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<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong><br />
Eine qualitative Studie zu Kommodifizierungsprozessen <strong>von</strong><br />
Familienarbeit im Bereich der <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />
<strong>Anita</strong> Maier<br />
Studiengang Sozialarbeit/Sozialmanagement<br />
FH Joanneum Graz<br />
2007<br />
Betreuer: Rainer Loidl - Keil
Abstract<br />
Pflegeeltern erbringen bedeutsame Leistungen für unsere Gesellschaft. Sie bieten<br />
Kindern, die aus verschiedensten Gründen nicht in ihrer Ursprungsfamilie aufwachsen<br />
können, eine Versorgung und Erziehung im Familienverband. Um den veränderten<br />
Anforderungen an Pflegefamilien zu begegnen, werden <strong>von</strong> Jugendwohlfahrtsträgern<br />
unterschiedliche Richtungen eingeschlagen: Es kommt zu einer Ausdifferenzierung der<br />
Formen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen, was Dauer und Intensität der Betreuung der Kinder<br />
sowie zu einer Ausweitung der Ausbildung, der Entlohnung und der begleitenden<br />
Unterstützungsangebote für Pflegeeltern. Kurzzeitige oder interimistische Formen der<br />
Pflegeplatzunterbringung können so auch zu einer beruflichen Tätigkeit für Pflegeeltern<br />
werden. Anhand dieser im Pflegekinderwesen beobachtbaren Entwicklungen wird der<br />
zunehmende Prozess der Kommodifizierung beschrieben. Dieser Begriff bezeichnet die<br />
zunehmende Vermarktung <strong>von</strong> Tätigkeiten, die der Sphäre der Familie zugeordnet sind<br />
und bisher nicht auf dem Markt entlohnt wurden.<br />
In der qualitativen Untersuchung werden auf Basis der Daten <strong>von</strong> 11 themenzentrierten<br />
Interviews mit Expert/inn/en und Pflegeltern Befunde über erlebte Belastungen,<br />
Selbstverständnis und Standpunkte zu Prozessen der Verberuflichung dieses Feldes<br />
dargestellt. In dieser <strong>Diplomarbeit</strong> wird gezeigt, dass <strong>Pflegeelternschaft</strong> auch <strong>als</strong><br />
berufliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, und verstärkte Einbindung <strong>von</strong> Pflegeeltern<br />
in eine Organisation zu einer Verbesserung der Qualität <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen<br />
beiträgt. Dieser Ansatz stellt jedoch nicht für alle Pflegefamilien und jede Pflegeform<br />
einen adäquaten Weg zur Bewältigung ihrer Aufgaben dar.
Foster parents do highly important work and thus contribute positively to society. They<br />
provide shelter for children who aren’t able to live with their biological parents for<br />
various reasons and they bring them up in an intimate family setting. Due to changing<br />
demands in family life and children’s education various strategies are followed by the<br />
social welfare authorities. Thus different types of foster care families are distinguished<br />
nowadays according to duration, intensity of care as well as further training, payment<br />
and ongoing support for foster parents. Short-term and temporary forms of children’s<br />
placement are on the way to becoming <strong>als</strong>o a job. This example is used to illustrate the<br />
increasing developments of commodification. This concept describes the ongoing<br />
process of commercialisation of duties which are rooted in the sphere of the family and<br />
which previously were not found on the job market.<br />
The qualitative research project gives an insight how foster parents experience their<br />
tasks and what they think about the “job” of a foster parent on the basis of data from 11<br />
focused interviews with foster parents and experts in this field. This thesis shows that<br />
fostering can be a job, and that enforced involvement of foster parents in an<br />
organisation contributes to the quality of foster care. Nevertheless, this approach is not<br />
adequate for all types of foster parents.<br />
II
Vorwort<br />
Das Thema <strong>Pflegeelternschaft</strong> wählte ich auf Grund <strong>von</strong> Erfahrungen und Erlebnissen<br />
mit Pflegefamilien aus meinem privaten Umfeld. Während eines Praktikums in einer<br />
Bezirkshauptmannschaft im ländlichen Raum wurde ich verstärkt mit der Rolle<br />
konfrontiert, welche die behördliche Sozialarbeit in diesen Familien einnimmt. Das<br />
südöstliche Burgenland und die angrenzenden steirischen Bezirke sind Regionen, die<br />
traditionell eine hohe Zahl an Pflegeverhältnissen aufweisen, dementsprechend viel<br />
Raum nimmt das Pflegekinderwesen in der Jugendwohlfahrtssozialarbeit in diesen<br />
Bezirken ein. Die Aufgaben der Steuerungsebene, die für die strategische Ausrichtung<br />
und Planung zur Ausbildung und Absicherung der Pflegeeltern und für die<br />
anzustrebende Qualität der Pflegeverhältnisse verantwortlich ist, lernte ich durch mein<br />
<strong>Beruf</strong>spraktikum in der Abteilung Soziales beim Amt der Steiermärkischen<br />
Landesregierung kennen. Im Zuge <strong>von</strong> Recherchetätigkeiten zu diesem Thema, wurde<br />
ich darauf aufmerksam, wie unterschiedlich die einzelnen Bundesländer ihre<br />
Gestaltungspotentiale in diesem Wirkungsbereich ausschöpfen, und die Bedingungen<br />
für das Ausüben einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> in Österreich verschieden sind. Dies war der<br />
Ausgangspunkt für die weitere Vertiefung mit dem Gegenstand, die mich bis zur<br />
Formulierung und Bearbeitung der Fragestellung im Rahmen dieser Arbeit führte.<br />
An dieser Stelle halte ich es auch für wichtig, mich bei meinen Interviewpartner/innen/n<br />
zu bedanken. Die Interviews mit den Vertreter/innen/n der Pflegeelternvereine<br />
Steiermark, Salzburg und Oberösterreich ermöglichten mir die Komplexität und die<br />
verschiedenen Zugänge zur Arbeit mit Pflegeeltern besser zu verstehen. Ein ganz<br />
besonderer Dank gilt den Pflegefamilien, die mir ihre Häuser geöffnet haben und sehr<br />
offen über Alltag, Sorgen und Freuden, die das Pflegeelterndasein mit sich bringt,<br />
gesprochen haben. Für die Anregungen und die gemeinsamen Stunden, die der<br />
kritischen Auseinandersetzung mit meinem Thema gewidmet waren, bedanke ich mich<br />
bei meiner Studienkollegin Kathrina. Meinen Schwestern Irmgard, Renate und Karin sei<br />
herzlich gedankt für den Rückhalt und die aktive Unterstützung während der<br />
Erstellungsphase. Abschließend möchte ich Herrn Prof.(FH) Mag. Dr. Rainer Loidl–<br />
Keil für die fachliche Anleitung und die Hilfe bei der Umsetzung dieser <strong>Diplomarbeit</strong><br />
meinen Dank aussprechen.<br />
III
Inhaltsverzeichnis<br />
ABSTRACT ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ I<br />
VORWORT ----------------------------------------------------------------------------------------------------------III<br />
INHALTSVERZEICHNIS ---------------------------------------------------------------------------------------- IV<br />
1 EINLEITUNG -------------------------------------------------------------------------------------------------------1<br />
1.1 FRAGESTELLUNG--------------------------------------------------------------------------------------------------- 2<br />
1.2 AUFBAU DER ARBEIT ---------------------------------------------------------------------------------------------- 3<br />
1.3 ZIELSETZUNG ------------------------------------------------------------------------------------------------------- 4<br />
1.4 RELEVANZ----------------------------------------------------------------------------------------------------------- 4<br />
2 DAS PFLEGEKINDERWESEN IM ÜBERBLICK ---------------------------------------------------------6<br />
2.1 RECHTLICHE VERANKERUNG DES PFLEGEVERHÄLTNISSES IN ÖSTERREICH------------------------------ 6<br />
2.1.1 Grundsätze der Jugendwohlfahrt -----------------------------------------------------------------------6<br />
2.1.2 Rechtsquellen für das Pflegeverhältnis ----------------------------------------------------------------7<br />
2.1.3 Legaldefinitionen Pflegekind und Pflegeeltern -------------------------------------------------------8<br />
2.1.4 Wie wird man zu Pflegeeltern? -------------------------------------------------------------------------9<br />
2.1.5 Wie kommt es zu einer Unterbringung in einer Pflegefamilie? ----------------------------------- 10<br />
2.1.6 Die rechtliche Situation <strong>von</strong> Herkunftsfamilien----------------------------------------------------- 12<br />
2.1.7 Leistungen für die Pflegefamilie ---------------------------------------------------------------------- 14<br />
2.2 FORMEN DER INPFLEGNAHME-----------------------------------------------------------------------------------16<br />
2.2.1 Dauerpflegefamilien------------------------------------------------------------------------------------ 16<br />
2.2.2 Kurzzeitpflege ------------------------------------------------------------------------------------------- 17<br />
2.2.3 Interims-Vollzeitpflege oder Familienbegleitende Pflegeplatzunterbringung ------------------ 17<br />
2.2.4 Heilpädagogische Pflegefamilien--------------------------------------------------------------------- 18<br />
2.2.5 Mutter-Kind Unterbringung bei Pflegefamilien ---------------------------------------------------- 18<br />
2.2.6 Verwandtenpflege--------------------------------------------------------------------------------------- 18<br />
2.3 STATISTISCHE DARSTELLUNG DES PFLEGEKINDERWESENS IN ÖSTERREICH-----------------------------19<br />
2.4 ÜBERSICHT ÜBER DIE UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME IN DEN BUNDESLÄNDERN --------------------------23<br />
3 STRUKTURELLE UND PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE DES PFLEGEVERHÄLTNISSES 29<br />
3.1 ALLGEMEINE STRUKTURMERKMALE VON FAMILIEN UND PFLEGEFAMILIEN IM VERGLEICH ---------29<br />
3.1.1 Aufgaben der Familie ---------------------------------------------------------------------------------- 29<br />
3.1.2 Wandel des familialen Zusammenlebens ------------------------------------------------------------ 32<br />
3.1.3 Konsequenzen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse für die Pflegefamilienerziehung-- 33<br />
3.1.4 Positionsstreit: Exklusives versus Inklusives Modell der Pflegefamilie ------------------------- 36<br />
3.2 DIE PFLEGEKINDER -----------------------------------------------------------------------------------------------38<br />
3.2.1 Bindungstheoretische Aspekte der Eltern – Kind – Beziehung------------------------------------ 40<br />
3.2.1.1 Das sichere Bindungsmodell (B-Bindung)------------------------------------------------------------------ 41<br />
3.2.1.2 Das unsicher vermeidende Bindungsmodell (A-Bindung) ----------------------------------------------- 41<br />
3.2.1.3 Das unsicher ambivalente Bindungsmodell (C-Bindung) ------------------------------------------------ 41<br />
3.2.1.4 Desorganisation (D-Bindung) -------------------------------------------------------------------------------- 42<br />
3.2.1.5 Die Angstbindung ---------------------------------------------------------------------------------------------- 42<br />
IV
3.2.1.6 Distanzlosigkeit------------------------------------------------------------------------------------------------- 43<br />
3.2.1.7 Auswirkungen des Bindungsmodells ------------------------------------------------------------------------ 43<br />
3.2.2 Integration in die Pflegefamilie ----------------------------------------------------------------------- 44<br />
3.2.2.1 Überanpassung-------------------------------------------------------------------------------------------------- 44<br />
3.2.2.2 Übertragung ----------------------------------------------------------------------------------------------------- 44<br />
3.2.2.3 Bindung---------------------------------------------------------------------------------------------------------- 44<br />
3.3 DIE HERKUNFTSFAMILIE -----------------------------------------------------------------------------------------45<br />
3.4 DIE PFLEGEELTERN -----------------------------------------------------------------------------------------------46<br />
3.4.1 Motive für die Aufnahme eines Pflegekindes-------------------------------------------------------- 47<br />
3.4.2 Rollenkonzepte ------------------------------------------------------------------------------------------ 48<br />
3.5 PROBLEMKREISE IN PFLEGEFAMILIEN -------------------------------------------------------------------------50<br />
3.5.1 Verhaltensaufälligkeiten ------------------------------------------------------------------------------- 51<br />
3.5.2 Identitätsproblematik----------------------------------------------------------------------------------- 51<br />
3.5.3 Besuchskontakte----------------------------------------------------------------------------------------- 52<br />
3.5.4 Loyalitätskonflikte -------------------------------------------------------------------------------------- 53<br />
3.5.5 Elternschaft auf Zeit------------------------------------------------------------------------------------ 54<br />
3.6 ZUSAMMENFASSUNG DER ENTWICKLUNGSLINIEN -----------------------------------------------------------54<br />
4 PFLEGEELTERNSCHAFT ALS BERUFLICHE TÄTIGKEIT --------------------------------------- 56<br />
4.1 ZUR BEDEUTUNG DES BERUFES IN DER MODERNEN GESELLSCHAFT -------------------------------------56<br />
4.1.1 Wandel der <strong>Beruf</strong>swelt --------------------------------------------------------------------------------- 60<br />
4.1.2 Frauen und Erwerbstätigkeit-------------------------------------------------------------------------- 62<br />
4.1.3 Tätigkeiten innerhalb des familiären Aufgabenkreises -------------------------------------------- 64<br />
4.2 DER PROZESS DER KOMMODIFIZIERUNG ----------------------------------------------------------------------65<br />
4.3 PROFESSIONALISIERUNG IM PFLEGEKINDERWESEN----------------------------------------------------------70<br />
4.3.1 Professionelles Handeln ------------------------------------------------------------------------------- 71<br />
4.3.2 Verberuflichung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong> ------------------------------------------------------------- 72<br />
4.4 DIE „PROFESSIONALISIERTE“ PFLEGEFAMILIE----------------------------------------------------------------77<br />
4.4.1 Sanfte Professionalisierung --------------------------------------------------------------------------- 78<br />
4.4.2 Doppelte Professionalisierung ------------------------------------------------------------------------ 82<br />
4.5 ZUSAMMENFASSUNG ---------------------------------------------------------------------------------------------84<br />
5 EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG--------------------------------------------------------------------------- 85<br />
5.1 FRAGESTELLUNGEN-----------------------------------------------------------------------------------------------85<br />
5.2 FORSCHUNGSMETHODIK -----------------------------------------------------------------------------------------86<br />
5.2.1. Datenerhebung ----------------------------------------------------------------------------------------- 86<br />
5.2.1.1 Das themenzentrierte, leitfadengestützte Interview-------------------------------------------------------- 87<br />
5.2.1.2 Auswahl, Zugang und Beschreibung der Interviewpartner ----------------------------------------------- 88<br />
5.2.1.3 Ablauf der Interviews -------------------------------------------------------------------------------- 92<br />
5.2.2 Auswertung der Interviews mittels Inhaltsanalyse <strong>von</strong> Mayring --------------------------------- 93<br />
5.3 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE -------------------------------------------------------------------------------95<br />
5.3.1 Motivation ----------------------------------------------------------------------------------------------- 96<br />
5.3.2 Kompetenz- und Anforderungsprofil ----------------------------------------------------------------- 98<br />
5.3.3 Herkunftssystem----------------------------------------------------------------------------------------100<br />
5.3.4 Belastungssituationen ---------------------------------------------------------------------------------102<br />
5.3.5 Netzwerk ------------------------------------------------------------------------------------------------105<br />
V
5.3.6 Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter/innen/n der Jugendwohlfahrt------------------------------108<br />
5.3.7 Wahrnehmung <strong>als</strong> Pflegeperson ---------------------------------------------------------------------110<br />
5.3.8 Absicherung --------------------------------------------------------------------------------------------113<br />
5.3.9 Verberuflichung----------------------------------------------------------------------------------------115<br />
5.3.10 Anerkennung ------------------------------------------------------------------------------------------119<br />
5.4 ZUSAMMENFASSUNG ------------------------------------------------------------------------------------------- 121<br />
6 SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK-----------------------------------------------------------122<br />
7 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ---------------------------------------------------------128<br />
8 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS -----------------------------------------------------------------------------141<br />
9 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS -----------------------------------------------------142<br />
10 ANHANG --------------------------------------------------------------------------------------------------------143<br />
10.1 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ----------------------------------------------------------------------------- 143<br />
10.2 INTERVIEWLEITFÄDEN ---------------------------------------------------------------------------------------- 144<br />
VI
1 Einleitung<br />
Pflegefamilien sind Frauen und Männer, mit oder ohne eigene Kinder, die eine soziale<br />
Elternschaft für Kinder und Jugendliche aus anderen Familien, die sich in<br />
Ausnahmesituationen befinden, eingehen. Pflegeeltern helfen mit ihrem Engagement<br />
Kindern so durch schwierige Zeiten und ermöglichen ihnen eine gefühlsmäßige<br />
Bindung in einer Familie, die für ihre Entwicklung wichtig ist. Sie erfüllen damit auch<br />
eine wichtige Aufgabe im Auftrag der Jugendwohlfahrt. Diese drei konstitutiven<br />
Merkmale <strong>von</strong> Pflegefamilien lassen bereits erahnen, dass die Tätigkeit der Pflegeeltern<br />
eine komplexe und anspruchsvolle ist.<br />
Im Konstrukt und Praxis der Pflegefamilie spielen viele Akteure eine Rolle: Die Kinder,<br />
die nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können, die Mitglieder der<br />
Herkunftsfamilie, die Pflegeeltern, die Pflegegeschwister, und die Verantwortlichen der<br />
Jugendwohlfahrt: Sie nehmen darin Schlüsselpositionen ein. Demzufolge gibt es in<br />
diesem Beziehungsgeflecht eine Vielzahl möglicher Forschungsthemen, deren<br />
Bearbeitung wichtig und notwendig ist. Nachholbedarf in der Forschung gibt es vor<br />
