage, welche Unterstützung sich Pflegeeltern wünschen, wurde <strong>von</strong> den<br />

Salzburger Pflegeeltern durchwegs die Bereitstellung <strong>von</strong> vermehrten<br />

Fortbildungsmaßnahmen angeführt, die gezielt auf bestimmte, spätere<br />

Entwicklungsphasen des Pflegekindes eingehen, die bei der Grundausbildung noch<br />

nicht Thema sind. Das derzeitige Ausmaß <strong>von</strong> einer Fortbildung pro Jahr wird <strong>als</strong> nicht<br />

ausreichend gesehen und drei der Pflegepersonen finanzieren sich daher Kurse oder<br />

Seminare selbstständig.<br />

Was in beiden Bundesländern ermöglicht und geschätzt wird ist die Supervision im<br />

Gruppensetting, da sich <strong>von</strong> dort aus auch informelle Netzwerke unter den Pflegeeltern<br />

knüpfen, die im Bedarfsfall zum Tragen kommen. Die Aussagen lassen darauf<br />

schließen, dass Pflegeeltern sich untereinander austauschen möchten, da sie bei<br />

Personen, die nicht in das System Pflegekinderwesen involviert sind, zuviel<br />

Erklärungsbedarf für ihre Situation sehen und diese ihnen in weiterer Folge nicht recht<br />

weiterhelfen können. Solche Foren zum Austausch werden <strong>von</strong> Pines <strong>als</strong> „ Soziales<br />

Stützsystem, welches die Teilhaber vor einer Burn-Out- fördernden Isolation<br />

272 P 4, Z. 261-263<br />

273 E 2, Z. 36-42<br />

106


ewahrt“ 274 bezeichnet. Eine Pflegemutter schätzt wiederum gerade diese Außensicht<br />

<strong>als</strong> hilfreiche Perspektive, wenn sie vor einem komplizierten Problem mit einem<br />

Pflegekind steht. Oft relativiere sich das Problem durch die Betrachtungsweisen eine/s/r<br />

Außenstehenden.<br />

In der Steiermark steht den Pflegeeltern ein dichteres Netz an Angeboten zur<br />

Verfügung, wie eine eigene Beratungsstelle oder die Möglichkeit das ein<br />

problematischer Besuchskontakt durch Mitarbeiter/innen des Pflegeelternvereines<br />

begleitet werden. Darüber hinaus gibt es für Pflegeeltern, die einen freien Dienstvertrag<br />

mit dem Verein eingegangen sind eine zweijährige begleitende Ausbildung zur<br />

Familienpädagogin. Der Wissenserwerb und Austausch mit anderen Pflegeeltern wird<br />

<strong>als</strong> Stütze erlebt. Ihnen steht weiters eine Notrufhotline des Vereines zur Verfügung, die<br />

jederzeit angerufen werden kann, wenn Probleme auftauchen. Alle zwei bis maximal<br />

vier Wochen gibt es Kontakte wie z.B. Fallbesprechungen. Eine Pflegemutter deutet in<br />

ihren Aussagen an, dass sie ohne das vorhandene institutionelle Netzwerk, sich die<br />

Übernahme einer Pflegschaft nicht vorstellen hätte können.<br />

Derzeit in Planung befindet sich ein Entlastungsangebot für Dauerpflegeeltern, wenn sie<br />

wirklich nicht mehr weiterwissen und einfach eine Auszeit brauchen. Das Pflegekind<br />

kann dann für wenige Wochen bei einer professionellen Pflegefamilie untergebracht<br />

werden. Diese Möglichkeit der zeitweiligen Entlastung sollen Pflegeeltern annehmen<br />

können, ohne gleich befürchten zu müssen, dass das Pflegeverhältnis damit <strong>als</strong><br />

gescheitert angesehen wird. 275<br />

Die Vertreterin des Pflegeelternvereines Steiermark betonte in ihrem Interview, dass die<br />

Nutzung <strong>von</strong> Weiterbildungsangeboten bei Dauerpflegefamilien auf Freiwilligkeit<br />

basieren sollte und nicht aufgezwungen werden darf.<br />

Man kann niemanden zwingen, aber man könnte…wir überlegen auch zusammen mit der<br />

Jugendwohlfahrt im ersten Jahr der Inpflegnahme das Gruppenangebot verpflichtend zu<br />

machen. Es war schon einmal in unserem Curriculum, ist dann wieder fallen gelassen<br />

worden. Man muss auch ein gutes Augenmaß haben, was sind Pflegeeltern auch bereit auf<br />

sich zu nehmen, weil man auch nicht riskieren darf, dass es dann weniger Pflegeeltern gibt.<br />

Das muss sich die Waage halten. 276<br />

274 Pines (1993), zit. n. Paltinat; Warzecha (1999), S. 84<br />

275 vgl. E 1, Z. 597-602<br />

276 E 1, Z. 275-280<br />

107


Bei Pflegeeltern, die ein Dienstverhältnis mit dem Verein eingegangen sind, haben<br />

diese Unterstützungssysteme eine andere Funktion, sie sind Teil der<br />

Dienstverpflichtung, sie dienen der Qualitätssicherung, und die Wahrnehmung dieser<br />

Angebote muss auf Grund des Arbeitsvertrages erbracht werden.<br />

In Oberösterreich, wo angestellte Pflegeeltern den Status „echter“ Dienstnehmer/innen<br />

einnehmen, kommt das Instrument des Mitarbeiter/innengesprächs zum Einsatz:<br />

Da steht nur die angestellte Pflegemutter oder –vater im Mittelpunkt. Wie es ihr geht mit<br />

der Aufgabenstellung, was die Schwierigkeiten sind, welche Ressourcen sie oder er nutzen<br />

kann. Also das ist das Thema des Mitarbeitergespräches. Außerdem haben wir<br />

Qualitätskriterien erarbeitet – was uns wichtig erscheint für eine Pflegemutter oder einen<br />

Pflegevater. Und da kann auch die Person für sich selbst überprüfen und kriegt<br />

Rückmeldungen <strong>von</strong> der Sozialarbeiterin zu dem, wie sie wahrgenommen wird in ihrer<br />

Aufgabe. 277<br />

Die Konzepte <strong>von</strong> Supervision, Weiterbildung, Mitarbeiter/innen/gesprächen und der<br />

Verlaufsgespräche mit der Jugendwohlfahrt sollen in ihrem Zusammenwirken eine<br />

qualitätsvolle Arbeit sicherstellen.<br />

Das informelle Netzwerk, das für Pflegepersonen bereitsteht umfasst meist die engsten<br />

Familienmitglieder und Lebenspartner/innen, die Rückhalt geben; in den Interviews<br />

wurde nämlich auch deutlich, dass die Erziehung des Pflegekindes, unabhängig da<strong>von</strong>,<br />

ob die Pflegeperson angestellt ist oder nicht, hauptsächlich Aufgabe der Frauen ist.<br />

Andere Kinder im Familienverband werden ebenfalls <strong>als</strong> Stütze gesehen, wobei den<br />

Pflegeeltern durchwegs bewusst ist, dass <strong>von</strong> diesen viel verlangt wird, gerade in der<br />

Phase der Übernahme eines Pflegekindes.<br />

5.3.6 Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter/innen/n der<br />

Jugendwohlfahrt<br />

Auch diese Kategorie wurde erst nachträglich dem Auswertungsschema angefügt, nach<br />

diesem Aspekt wurde im Interview nicht ausdrücklich gefragt. Interessant an dieser<br />

Kategorie ist, dass sich die professionellen Pflegemütter im Bezug auf die<br />

Zusammenarbeit mit Jugendamtssozialarbeiter/innen/n in sehr geringem Ausmaß und<br />

weniger emotional äußerten. Die Kooperation mit dem Verein bzw. mit der Psychologin<br />

277 E 4, Z. 143-151<br />

108


stand für sie im Vordergrund. Daher beziehen sich die folgenden Zeilen auf die<br />

traditionellen Pflegeeltern.<br />

Die Beziehung der Pflegefamilien zu den Sozialarbeiter/n/innen des Jugendamtes ist<br />

<strong>von</strong> Ambivalenzen geprägt, was sich an den widersprüchlichen Aussagen der<br />

Pflegeeltern zeigt. Das Bild, das <strong>von</strong> der Institution Jugendamt gezeichnet wird, stellt<br />

ein System dar, das überlastet ist, Verantwortung abgeben möchte und über wenig Zeit<br />

verfügt. Die andere Darstellung zeigt es <strong>als</strong> starken Partner, wenn es zu Konflikten mit<br />

dem Herkunftssystem der Pflegekinder kommt und <strong>als</strong> durchaus offen für Anregungen<br />

und Bedürfnisse der Pflegeeltern.<br />

Eine spezielle Ausgangslage entsteht dadurch, dass das Jugendamt gegenüber der<br />

Pflegefamilie, mit der Erfüllung unterschiedlicher Funktionen befasst ist. Es gewährt<br />

Leistungen, oder lehnt Kostenübernahmen ab, es hat Aufsichtsfunktion und bietet auch<br />

beratende und unterstützende Angebote. Aus dieser Kombination heraus können<br />

Konflikte entstehen. Die bei der Behörde zuständigen Fachleute sind durch ihre<br />

Beziehungsgestaltung mitverantwortlich dafür, ob Pflegeeltern sich in einer starken oder<br />

eher schwachen Position verhaftet sehen.<br />

Zu Beginn des Pflegeverhältnisses scheint die Betreuung ausreichend zu sein, jedoch<br />

nehmen die Kontakte danach sehr schnell ab und beschränkt sich bei den<br />

Dauerpflegefamilien auf die jährlichen Hausbesuche zur Pflegeaufsicht.<br />

Die Zusammenarbeit und Betreuung durch die Mitarbeiter/innen der Jugendwohlfahrt in<br />

Belastungssituationen wird <strong>von</strong> den Pflegeeltern sehr unterschiedlich empfunden,<br />

Hilfestellung erfolgt zwar meistens, aber oft erst nach mehrmaligen Anläufen der<br />

Pflegeeltern.<br />

Ich hab dann versucht, das dem Jugendamt zu sagen – aber da kann man nichts machen.<br />

[…] ich hab schon vorher Vieles auch dem Jugendamt zu sagen versucht, aber die haben<br />

mich nicht angehört. 278<br />

Die Betreuung durch die Jugendwohlfahrt liegt grundsätzlich im Ermessen der<br />

zuständigen Sozialarbeiter/innen des Jugendamtes. Die traditionellen Pflegeeltern<br />

betonen, wie wichtig ist, dass man mit „seine/r/m Sozialarbeiter/in“ gut auskommt.<br />

278 P 3, Z. 95-96; 106-107<br />

109


Die therapeutischen Vorschläge, die ich dem Jugendamt mache, werden auch meistens<br />

angenommen und auch bezahlt. Und das erlebe ich auch <strong>als</strong> Stütze, dass ich da nicht lange<br />

verhandeln muss und mir dabei groß <strong>als</strong> Bittsteller vorkomme. Das bespreche ich mit<br />

meinem Sozialarbeiter und dann sagt er ja und dann krieg ich das innerhalb kürzester Zeit<br />

vergütet. 279<br />

Das Spektrum der Aussagen bezüglich der Betreuungsqualität durch die behördlichen<br />