allem im Hinblick auf die Situation der Herkunftsfamilien und deren Umgang mit dem<br />
Umstand, ihr Kind nicht mehr bei sich zu haben und somit zentrale Elternfunktionen<br />
nicht mehr erfüllen zu können. 1 Weiters wird auch die Perspektive der Pflegekinder<br />
eher selten erfragt, wenn dies geschieht, dann meist im Rückblick nachdem ein<br />
Pflegeverhältnis beendet wurde. 2<br />
Was ist nun Gegenstand dieser Arbeit? Diese Arbeit setzt direkt im „Heute“ ein, es<br />
sollen weniger die historischen Entwicklungen und Problematiken des<br />
Pflegekinderwesens erörtert werden. Vielmehr sollen die aktuellen Bedingungen und<br />
die derzeitige Lebenswelt <strong>von</strong> Pflegeeltern vor dem Hintergrund sich verändernder<br />
Familienbilder, Lebensplanungen und Erwerbsbiographien beschrieben werden.<br />
Das Thema „<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>“ ist eingefasst in den Bezugsrahmen <strong>von</strong><br />
zunehmenden Tendenzen der Ausdifferenzierung der Formen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen<br />
und Strömungen, die über das Pflegekinderwesen hinaus zu beobachten sind, nämlich<br />
der zunehmenden Vermarktung <strong>von</strong> Tätigkeiten, die bislang großteils unentgeltlich in<br />
Familien erbracht wurden.<br />
1 siehe dazu Faltermeier et. al. (2000)<br />
2 vgl. Blandow (1999), S. 759f<br />
1
Man kann heute nicht mehr <strong>von</strong> „der“ Pflegefamilie sprechen, denn das<br />
Pflegekinderwesen ist alles andere <strong>als</strong> ein homogener Komplex, es entwickeln sich<br />
verstärkt neue, unterschiedliche Formen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen, „die sich an<br />
professionellen oder gar beruflichen Normen orientieren“. 3 Pflegeeltern arbeiten mit<br />
pädagogischem und therapeutischem Fachpersonal zusammen und werden für ihre<br />
Erziehungsarbeit bezahlt.<br />
In dieser Arbeit werden sowohl die traditionelle Pflegefamilie, die nicht oder sehr lose<br />
in eine Organisation eingebunden ist, <strong>als</strong> auch die professionalisierte Pflegefamilie, in<br />
der Pflegepersonen mit fachspezifischer Ausbildung mit Pflegekindern zusammenleben,<br />
ins Blickfeld gerückt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Darstellung der<br />
Anforderungen, denen Pflegeeltern gegenüberstehen und der Ansätze, diesen<br />
Anforderungen adäquat zu begegnen. Eine Antwort sind die Modelle der<br />
professionellen Pflegefamilien, die in unterschiedlicher Ausgestaltung und Qualität<br />
während des letzten Jahrzehntes in Österreich eingeführt worden sind und die in einem<br />
diffusen Graubereich zwischen den Familiennormen und den Normen des Arbeitslebens<br />
angesiedelt sind. Auf diese Weise wird versucht, die Vorteile der Privatheit und<br />
Geborgenheit des familialen Zusammenlebens, die Pflegefamilien Kindern bieten<br />
können, mit einem durch Grundausbildung und weiterführender Qualifizierung<br />
geschärften fachlichen Blick auf die Bedürfnisse der Kinder zu verbinden. Durch die<br />
ermöglichte Auseinandersetzung mit der Rolle <strong>als</strong> Pflegeperson wird versucht<br />
Handlungsstrategien bewusster zu gestalten.<br />
1.1 Fragestellung<br />
In der Jugendwohlfahrtsgesetzgebung ist die Unterbringung eines Minderjährigen in der<br />
Pflegefamilie <strong>als</strong> eine Form der Hilfe zur Erziehung festgelegt. Der Träger der<br />
öffentlichen Jugendwohlfahrt hat dafür zu sorgen, dass Pflegeeltern bei ihrer Aufgabe<br />
unterstützt werden, denn hier passiert „öffentliche Erziehung in privaten Institutionen“ 4 .<br />
Worin besteht in diesem Schnittfeld <strong>von</strong> Öffentlichkeit und Privatsphäre die<br />
Fachlichkeit, und mit welchen Mitteln wird versucht diese zu entwickeln, weiter zu<br />
entwickeln, zu professionalisieren? Ist das Bündel <strong>von</strong> Anforderungen an Pflegeeltern<br />
schon derart groß, dass sich damit die Notwendigkeit eines neuen <strong>Beruf</strong>sbildes<br />
3 Blandow (2004), S.14<br />
4 Thiersch (1974), S. 98<br />
2
„Pflegemutter/Pflegvater“ rechtfertigen lässt? Und will man ein (bisheriges) Ehrenamt 5 ,<br />
das darin besteht, Kinder bei sich zu Hause aufzunehmen und bei sich aufwachsen zu<br />
lassen, überhaupt zu einem <strong>Beruf</strong> werden lassen? Das hier eingebrachte<br />
Forschungsinteresse richtet sich auf die Zugänge der Pflegeeltern zu ihrer Aufgabe und<br />
darauf, ob sie ihre <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> eine Form der beruflichen Betätigung sehen.<br />
Weiters werden folgende Fragen aufgeworfen:<br />
Spielt die Option, die <strong>Pflegeelternschaft</strong> auch auf beruflicher Basis ausüben zu können,<br />
bereits einen wichtige Rolle für ein Engagement <strong>als</strong> Pflegeperson? Welche<br />
Überlegungen bei der Entscheidung für oder gegen ein Dienstverhältnis eines<br />
Pflegeelternteils werden gemacht und was verändert sich durch ein Dienstverhältnis im<br />
Selbstverständnis der Pflegeeltern? Welche Vorteile bringt diese Art der Erwerbsarbeit<br />
mit sich und mit welchen unbeabsichtigten Problemen oder Vorurteilen werden diese<br />
Pflegeeltern konfrontiert? Sind diese Modelle der professionellen Pflegeeltern ein<br />
Schritt hin zu einem allgemein anerkannten <strong>Beruf</strong>sbild Pflegemutter bzw. Pflegevater<br />
und zu einer generellen Anhebung der Qualität im Pflegekinderwesen?<br />
1.2 Aufbau der Arbeit<br />
Um zum Kern der Inhalte zu gelangen, führt der Weg über mehrere Stationen, die an<br />
dieser Stelle grob skizziert werden: Eingangs werden die grundlegenden Konturen des<br />
Pflegekinderwesens in Österreich herausgearbeitet. Dies geschieht durch die<br />
Darstellung des rechtlichen Rahmens, in dem die Pflegefamilie definiert wird und<br />
anhand statistischen Datenmateri<strong>als</strong> der letzten Jahre. Weiters wird ein kurzer Überblick<br />
über die momentanen Unterstützungssysteme für Pflegefamilien in Österreich geboten<br />
(Kap.2). Das dritte Kapitel führt uns zu den strukturellen und psychologischen Aspekten<br />
des Pflegeverhältnisses. Dies geschieht durch die Gegenüberstellung der strukturellen<br />
Merkmale und der Funktionen <strong>von</strong> Familie im Allgemeinen mit denen der Pflegefamilie<br />
im Besonderen. Darüber hinaus werden die Wandlungsprozesse, denen beide<br />
unterliegen, dargestellt. In diesem Abschnitt werden auch die<br />
Hauptfunktionsträger/innen des Systems Pflegefamilie vorgestellt. Die Problemkreise<br />
<strong>von</strong> Pflegeverhältnissen verdeutlichen, worin die Leistungen <strong>von</strong> Pflegeeltern bestehen<br />
5 „Ehrenamtlich/freiwillig Tätige sind Bürgerinnen und Bürger, die sich, ohne durch verwandtschaftliche<br />
Beziehungen oder durch ein Amt dazu verpflichtet zu sein, unentgeltlich oder für geringfügige<br />
Entschädigung, die weit unter der tariflichen Vergütung liegt, für Aufgaben zur Verfügung stellen.“ Bock<br />
(1997), S. 241, zit. n. Rauschenbach (2002), S. 345<br />
3
und dass deren Bewältigung über herkömmliches elterliches Erziehungs- und<br />
Problemlösungsverhalten hinausgeht.<br />
Das vierte Kapitel wird sich einer Diskussion rund um die Begriffe <strong>Beruf</strong>,<br />
Verberuflichung, und Professionalität widmen und der Frage nachgehen, unter welchen<br />
Bedingungen <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> gesehen werden kann und auch ausgeübt<br />
wird. Dafür wird auch auf die Bedeutung der Tätigkeiten eingegangen, die innerhalb<br />
<strong>von</strong> Familien - hauptsächlich <strong>von</strong> Frauen - geleistet werden. Welche Ansätze gibt es,<br />
diese Arbeit sichtbar und zu einer Möglichkeit des Erwerbs zu machen? Weiters wird<br />
dargestellt, wie diese allgemeinen Zeitströmungen, denen die westlichen Gesellschaften<br />
unterliegen, im Pflegekinderwesen Ausdruck finden.<br />
Dieser theoretischen Auseinandersetzung folgt im fünften Kapitel die Darstellung der<br />
Konzeption, der Durchführung und der Ergebnisse einer qualitativen empirischen<br />
Erhebung unter Pflegeeltern, die verschiedene Typen <strong>von</strong> Pflegefamilien repräsentieren,<br />
und welche einen unterschiedlichen Grad <strong>von</strong> Verberuflichung aufweisen, sowie unter<br />
Expert/innen/en aus dem Bereich des Pflegekinderwesens aus den Bundesländern<br />
Steiermark, Salzburg und Oberösterreich.<br />
Die daraus erhaltenen Erkenntnisse werden im 6. Kapitel zu Schlussfolgerungen und<br />
Hypothesen verdichtet.<br />
1.3 Zielsetzung<br />
Meine Ziele sind, mit dieser Arbeit den Trend zur Verberuflichung im<br />
Pflegekinderbereich umfassend darzustellen und seinen Ursachen sowie theoretischen<br />
und praktischen Argumenten auf den Grund zu gehen. Anhand der Ergebnisse einer<br />
empirischen Studie, die dem qualitativen Forschungsparadigma folgt, wird gezeigt,<br />
welche Sichtweisen unter Pflegeeltern zur Idee und Forderung einer Anerkennung <strong>von</strong><br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit vorhanden sind.<br />
1.4 Relevanz<br />
Die Befassung mit diesem Thema ist meines Erachtens aus mehreren Blickwinkeln<br />
relevant. Am Beispiel der Entwicklung des Pflegekinderwesens lässt sich ein Prozess<br />
darstellen, der über diesen Bereich hinaus gesamtgesellschaftliches Gewicht erlangt,<br />
nämlich der Prozess des Zur-Ware-Werdens und der Entlohnung <strong>von</strong> Leistungen, die<br />
bislang weitestgehend in der Privatsphäre der Familien ohne pekuniäre Honorierung<br />
4
erbracht wurden. Dieser Prozess verläuft nicht ohne Friktionen und Ambivalenzen, die<br />
hier beleuchtet werden sollen.<br />
Die <strong>von</strong> Pflegeeltern übernommene Aufgabe kann neben der Befriedigung <strong>von</strong><br />
Bedürfnissen, wie dem nach Familienleben mit Kindern, oder der Möglichkeit<br />
altruistisches Engagement zu verwirklichen, auch Belastungen in vielerlei Hinsicht mit<br />
sich bringen und schließt in jedem Fall große Verantwortung mit ein. Daher wird in<br />
dieser Arbeit der Prozess der Verberuflichung auch im Hinblick auf die damit<br />
einhergehenden Unterstützungsleitungen für Pflegeeltern untersucht. Diese<br />
Unterstützungssysteme, das Pflegekinderwesen generell, sind ein Feld für<br />
sozialarbeiterisches Handeln, sei es nun auf Seiten der behördlichen Sozialarbeit in den<br />
Jugendämtern oder auf Seiten der freien Träger im Pflegekinderwesen. Wie Pflegeeltern<br />
Unterstützungssysteme wahrnehmen, ist ein Teil der empirischen Erhebung und kann<br />
Hinweise liefern, wie Fachkräfte den sich verändernden Bedürfnissen weiter gerecht<br />
werden können, damit Pflegeverhältnisse gelingen.<br />
Die Relevanz meiner Arbeit begründet sich nicht zuletzt auch in der Aktualität der<br />
Professionalisierungsdebatte im Pflegekinderwesen, die sich in Publikationen und in der<br />
Thematisierung auf Kongressen und Tagungen in Österreich und international<br />
niederschlägt. Den Vereinen und Initiativen im Pflegekinderbereich ist es seit jeher ein<br />
Anliegen, dass die Leistungen, die Pflegeeltern tagtäglich im Auftrag der<br />
Jugendwohlfahrt erbringen, mehr Wertschätzung und Beachtung in der Öffentlichkeit<br />
erfahren, nicht nur, aber auch in Form einer sozialen Absicherung und einer<br />
angemessenen Entlohnung. Neben materiellem Anreiz braucht eine Pflegefamilie auch<br />
das Gefühl, anerkannt und geschätzt zu werden. Viele Pflegeeltern engagieren sich für<br />
ihr Recht auf Unterstützung und Anerkennung. Die Modelle zur Absicherung und<br />
Begleitung <strong>von</strong> Pflegeeltern sind ein „Meilenstein“ in der Realisierung dieser<br />
Bestrebungen. Hopp führt dazu aus: „Die Entwicklung <strong>von</strong> derartigen Konzepten […]<br />
geht aber weit darüber hinaus und Pflegefamilien erhalten so einen höheren Status“ 6 .<br />
6 Hopp (2004), S. 166<br />
5
2 Das Pflegekinderwesen im Überblick<br />
Den Begriff Pflegekinderwesen definiert Blandow folgendermaßen:<br />
Das Gesamt der institutionellen, personellen und rechtlichen Arrangements, die der<br />
Unterbringung <strong>von</strong> Kindern in Vollzeitpflege, ihrer und der Pflegepersonen Begleitung und<br />
Unterstützung in der Pflegefamilie, ggf. auch der Rückführung der Kinder in ihre<br />
Herkunftsfamilie oder der Vermittlung eines anderen Sozialisationsortes nach Beendigung<br />
eines Pflegeverhältnisses dienen. 7<br />
Um auf das Pflegekinderwesens und seine Entwicklungstendenzen eingehen zu können,<br />
muss zunächst auf dessen Bedeutung in der Jugendwohlfahrt und auf seine Verankerung<br />
in den entsprechenden Gesetzestexten hingewiesen werden.<br />
2.1 Rechtliche Verankerung des Pflegeverhältnisses in<br />
Österreich<br />
2.1.1 Grundsätze der Jugendwohlfahrt<br />
Der gesetzliche Auftrag Kinder zu erziehen, das heißt für eine gedeihliche Entwicklung<br />
in physischer, psychischer und geistiger Hinsicht zu sorgen, obliegt laut § 137 ABGB in<br />
erster Linie den leiblichen Eltern, den Erziehungsberechtigten: „Die Eltern haben für die<br />
Erziehung ihrer Minderjährigen Kinder zu sorgen und überhaupt ihr Wohl zu fördern“.<br />
Wenn Eltern ihre Pflichten nicht erfüllen (können) oder gröblich vernachlässigen, hat<br />
der Staat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wohl <strong>von</strong> minderjährigen Kindern und<br />
Jugendlichen zu gewährleisten.<br />
Die Sicherung des Kindeswohls ist <strong>als</strong>o der primäre gesetzliche Auftrag der<br />
Jugendwohlfahrt, <strong>als</strong> deren Träger die einzelnen Bundesländer fungieren. Der<br />
unbestimmte Gesetzesbegriff des Kindeswohls umfasst mehrere Dimensionen: das<br />
körperliche, geistige, und seelische Wohlergehen des Kindes. Das damit befasste<br />
Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 ist ein Grundsatzgesetz des Bundes. Es gilt für das ganze<br />
Bundesgebiet und soll eine einheitliche Vorgehensweise aller Länder in wichtigen<br />
Fragen der Jugendwohlfahrt sicherstellen. Die einzelnen Bundesländer waren<br />
verpflichtet, eigene Ausführungsgesetze zu erlassen, die nähere Bestimmungen zur<br />
7 Blandow (1999), S. 758<br />
6
Durchführung der einzelnen Aufgaben beinhalten. 8<br />
Aus diesem Umstand heraus<br />
entwickelten sich regional differierende Ausgestaltungen der Regelungen.<br />
Die Vollzugsorgane des Jugendwohlfahrtsgesetzes erster Instanz sind die<br />
Bezirkshauptmannschaften oder Magistrate, an sie wendet man sich, wenn in einer<br />
Familie Schwierigkeiten auftreten, die alleine nicht mehr bewältigt werden können. Ein<br />
wichtiger Grundsatz der Jugendwohlfahrt ist das Subsidiaritätsprinzip. Es besagt „dass<br />
die <strong>als</strong> subsidiär normierte Handlungsweise erst im Falle des Fehlens der <strong>als</strong> primär<br />
normierten Handlung erbracht werden“ 9 . Erst wenn die Erziehungsberechtigten das<br />
Wohl ihrer Kinder nicht mehr gewährleisten (können), besonders aber bei erzieherischer<br />
Gewalt an Kindern (Grundsatz der gewaltlosen Erziehung), ist die öffentliche<br />
Jugendwohlfahrt zum Handeln verpflichtet.<br />
Weiters ist es zentraler Auftrag der öffentlichen Jugendwohlfahrt die Erziehungskraft<br />
der Familie primär- und sekundärpräventiv zu stärken. Das JWG 1989 definierte <strong>als</strong>o<br />
eine Jugendwohlfahrt, die weniger <strong>als</strong> Kontrollinstanz fungiert, sondern vermehrt<br />
Beratung und Unterstützungsangebote für Familien bereitstellen soll.<br />
Die Jugendwohlfahrt kann je nach Hilfebedarf der Familie bzw. des Kindes Hilfen zur<br />
Unterstützung der Erziehung (Beratung, Therapien, Sozial- und Lernbetreuung etc.)<br />
geben oder Maßnahmen der Vollen Erziehung setzen (Unterbringung des Kindes bei<br />
Verwandten, Pflegefamilien oder Einrichtungen der Jugendwohlfahrt). Die<br />
Pflegefamilie <strong>als</strong> Ort und Medium der erzieherischen Hilfe soll die positiven Merkmale<br />
aufweisen, die der Familie allgemein zugeschrieben werden und welche die<br />
Herkunftsfamilie nicht in ausreichendem Maß besitzt. 10<br />
Mit der Orientierung an der Unterbringungsform der Pflegefamilie in der öffentlichen<br />
Erziehung wird beabsichtigt, das „Normale zu imitieren, das Schädigende durch<br />
Intaktes zu ersetzen und dadurch heilend zu wirken und das Fehlende zu<br />
kompensieren“. 11<br />
2.1.2 Rechtsquellen für das Pflegeverhältnis<br />
Der Begriff Pflegeverhältnis beschreibt die formale Beziehung zwischen einem fremd<br />
untergebrachten Pflegekind und den Pflegeeltern, die es aufnehmen. Die wichtigsten<br />
8 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 4<br />
9 vgl. Scheipl et al. (1993), zit. n. Sitz (1998), S. 8<br />
10 vgl. Kallert (2001), S. 209<br />
11 ebda, S. 212<br />
7
Rechtsquellen für das Pflegeverhältnis finden sich im Allgemeinen Bürgerlichen<br />
Gesetzbuch (ABGB) in dem das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind<br />
beschrieben wird, sowie im Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 (JWG). Im folgenden<br />
Abschnitt werden beispielhaft für Regelungen der Bundesländer das Steiermärkische<br />
Jugendwohlfahrtsgesetz 1991 (StJWG 1991) und die Durchführungsverordnung zum<br />
StJWG 2005 (StJWG - DVO 2005) zitiert.<br />
Für das Pflegeverhältnis finden sich grundsätzliche gesetzliche Regelungen:<br />
• im JWG 1989 in den §§14 bis 21a.<br />
• in der Neufassung der §§ 186, 186a ABGB durch das<br />
Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001 (KindRäg 2001).<br />
• Im StJWG 1991 befassen sich die §§ 21 bis 28a ausschließlich mit der<br />
Ausgestaltung des Pflegekinderwesen, weiters wird im § 37 StJWG 1991 darauf<br />
Bezug genommen. 12<br />
• In der StJWG- DVO 2005 sind in den Abschnitten 2, 3 und 4 detaillierte<br />
Regelungen zur Pflegeplatzunterbringung zu finden.<br />
2.1.3 Legaldefinitionen Pflegekind und Pflegeeltern<br />
Gemäß § 14 JWG sind Pflegekinder solche Minderjährige, die <strong>von</strong> anderen <strong>als</strong> bis zum<br />
dritten Grade Verwandten oder Verschwägerten, <strong>von</strong> Wahleltern oder <strong>von</strong> einem<br />
Vormund gepflegt und erzogen werden. Die Begründung eines<br />
Pflegefamilienverhältnisses für ein Kind ist gemäß § 16 JWG auf Kinder unter 16<br />
Jahren beschränkt.<br />
Die Legaldefinition der Pflegeeltern findet sich unter dem im KindRäg 2001 neu<br />
gefassten § 186 ABGB.<br />
Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz<br />
oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen<br />
leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder<br />
hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes<br />
betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.<br />
Das JWG 1989 brachte auch für die Pflegefamilie wichtige Neuerungen. Bei<br />
Notwendigkeit einer Fremdunterbringung wurde richtungsweisend verankert, dass der<br />
Familienerziehung vor allem bei Kleinkindern eine vorrangige Stellung gegenüber<br />
12 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 9<br />
8
Heimen zukommt. 13 Basis dafür waren die Ergebnisse der Deprivationsforschung und<br />
Entwicklungspsychologie, die verstärkt auf die verbesserten Entwicklungschancen <strong>von</strong><br />
in Familien fremd untergebrachten Kindern hinwiesen. 14<br />
Weiters ist im JWG 1989 das Ziel formuliert, bei Vollzeitpflegeverhältnissen ein<br />
tatsächliches Eltern-Kind-Verhältnis anzustreben, was bedeutet, dass ein Kind auf<br />
Dauer in einer fremden Familie untergebracht wird und die Pflegeeltern zu seinen<br />
Hauptbezugspersonen werden. Die Aufgabe der bloßen Unterbringung und physischen<br />
Versorgung, die in den Jahrzehnten zuvor stark das Bild der Pflegefamilie prägte, tritt<br />
damit deutlich in den Hintergrund. Die Jugendwohlfahrt hat folglich auch den Auftrag<br />
bekommen, verstärkt Hilfestellungen anzubieten, die dem Aufbau und der Festigung<br />
eines solchen Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Pflegeeltern und Pflegekind dienen<br />
sollen. 15<br />
2.1.4 Wie wird man zu Pflegeeltern?<br />
„Ein Pflegeverhältnis ist ein arrangiertes Verhältnis, bei dem Vertreter der<br />
Jugendwohlfahrt Schicksal spielen.“ 16 Dieses Zitat bringt auf den Punkt, dass beim<br />
Zustandekommen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen die Jugendwohlfahrtsbehörde bei der<br />
Mehrzahl der Entscheidungen eine tragende Rolle spielt.<br />
Personen, die sich um die Aufnahme eines Pflegekindes bemühen, müssen zunächst ein<br />
Verfahren zur Eignungsfeststellung bei der für ihren Wohnbezirk zuständigen<br />
Bezirkshauptmannschaft bzw. beim zuständigen Magistrat durchlaufen. Nach den<br />
Bestimmungen der jeweiligen Landesgesetze hat das Jugendamt zu diesem Zweck<br />
bestimmte Erhebungen zu machen. Sozialarbeiter/innen führen Informationsgespräche<br />
mit den Bewerber/innen/n und besuchen diese auch zu Hause. In der Steiermark sind<br />
laut § 7 Abs 4 StJWG-DVO 2005 drei dieser Gespräche vorgesehen, eines da<strong>von</strong> muss<br />
<strong>von</strong> zwei Sozialarbeiter/innen/n durchgeführt werden. Dabei soll überprüft werden, „ob<br />
die Familie einem Kind eine verlässliche Beziehungsbasis bieten und mit schwierigen<br />
Erziehungssituationen umgehen kann […] und ob die Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />
mit dem Jugendamt gegeben ist.“ 17 Damit Pflegeeltern den speziellen Anforderungen<br />
13 vgl. § 37 StJWG Abs 3<br />
14 vgl. Kumer et al. (1988), S. 17<br />
15 vgl. Peer (2004), S 140; Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 9<br />
16 Gintzel (1996), S. 12<br />
17 Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 11<br />
9
gerecht werden können, werden sie vor Übernahme eines Pflegekindes auf ihre Aufgabe<br />
vorbereitet.<br />
Der Besuch eines Orientierungs- und Vorbereitungsseminars zur<br />
Entscheidungsfindung und Informationsaneignung ist verpflichtend vorgeschrieben.<br />
Ab dem Zeitpunkt, an dem die grundsätzliche Eignung festgestellt ist, werden die<br />
Bewerber/innen vorgemerkt und es besteht die Möglichkeit, ein Pflegekind durch die<br />
Fachkräfte der Jugendwohlfahrt vermittelt zu bekommen. Dabei wird auf<br />
höchstmögliche Passung zwischen den Besonderheiten der Pflegeelternwerber/innen<br />
und den Bedürfnissen des Kindes geachtet. In realiter muss dieser Schritt häufig sehr<br />
schnell <strong>von</strong>statten gehen bzw. ist die Zahl möglicher „Kandidaten“, aus denen eine<br />
passende Familie für ein Kind gefunden werden soll, oft gering.<br />
Voraussetzung für die endgültige Aufnahme eines Pflegekindes ist der<br />
Pflegebewilligungsbescheid, der für das konkrete Pflegeverhältnis mit einem<br />
bestimmten Kind <strong>von</strong> der Behörde erteilt wird. 18<br />
Diese Pflegebewilligung ist nicht erforderlich zur Pflege <strong>von</strong> Kindern durch Verwandte<br />
oder Verschwägerte bis zum 3. Grad (Großeltern, Onkel). Solange ein Pflegeverhältnis<br />
aufrecht ist, unterliegt es der Aufsicht der Jugendwohlfahrtsbehörde. In der Steiermark<br />
ist jährlich eine Überprüfung dahingehend durchzuführen, ob die Voraussetzungen zur<br />
Pflegebewilligung noch bestehen. Diese erfolgt durch Sozialarbeiter/innen des<br />
Wohnbezirkes der Pflegeeltern 19 .<br />
2.1.5 Wie kommt es zu einer Unterbringung in einer Pflegefamilie?<br />
Die Beziehung zwischen einem Kind und seinen leiblichen Eltern ist rechtlich gut<br />
abgesichert. Diese Beziehung ist <strong>von</strong> Seiten der Eltern nicht nur ein Anrecht, sondern<br />
auch an Verpflichtungen gebunden.<br />
Die Gefährdung des Kindeswohls gibt dem Staat die Befugnis in die Familienautonomie<br />
einzugreifen und den Eltern können verschiedene Teile der rechtlichen Beziehung zum<br />
Kind per Gerichtsbeschluss vorübergehend oder ganz entzogen werden. 20<br />
Der Paragraph § 176 ABGB im Wortlaut:<br />
(1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat<br />
das Gericht, <strong>von</strong> wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des<br />
Kindes nötigen Verfügungen zu treffen.<br />
18 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 14<br />
19 vgl. Peer (2004), S. 144<br />
20 vgl. § 30 JWG<br />
10
(2) Solche Verfügungen können <strong>von</strong> einem Elternteil (…) den sonstigen Verwandten in<br />
gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem<br />
Jugendwohlfahrtsträger und dem mündigen Minderjährigen, <strong>von</strong> diesem jedoch nur in<br />
Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen<br />
können solche Verfügungen anregen.<br />
Die Obsorge über ein minderjähriges Kind setzt sich aus der Pflege, der Erziehung und<br />
der Vermögensverwaltung zusammen. Die Pflege umfasst besonders das Beachten des<br />
körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht. Die<br />
Erziehung umfasst „insbesondere die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen<br />
und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und<br />
Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen schulische und berufliche<br />
Ausbildung“ 21<br />
Der Jugendwohlfahrtsträger wird mit dem Bereich Pflege und Erziehung betraut und<br />
gibt nur diese Aufgaben an die Pflegeeltern weiter. Pflegeeltern übernehmen damit im<br />
Rahmen der Vollen Erziehung nur eingeschränkte Elternrechte. Die<br />
Vermögensverwaltung ist ein Teil der Obsorge, der meist bei den Eltern verbleibt, außer<br />
dem Jugendwohlfahrtsträger wird die gesamte Obsorge übertragen. Dies kann<br />
beispielsweise der Fall sein, wenn die Mutter selbst noch minderjährig ist.<br />
Pflegeeltern können bei Gericht die gesamte Obsorge beantragen, wenn dies auch im<br />
Interesse des Kindes liegt, ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist, und eine<br />
Rückführung in die Herkunftsfamilie nicht mehr möglich ist. 22<br />
Ohne Beschluss des Gerichtes kann eine Fremdunterbringung in eine Pflegefamilie in<br />
unmittelbarer Folge <strong>von</strong> Gefahr im Verzug für das Wohl eines Kindes nach § 215 Abs 1<br />
ABGB vorgenommen werden: wenn <strong>als</strong>o eine akute Gefährdung für sein Leben und<br />
seine Gesundheit besteht.<br />
Pflegefamilienverhältnisse können aber auch auf freiwilliger Basis zustande kommen,<br />
nämlich aufgrund eines Vertrages der Jugendwohlfahrtsbehörde mit den Eltern oder<br />
einer Ermächtigung durch die Eltern nach § 137a ABGB.<br />
21 Wille (2006), S. 9<br />
22 vgl. Peer (2004), S. 148<br />
11
2.1.6 Die rechtliche Situation <strong>von</strong> Herkunftsfamilien<br />
Eine Unterbringung eines Kindes außerhalb der leiblichen Familie erfolgt im Regelfall<br />
aus einer schwerwiegenden Begründung heraus. Familien, in die der Staat so<br />
folgenreich eingreift, befinden sich zumeist in äußerst prekären Lebenssituationen und<br />
deren Kinder finden dort wenig förderliche Bedingungen für einen guten Start ins Leben<br />
vor.<br />
Die folgenden Gründe werden häufig beobachtet, meist handelt es sich auch um<br />
Multiproblemkonstellationen in den Familien: „Vernachlässigung, Misshandlung,<br />
finanzielle oder Wohnprobleme, psychische Störungen der Eltern,<br />
Erziehungsunfähigkeit oder Erziehungsschwierigkeiten, emotionale Ablehnung des<br />
Kindes, Alkohol- und Drogenmissbrauch, sexueller Missbrauch<br />
Abwesenheit/Verschwinden/Tod <strong>von</strong> Elternteilen oder Kriminalität.“ 23<br />
Eine aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2005 bescheinigt bei<br />
den Faktoren, die zur Fremdplatzierung geführt haben, eine deutliche Zunahme der<br />
Nennung „Be- und Erziehungsproblem“ sowie der Nennung „Alleinerziehender<br />
Elternteil“ im Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 1987. 24<br />
Die leiblichen Eltern verlieren nicht alle elterlichen Rechte und Pflichten, wenn sie ihr<br />
Kind in Pflege geben. Wie oben schon erwähnt, bleiben sie weiterhin zuständig für die<br />
gesetzliche Vertretung die Vermögensverwaltung das Kind betreffend und sind<br />
unterhaltspflichtig. Leibliche Eltern verfügen über ein Informations- und<br />
Äußerungsrecht, weiters ist im …§ 148 ABGB das Recht der Eltern festgeschrieben,<br />
persönlich mit ihren Kindern zu verkehren. Ob und in welchem Ausmaß ein<br />
Besuchsrecht gewährt wird, hängt unter anderem vom Alter des Kindes und den<br />
Gründen, die zur Herausnahme des Kindes aus der Familie geführt haben, ab. 25 Eine<br />
Einschränkung oder Untersagung des Besuchsrechts kann nach § 178 Abs 3 ABGB<br />
durch das Gericht vorgenommen werden, wenn Elternteile: „…durch die Wahrnehmung<br />
des Besuchsrechtes das Wohl des Kindes ernstlich gefährden, oder er sie in<br />
rechtsmissbräuchlicher oder für den anderen in unzumutbarer Weise in Anspruch<br />
23 Textor (1995), S. 46f<br />
24 vgl. DJI (2006), S. 26<br />
25 vgl. Peer (2004), S. 148<br />
12
nimmt“. Gegen den Willen des mündigen Kindes, <strong>als</strong>o ab dem 14. Lebensjahr, kann das<br />
Besuchsrecht nicht durchgesetzt werden.<br />
Bei wichtigen Ereignissen, die das Pflegekind betreffen, besteht eine Meldepflicht der<br />
Pflegeeltern an den Jugendwohlfahrtsträger, nicht jedoch an die leiblichen Eltern. 26<br />
Abbildung 1: Der Weg zum Pflegeverhältnis<br />
(Quelle: eigene Darstellung)<br />
26 vgl. Wille (2006), S. 9<br />
13
2.1.7 Leistungen für die Pflegefamilie<br />
Pflegeeltern haben Anspruch auf Familienbeihilfe und Pflegefreistellung, sowie auf<br />
Kinderbetreuungsgeld, sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.<br />
Pflegekinder können bei einem Pflegeelternteil in der Krankenversicherung<br />
mitversichert werden.<br />
Zur Abdeckung der Unterhaltsleistungen für das Kind wird Pflegepersonen vom<br />
Jugendamt ab dem ersten Tag des Pflegeverhältnisses Pflegeelterngeld gewährt. Die<br />
Höhe dieses Betrages ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich und bewegt<br />
sich in einer Spanne <strong>von</strong> 320 bis 480 Euro, meist in gestaffelten Richtsätzen, je nach<br />
Alter des Kindes, und wird jährlich angepasst. Darüber hinaus gibt es Sonderpauschalen<br />
für die Erstausstattung mit Kleidung und Möbeln, die zu Beginn des Pflegeverhältnisses<br />
ausbezahlt werden. 27 Für Sonderbedarfe, wie Musikschule, Skikurse, Ersatz für<br />
Therapiekosten, Ferienaufenthalte und dergleichen, müssen jeweils Anträge zur<br />
Übernahme der Kosten bei der Jugendwohlfahrt gestellt werden. Diese Zahlungen<br />
stellen Leistungen für das Pflegekind dar, ob diese Leistungen gewährt werden, liegt im<br />
Ermessen der zuständigen Mitarbeiter/innen der Behörde. 28<br />
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für die Pflegeeltern?<br />
Je nach Bundesland ist auch das Ausmaß der fachlichen Unterstützung und der sozialen<br />
Absicherung für Pflegeeltern äußerst unterschiedlich – <strong>von</strong> wenig bis gar keine im<br />
Burgenland bis zu sehr umfassend in Ober- und Niederösterreich. Als Mindeststandard<br />
kann man die Pflegeelternrunden für den Austausch untereinander anführen, die überall<br />
angeboten werden und zumeist unter fachlicher Anleitung abgehalten werden. Weiters<br />
gibt es vielerorts Möglichkeiten für Pflegeeltern Supervision, sowie begleitende<br />
Beratungs- Fortbildungsangebote in Anspruch zu nehmen, die zuweilen aber<br />
kostenpflichtig sind. In einigen Bundesländern kann der Pflegeelternteil, der<br />
hauptsächlich die Betreuung des Pflegekindes übernimmt, die<br />
Sozialversicherungsbeiträge <strong>von</strong> der Verwaltungsbehörde ersetzt bekommen und somit<br />
auch zusätzliche Versicherungsjahre für einen späteren Pensionsanspruch erhalten.<br />
27 Für das Bundesland Steiermark werden derzeit nach §§ 14 und 15 StJWG-DVO 2005 für Pflegekinder<br />
unter 12 Jahren € 379 ausbezahlt, für Pflegekinder über 12 Jahren € 418, das Erstausstattungspauschale<br />
beträgt € 379. Für Sonderformen der Pflegeplatzunterbringung wie der Kurzzeitunterbringung gelten um<br />
100% höhere Richtsätze.<br />
28 vgl. Wille (2006), S. 58<br />
14
Viele Pflegeeltern verzichten bei Übernahme ihrer sozialen Elternschaft zum Wohle der<br />
Kinder auf eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit und verlieren dadurch Pensionszeiten.<br />
Wenn die Übernahme in die Pflege nach dem vollendeten vierten Lebensjahr des<br />
Pflegekindes stattfindet, können die Pflegeeltern auch keine Ersatzzeiten für die<br />
Kindererziehung für ihren Pensionsanspruch erhalten.<br />
In einigen Bundesländern ist man dazu übergegangen, Pflegeeltern in ein festes<br />
Arbeitsverhältnis aufzunehmen, wenn sie dies möchten. Dieses wird zwischen einem<br />
freien Träger, dem diese Aufgabe <strong>von</strong> dem jeweiligen Amt der Landesregierung<br />
übertragen wurde, und den Pflegeeltern abgeschlossen.<br />
Dadurch ist es zu einer Zweiteilung der Pflegeeltern gekommen. Die einen behalten den<br />
ursprünglichen Status bei, bekommen Unterhalt für das Pflegekind und können die<br />
vorhandene Angebote zur fachlichen Unterstützung auf freiwilliger Basis annehmen.<br />
Die anderen werden darüber hinaus krankenversichert, können zusätzliche<br />
Pensionsjahre erwerben und werden für den Sozialpädagogischen Mehraufwand, den<br />
sie für ihre Pflegekinder erbringen, entlohnt. Mit dem Entstehen derartiger<br />
Arbeitsverhältnisse können auch qualitätssichernde Maßnahmen <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />
eingefordert werden.<br />
Die Ziele, die damit verfolgt werden sind Qualitätssicherung im Pflegeverhältnis,<br />
Professionalisierung der sozialpädagogischen Tätigkeit der Pflegeeltern, eine<br />
sozialrechtliche Absicherung der Pflegeeltern und dadurch vermehrte Bewerbungen <strong>als</strong><br />
Pflegeperson und allgemein eine gesellschaftliche Aufwertung der Pflegeelternarbeit.<br />
Dadurch wird ein Ansatz verfolgt, der da<strong>von</strong> ausgeht, dass „Hilfen für Erwachsene auch<br />
Hilfen für Pflegekinder“ 29 darstellen. Die Erwartungen der Länder, dass sich durch ein<br />
finanzielles Anreizsystem die Zahl der Pflegeeltern erhöhen würde, haben sich bisher<br />
aber nicht erfüllt. 30 Allerdings stehen diese Modelle angesichts angespannter<br />
öffentlicher Haushalte noch auf wackeligen Beinen und sind auch Kritik ausgesetzt.<br />
Die traditionelle Form der <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> ehrenamtliche Tätigkeit ist nach wie<br />
vor die vorherrschende.<br />
29 Lutter (1996), S. 12<br />
30 vgl. Loidl-Keil; Tschemer; Viechtbaur (2004), S. 189; Wiesner (2005), S. 75<br />
15
2.2 Formen der Inpflegnahme<br />
Unter dem Begriff Pflegeverhältnis können vielfältige Hilfearrangements<br />
zusammengefasst werden, die <strong>von</strong> der kurzfristigen Aufnahme eines Kindes in einer<br />
familiären Notsituation bis hin zu einer langfristigen Lebensperspektive reichen können.<br />
Maßgeblich ist die Feststellung des erzieherischen Bedarfes im Einzelfall. Unter<br />
Beachtung der unterschiedlichen Problemlagen <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen sowie<br />
ihrer Familien, muss eine Fremdunterbringung jeweils unterschiedliche Funktionen<br />
wahrnehmen können. Pflegeverhältnisse können mit verschiedensten Zielsetzungen<br />
begründet werden, deshalb ist es in den letzten beiden Jahrzehnten auch zu einer<br />
zunehmenden Ausdifferenzierung der Pflegeformen gekommen. „Die Pflegefamilie<br />
kann<br />
• vollen Ersatz für die Ursprungsfamilie bieten und auf Dauer angelegt sein,<br />
• für einen bestimmten, absehbaren Zeitraum <strong>als</strong> Ergänzung zum elterlichen<br />
Haushalt fungieren oder<br />
• der Überbrückung <strong>von</strong> Notsituationen dienen.“ 31<br />
Der Ausbau <strong>von</strong> ambulanten Hilfen für Familien, die mit der Versorgung und Erziehung<br />
ihrer Kinder nicht zurechtkommen, hat ebenfalls zur Differenzierung der Pflegeformen<br />
beigetragen. Angebote fachlich qualifizierter Erziehungsarbeit <strong>von</strong> Pflegepersonen für<br />
besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche in der privaten Sphäre<br />
der Pflegefamilie wurden geschaffen. Dem traditionellen Laienpflegefamilienmodell<br />
werden nunmehr qualifizierte und verberuflichte Möglichkeiten für <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />
beigestellt, um adäquat auf die Erfordernisse des Einzelfalls reagieren zu können.<br />
2.2.1 Dauerpflegefamilien<br />
Die Dauerpflegefamilie ist die Grundform aller Pflegefamilien. Es soll ein verlässlicher<br />
neuer Lebensort für die Pflegekinder geschaffen werden, die <strong>von</strong> ihren leiblichen<br />
Familien weitestgehend gelöst sind. Eine Rückführung in die Herkunftsfamilie ist keine<br />
Option mehr. Der Kontakt zur Herkunftsfamilie soll aber aufrecht bleiben, soweit dies<br />
im Interesse des Kindes ist. Diese Form des Pflegeverhältnisses kommt vor allem für<br />
Pflegeeltern mit einem traditionellen Bild <strong>von</strong> einem Pflegeverhältnis in Frage. 32<br />
31 vgl. Gintzel (1996), S. 7<br />
32 vgl. Blandow (2007), S. 13<br />
16
2.2.2 Kurzzeitpflege<br />
Es gibt die verschiedensten Termini für diese Art des Pflegeverhältnisses:<br />
Bereitschaftspflege, passagere Pflegeplätze, Krisenpflegeplätze etc. Sie dienen der<br />
vorübergehenden Unterbringung während einer akuten Krisensituation in der<br />
Herkunftsfamilie und sind meist für einen Zeitraum <strong>von</strong> bis zu drei Monaten gedacht.<br />
Sie sind für Übergangszeiträume konzipiert, sind gekennzeichnet durch unklare<br />
Situationen in vielen Aspekten und erfordern <strong>von</strong> den Pflegepersonen ein hohes Maß an<br />
Flexibilität und Einfühlungsvermögen. 33 Wenn Pflegefamilien häufig Kinder<br />
aufnehmen, müssen sie auch häufige Trennungen verarbeiten können.<br />
Der Arbeit mit dem Herkunftssystem kommt bei dieser Form der Unterbringung ein<br />
hoher Stellenwert zu. Ziel ist es, während der Zeit der Unterbringung eine<br />
Perspektivenklärung vorzunehmen, die weiteren nötigen Schritte zu planen und<br />
umzusetzen. Bei solchen Problemstellungen wurden früher meist Heimunterbringungen<br />
vorgezogen, da sie sich <strong>als</strong> neutraler Rückzugsort für den Zeitraum der Beruhigung der<br />
krisenhaften Ereignisse in der Familie gut eignen. Für jüngere Kinder und Säuglinge<br />
wird diese Praxis nicht <strong>als</strong> ideal angesehen, daher wurden Krisenpflegeplätze<br />
eingerichtet. In einigen Bundesländern (Salzburg, Burgenland) gibt es diese Art der<br />
Unterbringung nicht <strong>als</strong> fixes Angebot. 34 Im Akutfall werden dort erfahrene<br />
Dauerpflegeeltern <strong>von</strong> den Sozialarbeiter/innen/n der Jugendwohlfahrt angesprochen<br />