Sozialarbeiter/innen war daher weit gefächert <strong>von</strong> sehr gut, bis nicht vorhanden.<br />

Es kommt immer wieder zu Situationen, die in Familien auftreten, die <strong>von</strong> den<br />

Sprengelsozialarbeiter/n/innen nicht im <strong>von</strong> Pflegeeltern gewünschten Ausmaß<br />

abgedeckt werden konnten, da diese über knappe Zeitbudgets verfügen.<br />

Vielfach wird das Verhältnis zum Jugendamt <strong>als</strong> ein Abhängigkeitsverhältnis gesehen,<br />

wie es z.B. bei Entscheidungen für Kostenübernahmen für Behandlungen,<br />

Musikschulbesuch, oder die Ausstellung eines Passes für eine Urlaubsreise mit den<br />

Pflegekindern illustriert wird. Bei letztgenannter Angelegenheit wurden einem<br />

Pflegeelternpaar die eingeschränkten Elternbefugnisse besonders deutlich.<br />

Statusaspekte im Verhältnis Jugendamt – Pflegefamilie wurden bei einem Interview<br />

ebenfalls offensichtlich, diese wurden in der Kategorie Wahrnehmung <strong>als</strong> Pflegeperson<br />

erfasst.<br />

5.3.7 Wahrnehmung <strong>als</strong> Pflegeperson<br />

In dieser Kategorie wird die Wahrnehmung der pflegeelterlichen Tätigkeit auf zwei<br />

Ebenen betrachtet: Der Ebene der Fremdwahrnehmung durch Umfeld oder<br />

Partner/innen im System Pflegeverhältnis und der Ebene der Selbstwahrnehmung der<br />

Pflegeeltern.<br />

Neben den direkten Akteur/innen/en des Pflegeverhältnisses zählen Freund/innen/e,<br />

Bekannte und Nachbarschaft zum bestimmenden Umfeld des Pflegeverhältnisses.<br />

Das Akzeptieren, das argwöhnische Betrachten, oder auch das Missbilligen der<br />

Übernahme einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> ist für die Pflegeeltern direkt aus den Reaktionen<br />

des sozialen Umfeldes erkennbar. Zum einen wird das Aufnehmen fremder Kinder mit<br />

,,Liebe“ oder ,,Selbstlosigkeit“ erklärt und nötigt Bewunderung vom Umfeld ab, weil<br />

die Pflegeeltern sich das „antun“.<br />

279 P 5, Z. 131-135<br />

110


…<strong>als</strong> Pflegeeltern hast einen ganz anderen Status, du stehst da auf einem Stockerl oben,<br />

weil du was Gutes tust. 280<br />

Daneben wird z.B. <strong>von</strong> Nachbar/innen/n kritisch begutachtet, was sich im Haushalt<br />

abspielt, wenn womöglich immer wieder verschiedene Kinder dort sind. Häufig<br />

wechselnde Pflegekinder bei Pflegefamilien, die Kurzzeitunterbringung anbieten,<br />

bringen die Pflegeeltern in Erklärungsnotstand bei Nachbarschaft und Verwandtschaft.<br />

Eine Pflegemutter berichtet da<strong>von</strong>, dass sich Personen aus ihrem Umfeld distanzieren,<br />

weil die leiblichen Eltern der untergebrachten Kinder auch häufig vor Ort sind, bei<br />

denen es sich z.B. um Personen aus dem Rotlichtmilieu handelt. Sie wurde bereits vom<br />

Bürgermeister des Ortes darauf hingewiesen, dass ihre Tätigkeit „nicht gut ankommt“.<br />

Einen Pflegevater stört es, wie unsensibel das Umfeld reagiert, dass man sich immer<br />

wieder erklären und rechtfertigen muss, obwohl die Kinder schon seit Jahren in der<br />

Familie sind.<br />

Das Umfeld richtet auch Erwartungen an die Pflegeeltern für die Erziehung und die<br />

Integration der Pflegekinder. Pflegeeltern fühlen sich daher <strong>von</strong> ihrer Umgebung<br />

beobachtet bei ihrem Tun und stärkerer Kontrolle ausgesetzt. So schildert eine<br />

professionelle Pflegemutter, dass sie darauf angesprochen werde, wenn nicht alle ihre<br />

Kinder (Pflegekinder und leibliche Kinder) genau dieselbe Ausstattung für die Schule<br />

haben. Schnell werde eine Ungleichbehandlung der Kinder vermutet:<br />

…da wird wirklich sehr genau und anders darauf geschaut! Ist die ordentlich hergerichtet?<br />

Hat sie alles? Und das sind so Sachen, wenn du das nicht begründen kannst, dann, …[…]<br />

du bist sofort in dem drinnen. „Typisch Pflegekind- hat halt eine zu kurze Hose an…aber<br />

ich denk mir, das ist die Gefahr man muss da so aufpassen [mit Nachdruck] und eine<br />

Pflegefamilie hat einen negativen Beigeschmack! 281<br />

Auch der Umstand, dass Pflegeeltern für den Aufwand eines Pflegekindes finanziell<br />

entschädigt werden, bedingt eine erhöhte Aufmerksamkeit. Pflegeeltern leiden unter der<br />

Zuschreibung, sie würden sich an den Kindern bereichern. Dies äußert sich auch in der<br />

Befürchtung, dass die Inhalte einer beruflichen Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegeperson nicht erkannt<br />

werden vom Umfeld und man Angriffsfläche wird:<br />

280 P 3, Z. 178-181<br />

281 P 6, Z. 394- 403<br />

111


Aber manche werden sagen: Ja, die sitzt den ganzen Tag daheim und lässt sich vom<br />

Sozialamt aushalten, nur dafür, dass sie einen Buben hat, der eh nicht anders ist <strong>als</strong><br />

unserer. 282<br />

Für die negativ eingefärbte Sicht <strong>von</strong> außen auf die Pflegefamilie wird auch das<br />

Nachwirken alter Bilder <strong>von</strong> Pflegefamilien in den Köpfen der Menschen<br />

verantwortlich gemacht, und dass sich ein hartnäckig festgefügtes Bild eben schwer<br />

revidieren lässt. Pflegeeltern sollten daher darauf vorbereitet werden, den Reaktionen<br />

des Umfeldes gefestigt begegnen zu können.<br />

In der Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiter/n/innen vom Jugendamt fühlen sich zwei<br />

Pflegemütter nicht <strong>als</strong> Partnerinnen wahrgenommen, nicht für voll genommen:<br />

Ja und überhaupt <strong>als</strong> Pflegemutter ist man ja, letztes Mal haben sie glaube ich gesagt: „ein<br />

Instrument“ das gebraucht wird!! Das habe ich noch nie gehört! Ja aber das ist einfach so.<br />

Wir haben keine Ausbildungen, nur diese kleine Grundausbildung – aber das heißt ja noch<br />

gar nichts. 283<br />

Eine professionelle Pflegemutter, die selbst eine ähnliche Erfahrung gemacht hat sieht<br />

dies aber auch sehr selbstkritisch. Eine Aufwertung der Tätigkeit kann ihrer Meinung<br />

nach nur durch das Aufzeigen <strong>von</strong> Kompetenz und durch gute Zusammenarbeit erreicht<br />

werden:<br />

Der Sozialarbeiter hat dann zu mir am Schluss gesagt: „Es tut mir leid, dass ich so reagiert<br />

habe, aber ich bin es gewohnt, dass die meisten Pflegeeltern nicht wirklich etwas Gutes<br />

beitragen zu den Gesprächen“ Und ich finde, da hat er nicht unrecht. Ich will jetzt nicht<br />

sagen alle, aber es gibt sehr viele, wo ich sage, ja die sind lieb zu den Kindern, aber die<br />

haben einfach keine fachliche Kompetenz. Und ich glaub, dass das der Punkt ist, wieso die<br />

Anerkennung nicht sehr hoch ist. 284<br />

Wenn Pflegeeltern die Möglichkeiten wahrnehmen sich weiterzuqualifizieren und<br />

kontinuierlich in diesem Bereich tätig sind, schlägt sich das auch auf die Wahrnehmung<br />

durch Systempartner/innen/n nieder:<br />

…wir fragen natürlich auch unsere Kooperationspartner bei der Jugendwohlfahrt und hören<br />

da schon auch, dass sich das durchaus sehr positiv auswirkt. Dass sie erstaunt sind, auch die<br />

Sozialarbeiter <strong>von</strong> der Jugendwohlfahrt, welches Wissen die Pflegeeltern sich im Laufe der<br />

Zeit aneignen. 285<br />

Die Selbstwahrnehmung der Eltern ist generell positiver. Sie sehen sich <strong>als</strong><br />

Begleiter/innen der Kinder, für ein bestimmtes Stück des Weges.<br />

282 P 4, Z. 337-339<br />

283 P 7, Z. 113-116<br />

284 P 6, Z. 371-375<br />

285 E 4, Z. 188-191<br />

112


Auf die Frage, ob sie ihre Tätigkeit auch <strong>als</strong> Dienstleistung an der Allgemeinheit<br />

verstehen, wurde zustimmend geantwortet, bis auf eine heftige ablehnende Reaktion<br />

einer traditionellen Pflegemutter.<br />

Nein, überhaupt nicht! Keine Spur da<strong>von</strong>, es geht um das einzelne Kind, mir geht es darum,<br />

dass ich es gerne tue, dass es mir Spaß und Freude macht. Ich mache es auch für mich<br />

selber, weil es mir einfach taugt zu sehen, wie sie sich entwickeln. 286<br />

Man sagt ja zu einem Pflegekind. Aber alle anderen Geschichten dazu ist schon ein Auftrag<br />

fürs Land, <strong>als</strong>o für den Staat. Weil gehören tun sie uns eh nicht 287<br />

Die professionellen Pflegemütter nehmen sich auch in der Zusammenarbeit mit<br />

den Sozialarbeiter/innen/n der Behörde oder des Vereines <strong>als</strong> gefestigt und<br />

anerkannt wahr, eine Pflegemutter empfindet es vor allem dadurch, dass sie sich<br />

in der „Sprache“ der Psycholog/innen/en und Sozialarbeiter/innen verständlich<br />

machen kann.<br />

…ich rede jetzt nur <strong>von</strong> den Mitarbeitern vom Verein, da fühl ich mich oft gleichwertig, oft<br />

auch, das muss ich dazu sagen auch eine Stufe höher gestellt, das darf ich zwar nicht, aber<br />

es ist so. Weil ich sage, ich habe die lange Erfahrung… 288<br />

Bei den Pflegeeltern selbst ist das Bewusstsein, eine wichtige Aufgabe in der<br />

öffentlichen Jugendhilfe zu erfüllen, unterschiedlich entwickelt. Den Pflegeeltern ist<br />

aber bewusst, dass sie mit ihrer Arbeit die Öffentlichkeit entlasten.<br />

5.3.8 Absicherung<br />

In dieser Kategorie werden Aussagen zur finanziellen und<br />

sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Pflegeeltern gesammelt.<br />