und um ihre Unterstützung gebeten. Es gibt jedoch keinen Pool an speziell dafür<br />
ausgebildeten Pflegeeltern wie dies in den anderen Bundesländern der Fall ist.<br />
2.2.3 Interims-Vollzeitpflege oder Familienbegleitende<br />
Pflegeplatzunterbringung<br />
Für einen bestimmten Zeitraum, der bis zu zwei Jahre dauern kann, ist die Pflegefamilie<br />
<strong>als</strong> vorübergehender neuer Lebensort für das Pflegekind angelegt. Diese Maßnahme<br />
wird gewählt, wenn eine gute Aussicht auf eine Stabilisierung der Lage in der<br />
Herkunftsfamilie – in einem für das Kind vertretbaren Zeitraum – besteht. Ziel ist es,<br />
die Herkunftsfamilie in dieser Zeit soweit zu festigen, dass eine Rückkehr des Kindes<br />
33 vgl. Steege; Szylowicki (1996), S. 182; Lercher (2006), unter<br />
http://www.pflegefamilie.at/?op=krisenpflege, (abgefragt am 27.06.07)<br />
34 vgl. E 2, Z. 29-34 (Hiermit wird Bezug auf Passagen aus den Interviews genommen: E bzw. P stehen<br />
für Interview mit Expert/in/en bzw. Pflegeperson, die Nummerierung verweist auf ein bestimmtes<br />
Interview, und die Angabe Z. zeigt mit der Zeilennummer die exakte Passage im Interview auf.<br />
17
wieder möglich ist. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass je länger ein Kind in<br />
Pflege bleibt, die Chancen einer Rückführung geringer werden. 35<br />
Gerade bei dieser Konstellation werden <strong>von</strong> Seiten der Behörde <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />
erweiterte Kompetenzen im Umgang mit der Herkunftsfamilie erwartet. Pflegeeltern<br />
haben die Aufgabe die Bindungen zur Herkunftsfamilie zu stützen und zu pflegen, darin<br />
unterscheidet sich diese Art der Beziehungsgestaltung zur Dauerpflege. Die Pflegeeltern<br />
sollen durch ihren Umgang mit den Kindern auch eine Art Vorbildfunktion für die<br />
Herkunftseltern erfüllen. 36<br />
2.2.4 Heilpädagogische Pflegefamilien<br />
Besonders qualifizierte Pflegepersonen, oder Personen mit einem entsprechenden<br />
<strong>Beruf</strong>sabschluss (z.B. <strong>als</strong> Erzieher/in, Sozialpädagog/in/en oder Lehrer/in) betreuen hier<br />
Kinder mit erhöhten pädagogischen Bedarfen, wie z. B. ausgeprägten<br />
Verhaltensauffälligkeiten, Behinderung oder anderen Störungsbildern, die aber noch in<br />
einem familiären Setting bewältigt werden können. Die Pflegepersonen setzten ihre<br />
fachlichen und menschlichen Kompetenzen für deren Erziehung gezielt ein. Solche<br />
Familien sollen auch älteren Kindern offen stehen, die den Halt einer Familie noch<br />
brauchen, aber schwer in traditionelle Pflegefamilien zu vermitteln sind. 37<br />
2.2.5 Mutter-Kind Unterbringung bei Pflegefamilien<br />
Diese Form der Inpflegnahme ist ein Angebot vom Pflegeelternverein Steiermark. Hier<br />
können sehr junge Mütter und ihre Kinder in eine Pflegefamilie integriert und in ihrem<br />
Entwicklungsprozess <strong>von</strong> erfahrenen Pflegefamilien unterstützt und begleitet werden.<br />
Sie sollen dadurch zu einem späteren gemeinsamen und selbständigen Leben mit ihrem<br />
Kind befähigt werden. 38<br />
2.2.6 Verwandtenpflege<br />
Diese Form der Unterbringung kommt am häufigsten vor, da sie keiner Bewilligung<br />
durch die Behörde bedarf. Pflegeverhältnisse im Verwandtenkreis, meist bei den<br />
35 vgl. Blandow (1999), S. 768<br />
36 vgl. Salgo (2005), S. 61; Lercher (2006): Familienbegleitende Pflege. unter<br />
http://www.pflegefamilie.at/?op=fambegleitende, (abgefragt am 27.06.2007)<br />
37 vgl. Gasser-Steiner-Rauter (2002), S. 3<br />
38 vgl. E 1, Z. 173<br />
18
Großeltern, Onkeln oder Tanten haben eine andere Ausgangsposition <strong>als</strong><br />
Fremdpflegeverhältnisse. Es besteht in den meisten Fällen bereits ein Naheverhältnis<br />
zwischen den Pflegekindern und den Pflegeeltern. Zwischen Verwandten können aber<br />
in gleicher Weise Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten über Dauer und<br />
Ausgestaltung der Betreuung entstehen wie zwischen nichtverwandten Familien. Daher<br />
besteht auch hier die Notwendigkeit einer fachlichen Betreuung. In der Praxis bleiben<br />
diese Pflegeverhältnisse jedoch oft ohne Begleitung. Generell werden<br />
Verwandtenpflegeverhältnisse auch finanziell geringer ausgestattet <strong>als</strong><br />
Fremdpflegeverhältnisse. 39<br />
Der Vorteil dieser Art der Unterbringung ist darin zu sehen, dass das soziale und<br />
familiale Bezugsfeld für das Kind oder den Jugendlichen erhalten bleibt und sie mit<br />
weniger Stigmatisierung für das Kind einhergeht. Ein Nachteil kann sein, dass die<br />
Kinder einem möglichen negativen Einfluss der Eltern nicht entzogen werden. 40<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass einige dieser derzeit in Österreich in<br />
Umsetzung befindlichen Formen bereits deutlich in Richtung eines verberuflichten<br />
Systems erzieherischer Hilfe im Familiensetting zeigen.<br />
Wie viele Kinder benötigen ein solches Pflegeverhältnis? Die Darstellung des<br />
Pflegekinderwesens anhand <strong>von</strong> statistischen Aufzeichnungen der letzten Jahre soll<br />
darüber Aufschluss geben.<br />
2.3 Statistische Darstellung des Pflegekinderwesens in<br />
Österreich<br />
Zum statistischen Material muss Folgendes vorausgeschickt werden: Im letzten<br />
Jahrzehnt haben einschneidende Veränderungen in Art und Umfang der statistischen<br />
Aufzeichnungen zur Jugendwohlfahrt stattgefunden. Von 1991 bis 1999 gab es eine<br />
ausführliche Dokumentation der Fremdunterbringungen auf Bundesebene, aufbauend<br />
auf die Jugendwohlfahrtsstatistik der Statistik Austria (zuvor Statistisches Zentralamt).<br />
Ein Transfer dieser Kompetenz an die Länder und die Umstellung der Datensammlung<br />
hatte zur Folge, dass für die Jahre 2000 bis einschließlich 2002 unvollständige Berichte<br />
39 vgl. Blandow (2004), S. 182f<br />
40 vgl. Blandow (2006), S. 3ff.<br />
19
erstellt wurden, da einige Bundesländer keine Zahlen zur Verfügung stellten. Seit 2003<br />
liegen die Jugendwohlfahrtsberichte wieder vor, jedoch in bescheidenerem Umfang und<br />
weniger detailliert <strong>als</strong> zuvor. Das Sozialpädagogische Institut im Fachbereich<br />
Pädagogik <strong>von</strong> SOS Kinderdorf Österreich hat daher mit einem Statistischen<br />
Monitoring 41 begonnen und ist zu der Erkenntnis gelangt, dass teilweise erhebliche<br />
Differenzen zwischen den Fremdunterbringungszahlen auf Landes- und Bundesebene<br />
bestehen. 42 Hier wird auf die offiziellen Angaben des Bundesministeriums für<br />
Gesundheit Familie und Jugend (BMfGFJ) Bezug genommen.<br />
Laut Jugendwohlfahrtsbericht 2006 des BMfGFJ befanden sich mit Stichtag 31. 12.<br />
2006 4.341 Pflegekinder im Rahmen der Vollen Erziehung in einer Pflegefamilie. Von<br />
diesen sind 1.235 im Alter <strong>von</strong> 0 bis 5 Jahren, 1.956 sind zwischen 6 und 13 Jahre alt<br />
und auf die Gruppe der 14 bis 18 Jährigen entfallen 1.150 Jugendliche. Aufgrund einer<br />
Vereinbarung zwischen Jugendwohlfahrtsträger und leiblichen Eltern geschah dies in<br />
2.121 Fällen, aufgrund einer gerichtlichen Verfügung war dies bei 2.106 Kindern der<br />
Fall. Innerhalb desselben Berichtsjahres wurden überdies 616 Pflegeverhältnisse<br />
beendet. Auf die Gründe für die Beendigung – z. B. Abbruch des Pflegeverhältnisses<br />
oder Volljährigkeit des Pflegekindes – wurde in diesem Bericht nicht weiter<br />
eingegangen.<br />
Wie aus der Tabelle 3 auf der folgenden Seite ersichtlich, befindet sich beinahe die<br />
Hälfte der in Österreich fremd untergebrachten Kinder in der Obhut <strong>von</strong> Pflegefamilien,<br />
4341 <strong>von</strong> 9862 Minderjährigen, dies entspricht 44% aller Minderjährigen in Voller<br />
Erziehung.<br />
Bei der Dauer der Fremdunterbringung ist ein deutlicher Unterschied zwischen der<br />
Betreuung durch Pflegeeltern und der Unterbringung in sozialpädagogischen<br />
Einrichtungen zu beobachten (vgl. Tabellen 1 und 2). In über 30% der Fälle dauerte die<br />
Pflegeelternunterbringung länger <strong>als</strong> 5 Jahre, was das Erreichen <strong>von</strong> stabilen<br />
Pflegeverhältnissen zeigt. 43 Diese Zahlen deuten aber auch darauf hin, dass der<br />
41 Monitoring: Dauerbeobachtung eines bestimmten Systems<br />
42 vgl. Zoller-Mathies; Madner (2006), S. 175ff<br />
Die Zahlen der Länder sind durchgängig höher. Als mögliche Ursachen werden Doppelzählungen,<br />
unterschiedliche Stichtage, unterschiedliche Einschlusskriterien und Missverständnisse beim Ausfüllen<br />
der Belege angegeben.<br />
43 vgl. dazu auch Blandow (2007), S. 9<br />
20
überwiegende Teil der Pflegeverhältnisse <strong>von</strong> kürzerer Dauer ist <strong>als</strong> angenommen, und<br />
die Pflegefamilie vielfach vorübergehender Lebensort für Kinder ist. Diese Tatsache<br />
zeichnet sich auch in deutschen Untersuchungen ab 44 . Im Vergleich dazu dauert die<br />
institutionelle Betreuung <strong>von</strong> Kindern jedoch nur bei 15,4% der Fälle über diesen<br />
Zeitraum <strong>von</strong> 5 Jahren hinaus. Die Formen der Krisen-/Kurzzeitunterbringung in<br />
Pflegefamilien haben sich zu einem gefragten Angebot der Jugendhilfe gewandelt, galt<br />
doch lange der neutralere Ort einer Institution <strong>als</strong> geeigneter dafür. Bei der folgenden<br />
Darstellung ist zu beachten, dass keine Daten aus dem Bundesland Salzburg verfügbar<br />
waren.<br />
Tabelle 1: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in Pflegefamilien<br />
Dauer der Unter 12<br />
Länger <strong>als</strong> 5<br />
Bis 2 Jahre Bis 5 Jahre<br />
Gesamt<br />
Unterbringung Monaten<br />
Jahre<br />
Anzahl 266 87 74 189 616<br />
Prozent 43,2% 14,1% 12% 30,7% 100%<br />
(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des JWF- Berichtes 2006 des BMfFGJ)<br />
Tabelle 2: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in sonstigen<br />
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt<br />
Dauer der Unter 12<br />
Länger <strong>als</strong> 5<br />
Bis 2 Jahre Bis 5 Jahre<br />
Unterbringung Monaten<br />
Jahre<br />
Gesamt<br />
Anzahl 764 403 429 289 1.894<br />
Prozent 40,4% 21,4% 22,8% 15,4% 100%<br />
(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des JWF- Berichtes 2006 des BMfFGJ)<br />
Ein Vergleich der Daten der letzten 16 Jahre anhand der Tabelle 4 zeigt, dass die Zahl<br />
der Pflegekinder zunächst rückläufig gewesen ist, seit 1999 relativ geringen<br />
Schwankungen unterliegt und in einem Bereich zwischen 4300 und 4600 Fällen<br />
pendelt.<br />
Gründe dafür sind der Ausbau der Sozialen Dienste und Hilfen zur Erziehung, die eine<br />
ambulante Betreuung der Familien vorsehen. Die Zunahme dieser Dienste trägt zur<br />
Verringerung der Fremdunterbringungen bei. Die Behörde ist vom Gesetzgeber dazu<br />
verpflichtet, stets das „gelindeste Mittel“ zur Stabilisierung <strong>von</strong> gefährdeten Familien<br />
einzusetzen. Bei Gefährdung des Kindeswohls haben demzufolge Hilfen innerhalb der<br />
Familie Vorrang. Auch das vermehrt verfolgte Ziel der erfolgreichen Rückführung in<br />
die Herkunftsfamilie schlägt sich in der Dauer der Fremdunterbringung nieder.<br />
44 vgl. Güthoff (1996), S. 39ff; Jenzig (1998), S. 2<br />
21
Tabelle 3: Pflegekinderstatistik Österreich für das Jahr 2006<br />
Wien NÖ Bgld Stmk OÖ Slzbg 45 Tirol Vlbg Kärnten Gesamt<br />
Einwohner/innen<br />
Stand 1.1.2003<br />
Da<strong>von</strong> Minderjährige<br />
0-18 Jahre<br />
1.673.176 1.545.804 277.569 1.202.087 1.376.797 528.351 697.435 364.656 560.300 8.226.175<br />
291.139 338.379 52.392 222.469 303.673 107.483 144.409 84.858 107.142 1.651.971<br />
MJ in Voller Erziehung 2.383 1.670 264 1.639 1.184 532 729 517 944 9.862<br />
Da<strong>von</strong> sind:<br />
MJ in institutioneller Erziehung 1.267 839 172 821 687 355 437 253 690 5.521<br />
MJ <strong>als</strong> Pflegekinder in<br />
Pflegefamilien<br />
1.116 831 92 818 497 177 292 264 254 4.341<br />
2006 beendete Pflegeverhältnisse 146 45 9 226 71 ---- 31 59 29 616<br />
(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Jugendwohlfahrtsberichtes des BMfGJF 2006)<br />
Tabelle 4: Pflegekinderstatistik Österreich: Verlauf 1990 bis 2006<br />
Jahr<br />
1990<br />
31.12.90<br />
1995 1999 2003 2004 2005 2006<br />
MJ <strong>als</strong> Pflegekinder in Pflegefamilien 6.577 5.503 4.354 4.399 4.298 4.584 4.341<br />
(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Österreichischen Statistischen Zentralamtes 1992, 1997;<br />
Zoller-Mathies; Madner (2006); S. 176f)<br />
45 Das Land Salzburg konnte keine Auswertung der Dauer der beendeten Maßnahmen EDV-mäßig erfassen. Die Auswertung erfolgte nicht mit Stichtag 31.12.,<br />
sondern im Monat Dezember 2006.<br />
22
2.4 Übersicht über die Unterstützungssysteme in den<br />
Bundesländern<br />
In Niederösterreich sind 2 Systeme zur Absicherung <strong>von</strong> Pflegeeltern vorgesehen. Seit<br />
1. Jänner 2005 gibt es das Projekt „Pensionsversicherung für Pflegeeltern". Das Land<br />
Niederösterreich bezahlt Pflegeeltern nicht nur eine finanzielle Abgeltung durch den<br />
Pflegebeitrag, sondern auch eine Pensionsversicherung für den haushaltsführenden<br />
Pflegeelternteil, der dafür gewisse Voraussetzungen erfüllen muss: So wird der<br />
Pensionsversicherungsbeitrag <strong>von</strong> €250 ab dem 4. Lebensjahr des Pflegekindes<br />
übernommen, wenn das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit €940 brutto nicht<br />
übersteigt. Dafür verpflichtet sich die Pflegeperson zwei Fortbildungstage pro Jahr zu<br />
absolvieren und an fünf Abendveranstaltungen einer Pflegeelternrunde teilzunehmen.<br />
Das zweite System nennt sich Professionelle Pflegestelle und wurde für Familien<br />
eingerichtet, die Pflegekinder mit besonderen Indikationen (z. B. äußerst schwieriger<br />
Kontakt mit Herkunftseltern, erhöhte pädagogische Anforderungen durch schwere<br />
Vernachlässigung etc.) aufnehmen, die für eine traditionelle Pflegefamilie eine<br />
Überforderung bedeuten könnten. Diese Pflegeeltern können sich bei der<br />
Interessensgemeinschaft NÖ Pflege- und Adoptiveltern anstellen lassen. Pflegepersonen<br />
müssen neben dem Erfüllen der allgemeinen Voraussetzungen ein<br />
Ausbildungsprogramm für professionelle Pflegeeltern absolvieren. Prinzipiell darf kein<br />
weiteres aufrechtes Dienstverhältnis neben der Anstellung <strong>als</strong> professionelle/-r<br />
Pflegemutter/-vater bestehen. Unter folgenden Voraussetzungen kann ein weiteres<br />
Dienstverhältnis eingegangen werden:<br />
- das professionelle Pflegeverhältnis muss mindestens 2 Jahre bestehen<br />
- das Kind muss das 10. Lebensjahr erreicht haben<br />
- die Gesamtarbeitszeit beider Anstellungsverhältnisse darf 40 Wochenstunden<br />
nicht überschreiten.<br />
Der Zeitaufwand für jedes Kind wird mit 13 Stunden wöchentlich berechnet, derzeit<br />
sind in diesem Rahmen 19 Kinder bei 16 Pflegefamilien untergebracht. Dafür<br />
verpflichten sich die Pflegeeltern zu regelmäßiger Fortbildung, monatlichen<br />
23
Reflexionsgruppen, vierteljährlichen Verlaufsbesprechungen mit Sozialarbeiter/innen/n<br />
des Dienstgebers, monatlichen Hausbesuchen durch Sozialarbeiter/innen/n des<br />
Dienstgebers und zur Erstellung eines monatlichen Entwicklungsberichtes über das<br />
Pflegekind.<br />
Das Grundeinkommen beträgt €323,46 brutto (Stand 2007) - 14mal jährlich. Der<br />
sozialpädagogische Mehraufwand pro Pflegekind beträgt zusätzlich €218,02 brutto -<br />
14mal jährlich. Unabhängig vom Gehalt erfolgt die Auszahlung des Pflegebeitrages für<br />
das Pflegekind. 46<br />
Pflegeeltern in Oberösterreich können sich seit dem Jahr 2000 beim Verein für Pflegeund<br />
Adoptiveltern Oberösterreich in einem Teilzeitdienstverhältnis anstellen lassen und<br />
sind somit sozialversicherungsrechtlich voll abgesichert. Die Möglichkeit der<br />
Anstellung steht allen frei, ist aber keine Voraussetzung für ein Pflegeverhältnis, sie<br />
erfolgt nicht für die Pflege des Kindes - diese geschieht grundsätzlich unentgeltlich -<br />
sondern für sozialpädagogische Mehrleistungen, die erbracht werden und für<br />
Leistungen, die der Qualitätssicherung dienen und im Dienstvertrag festgelegt sind. Die<br />
Teilnahme an laufender Fortbildung, Einzelsupervision, Mitarbeitergespräche mit<br />
Sozialarbeitern des Dienstgebers, Verlaufsgespräche mit Sozialarbeiter/innen/n der<br />
Jugendwohlfahrt, Dienstbesprechungen, das Führen einer Dokumentation und die<br />
Teilnahme an Pflege- und Adoptivelterngruppen sind verpflichtend. Die Pflegeeltern<br />
verpflichten sich <strong>als</strong>o, sich mit ihrer Aufgabe vertieft auseinander zu setzen, zu<br />
reflektieren und sich weiterzubilden.<br />
Beim jährlichen Mitarbeitergespräch stehen die Pflegeperson und ihre Entwicklung im<br />
Mittelpunkt, sie bekommt Feedback <strong>von</strong> den Mitarbeiter/innen/n des Vereines und die<br />
nächsten Schritte in der Weiterbildung werden geplant. Ziele, die hier formuliert<br />
werden, fließen in das Verlaufsgespräch mit den Sozialarbeiter/innen/n der<br />
Jugendwohlfahrt ein. Dieses Gespräch dient der weiteren Hilfeplanung für das Kind.<br />
Die Protokolle dieser Gespräche werden im Jahr darauf zur Evaluierung wieder<br />
herangezogen.<br />
46 vgl. http://www.noe.gv.at/service/gs/gs6/Pfegekinder_Pflegeeltern/pk_professionelle.htm;<br />
http://www.noe.gv.at/service/gs/gs6/Pfegekinder_Pflegeeltern/pk_allgemein.htm (abgefragt am 26.05.<br />
2007)<br />
24
Das Pflegeverhältnis selbst wird nach wie vor <strong>von</strong> der Jugendwohlfahrt begleitet und<br />
beaufsichtigt. Das Gehalt beträgt für das erste Kind (8 Wochenstunden) €343,- brutto<br />
monatlich, bei zwei Kindern (12 Wochenstunden) €514,- monatlich und bei drei<br />
Kindern (16 Wochenstunden) €686,- monatlich. Neben der Anstellung <strong>als</strong> Pflegeperson<br />
kann überdies eine Beschäftigung aufgenommen werden, wenn das<br />
Beschäftigungsausmaß 50 Wochenstunden insgesamt nicht übersteigt. Die Anstellung<br />
kann für maximal drei Pflegekinder bis zur Beendigung der Maßnahme erfolgen.<br />
Tabelle 5: Ausmaß der jährlichen Dienstverpflichtungen für Angestellte PE in Oberösterreich<br />
Anzahl der<br />
Pflege- und<br />
Supervision<br />
Pflegekinder<br />
Adoptivelterngruppen<br />
Weiterbildung<br />
1 6 Einheiten<br />
15 Stunden<br />
(6 Treffen)<br />
12 Einheiten<br />
2 8 Einheiten<br />
20 Stunden<br />
(8 Treffen)<br />
12 Einheiten<br />
3 10 Einheiten<br />
25 Stunden<br />
(10 Treffen)<br />
12 Einheiten<br />
(Quelle: www.peae-ooe.at, abgefragt am 26.05.2007)<br />
Das Dienstverhältnis kann gemäß Angestelltengesetz auch aufgelöst werden: durch<br />
Kündigung durch einen der Vertragspartner unter Einhaltung der Kündigungsfrist,<br />
durch eine einvernehmliche Lösung, oder durch Entlassung. Urlaub kann nur <strong>von</strong> den<br />
Dienstverpflichtungen genommen werden, nicht aber <strong>von</strong> der Betreuung des<br />
Pflegekindes. Damit gibt es drei mögliche Formen der <strong>Pflegeelternschaft</strong> in<br />
Oberösterreich: Krisenpflege mit Anstellung, Dauerpflege mit Anstellung, Dauerpflege<br />
ohne Anstellung.<br />
Derzeit (August 2007) gibt es 196 angestellte Pflegepersonen in Oberösterreich, die 282<br />
Pflegekinder betreuen. Pflegeeltern, welche die Anstellung nicht in Anspruch nehmen<br />
wollen, können die Weiterbildungsangebote, Familienberatung und Pflegeelterngruppen<br />
auf freiwilliger Basis nutzen, die übrigen Leistungen zur Qualitätssicherung sind ihnen<br />
jedoch verwehrt.<br />
Derzeit überarbeitet das Land Oberösterreich die gesamten Abläufe im Bereich des<br />
Pflegekinderwesens <strong>von</strong> Grund auf, für 2008 werden Ergebnisse und auch<br />
Umgestaltungen erwartet. 47<br />
47 vgl. http://www.jugendwohlfahrt-ooe.at/xchg/SID-3DCFCFBE-<br />
18A3C03F/hs.xsl/173_DEU_HTML.htm ;http://www.pflegeeltern.at/fachbereiche_angestellte_allgemein<br />
(abgefragt am 26.05.2007); vgl. E 4, Z. 307-322<br />
25
In Wien haben Pflegeeltern seit 2003 die Möglichkeit sich beim Verein „Eltern für<br />
Kinder Österreich“ anstellen zu lassen, wobei die Höhe des Einkommens um einen Euro<br />
unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegt (€342,16 brutto). Der Dienstvertrag über<br />
eine geringfügige Beschäftigung wird auf die Dauer des Pflegeverhältnisses<br />
abgeschlossen. Voraussetzung ist auch hier der Besuch <strong>von</strong><br />
Weiterbildungsveranstaltungen, und die angestellte Pflegeperson darf kein Einkommen<br />
aus einer sonstigen selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit über mehr <strong>als</strong> 30<br />
Wochenstunden beziehen.<br />
Im Ausmaß <strong>von</strong> 20 Stunden im Monat sind <strong>von</strong> den Pflegeeltern sozialpädagogische<br />
Mehrleistungen (Ausfüllen <strong>von</strong> Dokumentationsbögen, Reflexion, Supervision,<br />
Dienstbesprechung und Fortbildungen) zu erbringen. Von den ungefähr 400 Wiener<br />
Pflegeeltern nehmen ca. 140 diese Möglichkeit in Anspruch.<br />
Dieses Modell ist der Nachfolger für das österreichische Pilotprojekt in diesem Bereich,<br />
das sich Projekt „Cinderella“ nannte und gezielt auch <strong>als</strong> arbeitsmarktpolitisches Projekt<br />
konzipiert war. Ziel war es einerseits allen Pflegeeltern ein Anstellungsverhältnis zu<br />
ermöglichen, da jedes Kind ein Recht auf gut ausgebildete Pflegeeltern hat, andererseits<br />
sollten auf diesem Weg neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen geschaffen<br />
werden. 48<br />
Das Land Salzburg hat das Pflegegeld aufgeteilt in monatlich €359 Unterhaltsleistung<br />
und einen nach dem Alter des Pflegekindes gestaffelten Erziehungsaufwand (zwischen<br />
€96 und €179 monatlich). Sollten die Pflegeeltern einen freien Dienstvertrag wünschen,<br />
werden bei einem Erziehungsaufwand unter der Geringfügigkeitsgrenze €48,14<br />
monatlich für den Sozialversicherungsbeitrag übernommen. Liegt der<br />
Erziehungsaufwand über der Geringfügigkeitsgrenze, werden sowohl der Dienstgeber<strong>als</strong><br />
auch der Dienstnehmerbeitrag vom Land übernommen. Für Kurzzeitpflege und bei<br />
verhaltensschwierigen Kindern wird das Pflegekindgeld um bis zu 50% angehoben.<br />
Angebote der fachlichen Unterstützung können auf freiwilliger Basis in Anspruch<br />
48 vgl. http://www.efk.at/pflegeeltern.htm (abgefragt am 26.05.2007)<br />
26
genommen werden, um Supervision zu erhalten ist <strong>von</strong> den Pflegeeltern ein Antrag bei<br />
der zuständigen Jugendwohlfahrtsbehörde zu stellen. 49<br />
In der Steiermark können Pflegeeltern, die besondere Formen der Inpflegnahme, wie<br />
Kurzzeitunterbringung oder Familienbegleitende Pflegeplatzunterbringung (FPU)<br />
ausüben, einen freien Dienstvertrag mit dem Pflegeelternverein Steiermark abschließen.<br />
Die Pflegepersonen werden (begleitend) zu Familienpädagog/en/innen ausgebildet,<br />
diese Schulung geht über einen Zeitraum <strong>von</strong> fast zwei Jahren. Für klassische<br />
Dauerpflegeverhältnisse sind solche Konstruktionen nicht vorgesehen. Aus einem<br />
solchen freien Dienstvertrag können keinerlei für einen „echten” Dienstvertrag typische<br />
Rechte (wie Urlaub, Karenzansprüche u. ä.) abgeleitet werden. 50<br />
Zur Absicherung <strong>von</strong> Pflegeeltern im Alter wurde im Jahr 1993 ein 4-stufiges so<br />
genanntes Ruhegeld eingeführt. Im Jahr 2000 wurde diese Richtlinie überarbeitet und<br />
eine Erhöhung der Pflegegeldstufen durchgeführt. Pflegepersonen, die das 60.<br />
Lebensjahr vollendet haben und mindestens 15 Jahre hindurch ein oder mehrere<br />
Pflegekinder betreut haben, steht das Ruhegeld zu. Es ist gestaffelt je nachdem, wie<br />
lange die Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegeperson ausgeübt wurde und beträgt zwischen €150 und<br />
€260. Das Ruhegeld für Pflegepersonen ist eine freiwillige Leistung des Landes<br />
Steiermark, das 12-mal im Jahr ausbezahlt wird und auf das kein Rechtsanspruch<br />
besteht. Das Ruhegeld für Pflegepersonen wurde auch aus<br />
sozialversicherungsrechtlichen Gründen <strong>als</strong> freiwillige Leistung eingeführt, da durch die<br />
Freiwilligkeit der Leistung das Ruhegeld für Pflegepersonen <strong>als</strong> Gnadenpension<br />
anzusehen ist. Dadurch kann es auch bezogen werden, wenn der Pensionsanspruch der<br />
Pflegeperson unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegt und diese die<br />
Ausgleichszulage beantragen kann, was sehr häufig der Fall ist. Bei anderer<br />
Bezeichnung würden diese Zahlungen an die Pension dazugerechnet werden und die<br />
Pflegeeltern würden die Ausgleichszulage verlieren. 51<br />
49 vgl. http://www.salzburg.gv.at/pflegeeltern.pdf (abgefragt am 23.02.2007)<br />
50 vgl. www.pflegeeltern.at (abgefragt am 22.04.2007)<br />
51 vgl.http://www.soziales.steiermark.at/cms/dokumente/10034772_5339/a2d7ea93/folder_pflegemuetter.<br />
pdf (abgefragt am 12.08.2007)<br />
27
Pflegeeltern in Kärnten können einen freien Dienstvertrag mit dem Pflegeelterndienst<br />
des Hermann-Gmeiner-Sozialzentrums des SOS-Kinderdorfes Kärntens abschließen.<br />
Als Gehalt erhalten Pflegeeltern monatlich €50 für das erste Pflegekind und €20 für<br />
jedes weitere Pflegekind. Aufgrund der Anstellung <strong>als</strong> Dienstnehmer können sich<br />
Pflegeeltern freiwillig sozial versichern. 52<br />
Auch das Land Tirol hat die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine<br />
Sozialversicherung (Krankheit, Unfall, Pension) für Pflegeeltern geschaffen, die einen<br />
freien Dienstvertrag mit dem Verein Jugend und Gesellschaft abschließen und sich<br />
damit zur regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungen, Verlaufsbesprechungen und<br />
einem jährlichen Verlaufsbericht verpflichten. Als Gegenleistung erhalten die<br />
Pflegeeltern monatlich ein Entgelt, mit dem sie den monatlichen Dienstnehmerbeitrag<br />
an die Tiroler Gebietskrankenkasse selbst einzahlen. Etwa 1/6 der insgesamt rund 300<br />
Pflegeeltern nehmen dieses Angebot in Anspruch. Tirol ist das einzige Bundesland, das<br />
<strong>als</strong> Kriterium für die Eignung <strong>als</strong> Pflegefamilie eine aufrechte Ehe vorsieht. 53<br />
Im Burgenland gibt es lediglich das reguläre Pflegegeld in der Höhe <strong>von</strong> €414. Die<br />
Kostenübernahme etwaiger freiwilliger Sozialversicherungsbeiträge ist nicht<br />
vorgesehen. Unabhängig da<strong>von</strong> ist anzumerken, dass das Burgenland <strong>als</strong> einziges<br />
Bundesland neben Salzburg keine fixen Kurzzeit- oder Krisenpflegeplätze vorsieht. 54<br />
Das Land Vorarlberg hat alle Agenden dem Verein Pflegekinderdienst übertragen –<br />
<strong>von</strong> der Suche bzw. Öffentlichkeitsarbeit, über die Auswahl, Schulung, Vermittlung,<br />
Prozesssteuerung, Pflegeaufsicht bis zum Berichtswesen. Es wird ein Beitrag <strong>von</strong> €50<br />
monatlich pro Pflegeperson zur Sozialversicherung geleistet. Ca. 1/5 der Pflegeeltern<br />
nehmen diesen Beitrag in Anspruch. Vorarlberg hat eine hohe Zahl an Pflegeeltern und<br />
Pflegekindern (197 Pflegeeltern, 288 Kinder) in Relation zu seiner Größe. 55<br />
52 vgl. http://www.verwaltung.ktn.gv.at/cgi-bin/evoweb.dll/web/akl/1992_DE-Produkte-Leistungen-<br />
Produkt-Detail.64F758773a3550091614b16b3d2adefa275a6b14?ipr_id=6918 (abgefragt am 29.03.2007)<br />
53 vgl. http://www.tirol.gv.at/bezirke/allgemein/soziales/pflegekinder-pflegeeltern/ (abgefragt am<br />
29.03.2007)<br />
54 vgl. www.burgenland.gv.at/pflegekinder (abgefragt am 29.03.2007)<br />
55 vgl. http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht20061.pdf, S. 134; S. 142 (abgefragt am 26.07.2007)<br />
28
3 Strukturelle und Psychologische Aspekte des<br />
Pflegeverhältnisses<br />
Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Gestaltungsmacht des Staates <strong>als</strong>o den<br />
Behörden/Gerichten und seine/r/n Vertreter/innen, in Zusammenhang mit dem<br />
Pflegeverhältnis beleuchtet wurde, soll nun auf das System Pflegefamilie eingegangen<br />
werden, und auf die jeweiligen Rollen und das Beziehungsgeflecht zwischen den<br />
einzelnen Akteur/innen/en.<br />
3.1 Allgemeine Strukturmerkmale <strong>von</strong> Familien und<br />
Pflegefamilien im Vergleich<br />
Ziel dieses Abschnittes ist zu zeigen, welche umfassenden Funktionen Familien für ihre<br />
Mitglieder erfüllen. Dadurch wird klarer, wie folgenschwer es für ein Kind ist, wenn<br />
diese Aufgaben <strong>von</strong> seiner Familie nicht erbracht werden. Gleichzeitig wird so darauf<br />
hingewiesen, welche Aufträge an Pflegefamilien weitergegeben werden.<br />
3.1.1 Aufgaben der Familie<br />
Zentrales Merkmal einer Familie ist nach Böhnisch und Lenz die<br />
„Zusammengehörigkeit <strong>von</strong> zwei oder mehreren Generationen, die in einer Eltern-Kind-<br />
Beziehung zueinander stehen.“ 56 Diese Beziehung muss aber nicht auf biologischer<br />
Abstammung beruhen.<br />
Familien zeichnen sich durch ein Nebeneinander verschiedenster wichtiger Funktionen<br />
für ihre Mitglieder und für die Gesellschaft aus, wobei die Leistungen für die<br />
Gesellschaft <strong>als</strong> Ganzes neben der Bedürfniserfüllung für das einzelne Mitglied sehr im<br />
Hintergrund zu verorten ist.<br />
Goode benennt für die familialen Lebensformen der Gegenwart folgende, jeweils mit<br />
weiteren Unterfunktionen besetzte, Aufgaben:<br />
• „Die biologische Reproduktionsfunktion<br />
• Die Sozialisations- und Erziehungsfunktion<br />
• Die Platzierungsfunktion<br />
• Regenerationsfunktion: physisch und psychisch<br />
56 Böhnisch; Lenz (1997), S. 28<br />
29
• Die Freizeitfunktion<br />
• Die Spannungsausgleichsfunktion“ 57<br />
Die Familie ist nach wie vor der zentrale Lebensbereich <strong>von</strong> Kindern. Die Familie ist<br />
die erste Gruppe, welcher der Mensch in seinem Lebenslauf angehört. 58 Säuglinge und<br />
kleinere Kinder können allein nicht überleben, sie brauchen Pflege und Zuwendung <strong>von</strong><br />
kontinuierlich gleich bleibenden Bezugspersonen. Sie verfügen über eine instinktive<br />
Befähigung dieses Verhalten bei ihren Eltern hervorzurufen, wenn nicht das Kind oder<br />
das Vermögen der Eltern zur Fürsorge auf irgendeine Weise beeinträchtigt sind.<br />
Die Familie ist der Ort, an dem die physische, kognitive, psychische und emotionale<br />
und soziale Entwicklung <strong>von</strong> Kindern passiert, sie beeinflusst zum großen Teil die<br />
Grundstruktur ihrer Persönlichkeiten. Den Prozess, durch den Kinder zu vollwertigen<br />
und handlungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft werden, bezeichnet man <strong>als</strong><br />
Sozialisation. 59<br />
Mit Enkulturation wird das „Hineinwachsen des Einzelnen in die Kultur der ihn<br />
umgebenden Gesellschaft“ 60 beschrieben. Damit ist die Prägung der Kinder durch die<br />
<strong>von</strong> den Eltern repräsentierten Kultur, Schicht und Religion gemeint.<br />
Die Familie übt eine Platzierungsfunktion aus, das heißt, sie ist an der Zuweisung<br />
sozialer Positionen in Schule, Arbeitswelt, usw., entscheidend beteiligt. Die Familie<br />
lässt sich auch <strong>als</strong> ein „sicherer Hafen“ charakterisieren, der den Familienmitgliedern<br />
Intimität, Emotionalität und psychische Stabilisierung ermöglichen soll. 61<br />
Vieles erscheint selbstverständlich, weil diese alltäglichen Dienste der Familie erst dann<br />
erhöhte Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie aus der Perspektive <strong>von</strong> Außenstehenden<br />
nicht mehr erbracht werden. 62<br />
Die Beschaffenheit des Zusammenlebens in der Familie wirkt sich stark auf das<br />
emotionale Wohlbefinden ihrer Mitglieder aus. Der Begriff Familie steht für Freude und<br />
Streit, Eintracht und Auseinandersetzungen, Zuwendung und Feindseligkeit,<br />
57 Goode (1989), zit. n. Schulze; Tyrell; Kunzler (1989), S. 34<br />
58 vgl. Beham; Wilk (1998), S. 153<br />
59 vgl. http://lexikon.meyers.de/meyers/Sozialisation (abgefragt am 23.07.2007)<br />
60 Duden (2001), S. 227<br />
61 vgl. Beham; Wilk (1998), S. 154<br />
62 vgl. Böhnisch; Lenz (1997), S. 42<br />
30
Zärtlichkeit und Gewalt. Sie kann an Krisen, wie eine gefährliche Erkrankung,<br />
Suchterkrankung, Pflegebedürftigkeit oder Arbeitslosigkeit eines Familienmitgliedes,<br />
zerbrechen oder diese Krisen gut bewältigen. Sie kann die psychische Gesundheit ihrer<br />
Mitglieder fördern oder zur Entwicklung <strong>von</strong> psychischen Störungen und<br />
Verhaltensauffälligkeiten beitragen. Dauerhafte Entbehrung <strong>von</strong> materiellen<br />
(Einkommen, Wohnung) und sozialen (tragfähiges Netzwerk) Ressourcen können<br />
Familien und Elternschaft entgleisen lassen. 63<br />
Nave - Herz kommt zu dem Ergebnis, dass einzelne Funktionen auf gewisse Phasen im<br />
Familienzyklus begrenzt bzw. in ihnen verschieden stark ausgebildet sind, dass sie<br />
einzelne Familienmitglieder in unterschiedlichem Ausmaß in Anspruch nehmen und<br />
dass sie auf verschiedenste Arten ausgefüllt werden können. Der Alltag der<br />
Familienmitglieder wird durch die Erledigung der aus diesen Funktionen resultierenden<br />
Aufgaben geformt. 64<br />
Gehres und Hildenbrandt heben in ihrem Aufsatz mit Bezugnahme auf Parsons (1981)<br />
und Oevermann (1996) fünf zentrale Strukturmerkmale für Familienbeziehungen<br />
hervor, die nicht in Pflegefamilien, beruflichen Gemeinschaften, peer groups oder<br />
übrigen Gruppen <strong>als</strong> Kennzeichen der Ausgangslage des Miteinanderlebens zu finden<br />
sind:<br />
• Die zeitliche Unbegrenztheit der Beziehungen, zumindest bis zur Ablösung der Kinder<br />
(Solidarität des gemeinsamen Lebensweges)<br />
• Eine enge Verbindung zwischen biologischen und sozialen Funktionen (die<br />
Nichtaustauschbarkeit <strong>von</strong> Beziehungen)<br />
• Eine Paarverbindung bei Anwesenheit eines ausgeschlossenen Dritten, nämlich dem aus<br />
der Paarbeziehung entstandenem Kind (die erotische Solidarität)<br />
• Eine emotionale, dauerhafte und belastbare Bindung zwischen allen beteiligten<br />
Familienmitgliedern (affektive Solidarität)<br />
• Ein relativ großer grenzen- und kriterienloser Vertrauensvorschuss untereinander<br />
(unbedingte Solidarität) 65<br />
Fundamental für die Familie ist die Unkündbarkeit <strong>von</strong> Beziehungen, leibliche<br />
Kinder können auf dauerhafte Beziehungen bauen.<br />
63 vgl. Textor (2005), unter http://freenet-homepage.de/Textor/Familien.htm, (abgefragt am 17.05.2007)<br />
64 vgl. Nave-Herz (1989), S. 22<br />
65 Gehres (2005), S. 249<br />
31
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Familien bedeutende Leistungen für<br />
andere Gesellschaftsbereiche erbracht werden. Sie ist der Ort, an dem<br />
"Humanvermögen" 66 erwirtschaftet wird.<br />
3.1.2 Wandel des familialen Zusammenlebens<br />
Veränderungen, welche die Institution Familie betreffen, sind stets im Rahmen<br />
gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen zu sehen und zu erklären. Die<br />
Wandlungsprozesse in der Gesellschaft wirken sich auch auf das gesellschaftliche<br />
Subsystem Familie aus. Infolge des Industrialisierungs- und Modernisierungsprozesses<br />
geht mit der Differenzierung der Gesellschaft eine Individualisierung und Pluralisierung<br />
<strong>von</strong> Lebensverhältnissen und Lebensformen im Sinne einer größeren Akzeptanz und<br />
Ausweitung nicht-traditioneller Alternativen einher. Diese Wandlungsprozesse wirken<br />
auf das Leben in Familien „normativ verunsichernd“. 67 Familie ist somit „zu einem<br />
fragilen Gebilde geworden, das <strong>von</strong> gesellschaftlichen Anforderungen und idealisierten<br />
Erwartungen <strong>von</strong> außen und innen bedrängt wird.“ 68<br />
Das Bild der Familie ist facettenreicher geworden. Das verheiratete Ehepaar mit<br />
leiblichen Kindern stellt noch immer den Normalfall und das Leitbild dar, jedoch sind<br />
daneben zunehmend andere Familienformen entstanden, die gesellschaftlich auch<br />
akzeptiert sind.<br />
Heute gibt es eine Reihe <strong>von</strong> Möglichkeiten des familialen Zusammenlebens, die gelebt<br />
werden: z. B. Kernfamilien, Einelternfamilien, Adoptivfamilien, Stieffamilien (auch<br />
„Patchworkfamilien“ genannt), Pflegefamilien. „All diese Familienformen haben ihre<br />
eigenen Bedingungen, die sie <strong>von</strong>einander unterscheiden.“ 69<br />
Empirisch ist der Wandel der Familienstrukturen an einer Verkleinerung der<br />
Haushaltsgröße, einer Verringerung der Anzahl <strong>von</strong> Eheschließungen, der Zunahme der<br />
Scheidungen, einem Rückgang der durchschnittlichen Geburten pro Frau und einer<br />
Zunahme der Frauenerwerbsarbeit feststellbar. Statistiken zeigen, dass die meisten<br />
Kinder heute in Ein- oder Zweikindfamilien aufwachsen, die Zahl der Drei- und Mehr-<br />
Kinder-Familien ist sehr stark gesunken.<br />
66 Beham; Gössweiner (1999), S. 41f<br />
67 vgl. Nave-Herz (1989), S. 38<br />
68 vgl. Bier-Fleiter, (2001), S. 21<br />
69 Schattner (1987), S. 178<br />
32
Die Zahl der Scheidungen ist in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gestiegen, vor<br />
allem im urbanen Raum. Für Kinder bedeutet die Scheidung der Eltern immer eine<br />
Belastung, zumal sie oft in die Auseinandersetzungen einbezogen werden. Risiken für<br />
das Wohlbefinden der Kinder sind aber nicht allein in einer bestimmten Art und Weise<br />
des Zusammenlebens oder einer unmittelbar vorausgehenden Trennung der Eltern zu<br />
sehen, sondern in der Verbindung dieser mit zusätzlichen Faktoren, wie z. B. geringer<br />
Wohnraum, niedriges Einkommen, geringer Bildungsgrad der Eltern und einem<br />
strengen Erziehungsklima. 70<br />
Mit dem Eingehen dauerhafter neuer Partnerschaften <strong>von</strong> Elternteilen erweitert sich der<br />
Kreis der Bezugspersonen der Kinder; die/der neue Partner/in übernimmt Funktionen<br />
des leiblichen Elternteils.<br />
Kennzeichnend für die Entwicklung der Elternschaft in der Postmoderne ist das Entstehen<br />
<strong>von</strong> multiplen Formen <strong>von</strong> Elternschaft, bei der biologische, soziale und rechtliche<br />
Elternschaft entkoppelt werden. Es gibt in der Lebenswelt des Kindes Erwachsene, die<br />
nicht seine leiblichen Eltern sind und trotzdem Elternfunktionen wahrnehmen. 71<br />
Man kann zusammenfassen, dass immer weniger Menschen auf Dauer in einer dieser<br />
Formen leben, immer weniger Kinder werden in ihnen geboren. Familienformen<br />
verlieren an Stabilität.<br />
3.1.3 Konsequenzen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse für<br />