Finanzielle Belastungen für Pflegefamilien entstehen zum Großteil durch die Kosten,<br />

die durch Therapie für die Pflegekinder anfallen, z.B. Ergotherapie, Heilpädagogisches<br />

Voltigieren etc. Die Rechnungen müssen mitunter <strong>von</strong> der Pflegefamilie vorfinanziert<br />

werden, danach kann ein Ansuchen auf Kostenersatz gestellt werden. Es wird<br />

unterschiedlich entschieden, ob Leistungen genehmigt werden oder nicht. Eine<br />

Pflegemutter berichtet <strong>von</strong> Ausständen in der Höhe <strong>von</strong> € 10.000 für Therapiestunden<br />

ihres Pflegekindes. In der Regel werden diese Anträge aber im Vorhinein gestellt.<br />

286 P 3. Z. 297-299<br />

287 E 3, Z. 591-593<br />

288 P 7, Z. 189-192<br />

113


Bei Kurzzeitpflegefamilien fallen Kosten für die Ausstattung mit Kleidern und Möbel<br />

für die Pflegekinder an:<br />

…und ich kann auch schon bald nicht mehr zählen, wie viele Betten ich schon gekauft habe<br />

in diesen 7 Jahren. Es kommen Kinder, die <strong>als</strong> erstes was sie machen, das Zimmer<br />

zertrümmern. Man hat dermaßen hohe Ausgaben, was hin und wieder dann nicht einmal<br />

gedeckt ist. Wo ich sage, du schaust dann wirklich manchmal durch die Finger, weil du<br />

überhaupt kein Geld mehr hast, weil du so viel investieren musst. 289<br />

Die meisten Pflegeeltern mit Dienstvertrag erhalten ein Einkommen für ihre<br />

Erziehungsleistungen, das knapp über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Die Konzepte<br />

sehen mit dem Gehalt eine sozialversicherungsrechtliche Grundabsicherung durch<br />

Kranken- und Pensionsversicherung vor - in Oberösterreich inkludiert sie auch<br />

Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge zur Pensionsversicherung führen höchstens zu<br />

einer Mindestpension. Das Gehalt ist ausdrücklich nicht <strong>als</strong> (alleinige) Lebensgrundlage<br />

gedacht. Dadurch würde ein verstärkter Erfolgsdruck auf den Pflegeeltern lasten. Mit<br />

dem Scheitern <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen wären auch erhebliche wirtschaftliche Folgen<br />

verknüpft. Das Pflegekind bekommt eine zusätzliche Funktion in der Pflegefamilie. Ein<br />

Abhängigkeitsverhältnis zur Vermittlung <strong>von</strong> Kindern durch die Behörde kann<br />

entstehen. Eine Pflegemutter äußert die Bedenken, dass Pflegeeltern so Kinder<br />

aufnehmen, die <strong>von</strong> ihren Bedürfnissen her nicht mit dem Profil der Pflegefamilie<br />

zusammenpassen, weil sie ansonsten finanziell unter Druck geraten könnten.<br />

Gleichzeitig äußern alle Interviewpartner/innen, dass die Absicherung für Pflegeeltern<br />

derzeit unzureichend und dringend notwendig ist. Bei den traditionellen Pflegeeltern<br />

kommt die Haltung zum Ausdruck, dass eine bessere Vergütung generell befürwortet<br />

wird, aber für die eigene familiäre Situation nicht unbedingt erforderlich ist.<br />

Anders die professionellen und alleinstehenden Pflegemütter, sie fühlen sich nicht gut<br />

abgesichert und entlohnt.<br />

Die Ausrichtung der derzeitigen Modelle ist eindeutig auf Pflegeelternpaare<br />

zugeschnitten. Alleinstehende Frauen, die <strong>als</strong> Pflegemutter arbeiten, wie zwei meiner<br />

Interviewpartnerinnen sind daher in einer finanziell prekären Situation. Beide haben<br />

Pflegekinder mit erhöhtem betreuerischen Bedarf, was es ihnen nicht ermöglicht einer<br />

regelmäßigen außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie stehen so finanziell<br />

unter Druck.<br />

289 P 7, Z. 289-294<br />

114


Sowieso sollte es eine richtige Absicherung sein. Ja – weil man arbeitet ja auch ein ganzes<br />

Leben lang und mehr oft <strong>als</strong> jemand mit 40 Stunden pro Woche, ja klar, das kann man<br />

überhaupt nicht vergleichen […] für mich ist das unbezahlbar! […] Ich möchte ein<br />

ordentliches Einkommen. Nicht ein „Pseudoeinkommen“! Genau ich arbeite Tag und Nacht<br />

und ich lass es mir nicht gefallen, dass man es in irgendeinen Stundenbereich einordnet –<br />

ich möchte einfach ein ordentliches Einkommen dafür. 290<br />

Die Pflegepersonen sprechen auch die grundsätzliche Frage nach dem Wert der<br />

Erziehungsarbeit in Familien und die Arbeit <strong>von</strong> Hausfrauen generell an.<br />

wenn man Geld verdient dafür, dass man <strong>als</strong> Mutter arbeitet – das gefällt mir schon einmal<br />

sehr gut. Und was es heißt <strong>als</strong> Mutter zu arbeiten, das müsste man glaube ich allen Müttern<br />

noch mal klar machen, das ist in unserer Gesellschaft einfach verloren gegangen. Also was<br />

<strong>von</strong> den Müttern geleistet wird. JA! Das würde eine Anstellung verdienen! Von meiner<br />

Sicht aus – auf jeden Fall! 291<br />

5.3.9 Verberuflichung<br />

Diese Kategorie umfasst mehrere Unterkategorien: <strong>Beruf</strong>liche Tätigkeit und Einstellung<br />

zum <strong>Beruf</strong> Pflegemutter, Handlungsmuster, berufliche Zukunftsperspektive.<br />

Alle Pflegemütter haben eine <strong>Beruf</strong>sausbildung absolviert und waren vor der<br />

Übernahme eines Pflegekindes über mehrere Jahre hinweg erwerbstätig. Die<br />

interviewten Pflegemütter sind es <strong>als</strong>o gewohnt berufstätig zu sein und schätzen die<br />

damit einhergehenden Erfahrungen, wie das Eingebundensein in ein Team <strong>von</strong><br />

Arbeitskolleg/en/innen, finanzielle Unabhängigkeit und Erfolgeserlebnisse. Zwei<br />

Pflegemütter haben eine Grundqualifikation im sozialen Bereich, diese beiden sind auch<br />

ein Dienstverhältnis eingegangen und haben <strong>als</strong> Motivation für die <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />

ein berufliches Interesse angegeben. Die übrigen Interviewpartner/innen übten bzw.<br />

üben einen <strong>Beruf</strong> in anderen Sparten aus. Eine Pflegemutter, die nach zehn Jahren<br />

kürzlich wieder halbtags in ihren erlernten <strong>Beruf</strong> zurückgekehrt ist, schildert ihr<br />

Verhältnis zur beruflichen Tätigkeit so:<br />

Und ich hab das Gefühl, ich bin die ausgeglichenere, bessere Mutter <strong>als</strong> zuvor, wo ich nicht<br />

gearbeitet habe. Einfach, weil es mir besser geht. Und ich weiß nicht, ob ich das <strong>als</strong><br />

Pflegemutter <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>, ob es das auch so geändert hätte. 292<br />

Bei dieser Pflegemutter war die Motivation zur <strong>Pflegeelternschaft</strong> im unerfüllten<br />

Kinderwunsch begründet.<br />

290 P 5, Z. 204-207; Z. 211-213<br />

291 P 3, Z. 186-191<br />

292 P 2, Z. 431-433<br />

115


Die Einteilung mit der die Arbeit <strong>von</strong> Müttern traditionell verknüpft war, nämlich, dass<br />

es keine Arbeit sei, findet sich in den Äußerungen der Pflegeeltern nirgends, im<br />

Gegenteil, die Pflegepersonen sind sich sehr bewusst, was geleistet wird.<br />

Die Leistungen werden durchwegs <strong>als</strong> Arbeit wahrgenommen, aber nur <strong>von</strong> einem Teil<br />

der Mütter <strong>als</strong> berufliche Arbeit.<br />

Eine besonders prägnante Aussage <strong>von</strong> einer traditionellen Pflegemutter, deutet darauf<br />

hin, dass sie es nicht <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit betrachten möchte, weil sie es ja gern tut.<br />

Damit ist die Annahme impliziert, dass Personen, die beruflich Pflegemütter oder<br />

Pflegeväter sind, es nicht gern tun bzw., dass Arbeit in erster Linie mit Mühe und<br />

Anstrengung verbunden wird.<br />

Es kommt immer darauf an, ob man das <strong>als</strong> Arbeit sieht oder ob man es gern tut. 293<br />

Die Perspektive auf den <strong>Beruf</strong> Pflegeperson ändert sich jeweils im Zusammenhang mit<br />

Pflegeform und Betreuungsbedarf der Pflegekinder.<br />

Da macht es Sinn die Anstellung, weil man dann sagt, ja ich mache das und auch in dieser<br />

Qualität, bin Partner vom Jugendamt und die wissen dann ja auch: Ja diese Familie, da geht<br />

es ganz gut mit den Babys und eine andere kann gut mit älteren Kindern so <strong>von</strong> 5 bis 10<br />

Jahren, einfach <strong>als</strong> Ansprechpartner auch für das Jugendamt, damit sie dort untergebracht<br />

werden können, wenn es notwendig ist. 294<br />

Aber was anderes ist es bei der Dauerpflege, finde ich, das hat für mich einen ganz anderen<br />

Aspekt. Das sind Leute, die meinen, sie können es sich gut vorstellen, dass noch ein Kind<br />

bei Ihnen lebt, da geht es nicht um Elternarbeit oder sonst irgendwas, sondern nur darum,<br />

dass ein Kind bei Ihnen lebt. Und da sehe ich es nicht so. 295<br />

Für Personen, die <strong>Pflegeelternschaft</strong> (auch) aus einer beruflichen Orientierung heraus<br />

ausüben, sind Themen wie Einbindung in eine Organisation <strong>Beruf</strong>sbild, angemessene<br />

Bezahlung, Rechte und Pflichten <strong>als</strong> Arbeitnehmer/in wichtige Materien, mit denen sich<br />

auseinandergesetzt wird.<br />

Der berufliche Hintergrund dass ich Supervisionen habe, dass ich dort dazu gehöre, dass ich<br />

dort hin gehen kann – ohne das würde ich das nicht machen. 296<br />

Bei Formen der zeitweiligen Unterbringung sind die Funktion, die die<br />

Pflegeperson ausübt und ihre Ziele transparent.<br />

293 P 1, Z. 326-327<br />

294 P 2, Z. 518-524<br />

295 P 6, Z. 275-279<br />

296 P 7, Z. 23-25<br />

116


Ich sehe es <strong>als</strong> meinen <strong>Beruf</strong> an, Ja und die meisten sagen dann, sie könnten die Kinder<br />

nicht mehr hergeben. Und ich sage dann aber immer: Naja - aber die Eltern sind für mich<br />

präsent - sind ja ständig da! […]<br />

Für mich war das klar, das ist mein <strong>Beruf</strong>, die Kinder sind in dieser Zeit da, ich sehe mich<br />

da <strong>als</strong> kleines Kinderhotel, da geht es ihnen gut, ich schaue das Pflege und Erziehung passt<br />