die Pflegefamilienerziehung<br />
Die Vielfalt der Lebensformen führt laut Bewertung des Hamburger<br />
Pflegekinderkongress, der im Jahr 1990 stattfand, zu einer veränderten, weniger starken<br />
Sonderstellung der Pflegefamilie. Sie stellt nun nicht mehr die einzige Ausnahme vom<br />
traditionellen Familienkonzept dar, sondern befindet sich in der Gesellschaft anderer<br />
<strong>von</strong> der Bevölkerung akzeptierten Lebensformen, die ebenfalls nicht dem Modell der<br />
Kernfamilie entsprechen. 72 Pflegekinder sind heute nicht mehr die einzigen Kinder, die<br />
nicht in einer traditionellen Kleinfamilie aufwachsen. Sie befinden sich in der<br />
Gesellschaft <strong>von</strong> Kindern alleinerziehender Mütter oder Väter, <strong>von</strong> Kindern, die mit<br />
Stiefeltern und Stiefgeschwistern aufwachsen. Pflegefamilien sind – wie auch die<br />
70 vgl. Kytir; Münz (1999), S. 118ff<br />
71 Wilk (1999) zit. n. Griebel (2005), S. 6<br />
72 vgl. Dokumentation Hamburger Pflegekinderkongreß (1990), S. 225<br />
33
Stieffamilien – „erweiterte“ 73 Familien. Was beide Familienformen verbindet ist die<br />
Tatsache, dass es für sie keine allgemein anerkannten Regeln für das Zusammenleben<br />
der Familienmitglieder gibt.<br />
Die in unserer Gesellschaft existierende Normen- und Wertevielfalt, die Möglichkeit,<br />
zwischen verschiedenen Optionen entscheiden zu können und die damit im<br />
Zusammenhang stehende Destandardisierung des Lebenslaufes erschweren die <strong>von</strong> der<br />
Familie wahrzunehmende Aufgabe der primären Sozialisation. 74<br />
Thiersch führt dazu aus:<br />
Die Lebenslagen heutiger Pflegefamilien müssen im Kontext der gegenwärtigen<br />
spezifischen Familienstrukturen gesehen werden, bestimmt durch die Individualisierung<br />
<strong>von</strong> Lebensstrukturen und Lebensführung und den Widerspruch <strong>von</strong> Intimität und<br />
Vergesellschaftung. Leben in Familien wird normativ verunsichert und damit hoch belastet,<br />
Familienleben und Familienerziehung werden zum Balanceakt. 75<br />
Pflegefamilien entsprechen auf dem ersten Blick einem eher traditionellen<br />
Familienkonzept. Sie sind in der Regel über Jahre hindurch stabil, Pflegeeltern haben<br />
eigene Kinder und nehmen ein fremdes bei sich auf, sie investieren und engagieren sich<br />
für das Leben mit Kindern. Aber auch innerhalb der Pflegefamilien zeigt sich die<br />
Pluralisierung <strong>von</strong> Lebensentwürfen und Selbstkonzepten – <strong>als</strong> Pflegepersonen werden<br />
zunehmend auch Alleinerziehende akzeptiert. 76<br />
Blandow definiert vor diesem Hintergrund die Pflegefamilie folgendermaßen:<br />
Der Begriff „Pflegefamilie“ wird zur Kennzeichnung des Sozialisationsortes, an dem das<br />
Pflegekind lebt, benutzt. Irrelevant für den Begriff ist die Frage nach dem Familienmodell,<br />
auch die Frage, ob es sich überhaupt um eine Familie im üblichen Sine oder um eine andere<br />
privat organisierte Lebensform zwischen Erwachsenen und Kindern handelt. 77<br />
Das Familienkonzept einer Pflegefamilie ist nur in Teilbereichen mit dem Konzept der<br />
„Normalfamilie“ vergleichbar. Bei einer genaueren Betrachtung, insbesondere beim<br />
Vergleich der leiblich begründeten Familie mit der besonderen Form der Pflegefamilie,<br />
zeigen sich markante Strukturunterschiede zwischen herkömmlichen, dem bürgerlichen<br />
Familienmodell entsprechenden, Familiensystemen und den Varianten der<br />
Pflegefamilien:<br />
73 Schattner (1987), S. 190<br />
74 vgl. ebda.<br />
75 Thiersch (1990), S. 17<br />
76 vgl. ebda, S. 20<br />
77 Blandow (1999), S. 757<br />
34
Beim Pflegefamilienmodell handelt es sich um einen „widersprüchlichen<br />
sozialisatorischen Ort für Identitätsbildungsprozesse insofern, <strong>als</strong> hier ein Milieu<br />
diffuser Sozialbeziehungen unter vertragsmäßigen Bedingungen begründet wird.“ 78 Vor<br />
dem Hintergrund dieser gegensätzlichen Ausgangslage stellt sich an die<br />
Familienmitglieder die Herausforderung, familienähnliche Beziehungen auf Zeit zu<br />
entwickeln. Im Detail ergibt sich folgende strukturelle Position für Pflegefamilien:<br />
• Die Austauschbarkeit <strong>von</strong> Personen (die soziale Elternschaft wird durch einen<br />
Pflegevertrag begründet; es handelt sich <strong>als</strong>o – zumindest aus der Sicht der<br />
Jugendhilfebehörden – um eine psychosoziale Dienstleistung der Pflegeeltern an einem<br />
den Eltern zunächst fremden Kind)<br />
• Keine Solidarität des gemeinsamen Lebensweges (das Betreuungsverhältnis ist rechtlich<br />
fixiert und befristet; meist bis zum Erreichen der Volljährigkeit)<br />
• Keine erotische Solidarität auf der Generationenachse<br />
• Die Vermischung <strong>von</strong> diffusen und spezifischen Sozialbeziehungen<br />
• Die potentielle Konkurrenz der Pflegeeltern gegenüber den Herkunftseltern sowie ggf.<br />
gegenüber der Jugendwohlfahrtsbehörde<br />
• Die Konfrontation des Pflegekindes mit unterschiedlichen Modellen der familiären<br />
Sozialisation 79<br />
Pflegefamilien befinden sich im Konflikt zwischen den Gesetzmäßigkeiten leiblicher<br />
Familien und den widersprüchlichen, nicht immer klaren Anforderungen an<br />
Pflegefamilien. Die Pflegekinder leben teilweise nur für einen begrenzten Zeitraum in<br />
der Pflegefamilie, es gilt ihnen „unbedingte familiale Solidarität bis auf weiteres“ 80 zu<br />
bieten. Fremdheitsgefühle dem Kind gegenüber müssen erst überwunden werden, das<br />
Kind ist kein natürliches Symbol für die Partnerschaft der Eltern.<br />
Pflegeeltern stehen vor der Aufgabe, einerseits die so wichtigen Eltern-Kind Bindungen<br />
aufzubauen, andererseits sollen sie grundsätzlich auch wieder bereit für eine<br />
Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie sein. Auch wenn Kinder bis zur<br />
Volljährigkeit in der Pflegefamilie aufwachsen sollten, werden sie nicht zu leiblichen<br />
Kindern der Familie.<br />
Diffuse Sozialbeziehungen sind Beziehungen zwischen ganzen Personen, wie sie z.B.<br />
zwischen Mutter und Kind bestehen, diese zeichnen sich durch die Beteiligung der<br />
Körper sowie eine bedingungslose affektive Bindung und Vertrauen aus. Diese<br />
78 Gehres (2005), S. 250<br />
79 ebda<br />
80 ebda<br />
35
Beziehungen sind unkündbar; wenn sie durchtrennt werden, ist dies mit Scheitern<br />
verbunden. 81<br />
Spezifisch-rollenförmige Beziehungen hingegen sind keine Beziehungen zwischen<br />
ganzen Menschen; Personen, die eine bestimmte Rolle einnehmen sind austauschbar<br />
und ersetzbar, ohne dass damit ein Scheitern verbunden ist. 82 In der Pflegefamilie<br />
kommt es zu einem Miteinander dieser beiden Beziehungsmöglichkeiten.<br />
Diese Konstitutionsbedingungen <strong>von</strong> Pflegefamilien sind in der Lebenspraxis nicht<br />
aufhebbar; sie bleiben auch dann erhalten, wenn sich im Verlauf eines<br />
Pflegeverhältnisses eine intensive Beziehung zwischen den Mitgliedern der Familie<br />
entwickelt hat.<br />
Beiden Familienarten gemeinsam sind die gewachsene seelisch, geistige Bindung<br />
zwischen den Kindern und ihren bleibenden Bezugspersonen, seien dies die leiblichen<br />
oder die Pflegeeltern. Diese Beziehung ist das Entscheidende, erst sie macht die Kind-<br />
Eltern Gemeinschaft zur Familie. 83<br />
3.1.4 Positionsstreit: Exklusives versus Inklusives Modell der<br />
Pflegefamilie 84<br />
Mitte der Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts entbrannte im Zuge der Herausgabe<br />
des Handbuches für Pflegeerziehung vom Deutschen Jugendinstitut in der Fachwelt<br />
eine Diskussion darüber, ob die Pflegefamilie nun <strong>als</strong> Ersatzfamilie fungieren sollte, wie<br />
es vor allem Vertreter/innen der Bindungstheorie befürworten oder ob sie <strong>als</strong><br />
Ergänzungsfamilie gestaltet sein sollte, was aus familiensystemtheoretischem<br />
Blickwinkel <strong>als</strong> förderlicher für das untergebrachte Kind eingestuft wird. Die beiden<br />
Theorieansätze haben jeweils ein unterschiedliches Konzept <strong>von</strong> der Funktion, welche<br />
die Herkunftsfamilie übernehmen kann und <strong>von</strong> der Beschaffenheit der Außengrenzen<br />
der Pflegefamilie.<br />
Beim Ersatzfamilienkonzept wird die Ursprungsfamilie weitestgehend ausgeschlossen,<br />
es wird sich gedanklich mit ihr auseinandergesetzt in Form <strong>von</strong> Biographiearbeit mit<br />
dem Kind, jedoch werden Kontakte so weit wie möglich vermieden (exklusives Konzept<br />
81 vgl. Oevermann (1996), S. 110<br />
82 vgl. ebda, S. 113<br />
83 vgl. Hassmann (2005), S. 69<br />
84 vgl. Gudat (1987), S. 38ff; Nienstedt; Westermann (1992), S.294ff; Cappenberg (2005), S. 90ff<br />
36
<strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong>). Die Pflegefamilie zeichnet sich hier durch Abgeschlossenheit<br />
vom Herkunftssystem aus.<br />
Das Ergänzungsfamilienkonzept hingegen betont die Ganzheitlichkeit der Familie und<br />
weist den Beziehungen zur Herkunftsfamilie einen wichtigen Stellenwert zu. Man<br />
verfolgt den Weg, diese für das Pflegekind und dessen Prozess der eigenen<br />
Identitätsbildung zu erhalten und nutzbar zu machen. Es wird daher auch <strong>als</strong> inklusives<br />
Modell bezeichnet, da die Herkunftsfamilie grundsätzlich miteinbezogen wird. Die<br />
Verbindung wird nicht abgebrochen, die Grenzen erweisen sich <strong>als</strong> offener und<br />
durchlässiger.<br />
Befürworter des exklusiven Modells befürchten eine Überforderung der Pflegeeltern,<br />
wenn diese Helfer des Pflegekindes und seiner Familie sein sollen. Die Kritiker<br />
konstatieren, dass sich ersatzfamilienorientierte Pflegeeltern in eine zu große<br />
Wettbewerbssituation mit der Herkunftsfamilie drängen, durch den Anspruch, diese in<br />
jeder Hinsicht besser vertreten zu können. 85<br />
In jüngsten Fachbeiträgen wird versucht, den Positionsstreit zu überwinden und einen<br />
für beide Seiten gangbaren Weg zu finden.<br />
Pflegefamilien werden <strong>von</strong> Griebel und Ristow auch <strong>als</strong> „Binukleare<br />
Familiensysteme“ 86 bezeichnet – <strong>als</strong> eine „Kernfamilie mit zwei Kernen“ 87 . Das<br />
Pflegekind ist durch die Inpflegnahme Mitglied in einem umfassenderen familialen<br />
System geworden. Als günstig erweist sich durch diesen systemischen,<br />
ressourcenorientierten Zugang, die geringere Verklärung des „Idealbildes“ der<br />
biologischen Kernfamilie und die Eröffnung weiterer Handlungsspielräume für die<br />
zugehörigen Personen. 88 Ein weiteres Kennzeichen binuklearer Familiensysteme ist die<br />
Anforderung, zwischen zwei Lebensumwelten hin und her zu pendeln. Dies fördert das<br />
Herausbilden einer „Norm eigener Art“ und vermeidet eine „Norm <strong>als</strong> ob“. 89<br />
85 vgl. Gudat, (1987), S. 40<br />
86 Griebel; Ristow (2004), S. 1. Dieser Begriff wurde <strong>von</strong> Ahrons (1979) für die Charakterisierung <strong>von</strong><br />
„Nach-Scheidungsfamilien“ eingeführt und wird <strong>von</strong> Griebel; Ristow auf die Pflegefamilie analog<br />
verwendet.<br />
87 ebda, S. 1<br />
88 vgl. ebda, S. 13<br />
89 Hoffmann-Rhiem (1989), zit. n. ebda, S. 13<br />
37
Die Ergebnisse einer Studie <strong>von</strong> Hildenbrand und Gehres über den Sozialisationsverlauf<br />
und Identitätsbildungsprozess <strong>von</strong> ehemaligen Pflegekindern an der Universität Jena<br />
zeigen, dass es fachlich anspruchsvollen Pflegeeltern möglich ist, wechselweise<br />
zwischen den beiden Pflegeelternkonzepten zu operieren. Je nach Alter und<br />
Sozialisationsphase des Kindes scheinen Verhaltensweisen des einen oder anderen<br />
Konzepts geeigneter, ausschlaggebend ist jeweils der spezifische Einzelfall. Sie<br />
plädieren daher dafür, „die Pflegefamilie <strong>als</strong> „eine Familie eigener Art“ 90 zu verstehen,<br />
die im Vergleich zur Herkunftsfamilie nicht geeignetere Bedingungen für das<br />
Aufwachsen bietet, sondern da<strong>von</strong> unterschiedliche, die Resilienzpotentiale, die<br />
Pflegekinder mitbringen, zu aktivieren vermögen. Unter Resilienz versteht man die<br />
Fähigkeit <strong>von</strong> Individuen oder Systemen, wie es die Familie ist, erfolgreich mit<br />
belastenden Situationen umzugehen. 91 Die Pflegefamilie ersetzt nicht die Beziehungen<br />
zur Herkunftsfamilie und setzt sich an deren Stelle, sondern bietet den Kindern die<br />
Chance, eigenständige, ergänzende Bindungen zu stabilen Bezugspersonen aufzubauen.<br />
3.2 Die Pflegekinder<br />
Im Vergleich zu Kindern, die in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, sind Pflegekinder<br />
viel größeren Schicks<strong>als</strong>risiken ausgesetzt. Pflegekinder stammen meist aus<br />
Herkunftsfamilien, die chaotische Familienstrukturen aufweisen und haben zumeist<br />
Unruhe, Unterversorgung, Gewalt, Angst und Einsamkeit erlebt.<br />
Die Kinder kommen weit häufiger <strong>als</strong> früher, dank des rasanten Ausbaus der<br />
ambulanten Hilfen, mit einem Bündel problematischer biographischer Erfahrungen, mit<br />
ambivalenten Beziehungen zum Herkunftsmilieu und nicht selten mit den leiblichen<br />
Eltern im Windschatten, in die Pflegefamilie 92 .<br />
Blandow unterscheidet vier Haupttypen <strong>von</strong> Pflegekindern:<br />
1) Unversorgte Kleinstkinder <strong>von</strong> 0 bis 3 Jahren zum Zeitpunkt der Vermittlung in<br />
eine Pflegefamilie machen rund 25 % aller Pflegekinder aus. Diese sind meist<br />
Kinder jüngerer Mütter, die alleinstehend sind und denen nicht selten das<br />
Sorgerecht aufgrund <strong>von</strong> Suchtproblemen entzogen wurde. Die Kinder sind<br />
90 Hildenbrand (2005), unter http://innovationsreport.de/html/berichte/<br />
gesellschaftswissenschaften/bericht-50388.html (abgefragt am 29.05.2007)<br />
91 http://www.fthenakis.de/cms/Vortrag_Bremen_HH1_2001-06-07.pdf, (abgefragt am 12.08.2007)<br />
92 vgl. Textor (1995), S. 55f<br />
38
evor sie geboren werden oder schon sehr früh schädigenden Einflüssen<br />
ausgesetzt worden. Kinder aus dieser Gruppe werden am häufigsten zu<br />
Dauerpflegekindern.<br />
2) Etwa 20 % sind Kinder zwischen 3 und 6 Jahren. Diese Kinder haben bereits<br />
häusliche Gewalt, Vernachlässigung, und häufig auch das „Herumgereicht-<br />
Werden“ zwischen Großeltern, verschiedenen Vaterfiguren, Nachbarn etc.<br />
erlebt. Der Fremdunterbringung gehen erfolglose Versuche der Jugendwohlfahrt<br />
zur Stabilisierung des Umfeldes voraus. Diese Kinder weisen bereits erhebliche<br />
Entwicklungsrückstände auf, wenn sie in eine Pflegefamilie kommen und stellen<br />
die Pflegeeltern vor die Aufgabe eine „nachholende Sozialisation“ zu<br />
ermöglichen.<br />
3) Weitere 25 % werden im Alter <strong>von</strong> 6 bis 12 Jahren vermittelt. In dieser Gruppe<br />
kommen mehrmalige Trennungserfahrungen, psychische Erkrankung eines<br />
Elternteils, sowie die Parentifizierung, d.h. die Einbindung des Kindes in die<br />
Versorgung der (sucht-) kranken Eltern häufig vor. Ein großer Teil kommt auch<br />
aus Familien, die sich bis zu diesem Zeitpunkt dem Zugriff der Behörde<br />
erfolgreich entziehen konnten und die nun auf die Einmischung mit<br />
Unverständnis und Aggression reagieren. In dieser Gruppe finden sich auch<br />
schon Kinder, die selbständig die Initiative ergriffen haben, um in eine<br />
Pflegefamilie zu kommen. Blandow weist darauf hin, dass gerade bei diesen<br />
Pflegekindern eine „quasi-therapeutische Grundhaltung“ <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />
gelebt werden soll.<br />
4) Kinder der vierten Gruppe, die ebenfalls 25% ausmacht, sind bereits über 12<br />
Jahre alt zum Zeitpunkt der Fremdunterbringung in eine Pflegefamilie. Viele<br />
<strong>von</strong> ihnen haben sich nach leidvollen Erfahrungen in der Herkunftsfamilie selbst<br />
auf die Suche nach Unterstützung gemacht und fanden sie womöglich bei den<br />
Eltern eine/r/s Schulfreund/in/es, bei eine/r/m Erziehungshelfer/in oder bei<br />
anderen Personen in ihrer Umgebung. Von Seiten des Jugendamtes werden sie<br />
vor die Entscheidung gestellt: Heimunterbringung, Wohngemeinschaft oder<br />
Pflegefamilie. Diese Gruppe ist schon äußerst selbständig, viele <strong>von</strong> ihnen<br />
bleiben dennoch bis zum 18. Lebensjahr in der Pflegefamilie. 93<br />
93 vgl. Blandow (2004), S. 197f<br />
39
Jede Gruppe <strong>von</strong> Pflegekindern setzt unterschiedliche Anforderungen an die Personen,<br />
die sie betreuen, voraus.<br />
3.2.1 Bindungstheoretische Aspekte der Eltern – Kind – Beziehung<br />
Bei Pflegeverhältnissen spielen insbesondere Aspekte <strong>von</strong> Bindung und Trennung eine<br />
große Rolle. Ist das Pflegekind bei seiner Aufnahme schon etwas älter, hat es mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit wesentliche Erfahrungen gemacht und hat einen bestimmten<br />
Bindungsmodus entwickelt, d. h. es ist mit Vorerfahrungen und Annahmen in Bezug auf<br />
Erwartungen an und Vertrauen in andere Menschen ausgestattet. Die<br />
Bindungsforschung und das damit verbundene Konzept <strong>von</strong> Bindung befassen sich mit<br />
psychologischen Auswirkungen einer frühen Trennung <strong>von</strong> den primären<br />
Bezugspersonen. Von diesem Konzept kann ein vertieftes Verständnis der Problematik<br />
<strong>von</strong> Pflegefamilien sowie ein Wissen darüber, welche Faktoren Integration in die<br />
Pflegefamilie beeinträchtigen können, erwartet werden. 94<br />
Die <strong>von</strong> Bowlby entwickelte Bindungstheorie, beschreibt die menschliche Tendenz,<br />
starke emotionale Beziehungen zu anderen Personen einzugehen. Im Bindungsverhalten<br />
<strong>von</strong> Kindern zeigen sich ihre Strategien mit Situationen innerer Not und Hilflosigkeit<br />
umzugehen. Bowlby versuchte weiters zu erklären, wie durch unfreiwillige Trennungen<br />
verursachte Gefühle wie Wut, Angst und Trauer das emotionale Gleichgewicht eines<br />
Kindes und des späteren Menschen auf Dauer stören. 95<br />
Cappenberg bietet einen Überblick über die Bindungstheorie:<br />
Die Entwicklung der Bindung erfolgt in vier Phasen, innerhalb derer das Kind eine feste<br />
und intensive Gefühlsbeziehung aufbaut. Während der ersten (0-3 Monate) und zweiten<br />
Phase (3-6 Monate) kann sich ein Säugling nur an wenige Personen, in der Regel an<br />
Mutter und Vater binden, die dafür zuverlässig zur Verfügung stehen müssen. Ab der<br />
dritten Phase (6 Monate - 3 Jahre) unterscheidet das Kind zunehmend zwischen fremden<br />
und bekannten Personen und entwickelt differenzierte soziale Interaktionen. Es erlebt<br />
94 vgl. Scheurer-Englisch (2001), S. 70<br />
95 vgl. Cappenberg (2005), S. 72<br />
40
die Abwesenheit der Bezugsperson <strong>als</strong> Verlust und zeigt dies durch Weinen, Suchen,<br />
und Verzweiflung. Dies sind erste Zeichen einer gewachsenen sicheren Bindung.<br />
In einer anschließenden vierten Phase (ab dem 3. Lebensjahr) ist das Kind aufgrund<br />
seiner kognitiven Entwicklung bereits in der Lage sich in andere Personen<br />
hineinzuversetzen, und sie so zu beeinflussen, dass sie seinen eigenen Bedürfnissen<br />
entsprechen. 96<br />
Aufgrund unterschiedlicher dauerhafter Erfahrungen mit den Bezugspersonen können<br />
Kinder folgende Bindungsarten entwickeln, die verschiedene Qualitäten <strong>von</strong><br />
Bindungsverhalten beschreiben:<br />
3.2.1.1 Das sichere Bindungsmodell (B-Bindung)<br />
Säuglinge und Kleinkinder müssen Sicherheit und Vertrauen zu den Eltern entwickelt<br />
haben, um sich auf neue unbekannte Situationen einlassen und <strong>von</strong> den Eltern ablösen<br />
zu können. Erwachsene, die auf die Bedürfnisse ihrer Kinder feinfühlig reagieren und<br />
Schutz in schwierigen Situationen gewähren, dienen ihrem Kind <strong>als</strong> sichere Basis. Von<br />
dieser sicheren Basis aus, gelingt es Kindern, die Welt zu erforschen und immer wieder<br />
neue Herausforderungen und damit Entwicklungsschritte zu wagen.<br />
3.2.1.2 Das unsicher vermeidende Bindungsmodell (A-Bindung)<br />
Erlebt das Kind, dass auf seine Signale nicht oder nicht ausreichend eingegangen wird<br />
und seine Bedürfnisse nicht befriedigt werden, entwickelt es eine unsicher vermeidende<br />
Strategie, das bedeutet, es sucht keine direkte Nähe und vermeidet direkten<br />
Gefühlsausdruck und Körperkontakt zur Bezugsperson.<br />
3.2.1.3 Das unsicher ambivalente Bindungsmodell (C-Bindung)<br />
Ist die Bezugsperson wenig einfühlsam und in ihren Reaktionen nicht einschätzbar für<br />
das Kind, erlebt es inkonsistente Verhaltensmuster. Es entwickelt eine unsicher<br />
ambivalente Bindung, bei der es in belastenden Situationen durch Weinen, Anklammern<br />
und Ärgerausdruck die Bezugspersonen in der Nähe halten und eine Trennung<br />
verhindern will. Diese Kinder haben auch häufig Schwierigkeiten im Umgang mit<br />
Gleichaltrigen und wenige Freunde.<br />
96 vgl. ebda, S. 76ff<br />
41
Unsichere Modelle sind Risikofaktoren für die weitere Entwicklung des Kindes,<br />
insbesondere wenn zusätzlich äußere Krisen, Stress oder traumatische Erfahrungen<br />
eintreten und je jünger das Kind zu diesem Zeitpunkt ist.<br />
3.2.1.4 Desorganisation (D-Bindung)<br />
Anfang der neunziger Jahre wurde eine vierte Art der Bindung identifiziert, „die <strong>als</strong><br />
Desorganisation im Bindungsverhalten“ bezeichnet wurde. 97 . In traumatisierenden<br />
Beziehungen ist die Bezugsperson nicht Quelle der Sicherheit sondern selbst Auslöser<br />
für Angst und Bedrohung. In der akuten Angstsituation können Kinder weder auf<br />
unsicher vermeidende Strategien noch auf Signale der Bindung an ihre Bezugsperson<br />
zurückgreifen, um aus ihrer Lage befreit zu werden. „Diese Kinder müssen die innere<br />
Überzeugung entwickeln, dass sie in größter Not alleine sind und ihnen niemand helfen<br />
kann oder helfen will.“ 98<br />
Solche Kinder sind zutiefst einsam, Gefühle werden nicht kommuniziert, sie zeigen oft<br />
aggressive Impulse und das Wiederholen erfahrener Gewaltmuster. In Beziehungen<br />
bleiben sie vorsichtig und kontrolliert. Die D-Bindung tritt am häufigsten bei<br />
misshandelten Kindern auf und wird <strong>als</strong> Folge der traumatisierenden<br />
Beziehungserfahrungen eingeschätzt.<br />
3.2.1.5 Die Angstbindung<br />
Eine Form der desorganisierten Bindung ist die Angstbindung. Sie bedeutet, dass ein<br />
Kind in Angst an seine es traumatisierende Bezugsperson gebunden ist. Eine<br />
Angstbindung kann leicht übersehen werden, da sie mit Überanpassung einhergeht und<br />
<strong>als</strong> enge und sichere Bindung wahrgenommen wird. Diese Kinder haben verinnerlicht,<br />
dass die Person, <strong>von</strong> der Bedrohung für sie ausgeht, die Person ist, <strong>von</strong> der sie abhängig<br />
sind und dass niemand anderer ihnen helfen kann. Das Verhalten zeichnet sich durch<br />
eine Überanpassung an den Bedürfnissen der Eltern, Rollenumkehr und Fürsorglichkeit<br />
aus, bei der eigene kindliche Bedürfnisse verleugnet werden müssen. 99<br />
97 Main (1995), zit. n. Cappenberg (2005), S. 74<br />
98 ebda, S. 82<br />
99 vgl. ebda, S. 86<br />
42
3.2.1.6 Distanzlosigkeit<br />
Kinder, die Distanzlosigkeit zeigen, wenden sich mit ihrem Bedürfnis nach Bindung an<br />
jede beliebige Person. Das heißt, dass sie mit jeder Person mitgehen und ausgesprochen<br />
offen und fröhlich wirken. Gleichzeitig lassen sie sich auf dichtere, emotional tiefere<br />
Beziehungen nicht ein. Dieses Verhalten ist Folge <strong>von</strong> einem häufigen Wechsel <strong>von</strong><br />
Bezugspersonen, oder häufigen stationären Aufenthalten. Es handelt sich um Kinder,<br />
die keine elterliche, exklusive Bezugsperson erfahren haben, was zu einer Störung der<br />
emotionalen Entwicklung führt. 100<br />
3.2.1.7 Auswirkungen des Bindungsmodells<br />
Diese früh entwickelten Bindungsmuster sind deshalb so bedeutend, weil sie in der<br />
späteren Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes in vielen Bereichen Einfluss<br />
nehmen und handlungsleitend werden. Bereiche, für die ein Zusammenhang mit den<br />
frühen Bindungserfahrungen nachgewiesen ist, sind der Umgang mit emotionalen<br />
Belastungen, die Entwicklung <strong>von</strong> Selbstkonzept und Überzeugungen <strong>von</strong><br />
Selbstwirksamkeit, die Gestaltung <strong>von</strong> Beziehungen und Kommunikation <strong>von</strong><br />
Gefühlen. Untersuchungen, welche die langfristigen Auswirkungen der frühen<br />
Bindungserfahrungen bestätigen, liegen mittlerweile für alle Altersbereiche bis in das<br />
Erwachsenenalter vor. Diese belegen eine relative Stabilität der einmal erworbenen<br />
Bindungsmuster. 101<br />
Wichtig für die Arbeit <strong>von</strong> Pflegeeltern ist die Erkenntnis, dass bei Pflegekindern oft<br />
unsichere und desorganisierte Bindungsmodelle vorliegen, aber auch die Feststellung,<br />
dass „der Bindungstyp eines Kindes sich weiterhin durch ein verändertes Umfeld […]<br />
verändern kann“. 102 Die Bindungstheorie geht da<strong>von</strong> aus, dass Bindungsmuster, auch<br />
wenn sie sich bei gleichbleibenden Bedingungen sehr festigen können, keineswegs<br />
unabänderlich sind. Sie können sich, je nachdem, welche neuen Erfahrungen das Kind<br />
macht, verändern. Voraussetzung dafür ist, dass die neuen Eltern <strong>als</strong> sichere und<br />
schützende Bezugspersonen wahrgenommen werden. 103<br />
100 vgl. ebda, S. 87<br />
101 vgl. Scheuerer-Englisch (2001), S. 76<br />
102 Cassidy (1998), zit. n. Cappenberg (2005), S. 78<br />
103 vgl. ebda, S. 90<br />
43
3.2.2 Integration in die Pflegefamilie<br />
Ein gelungener Integrationsprozess eines Pflegekindes in die neue Familie verläuft nicht<br />
ohne Verarbeitung der vorangegangenen traumatischen Erfahrungen. Das bedeutet für<br />
die Pflegeeltern, dass „sie durch ihr Beziehungsangebot an das Pflegekind quasi<br />
therapeutische Arbeit leisten.“ 104<br />
Nienstedt und Westermann 105 führen für den Integrationsprozess <strong>von</strong> Pflegekindern drei<br />
wesentliche Phasen an: Überanpassungs-, Übertragungs- und Bindungsphase.<br />
3.2.2.1 Überanpassung<br />
Das Kind verhält sich unauffällig in der neuen Familie, beachtet die dortigen Regeln,<br />
und genießt offensichtlich die Nähe, die Fürsorglichkeit und den Schutz. Das Kind<br />
nimmt die Erfahrungen mit den neuen Bezugspersonen auf, entwickelt aber noch keine<br />
Bindung.<br />
3.2.2.2 Übertragung<br />
Diese Phase zeichnet sich durch Prüfung <strong>von</strong> Vertrauen, Grenzsetzung und<br />
Eigenständigkeit <strong>von</strong> Seiten des Pflegekindes an den Pflegeeltern aus. Das Kind zeigt<br />
zunehmend eigene Bedürfnisse und frühe Bindungsmuster und prüft, ob die Pflegeeltern<br />
das bekannte Elternverhalten wiederholen oder neue Erfahrungen vermitteln. Es testet,<br />
wie tragfähig die Beziehung der Pflegeeltern zu ihm ist. Dabei überträgt das Kind<br />
Gefühle, die den leiblichen Eltern gelten auf die Pflegeeltern. Gelingt es den<br />
Pflegeeltern dem Kind das Gefühl des Angenommenseins zu vermitteln und gleichzeitig<br />
Grenzen deutlich zu machen, gewinnt das Kind zunehmend an Sicherheit. Diese<br />
anstrengende Phase ist die bedeutsamste im Rahmen des Pflegeverhältnisses und<br />
gleichzeitig die größte Herausforderung an die Pflegeeltern.<br />
3.2.2.3 Bindung<br />
In günstigen Fällen sind nach ungefähr einem Jahr neue Bindungen entstanden, was<br />
jedoch auch stark vom Alter des Kindes abhängig ist. Es kehrt nun häufig auf frühere<br />
Entwicklungsstufen zurück, holt damit Erfahrungen nach und erlebt, dass es<br />
befriedigende Beziehungen haben kann. Diese Phase wird auch häufig <strong>als</strong><br />
Regressionsphase bezeichnet.<br />
104 ebda, S. 88<br />
105 vgl. Nienstedt; Westermann (1992), S 45ff<br />
44
Beim Pflegekind bestehen, neben den rechtlichen Beziehungen, auch nach<br />
Inpflegnahme starke Gefühlsbeziehungen und Bindungen zu den leiblichen Eltern,<br />
wenn auch <strong>von</strong> Fall zu Fall in recht unterschiedlichem Ausmaß. Dies macht sich<br />
besonders deutlich bei zwei Problemkreisen des Pflegeverhältnisses, die in Kap 3.5<br />
näher beschrieben werden.<br />
3.3 Die Herkunftsfamilie<br />
Die Herausnahme eines Kindes hat immer auch Folgen für die Herkunftsfamilie 106 . Dies<br />
kann sich äußern in dem Gefühl versagt zu haben, oder die Eltern schämen sich vor der<br />
Nachbarschaft und Verwandtschaft, und müssen sich rechtfertigen, wieso sie ihr Kind<br />
nicht selbst erziehen können. Gesellschaftliche Ächtung droht und die Familie ist in<br />
einem Trauerprozess um das Kind. Oft hat das leibliche Kind in der Herkunftsfamilie<br />
einen wichtigen emotionalen Platz eingenommen, auch wenn dies eine negative Rolle,<br />
wie die des Sündenbocks, gewesen ist. Trotz massiver sozialer, psychischer und<br />
familiärer Probleme besteht in der Regel eine hohe Schwellenangst vor Hilfsangeboten<br />
wie Beratung und Therapie, dazu kommt häufig fehlende Problemeinsicht. Erschwert<br />
wird dies noch, wenn, wie in ländlichen Gegenden teilweise der Fall, die/der/selbe<br />
Sozialarbeiter/in mit der Betreuung der Herkunftsfamilie und der Pflegefamilie betraut<br />
ist.<br />
Häufig haben Herkunftsfamilien auch schon eine längere Geschichte mit<br />
Jugendhilfemaßnahmen über mehrere Generationen. Die Sprache der Fachkräfte und<br />
mitunter auch die der Pflegeeltern überfordert viele Herkunftseltern, die es nicht<br />
gewohnt sind, über emotionale Befindlichkeiten zu sprechen. Reaktionen wie<br />
Kontaktabbruch oder überzogenes und forderndes Verhalten gegenüber der Behörde<br />
sind die Folge. Bei den Herkunftsfamilien besteht häufig der Wunsch nach einer<br />
schnellen Rückkehr des Kindes. Große Hoffnungen und Versprechungen an ihr Kind<br />
stehen jedoch oft im Widerspruch zu den eigenen erzieherischen Möglichkeiten. 107<br />
Sie rivalisieren mit den Pflegeeltern und wenden ihre Aggressionen gegen sie. Manche<br />
Herkunftsfamilien strengen Verfahren vor Gericht an, um ihr Kind wieder zurück zu<br />
106 Zur Situation <strong>von</strong> abgebenden Eltern kann in dieser Arbeit nicht sehr ausführlich eingegangen werden,<br />
weiterführend zum Thema siehe: Faltermeier (2001); Andriopoulos (1995)<br />
107 vgl. Nienstedt; Westermann (1992), S. 204f<br />
45
ekommen, werben um seine Zuneigung indem sie es z. B. bei Besuchen mit<br />
Geschenken überschütten. Es zeigt sich, dass für die leiblichen Eltern mit der<br />
Inpflegegabe ebenfalls eine diskrepante Situation entsteht: Sie bleiben zwar die Eltern,<br />
aber andere Personen nehmen ihnen die meisten Funktionen, die Eltern erfüllen, ab. Ihre<br />
Kinder können nicht mehr bei ihnen sein. Ihre Rolle ist nicht eindeutig definiert und<br />
muss neu ausverhandelt und gestaltet werden. 108<br />
Die Betreuung der Herkunftseltern ist somit äußerst konfliktbehaftet und emotionsreich.<br />
In der Arbeit mit ihnen muss man sich mit gescheiterten Lebensentwürfen<br />
auseinandersetzen und einen Weg mit ihnen finden, damit sie eine neue, positive Art<br />
<strong>von</strong> Elternrolle einnehmen können. Ein wichtiger Schritt für Eltern, die ihr Kind<br />
abgeben müssen, ist die Entwicklung der Fähigkeit, die Trennung vom Kind auch <strong>als</strong><br />
eine Entlastung <strong>von</strong> nicht erfüllbarer Verantwortung sehen zu können.<br />
Diouani stellt dazu fest, dass die Arbeit mit dem Herkunftssystem „sicher zu den<br />
schwierigsten Aufgaben im Rahmen der Fremdunterbringung eines Kindes gehört und<br />
häufig nicht statt zu finden scheint.“ 109<br />
3.4 Die Pflegeeltern<br />
Im Gegensatz zu leiblichen Eltern haben Pflegeeltern die Möglichkeit, Wünsche<br />
bezüglich Geschlecht, Alter, Herkunft und anderer Merkmale vor der Vermittlung<br />
anzumelden. Andererseits müssen sie im Gegensatz zu leiblichen Eltern erst ihre<br />
Eignung durch die Behörde feststellen und sich schulen lassen.<br />
Die Entscheidung ein Kind in seine Familie aufzunehmen ist eine besonders<br />
schwerwiegende und ist auch <strong>von</strong> vielen Ungewissheiten begleitet. Daher müssen<br />
Pflegeeltern einen mehrmonatigen Prozess der Abklärung durchlaufen. Auch die<br />
Vertreter/innen der Behörde brauchen umfangreiche Informationen, um eine passende<br />
Vermittlung anbahnen zu können. Bei den Vorgesprächen zwischen<br />
Sozialarbeiter/n/innen und künftigen Pflegepersonen hat die Klärung der<br />
Aufnahmemotivation eine zentrale Bedeutung.<br />
108 vgl. Wiemann (1994), S. 17f<br />
109 Diouani (2005), S. 184<br />
46
3.4.1 Motive für die Aufnahme eines Pflegekindes<br />
Motivation ist ein „hypothetisches Konstrukt, mit dem man die Antriebe (Ursachen) des<br />
Verhaltens erklären will. Mit diesem Konstrukt soll die Frage nach dem Warum des<br />
Handelns beantwortet werden“ 110 . Es wird zwischen „intrinsischen und<br />
extrinsischen“ 111 Motiven unterschieden. Ersteres beschreibt, dass die Belohnung einer<br />
Handlung in der Handlung selbst liegt, zweiteres, dass die Handlung <strong>von</strong> außen belohnt<br />
wird. Wenn man <strong>von</strong> intrinsischer Motivation angetrieben wird, dann handelt man, weil<br />
man Dinge <strong>von</strong> sich aus tun möchte. Wird man tätig, weil man dadurch Lob,<br />
Anerkennung, oder sonstige Belohnung zu bekommen erhofft, ist man extrinsisch<br />
motiviert. Eine angemessene soziale Absicherung kann z. B. die extrinsische Motivation<br />
erhöhen, die erfahrenen positiven Erlebnisse im Zusammenleben mit Pflegekindern die<br />
intrinsische, beide Formen sind unerlässlich. 112<br />
In Anbetracht ihres in hohem Maße handlungssteuernden Effektes auf die Gestaltung<br />
der Beziehung zum Pflegekind sind die Motivationen und die darauf folgenden<br />
Rollenkonzepte für den Verlauf der Betreuungsverhältnisse besonders bedeutsam.<br />
Paltinat und Warzecha unterscheiden nach „bewussten und geäußerten Motiven, nicht<br />
geäußerten aber bewussten und unbewußten Motiven.“ 113<br />
In der Phase der Eignungsfeststellung wird versucht, unbewußte und nicht geäußerte<br />
Motive zu erfassen, sei es durch Gespräche mit Sozialarbeiter/innen/n oder durch<br />
Reflexions- und Selbsterfahrungsübungen in Vorbereitungsseminaren.<br />
Die Auseinandersetzung mit den Beweggründen für eine Bewerbung ist Dreh- und<br />
Angelpunkt für die Art, den Verlauf und das Gelingen eines späteren<br />
Pflegeverhältnisses. Blandow weist darauf hin, dass es oft gerade bestimmte<br />
Mangelgefühle und Deprivationserlebnisse sind, die Pflegeeltern dazu motivieren, ein<br />
Kind in ihre Familie aufzunehmen. 114<br />
Aus den vielschichtigen Beweggründen zur Aufnahme eines Pflegekindes werden<br />
beispielhaft folgende genannt:<br />
- Erfahrungen in der eigenen Herkunftsfamilie<br />
- Soziales Verantwortungsgefühl<br />
110 Kroeber-Riel (1998), S. 141<br />
111 Schattner (1987), S. 180<br />
112 vgl. Schattner (1987), S. 180<br />
113 Paltinat;Warzecha (1999), S. 13<br />
114 vgl. Lutter et. al. (1984), S. 30<br />
47
- Unerfüllter Kinderwunsch<br />
- Nachdem eigene Kinder bereits selbständig leben, möchte man die Leere in der<br />
Familie füllen<br />
- Die vergütete Erziehung eines fremden Kindes wird <strong>als</strong> Alternative für eine<br />
eigene <strong>Beruf</strong>stätigkeit gesehen 115<br />
Fragt man Pflegeeltern nach ihren Motiven, benennen zwar auch etwa die Hälfte<br />
Kinderlosigkeit <strong>als</strong> den wichtigsten Grund, betonen dann aber zumeist auch darüber<br />
hinausgehende altruistische Gründe. Ansonsten werden zunehmend häufiger<br />
professionell-pädagogische Gründe <strong>als</strong> primärer Grund benannt. In besonderen<br />
Pflegeformen wie sonderpädagogischen Pflegefamilien und Kurzzeitpflegefamilien<br />
können auch Erwerbsmotive eine gewichtige Rolle spielen, wobei nicht selten mit dem<br />
Wunsch argumentiert wird, „eine <strong>als</strong> unbefriedigend erlebte Lohnerzieher-Existenz<br />
gegen ein autonom gestaltbares berufliches Engagement tauschen zu wollen.“ 116<br />
3.4.2 Rollenkonzepte<br />
Freiburg/Lettau 117 erweiterten die <strong>von</strong> Blandow 1972 formulierten Selbstkonzepte <strong>von</strong><br />
weiblichen Pflegepersonen. Sie gehen <strong>von</strong> folgenden Rollenkonzepten der<br />
Pflegepersonen aus, die jeweils auf unterschiedlichen Motivationen beruhen:<br />
Mutterkonzept<br />
Die Pflegemutter erlebt das Pflegekind <strong>als</strong> leibliches Kind und hat dementsprechende<br />
Erwartungen. Es wird versucht, die Pflegekinder emotional <strong>von</strong> den leiblichen Eltern zu<br />
lösen und diese in die eigene Familie völlig zu integrieren.<br />
Pflegemutterkonzept<br />
Die Pflegepersonen identifizieren sich weniger mit dem Pflegekind und erkennen den<br />
Unterschied zu den leiblichen Eltern an, die Bindung zur Herkunftsfamilie wird zu<br />
halten versucht. Im Umgang mit dem Pflegekind weist sie geringere fachliche<br />
Kompetenz auf im Vergleich zum berufsorientierten Konzept, durch regelmäßige<br />
fachliche Begleitung und Weiterbildung kann dies jedoch ausgeglichen werden.<br />
Erfahrungsorientiertes Konzept 118<br />
115 vgl. Kolbe (2004), S. 54f<br />
116 Textor (2005), unter http://www.sgbviii.de/S13.htm, (abgefragt am 29.05.2007)<br />
117 vgl. Feiburg; Lettau (1998), zit. n. Kolbe (2004), S 101f<br />
48
Die Pflegeeltern haben bereits leibliche Kinder erzogen und wollen auf Basis dieser<br />
Erfahrungen ein Pflegekind begleiten. Diese Gruppe ist zunächst skeptisch, was die<br />
Annahme <strong>von</strong> Unterstützungsangeboten betrifft, da sie sich durch ihre Elternschaft<br />
ausreichend vorbereitet fühlen.<br />
Religiösmotiviertes Konzept<br />
Pflegeeltern handeln auch nach religiösen Konzepten. Die christlichen<br />
Religionsgemeinschaften betonen die Ausübung der Religion durch den Dienst am<br />
Nächsten, den Dienst an der Gemeinschaft der Gläubigen und Verantwortung<br />
gegenüber der Welt. Aus tiefer religiöser Überzeugung wird es <strong>als</strong> Verpflichtung<br />
gesehen, anderen zu helfen und in diesem Fall wird dies dadurch eingelöst, indem man<br />
ein Kind bei sich zu Hause aufnimmt.<br />
Gib-und-Nimm-/Kommerzielles Konzept<br />
Dieses zunächst <strong>von</strong> Blandow 1972 eingeführte Konzept scheint heute keine<br />
Berechtigung mehr zu haben. Es ging noch da<strong>von</strong> aus, dass Pflegekinder <strong>als</strong><br />
Arbeitskräfte im pflegeelterlichen Betrieb fungieren sollten, die Beziehung zum<br />
Pflegekind zeichnete sich durch ausgeprägte Distanziertheit aus.<br />