– das war für mich klar. 297<br />

Für Personen, deren Motivation gänzlich auf das Kind bezogen war, sind viele dieser<br />

Aspekte zweit und drittrangig, jedoch ist auch für sie eine soziale Absicherung Thema.<br />

Für sie ist es aber genauso wichtig, auf ein Netzwerk zur Unterstützung zurückgreifen<br />

zu können, das bereit- und zur Verfügung steht, wenn schwierige Situationen mit dem<br />

Pflegekind oder seinen leiblichen Eltern auftreten. Auch ohne dass dafür zwingend ein<br />

Dienstverhältnis eingegangen werden muss.<br />

Als Indikatoren für die Annäherung an ein berufliches Verständnis im Handeln der<br />

Pflegepersonen können die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Reflexion und induktives<br />

Vorgehen identifiziert werden.<br />

Der Habitus einer Pflegeperson mit beruflicher Orientierung zeichnet sich nach<br />

Pasquale weiters durch umfassendes Kindheitsmanagement, Selbstreflexion, Flexibilität<br />

und autonome Selbstdefinition - d.h. die Pflegeperson nimmt auch ihre Bedürfnisse und<br />

Interessen wahr - aus. Zum professionellen Habitus gehören Respekt vor der<br />

Persönlichkeit des Kindes und ein Bewusstsein über die Grenzen der erzieherischen<br />

Interventionen. 298<br />

Besonders der zuweilen notwendige distanziertere Blick auf die<br />

Tätigkeit und das Verhalten des Pflegekindes wird in den Interviews <strong>von</strong> beiden<br />

Gruppen angesprochen:<br />

Da distanziere ich mich, weil ich sage, das ist meine Arbeit, das ist mein Job, ich bin für das<br />

Kind da. 299<br />

Gerade wenn ich mich mal richtig ärgere, dann sage ich mir: Das ist mein <strong>Beruf</strong>! Wenn es<br />

wirklich mal brennt und dann komme ich voll schnell wieder runter. Das hat nichts mit<br />

Bezahlung zu tun. 300<br />

Von professionellen Pflegepersonen werden das Einhalten gewisser<br />

Dienstverpflichtungen und eine verstärkte reflexive Auseinandersetzung mit ihrer<br />

Aufgabe vom Dienstgeber gefordert. Die Expertin aus Oberösterreich gibt an, dass auf<br />

297 P 7; 201-202; 205-208<br />

298 vgl. Pasquale (1998), S. 271<br />

299 P 7, Z. 137<br />

300 P 3, Z. 281-283<br />

117


eine klare Trennung zwischen Beratungsgesprächen, und dienstlichen Besprechungen<br />

Wert gelegt wird, daher werden diese Gespräche <strong>von</strong> verschiedenen Personen<br />

durchgeführt. Damit soll vermieden werden, dass eventuelle Schwierigkeiten, die mit<br />

der Dienstverpflichtung zusammenhängen (Urlaub etc.) die Beratungsgespräche, in<br />

denen es um das Pflegeverhältnis geht, überlagern. Sie kann <strong>von</strong> Äußerungen der<br />

Pflegeeltern berichten, wonach es zwar immer wieder schwierige Phasen in den<br />

Pflegeverhältnissen gibt, diese aber durch die offensive Auseinandersetzung mit ihnen<br />

und die Begleitung gut bewältigt werden.<br />

Durch die Einbindung vieler Pflegeeltern in den Verein <strong>als</strong> Angestellte kommt es auch<br />

zu erweiterten Formen <strong>von</strong> Zusammenschlüsse und der Entfaltung eines<br />

„Zusammengehörigkeitsgefühls“. In Anlehnung an das vorgestellte Schema <strong>von</strong><br />

Verberuflichung <strong>von</strong> Hartmann kann man dies auch <strong>als</strong> eine Weiterentwicklung in der<br />

Dimension der Vergesellschaftung deuten. Beispiele dafür sind das Einbinden der<br />

Pflegeeltern in den Betriebsrat, der eine institutionalisierte Form der Vertretung der<br />

Rechte der angestellten Pflegeeltern im Verein darstellt. Oder aber die Ideenwerkstatt<br />

<strong>von</strong> Pflegeeltern, wo sich regelmäßig interessierte Pflegeeltern zusammenfinden um<br />

sich auszutauschen und an Projekten, wie der Ausformulierung eines <strong>Beruf</strong>sbildes<br />

„Pflegemutter/Pflegevater“ zu arbeiten.<br />

Die Expert/inn/en stimmen darin überein, dass die Basis für eine berufliche Tätigkeit <strong>als</strong><br />

Pflegeperson immer das persönliche umfassende Engagement am Wohlergehen des<br />

Pflegekindes sein kann. Eine rein beruflich orientierte Haltung und bloße<br />

Erwerbsabsicht können nicht Grundlage für die Übernahme dieser Rolle sein:<br />

Das muss ich ganz ehrlich sagen, wenn’s z.B. so wäre, dass man vom AMS Leute geschickt<br />

bekommt- so soll es ja laufen im Pflegehelferbereich, so werden viele Arbeitslose in diesen<br />

Bereich transportiert. – Und so was kann ich mir für Pflegeeltern ganz schwer vorstellen.<br />

Bei uns ist das ja auch bei denn Tagesmüttern so, die dann auch nicht glücklich sind, die<br />

müssen auch die Leute nehmen, aber da geht’s vielleicht noch, aber ob das für Pflegeeltern<br />

die richtige Schiene wäre, das ist die Frage […] da ist wirklich viel, viel mehr dahinter <strong>als</strong><br />

bloß Arbeitsplatzbeschaffung, wenn ein Kind in die Familie integriert wird. 301<br />

Bei der erstmaligen Einführung <strong>von</strong> Dienstverhältnissen wurde <strong>von</strong> einer Expertin eine<br />

Überlagerung der kindbezogenen Themen <strong>von</strong> arbeits- und dienstrechtlichen Belangen<br />

beobachtet, was man nicht beabsichtigt hatte. Die Bedürfnisse des Kindes sind in den<br />

Hintergrund getreten. Diese Entwicklung fand man nicht optimal. Für eine große<br />

301 E 1, Z. 322-328<br />

118


Gruppe <strong>von</strong> Pflegeeltern kommt eine verberuflichte Form <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />

grundsätzlich nicht in Frage:<br />

Viele wollen es gar nicht, die sagen, dass mag ich gar nicht, wobei viele eigentlich nur<br />

Angst haben, dass es dann die Freiwilligkeit und das Gute, <strong>als</strong>o den sozialen Charakter<br />

verliert dabei. 302<br />

Die Pflegemütter machten auch Angaben zu ihrer beruflichen Zukunftsperspektive. Die<br />

professionellen Pflegepersonen sehen sie weiterhin im Sozialbereich, die andere Gruppe<br />

möchte wieder bzw. ist in ihren ursprünglichen <strong>Beruf</strong> zurückgekehrt.<br />

Und wer weiß was ich noch einmal mache mit diesem <strong>Beruf</strong>. Jetzt sind meine Kinder klein,<br />

jetzt will ich daheim bleiben, wie lange ich das mache <strong>als</strong> Pflegemutter weiß ich ja selber<br />

noch nicht. 303<br />

Deswegen sage ich auch, man kann diese Tätigkeit nicht ewig machen. Das ist sicher ein<br />

wichtiger Punkt. […] man kriegt irgendwann die Routine und das ist gerade im<br />

Sozialbereich ganz schlecht und vor allem, man muss auf sich selber schauen! Man muss<br />

sowieso sehr auf sich schauen in dem Bereich, nur sehr viel kann man es eben nicht. 304<br />

Beide Gruppen wünschen sich, dass die erworbenen Qualifikationen für sie nutzbar<br />

gemacht werden können durch Zertifizierung, um sie nachweisen zu können, oder <strong>als</strong><br />

Anrechnung, falls sie eine weitere Ausbildung im Sozialbereich anstreben.<br />

5.3.10 Anerkennung<br />

Die Frage wie Pflegeeltern Anerkennung erfahren für das, was sie in ihrer Funktion tun,<br />

war Ausgangspunkt für Aussagen, die in dieser Kategorie zusammengefasst wurden.<br />

In erster Linie deuten die Ausführungen darauf, dass die größte Anerkennung in der<br />

entstehenden Beziehung zum Pflegekind gesehen wird. Die Pflegemütter erfahren<br />

Anerkennung über die positiven Reaktionen <strong>von</strong> den Menschen, mit denen sie<br />

zusammenarbeiten, hier werden Herkunftseltern und Sozialarbeiter/innen explizit<br />

genannt. Situationen, in denen diese Anerkennung angesprochen wurde, bleiben<br />

besonders in Erinnerung. Eine professionelle Pflegemutter nennt die Bezahlung <strong>als</strong><br />

Form der Anerkennung, die ihr entgegengebracht wird.<br />

Interessant sind die widersprüchlichen Aussagen einer traditionellen Pflegemutter, sie<br />

möchte zunächst keine Anerkennung:<br />

302 E 1, Z. 143-147<br />

303 P 7, Z. 297-300<br />

304 P 6, Z. 66-68; 72-75<br />

119


Das will ich gar nicht! Wieso soll ich da eine Anerkennung haben wollen. [starke<br />

Ablehnung] Ich tu es weil es mir Spaß macht und es mir taugt und eine Herausforderung<br />

ist. […] Nein ich möchte nicht <strong>von</strong> irgendjemand Anerkennung dafür. 305<br />

Im nächsten Absatz erwähnt sie aber ihren Wunsch nach Anerkennung durch die<br />

Pflegekinder.<br />

Die entlohnte Pflegemutter, die nach ihrem Selbstkonzept dem berufsorientierten Typ<br />

zuzuordnen ist, sieht sich <strong>von</strong> niemandem anerkannt. Ihre Aussagen waren durchgängig<br />

pessimistischer und nüchterner <strong>als</strong> die der übrigen Gesprächspartner/innen.<br />

Ich glaube das gibt es gar nicht, sowie man einer Mutter nicht sagt, wie brav sie ihre Kinder<br />

erzieht – ist es da genauso. Auch wenn es fremde Kinder sind. Am Jugendamt wird einem<br />

das nie gesagt, im Gegenteil! Da müsste man alles anders machen oder besser oder<br />

irgendwie oder es hört einem sowieso niemand zu – nein nirgendwo! 306<br />

Aus den Befunden in Kap. 4.1 geht hervor, dass der Mensch in unserer westlichen<br />

Gesellschaft gerade durch seine Arbeit soziale Anerkennung erfährt oder sie im Falle<br />

<strong>von</strong> Arbeitslosigkeit auch abgesprochen wird. Voswinkel erklärt, dass nicht das<br />

Ausführen einer beruflichen Tätigkeit an sich Anerkennung vermittelt, sondern diese<br />

erst in Verbindung mit bestimmten Formen des Kapit<strong>als</strong>, wie ökonomischem,<br />

kulturellem oder sozialem Kapital entgegengebracht wird. Er unterscheidet zwei<br />

Anerkennungsformen 307 :<br />

Die Bewunderung 308 , die für Prestige, Fähigkeiten, Kapital, Ressourcen und Leistung<br />

steht und die Würdigung 309 , die mit Begriffen wie Dankbarkeit, Opfer, Bemühungen,<br />

Engagement verknüpft wird. Würdigung setzt eine Form <strong>von</strong> sozialer Beziehung voraus<br />

und basiert auf sozialem Austausch.<br />

Zwei kurze Beispiele machen die Differenz deutlich: Gewürdigt wird der Einsatz <strong>als</strong><br />

freiwilliger Helfer/in z.B. mit der Verleihung <strong>von</strong> „Anerkennungssymbolen“ (bei<br />

Pflegeeltern z.B. durch Briefe an Muttertag oder Einladungen in die Oper etc.),<br />

bewundert wird eine steile Karriere. Beide beziehen sich auf eine Leistung, die erbracht<br />

wird. Wenn Leistung mehr aus dem Blickwinkel des geleisteten Aufwands, des<br />

Beitrags, der Kosten, der Opfer und Mühen gesehen, so wird hierfür eine entsprechende<br />

Gegenleistung erwartet in Form <strong>von</strong> Lohn und Anerkennung. Wird Leistung dagegen<br />

305 P 1, Z. 394-395; Z. 405-406<br />

306 P 5, Z. 162-165<br />

307 vgl. Voswinkel (2000), S. 40<br />

308 ebda, S. 42<br />

309 ebda<br />

120


eher an ihrem wirtschaftlichen Ertrag und Erfolg gemessen, spielt der Aufwand dafür<br />

eine untergeordnete Rolle. Würdigen kann man auch Arbeiten, die nicht zum Erfolg<br />

führen; Würdigung kann auch <strong>als</strong> Entschädigung für fehlende Bewunderung<br />

interpretiert werden. Es ist gerade die Selbstverleugnung, die Aufopferung, der<br />

Würdigung gebührt. Würdigung ist demnach vor allem eine stark moralische<br />

Kategorie. 310<br />

Die vermehrten Rufe nach Anerkennung der „Leistung“ und Fähigkeiten, die<br />

Pflegeeltern erbringen und einsetzen, entspricht dem Wunsch nach der<br />

Berücksichtigung in der Anerkennungsdimension Bewunderung, die in unserer<br />

Gesellschaft einen höheren Stellenwert <strong>als</strong> Würdigung genießt.<br />

Als Form der Anerkennung ihrer Tätigkeit wünschen sich die Pflegeeltern in erster<br />

Linie mehr Möglichkeiten zur Fortbildung, einen Ausbau des Helfernetzwerkes, dass<br />

sich Sozialarbeiter/innen mehr Zeit nehmen. Durch die Möglichkeit <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />

<strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> ausüben zu können, erwarten sich die interviewten Pflegeeltern eine vermehrte<br />

positive Wahrnehmung ihrer Tätigkeit und größere Interessiertheit an<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong>.<br />

Die Wertschätzung kommt nicht so sehr über das Geld, sondern aus dem Umgang mit<br />

Pflegeeltern. Wie behandle ich Pflegeeltern, wie behandeln sie die Sozialarbeiter vom<br />

Jugendamt, wie behandelt das Helfersystem die Pflegeeltern, wie werden sie gesehen, wie<br />

werden sie wertgeschätzt. 311<br />

5.4 Zusammenfassung<br />

Pflegeeltern treten mit unterschiedliche Motiven, und Wünschen und Erwartungen an<br />

ein Pflegeverhältnis heran. Die Kompetenzen und Anforderungen an Pflegeltern<br />

unterscheiden sich je nach dem Auftrag, den es zu erfüllen gilt und nach dem<br />

Hilfebedarf des Pflegekindes, dieser ist zu Beginn eines Pflegeverhältnisses oft noch<br />

unklar. Das Herkunftssystem spielt in jedem Fall eine entscheidende Rolle für das<br />

Erleben <strong>als</strong> Pflegeperson. Die Idee einer Verberuflichung wird widersprüchlich bewertet<br />

und fordert zu Kontroversen heraus. Diese wurzeln in der Ablehnung der Vorstellung,<br />

310 vgl. ebda<br />

311 E 1, Z. 217; Z. 242-245<br />

121


dass „Kinder des Geldes wegen“ aufgenommen werden; dieses Bild wird vielfach mit<br />

der Verberuflichung verknüpft. Eine mögliche Absicherung der hauptsächlich mit dem<br />

Pflegekind befassten Person wird aber dennoch begrüßt.<br />

Die Etablierung eines <strong>Beruf</strong>sbildes wird <strong>als</strong> Chance wahrgenommen, dass es zu einer<br />

vermehrten Wahrnehmung und Anerkennung der Tätigkeit in der Gesellschaft kommt,<br />

aber auch dazu, die eigene Position gegenüber Sozialarbeiter/innen/n,<br />

Psycholog/innen/en, Ärzte/innen/n und anderen Systempartner/innen/n zu stärken.<br />

6 Schlussbetrachtung und Ausblick<br />

Mit den ausführlichen Interviews zum Thema <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> wurde<br />

beabsichtigt, Einstellungen zur Verberuflichung des Tätigkeitsfeldes <strong>von</strong> Pflegeeltern<br />

zu erfassen. Konsens besteht darüber, dass der eingeschlagene Weg der Qualifizierung<br />

und Absicherung <strong>von</strong> Pflegeeltern weiter beschritten werden soll und muss. Es zeigt<br />

sich eine Tendenz zu einer höher Qualifizierung aller Pflegepersonen und somit ein<br />

generell fachlicherer Zugang zu Pflegeverhältnissen, das Pflegekinderwesen gewinnt an<br />

Professionalität.<br />

Sowohl ihrem Anspruch nach <strong>als</strong> auch empirisch nachvollziehbar üben Pflegepersonen<br />

eine vielschichtige Tätigkeit aus. Sie versuchen, die erworbenen Kenntnisse aus den<br />

Ausbildungen in die Erziehung der ihnen anvertrauten Kinder einzubeziehen. Nachdem<br />

ein Kind in die Familie aufgenommen wurde, ist sie Leistungsträger, in den<br />

Pflegefamilien wird der größte Teil der Leistungen des Pflegekinderwesens erbracht.<br />

Natürlich ist das Primat der Elternrolle in Pflegeverhältnissen unbestritten, denn diese<br />

Form der Hilfe ergibt sich ja aus dem Hilfebedarf des Kindes und das Familiensetting<br />

wurde einer Unterbringung in einem institutionellen Rahmen Vorzug gegeben. Die<br />

Pflegekinder brauchen neben der emotionalen Zuwendung aber auch kompetente und<br />

für ihre Geschichte und Bedarfe sensibilisierte Pflegeeltern.<br />

Immer wieder wird der Vergleich mit <strong>Beruf</strong>sgruppen, die in stationären Einrichtungen<br />

der Jugendhilfe tätig sind angestrengt, um auf eine Ungleichbehandlung und<br />

Handlungsbedarf hinzuweisen. Die Tätigkeiten <strong>von</strong> Pflegefamilien werden in der<br />

Gesellschaft, z.B. im nachbarlichen Umfeld oft nicht <strong>als</strong> qualifizierte erkannt. Wenn<br />

eine Aufgabe in der Öffentlichkeit <strong>als</strong> „alltäglich“ und einfach gilt, dann wird ihre<br />

Anerkennung <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit besonders schwer. Sie ist <strong>von</strong> Pflegefamilien auch<br />

122


nicht immer gewollt, da es auf den Status des Kindes <strong>als</strong> Pflegekind in der Familie<br />

hinweist und mit einer Stigmatisierung des Kindes einhergeht. Für die Bewertung der<br />

Leistungen <strong>von</strong> Pflegeeltern ist sie aber <strong>von</strong> Vorteil.<br />

Kann das Tätigkeitsbündel, das Pflegeeltern zu leisten haben <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> gesehen werden?<br />

Für bestimmte Pflegeformen lässt sich dies eindeutig mit Ja beantworten.<br />

Wenn man die Merkmale <strong>von</strong> „<strong>Beruf</strong>“ nach Lempert 312 betrachtet und die<br />

pflegeelterliche Tätigkeit darin zu verorten sucht, kommt man zu folgenden Schlüssen:<br />

Sie handelt sich um eine personengebundene Kombination <strong>von</strong> Leistungen und<br />

Kompetenzen. Diese Kompetenzen müssen durch Ausbildung erworben und bescheinigt<br />

werden, wie z.B. bei der Ausbildung zu/m/r Familienpädagog/in/en. Dadurch wird eine<br />

Möglichkeit zum „Broterwerb“ geschaffen, und das für längere Zeit.<br />

Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung haben gezeigt, dass die Tätigkeit der<br />

professionellen Pflegepersonen, für Frauen und Männer <strong>als</strong> eine interessante Alternative<br />

zu einer hauptberuflichen außerhäuslichen Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen<br />

wird. Der <strong>Beruf</strong> Pflegeperson kann dauerhaft oder für einen bestimmten Zeitraum<br />

ausgeübt werden, <strong>als</strong> Zwischenstation in einer <strong>Beruf</strong>slaufbahn, die grundsätzlich im<br />

Sozial/- Kinderbetreuungsbereich angesiedelt ist. Diese Pflegepersonen sehen es <strong>als</strong><br />

beruflicher Herausforderung, Eltern und Kindern in einer schwierigen Lebenslage zu<br />

unterstützen. Ihr Engagement für ein einzelnes Pflegkind ist ein zeitweises und sie<br />

können sich vorstellen im Sozialbereich in anderer Funktion weiter zu arbeiten, wenn<br />

das Pflegekind nicht mehr bei ihnen ist. Zwei Brennpunkte lassen sich in ihrem Handeln<br />

erkennen: Die Aktivität mit dem Kind und ganz klar auch Arbeit mit dessen<br />

Herkunftssystem. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Pflegefamilien, die<br />

Pflegekindern zeitweise Unterbringungen bieten möchten. Sie zielen nicht auf die<br />

völlige Integration eines Kindes in die Familie ab, und kommen daher verstärkt für<br />

Kurzzeit und Interimspflegeformen in Betracht, wo eine Rückführung in die<br />

Herkunftsfamilie angestrebt wird. Eine kürzere Aufenthaltsdauer beinhaltet eine andere<br />

Beziehungsqualität und eine andere Form <strong>von</strong> Arbeitsbeziehung mit den weiteren<br />

Systempartner/n/innen.<br />

312 vgl. Kap. 4.1, S. 57<br />

123


Pflegefamilien, die Pflegekinder mit erhöhten Bedarfen (durch Behinderung oder<br />

schwerwiegende Traumatisierungen) dauerhaft bei sich aufnehmen und eine völlige<br />

Integration des Kindes anstreben können auch dieser Gruppe zugeordnet werden, da sie<br />

ebenfalls höheren Anforderungen gerecht werden müssen (vgl. Heilpädagogische<br />

Pflegefamilien, Kap. 2.2.4 ) Die Beziehungsgestaltung zum Pflegekind orientiert sich<br />

aber eher am Modell der traditionellen Pflegefamilie.<br />

In der – wie ich sie benenne - qualifizierten Pflegefamilie wird die Möglichkeit eines<br />

zusätzlichen Beitrags zum Familieneinkommen und zum Sammeln <strong>von</strong> Pensionszeiten<br />

begrüßt und <strong>als</strong> Strategie gesehen, familiale Aufgaben mit einer Absicherung zu<br />

kombinieren. Der Prozess der Verberuflichung trifft aber für sie nicht so umfassend zu.<br />

Sie streben die dauerhafte Integration des Kindes in der Familie an, die Kinder sollen in<br />

der Familie bleiben und feste Bindungen aufbauen können. Die Pflegeperson geht ein<br />

Dienstverhältnis bewusst für diese Kinder ein. Sie nehmen die Angebote zur Fort und<br />

Weiterbildung an, weil sie durch das erworbene Wissen ihre Pflegekinder besser<br />

unterstützen können. Pflegeeltern arbeiten geplant und dokumentieren ihre Tätigkeiten,<br />

sie beziehen auch weitere Fachkräfte in ihre Arbeit mit ein. Wenn die Kinder aus dem<br />

„Gröbsten raus“ sind, orientieren sich die Pflegepersonen wieder an dem <strong>Beruf</strong>, den sie<br />

vor Beginn der Pflegschaft ausgeübt haben und lösen das Dienstverhältnis <strong>als</strong><br />

Pflegeperson bzw. koppeln es mit einer anderweitigen Teilzeitbeschäftigung.<br />

Pflegepersonen werden auf niedrigem Grundniveau abgesichert, sie bilden sich dafür<br />

spezifisch weiter und sind in eine Organisation eingebunden. Damit soll die<br />

Qualitätssicherung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen garantiert werden. Dieses Modell <strong>von</strong><br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> beruflichte Tätigkeit bietet für Pflegeeltern mit besonders<br />

entwicklungsbeeinträchtigten und anspruchsvollen Pflegekindern zuweilen auch<br />

zuwenig an Unterstützung. 313<br />

Die Gruppe unter den traditionellen Pflegeeltern, die ein exklusives<br />

Pflegefamilienkonzept integriert hat, möchte zwar auch Unterstützung, aber auf<br />

freiwilliger Basis, wenn sie es für nötig hält. Sie findet wenig Gefallen an der Idee,<br />

<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> ihren <strong>Beruf</strong> zu sehen. Es ist für sie kein Widerspruch das Betreuen<br />

313 vgl. E 4, Z. 446-447<br />

124


und Erziehen <strong>von</strong> Pflegekindern nicht <strong>als</strong> ihren <strong>Beruf</strong> zu sehen und dennoch<br />

professionelle Zugänge und Haltungen zu entwickeln. Dies unterstreichen auch die<br />

Aussagen der Experten/innen. Die Gruppe der traditionellen Pflegefamilien möchte die<br />

Kinder voll integrieren, in späterer Folge eventuell auch adoptieren und ein möglichst<br />

ungestörtes, „normales“ Familienleben führen. Eine materielle Absicherung, die sich<br />

aus dem Pflegeverhältnis begründet, ist für sie nicht entscheidungsrelevant bzw. führt<br />

zu moralischen Bedenken. Für diese Pflegeeltern haben der Kinderwunsch und der<br />

Wunsch nach einer „vollständigen“ Familie oberste Priorität. In der Steiermark werden<br />

deshalb für die dauerhaften Pflegeformen auch keine Dienstverhältnisse angeboten und<br />

angestrebt.<br />

Fakt ist, dass verberuflichte Formen <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong>, neben der klassischen,<br />

traditionellen Familienpflege, auf dem Weg sind, sich zu etablieren - auch aus Sicht der<br />

Pflegeeltern selbst. Die Entscheidung in welchem Ausmaß ihnen dies ermöglicht wird,<br />

liegt bei den Jugendwohlfahrtsträgern.<br />

Pflegeeltern bekamen schon immer eine Aufwandsentschädigung für die Versorgung<br />

des Kindes, die befürchtete Entwicklung, dass es zu einem Geschäft werden könnte, ein<br />

Pflegekind bei sich aufzunehmen ist meines Erachtens äußerst gering, wenn sie nun<br />

angestellt und versichert werden.<br />

Eine finanzielle Entlohnung ist und kann nur ein Teil der Anerkennung für Pflegeeltern<br />

sein. Mit dem Anspruch an qualitätsvoller Arbeit sollten Pflegeeltern nicht sich selbst<br />

überlassen werden. Die Schaffung <strong>von</strong> Rahmenbedingungen für Pflegeverhältnisse, in<br />

denen den Bedürfnissen der Pflegekinder am besten entsprochen werden kann, ist<br />

Aufgabe der Jugendwohlfahrtsträger.<br />

Als weitere Maßnahmen zu einer Verbesserung der Lage <strong>von</strong> Pflegeeltern und<br />

Pflegekindern können sein: Die Beseitigung <strong>von</strong> steuerlichen Nachteilen, damit ein<br />

Dienstverhältnis auf geringfügiger Basis kein Nullsummenspiel wird. Die verstärkte<br />

Zusammenarbeit und Vereinbarungen zwischen den Bundesländern, damit<br />

systematische Ungleichbehandlung <strong>von</strong> Pflegeeltern im selben Bundesland nicht<br />

vorkommen kann. Eine Zertifizierung und Anrechnung der erworbenen Qualifikationen<br />

125


für mögliche Fortsetzung der <strong>Beruf</strong>stätigkeit im Sozial- und Kinderbetreuungsbereich,<br />

nach Beendigung eines Pflegeverhältnisses, wird <strong>von</strong> Pflegeeltern ebenfalls begrüßt.<br />

Angebote für die Pflegekinder selbst sollten geschaffen werden, um ihnen die<br />

Möglichkeit des Austausches zu geben – dies wird in der Steiermark voraussichtlich in<br />

Kürze umgesetzt.<br />

Ein nächster Schritt zur besseren Bewältigung der Situation Fremdunterbringung<br />

generell kann die verstärkte Arbeit mit Herkunftsfamilien sein, nachdem die<br />

Herausnahme des Kindes erfolgt ist. Eine intensivere Arbeit mit Herkunftsfamilien ist<br />

über den Bereich des Besuchskontaktes hinaus noch kaum weiterentwickelt worden.<br />

Hier stellt sich die Frage, wer dies übernehmen soll, da die Mitarbeiter/innen der<br />

behördliche Sozialarbeit unter derzeitigen Bedingungen (steigende Fallzahlen, keine<br />

bzw. schleppende Nachbesetzungen etc.) eine Ausweitung ihrer Aufgaben wohl kaum<br />

befürworten würden. Im Grunde handelt es sich nicht um eine Ausweitung der<br />

Aufgaben, sondern dem bestehenden Auftrag müsste umfassender nachgekommen<br />

werden können. Hier eröffnet sich meines Erachtens ein weiteres Betätigungsfeld für<br />

die freien Träger im Pflegekinderwesen, sie würden auch aus einer neutraleren Position<br />

heraus arbeiten, da sie aus Perspektive der Herkunftsfamilie weniger stark negativ<br />

besetzt sind im Vergleich zur Behörde. Dafür müsste natürlich das Bewusstsein für die<br />

Notwendigkeit einer solchen Betreuung bei den politischen Entscheidungsträger/innen/n<br />

vorhanden sein.<br />

Weiterentwicklung im Sinne <strong>von</strong> Qualitätssteigerung im Pflegeelternwesen kann nicht<br />

nur <strong>von</strong> Pflegeeltern gefordert werden. Auch die beteiligten Fachkräfte müssen das<br />

gewandelte Selbstbild <strong>von</strong> Pflegeeltern anerkennen, die sich nicht in mehr in eine Art<br />

Klient/en/innen/rolle der Behörde gegenüber verhaftet wissen wollen, sondern die<br />

selbstbewusst auf ihre Fähigkeiten und Leistungen für das System der Erziehungshilfen<br />

generell verweisen.<br />

Im Hinblick auf die zukünftige fachliche Diskussion im Pflegekinderwesen kann für die<br />

nächste Zeit mit weiteren Impulsen gerechnet werden, die auf aktuell erhobenen<br />

empirischen Daten beruhen.<br />

126


Die Veröffentlichung einer Fallstudie, die dem Ansatz <strong>von</strong> Biographieforschung folgt,<br />

beschäftigt sich mit der Untersuchung <strong>von</strong> Resilienzfaktoren, die Pflegekinder für den<br />

Umgang mit ihrer Situation stärken. Die Publikation der Forschungsergebnisse <strong>von</strong><br />

Gehres & Hildebrand ist noch im Herbst 2007 zu erwarten.<br />

Eine Projektgruppe des Deutschen Jugendinstituts arbeitet an der Herausgabe eines<br />

neuen Handbuches für das Pflegekinderwesen, das der Nachfolger des 1987<br />

erschienenen werden wird. 314 Eingedenk der Reaktionen und Folgen, welche das<br />

Vorgängerwerk angestoßen hat, darf man gespannt sein, welche Resultate sich aus den<br />

Studien ergeben und welche Handlungsempfehlungen für die Praxis des<br />

Pflegekinderwesens daraus abgeleitet werden.<br />

314 Es handelt sich um ein umfassendes Forschungsprojekt mit Laufzeit <strong>von</strong> 2005 bis Ende 2008, in dem<br />

auch europäische Vergleichsdaten erhoben werden. Eine kontinuierliche Veröffentlichung der<br />

Zwischenergebnisse erfolgt im Internet unter www.dji.de.pkh.<br />

127


7 Literatur- und Quellenverzeichnis<br />

Amt der Kärntner Landesregierung (2003): Pflegekinder und Pflegeeltern<br />

(Abgefragt unter http://www.verwaltung.ktn.gv.at/cgi-bin/evoweb.dll/web/akl/1992_<br />

DE-Produkte-LeistungenProduktDetail.64F758773a3550091614b16b3d2adefa275a6b<br />

14?ipr _id=6918, am 29.03.2007)<br />

Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung für das Sozialwesen<br />

(Hrsg.) (2000): Information Ruhegeld. (Abgefragt unter<br />

http://www.soziales.steiermark.at/cms/dokumente/10034772_5339/a2d7ea93/folder_pfl<br />

egemuetter.pdf, am 12.08.2007)<br />

Andriopoulos, Sotirios (1995): Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie – Beratung<br />

und Unterstützung. In Martin R. Textor & Peter Klaus Warndorf (Hrsg.),<br />

Familienpflege: Forschung, Vermittlung, Beratung (S.202-217). Freiburg im Breisgau:<br />

Lambertus.<br />

Andruschow, Katrin (Hrsg.) (2001): Ganze Arbeit. Feministische Spurensuche in der<br />

Non-Profit Ökonomie. Berlin: Edition Sigma.<br />

Arbeitskreis zur Förderung <strong>von</strong> Pflegekindern e.V. (Hrsg.) (1995): Pflegekinder in<br />

einer veränderten Welt. Dokumentation der Europäischen IFCO- Konferenz 1994 in<br />

Berlin. Münster: Votum Verlag.<br />

Jürgen Blandow (2007): Perspektiven des Pflegekinder- (und Adoptionswesens).<br />

Referat zur Fachtagung „Kinder in Pflege- und Adoptivfamilien“ in der Bildungsstätte<br />

St. Virgil Salzburg am 28.2.2007 (Abgefragt unter<br />

http://www.virgil.at/downloads/skriptblandow1.doc am 23.06. 2007)<br />

Blandow, Jürgen (2006): Zwischen Stagnation und neuem Aufbruch – das<br />

Pflegekinderwesen in fachlicher und jugendhilfepolitischen Diskussion. Referat zur<br />

Tagung „Facetten der Modernisierung. Das Pflegekinderwesen zwischen Milieu,<br />

Professionalisierung und Modernisierung“ an der Universität Siegen. (Abgefragt unter<br />

http://www3.uni-siegen.de/fb2/pflegekinder2006/tagungsdokumentation/?lang=de am<br />

01.03.2007)<br />

Blandow, Jürgen (2005): Pflegefamilie auf dem Weg zur professionellen<br />

Familienpflege? – Folgen für Kinder – Auswirkungen auf das Pflegekinderwesen. In<br />

Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.), 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens.<br />

Pflegekinder in Deutschland – Bestandsaufnahme und Ausblick zur Jahrtausendwende<br />

(2. unveränderte Auflage) (S. 113-125). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />

Blandow, Jürgen (2004): Pflegekinder und ihre Familien. Geschichte, Situation und<br />

Perspektiven des Pflegekinderwesens. Weinheim: Juventa.<br />

Blandow, Jürgen (2002): Sozialraum und Milieuorientierung in der Pflegekinderarbeit.<br />

In ISA Münster (Hrsg.), Expertengespräch Sozialraum und Pflegekinderarbeit.<br />

128


Tagungsdokumentation (S. 5-20). Münster: o. V. (Abgefragt unter: http://www.isamuenster.de/pdf/Materialien/Pflegekinder/Expertengespr%E4ch%20Sozialraum%20und<br />

%20Pflegekinder.pdf am 11.08.2007).<br />

Blandow, Jürgen (1999): Versorgungseffizienz im Pflegekinderwesen. In Herbert<br />

Colla & Thomas Gabriel & Spencer Millham (Hrsg.), Handbuch Heimerziehung und<br />

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Österreichischer Familienbericht (Abgefragt unter http://www.bmgfj.gv.at/cms/<br />

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23.06.2007)<br />

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http://www.lwl.org/lja-download/datei-download/LJA/erzhilf/Familie/wpf/Materialien/<br />

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Griebel, Wilfried (2005): Familiale Lebenswelten ändern sich – Schlaglichter aus Sicht<br />

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http://www.bdp-rlp.org/backstage2/rlp/documentpool/griebel_psytag2005.doc, am<br />

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Griebel, Wilfried & Ristow, Dietmar (2002): Die Pflegefamilie <strong>als</strong> „binukleares<br />

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http://www.familienhandbuch.de/cms/Familienforschung-Pflegefamilien.pdf am<br />

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http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/attachments/6/3/4/CH0432/CMS1056617560208/band<br />

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http://www.tirol.gv.at/bezirke/allgemein/soziales/pflegekinder-pflegeeltern/ am<br />

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(Abgefragt unter http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht20061.pdf, am 26.07.2007)<br />

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Leipert, Christian (Hrsg.) (2001): Familie <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>. Arbeitsfeld der Zukunft.<br />

Opladen: Leske + Budrich.<br />

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Loidl – Keil, Rainer & Viechtbaur, Karin (Hrsg.) (2003): Evaluation in der<br />

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Wirtschaftsbetriebsges. m. b. H der Hochschülerschaft Wien.<br />

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Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch (S. 725-745). Opladen: Leske + Budrich.<br />

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Nienstedt, Monika & Westermann, Arnim (1992): Pflegekinder. Psychologische<br />

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Oevermann, Ulrich (1996): Theoretische Skizze einer revidierten Theorie<br />

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Pfadenhauer, Michaela (2003): Professionalität. Eine wissenssoziologische<br />

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Rosenberger, Sieglinde & Tàlos, Emmerich (Hrsg.) (2003): Sozi<strong>als</strong>taat. Probleme,<br />

Herausforderungen, Perspektiven. Wien: Mandelbaum Verlag.<br />

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Salgo, Ludwig (2005): Zielorientierung und Hilfeplanung nach dem SGB VIII (KJHG).<br />

In Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.), 2. Jahrbuch des<br />

Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland - Bestandsaufnahme und Ausblick zur<br />

Jahrtausendwende (2. unveränderte Auflage) (S. 36-67). Idstein: Schulz Kirchner<br />

Verlag.<br />

Scallon, Rosemary (2001): Wie steht es um die Unterstützung <strong>von</strong> Hausfrauen und<br />

Familienmüttern in der Gesellschaft? In Christian Leipert (Hrsg.), Familie <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>.<br />

Arbeitsfeld der Zukunft (S. 129-133). Opladen: Leske + Budrich.<br />

Schaffer, Hanne (2002): Empirische Sozialforschung für die Soziale Arbeit. Eine<br />

Einführung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />

Schattner, Heinz (1987): Von der Werbung <strong>von</strong> Pflegeeltern bis zur Vermittlung eines<br />

Pflegeverhältnisses. In Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.), Handbuch Beratung im<br />

Pflegekinderbereich (S. 175-211). Weinheim: Juventa. (Abgefragt unter<br />

http://www.dji.de/pkh/handbuch_1987.pdf am 21.01.2007).<br />

Schelsky, Helmut (1972): Zur Bedeutung des <strong>Beruf</strong>es in der modernen Gesellschaft.<br />

In: Thomas Luckmann & Walter Michael Sprondel (Hrsg.), <strong>Beruf</strong>ssoziologie. (S.<br />

25-35) Köln: Kiepenheuer & Witsch.<br />

Scheuer, Angelika & Dittmann, Jörg (2007): <strong>Beruf</strong>stätigkeit <strong>von</strong> Müttern bleibt<br />

kontrovers. In GESIS-ZUMA. Abteilung Soziale Indikatoren (Hrsg.),<br />

Informationsdienst soziale Indikatoren (ISI) (38), 1-4. (Abgefragt unter<br />

http://www.gesis.org/Publikationen/Zeitschriften/ISI/pdf-files/isi-38.pdf<br />

am<br />

11.08.2007)<br />

Scheurer-Englisch, Hermann (2001): Auswirkungen traumatischer Erfahrungen auf<br />

das Bindungs- und Erziehungsverhalten. In Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“<br />

(Hrsg.), 1. Jahrbuch des Pflegekinderwesens (S. 66-84). Idstein: Schulz Kirchner<br />

Verlag.<br />

Schulze, Hans Joachim & Tyrell, Hartmann & Kunzler, Jan (1989): Konstitutive<br />

Merkmale <strong>von</strong> Familie im Vergleich zu anderen Lebensformen. In Rosemarie Nave-<br />

Herz & Manfred Markefka (Hrsg.), Handbuch der Familien und Jugendforschung (S.<br />

31-45). Neuwied: Luchterhand.<br />

Sitz Angelika (1998): Professionelle Formen der familienorientierten<br />

Fremdunterbringung im österreichischen Jugendwohlfahrtssystem. unveröffentlichte<br />

<strong>Diplomarbeit</strong> am Institut für Erziehungswissenschaften. Wien.<br />

Steege, Gerhard; Szylowicki, Alexandra (1996): Bereitschaftspflege – zur<br />

historischen und fachlichen Entwicklung und zur aktuellen Situation einer besonderen<br />

Form der Vollzeitpflege. In Ulrich Ginzel (Hrsg.) (1996), Erziehung in Pflegefamilien.<br />

Auf der Suche nach einer Zukunft (S. 180-197). Münster: Votum.<br />

138


Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.) (2001): 1. Jahrbuch des<br />

Pflegekinderwesens. Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />

Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.) (2005): 2. Jahrbuch des<br />

Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland - Bestandsaufnahme und Ausblick zur<br />

Jahrtausendwende (2. unveränderte Auflage). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />

Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.) (2005): 3. Jahrbuch des<br />

Pflegekinderwesens. Kontakte zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie (2. Auflage).<br />

Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />

Textor, Martin R. (2006): Mutterbilder. In Wassilios .E. Fthenakis & Martin R.<br />

Textor (Hrsg.), Online-Familienhandbuch. (Abgefragt unter<br />

http://www.familienhandbuch.de/cmain/s_112, am 17.05.2007)<br />

Textor, Martin R. (2005): Pflegemütter im Spannungsfeld <strong>von</strong> Mutteridealen und<br />

Familienkonzept. In Ingeborg - Becker Textor & Martin R. Textor (Hrsg.), SGBVIII<br />

Online-Handbuch. (Abgefragt unter http://www.sgbviii.de/S14.html, am 17.05.2007)<br />

Textor, Martin R. (2005): Familien: Soziologie, Psychologie. Eine Einführung.<br />

(Abgefragt unter http://freenet-homepage.de/Textor/Familien.htm, am 17.05.2007)<br />

Textor, Martin R. & Warndorf, Peter Klaus (Hrsg.) (1995): Familienpflege:<br />

Forschung, Vermittlung, Beratung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />

Textor, Martin (1995): Forschungsergebnisse zur Familienpflege. In Martin Textor<br />

R. & Peter Klaus Warndorf (Hrsg.), Familienpflege: Forschung, Vermittlung,<br />

Beratung (S. 46-67). Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />

Thiersch, Hans (1990): Kinderleben in Pflegefamilien. In Friedhelm Güthoff &<br />

Erwin Jordan & Gerhard Steege (Red.), Mut zur Vielfalt. Dokumentation Hamburger<br />

Pflegekinderkongress (S. 16-25). Münster: Votum.<br />

Thiersch, Hans (1974): Thesenskizze: Pflegestellen – öffentliche Erziehung in privaten<br />

Institutionen. In Martin Bonhoeffer & Peter Widemann (Hrsg.), Kinder in<br />

Ersatzfamilien (S. 98-103). Stuttgart: Ernst Klett Verlag.<br />

Thiessen, Barbara (2004): Re-Formulierung des Privaten. Professionalisierung<br />

personenbezogener, haushaltsnaher Dienstleistungsarbeit (1. Auflage). Wiesbaden:<br />

Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Thole, Werner (Hrsg.) (2002): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch.<br />

Opladen: Leske + Budrich.<br />

Verein Eltern für Kinder Österreich (2007): Sie möchten Pflegeeltern werden?<br />

(Abgefragt unter http://www.efk.at/pflegeeltern.htm am 26.05.2007)<br />

139


Verein Pflege- und Adoptiveltern Oberösterreich (2007): Angestellte Pflegeeltern.<br />

(Abgefragt unter http://www.pflegeeltern.at/fachbereiche_angestellte_allgemein, am<br />

26.05.2007).<br />

Voswinkel, Stephan (2000): Anerkennung der Arbeit im Wandel. Zwischen<br />

Würdigung und Bewunderung. In Ursula Holtgrewe & Stephan Voswinkel &<br />

Gabriele Wagner (Hrsg.), Anerkennung und Arbeit (S. 39-63). Konstanz:<br />

Universitätsverlag.<br />

Wetterer, Angelika (1993): Professionalisierung und Geschlechterhierachie. Vom<br />

kollektiven Frauenausschluß zur Integration mit beschränkten Möglichkeiten. Kassel:<br />

Verlag Jenior und Preßler.<br />

Widemann, Peter (1994): Der Faktor Geld: Was kosten Pflegekinder? In Arbeitskreis<br />

zur Förderung <strong>von</strong> Pflegekindern e.V. (Hrsg.), Pflegekinder in einer veränderten<br />

Welt. Dokumentation der Europäischen IFCO- Konferenz 1994 in Berlin (S. 264-265).<br />

Münster: Votum Verlag.<br />

Wiemann, Irmela (1994): Ratgeber Pflegekinder. Erfahrungen, Hilfen, Perspektiven.<br />

Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.<br />

Wiesner, Reinhard (2005): Familienpflege in Deutschland – Auswirkungen des KJHG<br />

(SGBVIII) und die Notwendigkeit der Qualitätsentwicklung für das Pflegekinderwesen<br />

– Ein Beitrag aus bundespolitischer Sicht. In Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“<br />

(Hrsg.), 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland-<br />

Bestandsaufnahme und Ausblick zur Jahrtausendwende (2. unveränderte Auflage) (S.<br />

68-75). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />

Wille, Elisabeth (2006): Rechtsinformation für Pflegefamilien im deutschsprachigen<br />

Raum. Recherche April/Mai 2006. (Abgefragt unter http://paedagogik.soskinderdorf.at/downloads/bericht_wille_pflegeeltern_recherche.pdf,<br />

am 01.03. 2007).<br />

Zenz, G. (2001): Zur Bedeutung der Erkenntnisse <strong>von</strong> Entwicklungspsychologie und<br />

Bindungsforschung für die Arbeit mit Pflegekindern. In Stiftung „Zum Wohl des<br />

Pflegekindes" (Hrsg), 1. Jahrbuch des Pflegekinderwesens (S. 22-35). Idstein: Schulz<br />

Kirchner Verlag.<br />

Zoller-Mathies, Susanne & Madner Veronika (2006): Zahlen, Daten, Fakten in der<br />

Jugendwohlfahrt am Beispiel Fremdunterbringungen. In Der Österreichische<br />

Amtsvormund, (194), 175-183. (Abgefragt unter:<br />

http://paedagogik.soskinderdorf.at/downloads/zahlen_daten_fakten.pdf am 01.03.2007).<br />

140


8 Abkürzungsverzeichnis<br />

ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Patent vom 1ten Junius 1811),<br />

JGS 946/1811 in der Fassung BGBl I 113/2006.<br />

Abs<br />

BMfGFJ<br />

bzw.<br />

d.h.<br />

DJI<br />

ebda.<br />

et.al<br />

etc.<br />

f<br />

ff<br />

FPU<br />

Hrsg.<br />

gem.<br />

ggf.<br />

idgF<br />

JWF<br />

JWG<br />

KindRäg<br />

StJWG<br />

StJWG- DVO<br />

usw.<br />

vgl.<br />

z.B.<br />

zit.n.<br />

Absatz<br />

Bundesministeriums für Gesundheit Familie und Jugend<br />

beziehungsweise<br />

das heißt<br />

Deutsches Jugendinstitut<br />

eben da, dieselbe Quelle<br />

und andere<br />

et cetera<br />

folgende (Seite)<br />

fortfolgende (Seiten)<br />

Familienbegleitende Pflegeplatzunterbringung<br />

Herausgeber<br />

gemäß<br />

gegebenenfalls<br />

in der gültigen Fassung<br />

Jugendwohlfahrt<br />

Jugendwohlfahrtsgesetz<br />

Kindschaftsrechtsänderungsgesetz<br />

Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz<br />

Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen<br />

Jugendwohlfahrtsgesetz<br />

und so weiter<br />

vergleiche<br />

zum Beispiel<br />

zitiert nach<br />

141


9 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

Abbildung 1: Der Weg zum Pflegeverhältnis.........................................................................................13<br />

Abbildung 2: Prozesse <strong>von</strong> Verberuflichung und Professionalisierung ..............................................74<br />

Tabelle 1: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in Pflegefamilien ..............21<br />

Tabelle 2: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in sonstigen Einrichtungen<br />

der Jugendwohlfahrt .....................................................................................................................21<br />

Tabelle 3: Pflegekinderstatistik Österreich für das Jahr 2006.............................................................22<br />

Tabelle 4: Pflegekinderstatistik Österreich: Verlauf 1990 bis 2006.....................................................22<br />

Tabelle 5: Ausmaß der jährlichen Dienstverpflichtungen für Angestellte PE in Oberösterreich.....25<br />

Tabelle 6: Übersicht über die Interviewpartner/innen .........................................................................91<br />

142


10 Anhang<br />

10.1 Eidesstattliche Erklärung<br />

„Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende <strong>Diplomarbeit</strong> selbständig und ohne<br />

fremde Hilfe verfasst, andere <strong>als</strong> die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt<br />

und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen <strong>als</strong> solche<br />

kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner<br />

anderen Prüfungskommission vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.“<br />

Graz, am 10.10.2007<br />

<strong>Anita</strong> Maier<br />

143


10.2 Interviewleitfäden<br />

Interviewleitfaden 1: <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>: Angestellte Pflegeeltern<br />

Dieses Gespräch ist absolut vertraulich und wird vollständig anonymisiert, niemand kann nachvollziehen<br />

mit wem dieses Gespräch geführt wurde!<br />

Dimension: Motivation und Entscheidungsprozess<br />

• Wie haben Sie sich dazu entschieden <strong>als</strong> Pflegemutter/-vater tätig zu werden?<br />

o Welche Überlegungen gab es dabei?<br />

o War eine mögliche Anstellung schon Teil dieser Überlegungen?<br />

o Wie ist der Entscheidungsprozess mit ihrer/m Partner/in verlaufen?<br />

Dimension: Anforderungsprofil<br />

• Was soll man Ihrer Meinung nach unbedingt dafür mitbringen, was soll man<br />

können, um <strong>als</strong> Pflegeelternteil zu arbeiten?<br />

Dimension: Handlungsstrategien, Orientierungsmuster, Netzwerk<br />

• Wie hat die Aufnahme eines Kindes den Alltag Ihrer Familie verändert?<br />

• Wie werden Sie bei Ihrer Tätigkeit unterstützt?<br />

• Können Sie sich an eine besonders schwierige Situation erinnern und kurz<br />

schildern? Wie haben Sie diese Situation bewältigt?<br />

• Sehen Sie die Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegemutter/-vater <strong>als</strong> Ihren <strong>Beruf</strong> an? (warum<br />

ja/warum nein?)<br />

• Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit dem Dienstgeber?<br />

Dimension: Anerkennung der Tätigkeit<br />

• Wie erhalten Sie Anerkennung und Wertschätzung für Ihre Tätigkeit?<br />

• Sehen Sie Ihre Tätigkeit (im weitesten Sinne) auch <strong>als</strong> „Dienstleistung“ an der<br />

Allgemeinheit an?<br />

• Ist Ihrer Meinung nach die soziale/finanzielle Absicherung für Pflegefamilien<br />

ausreichend?<br />

In den letzten Jahren wurden in einigen Bundesländern verschiedene Modelle eingeführt, um Pflegeeltern besser<br />

vorzubereiten, zu begleiten und auch zu entlohnen für ihre erzieherische Arbeit. Dabei sind sie auch voll sozial<br />

versichert. Dafür sind sie bei einem Verein <strong>als</strong> Pflegeeltern angestellt und gehen gewisse Pflichten ein:<br />

Dokumentation, Supervision, Fortbildung etc.)<br />

• Wo sehen Sie Vorteile bei diesen Entwicklungen? Wo Nachteile?<br />

144


• Als Ziel dieser Modelle wird auch genannt, dass der Stellenwert der Pflegeeltern<br />

(<strong>als</strong> gleichberechtigte Partner/innen, Experten/innen) erhöht wird. Halten Sie<br />

diesen Weg <strong>als</strong> dafür geeignet?<br />

Danke für die Unterstützung! ☺<br />

145


Interviewleitfaden 2: <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong><br />

Dieses Gespräch ist absolut vertraulich und wird vollständig anonymisiert, niemand kann nachvollziehen<br />

mit wem dieses Gespräch geführt wurde.<br />

Dimension: Motivation und Entscheidungsprozess<br />

• Wie haben Sie sich dazu entschieden <strong>als</strong> Pflegeperson tätig zu werden?<br />

o Welche Überlegungen gab es dabei?<br />

o Wie ist der Entscheidungsprozess mit ihrer/m Partner/in verlaufen?<br />

Dimension: Anforderungsprofil<br />

• Was soll man Ihrer Meinung nach unbedingt dafür mitbringen, was soll man<br />

können, um <strong>als</strong> Pflegeelternteil zu arbeiten?<br />

Dimension: Handlungsstrategien, Orientierungsmuster, Netzwerk<br />

• Wie hat die Aufnahme eines Kindes den Alltag Ihrer Familie verändert?<br />

• Wie werden Sie bei Ihrer Tätigkeit unterstützt?<br />

• Können Sie sich an eine besonders schwierige Situation erinnern und kurz<br />

schildern? Wie haben Sie diese Situation bewältigt?<br />

• Sehen Sie die Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegemutter/-vater <strong>als</strong> Ihren (möglichen) <strong>Beruf</strong> an?<br />

Warum ja/warum nein?<br />

Dimension: Anerkennung der Tätigkeit<br />

• Wie erhalten Sie Anerkennung und Wertschätzung für Ihre Tätigkeit?<br />

• Sehen Sie Ihre Tätigkeit im weitesten Sinne auch <strong>als</strong> „Dienstleistung“ an der<br />

Allgemeinheit an?<br />

• Ist Ihrer Meinung nach die soziale/finanzielle Absicherung für Pflegefamilien<br />

ausreichend?<br />

In den letzten Jahren wurden in einigen Bundesländern verschiedene Modelle eingeführt, um Pflegeeltern besser<br />

vorzubereiten, zu begleiten und auch zu entlohnen für ihre erzieherische Arbeit. Dabei sind sie auch voll sozial<br />

versichert. Dafür sind sie bei einem Verein <strong>als</strong> Pflegeeltern angestellt und gehen gewisse Pflichten ein:<br />

Dokumentation, Supervision, Fortbildung etc.)<br />

• Wo sehen Sie Vorteile bei diesen Entwicklungen? Wo Nachteile?<br />

• Könnten Sie sich vorstellen, sich anstellen zu lassen? Wieso ja, wieso nein?<br />

• Als Ziel dieser Modelle wird auch genannt, dass der Stellenwert der Pflegeeltern<br />

(<strong>als</strong> gleichberechtigte Partner/innen, Expert/innen/en) erhöht wird. Halten Sie<br />

diesen Weg <strong>als</strong> dafür geeignet?<br />

Danke für die Unterstützung! ☺<br />

146

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