Freiburg/Lettau beschreiben in diesem Konzept den Wunsch <strong>von</strong> Pflegepersonen nach<br />
der Auflösung eigener Probleme, das Pflegekind soll diese Funktion erfüllen. Damit<br />
sind Erwartungen an das Kind verknüpft, es wird eine Gegenleistung für die erhaltene<br />
Unterstützung erwartet. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, kann dies zum<br />
Abbruch des Pflegeverhältnisses führen.<br />
<strong>Beruf</strong>sorientiertes Konzept<br />
Nach Freiburg/Lettau zeichnen sich Pflegepersonen mit einem rein berufsorientierten<br />
Konzept durch das Bestreben aus, ihre vorhandene Professionalität ins Pflegeverhältnis<br />
einzubringen und „fachkundige“ Arbeit zu leisten. Die Betreuung des Kindes wird <strong>als</strong><br />
berufliche Aufgabe gesehen, die auch eine entsprechende Entlohnung rechtfertigt. Die<br />
Pflegepersonen setzen sich vertieft mit ihrem Erziehungsverhalten auseinander und<br />
118 Zu dem Erfahrungsorientierten Konzept und dem Religiösmotivierten Konzept werden in der<br />
angeführten Quelle keine weiteren Angaben gemacht, die Inhalte dieser Unterabschnitte beziehen<br />
sich daher auf Interpretationen der Verfasserin.<br />
49
legen eine professionelle Distanz, sowie ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und<br />
therapeutischem Umgang mit dem Pflegekind an den Tag. Es besteht jedoch die Gefahr,<br />
dass die emotionalen Aspekte des Betreuungsverhältnisses zu kurz kommen.<br />
Diese kurz skizzierten Rollenkonzepte sind modellhafte Schemen, und eine eindeutige<br />
Zuordnung <strong>von</strong> Pflegepersonen ist schwierig, jedoch neigen Pflegeeltern manchmal<br />
mehr zum einen <strong>als</strong> zum anderen Konzept. Sie beinhalten Vorstellungen darüber, wie<br />
ein Pflegeverhältnis gelebt werden möchte und welche Form der Inpflegnahme zu den<br />
Bewerber/innen/n passt bzw. nicht passt. Die Kenntnis dieser grundsätzlichen<br />
Einstellungen unterstützen die Fachkräfte im Prozess der Vermittlung eines<br />
Pflegekindes an eine Pflegefamilie.<br />
In den vom Bundesverband der Pflegeelternvereine Österreichs herausgegebenen<br />
Qualitätskriterien für das Pflegekinderwesen wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass weniger die<br />
Motive der Pflegeeltern zu einem gelingenden Zusammenleben führen, sondern mehr<br />
die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Pflegeeltern mitbringen und ihre Erwartungen, die<br />
sie mit einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> verbinden. 119<br />
Im Mittelpunkt der Erwartungen an die Pflegeeltern steht heute die gezielte kognitive<br />
und emotionale Förderung der ihnen anvertrauten Kinder. Allerdings erschwert sich die<br />
Aufgabenerfüllung der Pflegeeltern durch die oftm<strong>als</strong> starken psychosozialen<br />
Beeinträchtigungen der vermittelten Kinder und durch die, gegenüber nicht<br />
beeinträchtigten Kindern, verminderte Leistungsfähigkeit. Weiters sollen sie der<br />
Aufgabe gerecht werden, Wege zur Zusammenarbeit mit den Personen zu finden, die<br />
abweichendes Verhalten der Kinder verursacht haben.<br />
3.5 Problemkreise in Pflegefamilien<br />
Im folgenden Abschnitt wird auf die häufigsten Problemfelder in Pflegeverhältnissen<br />
eingegangen, um einen Hinweis darauf zu geben, dass <strong>Pflegeelternschaft</strong> heutzutage<br />
nicht mehr allein durch guten Willen und Liebe zu Kindern zu bewältigen ist, und die<br />
Anforderungen sich vielgestaltig erweisen.<br />
119 vgl. Bundesverband der Österreichischen Pflege- Adoptiv- und Tageseltervereine (2006), S. 15<br />
50
3.5.1 Verhaltensaufälligkeiten<br />
Eine standardisierte Befragung <strong>von</strong> über 400 Pflegeeltern durch das Deutsche<br />
Jugendinstitut im Jahr 2005 lieferte folgende Ergebnisse:<br />
– 30 % der Pflegekinder haben klinisch bedeutsame internalisierende Verhaltensstörungen<br />
(Ängste, sozialer Rückzug).<br />
– 40 % der Pflegekinder zeigen in klinisch bedeutsamem Ausmaß externalisierende<br />
Verhaltensauffälligkeiten (Aggression, Unruhe).<br />
– Etwas mehr <strong>als</strong> die Hälfte der einbezogenen Pflegekinder besuchte eine Sonderschule,<br />
hatte bereits eine Schulklasse wiederholt oder litt unter Lernschwierigkeiten.<br />
– Etwa 30 % der Kinder wies eine körperliche Behinderung oder ein hohes Maß an<br />
körperlichen Beschwerden auf. 120<br />
Diese Resultate zeigen, dass ein Großteil der Pflegekinder, v.a. wenn sie im<br />
Vorschulalter in eine Pflegefamilie wechseln, mit Handicaps zu kämpfen hat. Für<br />
Pflegeeltern ergibt sich daraus die Aufgabe diagnostische und therapeutische<br />
Verfahren, die dem Pflegekind zu Gute kommen sollen, zu begleiten und zu<br />
unterstützen.<br />
3.5.2 Identitätsproblematik<br />
Von der sozialen Struktur her lassen sich die meisten Herkunftsfamilien randständigen<br />
sozialen Schichten zuordnen, die oft über Generationen hinweg mit der Erziehung ihrer<br />
Kinder nicht zurande kamen. Pflegefamilien hingegen setzen sich fast ausschließlich<br />
aus Angehörigen der unteren und mittleren Mittelschicht zusammen und leben unter<br />
besseren materiellen Verhältnissen. 121<br />
Durch diese Milieuunterschiede werden die Pflegefamilien mit Kindern konfrontiert, die<br />
oft völlig andere Wertorientierungen, Verhaltensmuster, eine andere „Sprache“ und<br />
Umgangsformen mitbringen, die einen ganz anderen Lebens- und Erziehungsstil<br />
gewöhnt sind. Dies erfordert <strong>von</strong> den Pflegeeltern ein hohes Maß an Toleranz und<br />
Offenheit gegenüber dem Herkunftsmilieu der Kinder und auch die Pflegekinder<br />
müssen sich umstellen.<br />
Ein Ansatz, der zur Vermeidung dieser Konflikte beitragen kann ist das Kinship Foster<br />
Care Konzept, das z. B. in den Niederlanden praktiziert wird. Hier wird primär im<br />
Verwandtenkreis, im Umfeld der Familie und im Herkunftsmilieu nach<br />
120 Projektgruppe Pflegekinderhilfe in Deutschland (2006), S. 17<br />
121 vgl. Blandow (2002) Sozialraum, S. 6; Blandow (1999), S. 86 ff.<br />
51
Unterbringungsmöglichkeiten gesucht. Die Differenzen zwischen den Lebensstilen<br />
fallen somit geringer aus und vom Kind wird eine weniger massive Anpassungsleistung<br />
gefordert. 122<br />
3.5.3 Besuchskontakte<br />
Das „neuralgischste Problem <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen“ 123 ist wie schon mehrfach<br />
angedeutet der Besuchskontakt. Trotz Trennung und negativer Vorerfahrungen bestehen<br />
Bindungen zwischen den Herkunftseltern und den Kindern, die nach Möglichkeit<br />
erhalten bleiben sollen. Am konfliktlosesten gestalten sich die Kontakte, wenn die<br />
Sicherheit besteht, dass das Pflegekind in der Pflegefamilie bleiben wird. Eine andere<br />
Funktion erfüllen sie jedoch, wenn die Pflegekinder nur für einen bestimmten Zeitraum<br />
in der Familie sind und eine Rückkehr angestrebt wird.<br />
Wenn Besuchskontakte nicht konfliktfrei verlaufen, werden sie häufig auf einen<br />
neutralen Ort verlagert und <strong>von</strong> Fachkräften begleitet. Meist reduzieren sie sich mit<br />
Dauer des Pflegeverhältnisses; einige Herkunftseltern nehmen ihr Besuchsrecht<br />
unregelmäßig bis gar nicht war.<br />
Die Bereitschaft, die leiblichen Angehörigen anzuerkennen und die Kontakte, in<br />
welcher Form auch immer, zu halten, ist daher eine wichtige Voraussetzung im<br />
Auswahlprozess <strong>von</strong> Pflegeeltern. Das kann durchaus schwer sein, wenn man die<br />
problematischen Familienverhältnisse kennt und weiß, welche Erfahrungen das Kind<br />
dort gemacht hat. Eine zumindest neutrale Haltung hierzu einzunehmen, ist bereits eine<br />
große Hürde für viele Pflegeeltern. Erschwerend kommt hinzu, dass die leiblichen<br />
Eltern bewusst oder unbewusst <strong>als</strong> Rivalen erlebt werden, insbesondere wenn das Kind<br />
noch positive Bindungen an sie zeigt.<br />
In der <strong>von</strong> Kötter Anfang der Neunziger Jahre durchgeführten Studie zu<br />
Besuchskontakten erwiesen sich karitative Motive <strong>als</strong> Entscheidungsgrund für ein<br />
Pflegekind, das Vorhanden sein <strong>von</strong> leiblichen Kindern und ein höheres Alter der<br />
Pflegemutter <strong>als</strong> Indikatoren für funktionierende und dauerhafte Besuchskontakte. 124<br />
Cappenberg sieht aus bindungstheoretischer Sicht in Besuchskontakten ein Hindernis<br />
für den Beziehungsaufbau in der Pflegefamilie und für eine Traumaverarbeitung für das<br />
122 vgl. Loidl-Keil; Viechtbaur (2004), S. 194<br />
123 Blandow (2007), S. 9<br />
124 vgl. Kötter (1997), S. 158f<br />
52
Pflegekind. Jede Wiederbegegnung mit den leiblichen Eltern aktualisiert frühere<br />
Erinnerungen und Bindungsmuster. Bei Besuchskontakten werde beständig das Recht<br />
der leiblichen Eltern über das Wohl des Kindes gestellt. 125<br />
Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes wie Nienstedt/Westermann, Zenz und Eberhard<br />
betonen, dass man durch Besuchskontakte das Kind stark verunsichere. Gerade die<br />
Pflegeeltern, die ihm Sicherheit bieten sollen, liefern es wieder den Personen aus, <strong>von</strong><br />
denen es womöglich misshandelt worden ist. Reaktionen der Kinder können aggressives<br />
Verhalten, generelle Unruhe und Rückzug sein. Kindern sollte ein Recht auf einen<br />
völligen Neubeginn gegeben werden. 126<br />
Andere Expert/innen/en im Pflegekinderbereich vertreten die Meinung, dass sich Kinder<br />
auf neue Menschen besser einlassen können, wenn sie die Menschen des früheren<br />
Lebens nicht völlig verlieren. Klare Vereinbarungen über Häufigkeit und Rahmen des<br />
Besuchskontaktes, die Begleitung durch neutrale Personen sowie die Orientierung am<br />
Verhalten des Kindes können dazu beitragen, dass Besuchskontakte weniger<br />
problematisch erlebt werden. 127<br />
Eine Erschwerung oder Verhinderung der Kontakte zur Herkunftsfamilie bzw. eine<br />
abwertende Haltung gegenüber den Herkunftseltern kann zu massiven<br />
Loyalitätskonflikten beim Pflegekind führen.<br />
3.5.4 Loyalitätskonflikte<br />
Pflegekinder leiden häufig unter Loyalitätskonflikten zwischen ihren Herkunftseltern<br />
und den Pflegeeltern. Loyalität ist ein stark wirkendes ethisches Prinzip, das<br />
Familienangehörige zur Einhaltung der geltenden Regeln im Umgang miteinander und<br />
mit anderen verpflichtet. Beide Eltern haben Erwartungen und Wünsche an das Kind,<br />
was das Kind natürlich auch spürt. Ein Brechen der Regeln kann zum Verlust <strong>von</strong><br />
Zugehörigkeit führen. Dies kann bedeuten, dass die Beziehungsangebote <strong>von</strong><br />
Pflegeeltern an das Kind dessen Konflikte weiter verstärken. Denn jeder Schritt in<br />
Richtung Veränderung und Verbesserung kann mit dem Versuch des Kindes<br />
zusammenfallen, sich der eigenen Familie gegenüber solidarisch zu verhalten. Wenn die<br />
125 vgl. Cappenberg (2005), S. 95<br />
126 vgl. Eberhard (2000); Zenz (2001), S. 33<br />
127 Wiemann (1994), S. 12<br />
53
Herkunftsfamilie dem Kind nicht ermöglicht sich in einer Pflegefamilie einzuleben und<br />
wohlzufühlen, verstärkt dies die Schuldgefühle beim Kind. Die Erwachsenen haben<br />
einen entscheidenden Anteil daran, ob es dem Kind gelingt, Loyalitätskonflikte zu<br />
bewältigen. Sie müssen <strong>von</strong> ihnen erkannt und richtig gedeutet werden, um dem Kind<br />
den nötigen Handlungsspielraum zu deren Bearbeitung einzuräumen.<br />
Idealerweise geben Herkunftseltern ihre soziale Elternrolle schrittweise auf und<br />
delegieren sie an die Pflegeeltern. Damit kann das Kind aus dem Loyalitätsdilemma<br />
entkommen. 128<br />
3.5.5 Elternschaft auf Zeit<br />
Pflegeeltern möchten dem Kind Sicherheit und Halt bieten, wissen jedoch oft nicht, wie<br />
lange es bei ihnen bleiben wird. Es wird <strong>von</strong> ihnen erwartet, dass sie jederzeit<br />
„Loslassen“ können. 129 Wenn es der Fall sein kann, dass das Kind nicht auf Dauer bei<br />
einer Pflegefamilie bleiben kann, sollte dies im Vorhinein <strong>von</strong> den<br />
Sozialarbeiter/innen/n transparent gemacht werden und allen involvierten Personen eine<br />
zeitliche Perspektive gegeben werden. Gerade in Fällen, in denen das Kind noch sehr<br />
jung ist, oder wenige Kontakte mit der Herkunftsfamilie stattfinden, darf diese Spanne<br />
der Unsicherheit nicht zu lange dauern. Die Rückkehr in die Ursprungsfamilie wird so<br />
lange angestrebt, <strong>als</strong> es für das Wohl des Kindes noch vertretbar ist und ohne<br />
empfindliche Bindungsabbrüche zu provozieren. Außerdem muss die Herkunftsfamilie<br />
sich weitestgehend stabilisiert haben. Das Recht <strong>von</strong> leibliche Eltern jederzeit einen<br />
Antrag auf Rückführung bei Gericht stellen zu können, kann Pflegeeltern wie<br />
Pflegekinder sehr beunruhigen. Dies wurde auch in den geführten Interviews mit den<br />
Pflegeeltern sehr deutlich. Gerade hier sind Begleitung und Unterstützung <strong>von</strong><br />
Fachkräften unbestritten wichtig. 130<br />
3.6 Zusammenfassung der Entwicklungslinien<br />
Immer weniger Kinder werden in Pflegefamilien untergebracht. Es wird mit mehr<br />
Aufwand und unterstützenden Maßnahmen versucht, eine Fremdplatzierung <strong>von</strong><br />
Kindern zu vermeiden und die Familien <strong>von</strong> Kindern zu stabilisieren. Diese<br />
128 vgl. Müller-Schlotmann (1998), S. 258ff<br />
129 vgl. E 4, Z. 655-658<br />
130 vgl. Maywald (2000), unter http://agsp.de/html/a11.html (abgefragt am 17.05.2007)<br />
54
Stabilisierungsangebote laufen über eine relativ lange Zeitspanne. Sind diese Hilfen<br />
nicht erfolgreich, dann bedeutet dies, dass Kinder bei der Unterbringung in einer<br />
Pflegefamilie älter und traumatisierter bzw. verhaltensauffälliger geworden sind. Diese<br />
Entwicklung wiederum führt zu der Frage, ob traditionelle Pflegefamilien unter diesen<br />
Voraussetzungen noch in der Lage sind, diesen Kindern die angemessene Hilfe bieten<br />
zu können.<br />
Die Analyse der Strukturmerkmale und Problemkreise machen deutlich, dass<br />
Pflegeeltern gefordert sind und dass <strong>von</strong> ihnen viele Kompetenzen verlangt werden, die<br />
nicht „per se“ und nicht durch das Wissen aus der Erfahrung eigene Kinder erfolgreich<br />
großgezogen zu haben, vorausgesetzt werden können.<br />
Für Eltern genügt es in der Regel über das durch Tradition, Erfahrung, soziale Kontakte<br />
und Ratgeber erworbene Wissen über pädagogische Fragen und Entwicklungsprozesse<br />
zu verfügen. Empathie ergibt sich schon aus der biologisch begründeten Bindung.<br />
Dennoch müssen auch Eltern Informationen einholen und sich um Hilfe bemühen, wenn<br />
sie sich in einer Überforderungssituation befinden.<br />
Pflegefamilien müssen alle Bereiche der sozialen Elternschaft sehr bewusst angehen<br />
und gestalten. Was bei Familien, in denen biologische und soziale Elternschaft<br />
zusammenfällt, natürlich ergibt, muss hier erarbeitet werden.<br />
Die Pflegefamilie ist nicht mehr der Ort, an dem Kinder versorgt werden, sondern sie<br />
versucht Kinder – wie auch bei anderen Hilfen zur Erziehung im institutionellen<br />
Rahmen- gezielt zu fördern und therapeutisch zu begleiten. 131<br />
Die Jugendwohlfahrtsträger und die freien Träger der Jugendhilfe reagieren auf diese<br />
Entwicklungen mit unterschiedlichen Lösungsstrategien:<br />
Die Kinder werden weiter nach üblicher Praxis in Pflegefamilien untergebracht und die<br />
Betreuung dieser Familien ist nicht anders, <strong>als</strong> sie vor Jahren war. Oder die<br />
Pflegefamilien werden besser auf ihre Aufgaben vorbereitet. Eine andere mögliche<br />
Reaktion ist, Pflegefamilien nicht nur besser vorzubereiten, sondern sie auch besser<br />
abzusichern und Pflegeverhältnisse umfassender zu begleiten <strong>als</strong> früher. Die<br />
Pflegefamilie erhält dadurch die Position der professionellen Pflegefamilie. Dieser<br />
Position begründet dann vermehrte Beratung, Unterstützung und Bezahlung. Die<br />
131 vgl. Kolbe (2004), S. 68<br />
55
eobachtbare Entwicklung kann auch <strong>als</strong> die Herausbildung eines neuen <strong>Beruf</strong>sbildes<br />
gesehen werden.<br />
4 <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit<br />
Um beurteilen zu können, ob und wie <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> ausgeübt werden<br />
kann, sollen nun die Merkmale einer <strong>Beruf</strong>stätigkeit definiert werden und der Einfluss<br />
des ausgeübten <strong>Beruf</strong>es auf Personen generell dargestellt werden.<br />
4.1 Zur Bedeutung des <strong>Beruf</strong>es in der modernen Gesellschaft<br />
Arbeit und <strong>Beruf</strong> sind vielschichtige Themen. Die Strukturen und Prozesse der<br />
Arbeitswelt besitzen sowohl negative, <strong>als</strong> auch positive Aspekte. Auf der einen Seite<br />
schränken unter anderem Vorgaben und Strukturen den Handlungsspielraum der<br />
einzelnen Akteure ein, andererseits wohnen der Arbeit identitätsstiftende Elemente inne.<br />
Arbeiten dient nach Arendt der Selbsterhaltung des Menschen und ist damit im Leben<br />
selbst begründet. Die Notwendigkeit der Arbeit liegt in der Erhaltung <strong>von</strong> Leben und<br />
Welt und ist daher zeitlich nicht begrenzt. 132<br />
Luckmann und Sprondel sprechen <strong>von</strong> Arbeit, „wenn immer ein Mensch so handelt,<br />
dass sein Handeln unmittelbar in die natürliche oder gesellschaftliche Umwelt eingreift,<br />
dass sein Handeln <strong>als</strong>o (<strong>von</strong> ihm selbst oder anderen) beobachtbare Folgen hat“ 133 .<br />
Giddens definiert Arbeit <strong>als</strong> „Verrichtung <strong>von</strong> Aufgaben, bei der geistige und<br />
körperliche Energie aufgewendet wird; Diese Aufgaben haben zum Ziel, Güter und<br />
Dienstleistungen hervorzubringen, die sich an menschliche Bedürfnisse wenden.“ 134<br />
Eines der charakteristischsten Merkmale des Wirtschaftssystems moderner<br />
Gesellschaften ist die Herausbildung einer sehr komplexen und vielfältigen<br />
Arbeitsteilung. Arbeit wird in eine große Zahl verschiedener <strong>Beruf</strong>e zerlegt, auf die sich<br />
Personen spezialisieren. Der <strong>Beruf</strong> kann <strong>als</strong> eine spezifische Bündelung <strong>von</strong> Arbeit<br />
verstanden werden. In erster Linie werden jene „Arbeiten“ zu <strong>Beruf</strong>en, die<br />
gesellschaftlich für unentbehrlich erachtet werden und so eine gesellschaftliche<br />
Befugnis erhalten. Ferner braucht es eine Ermächtigung dafür, was die<br />
132 vgl. Arendt (1994), zit. n. Pasquale (1998), S. 17<br />
133 Luckmann; Sprondel (1972), S. 12<br />
134 Giddens (1998), S. 335<br />
56
<strong>Beruf</strong>sangehörigen tun dürfen und sollen, und welche Qualifikationen und<br />
Voraussetzungen dazu <strong>von</strong>nöten sind. Das Arbeitsvermögen des einzelnen wird auf<br />
Strukturen bezogen, in denen <strong>Beruf</strong>sarbeit ermöglicht und dafür Lohn erhalten werden<br />
kann. 135<br />
Unter dem Begriff Verberuflichung versteht man die Übergangsphase des Wandels <strong>von</strong><br />
Arbeiten zu <strong>Beruf</strong>en, in der eine bisher <strong>von</strong> Laien und ohne Entgelt ausgeübte Tätigkeit<br />
nunmehr vollzeitlich gegen ein vertraglich festgelegtes Entgelt verrichtet wird. Der<br />
<strong>Beruf</strong>sbegriff umfasst sowohl wenig qualifizierte Erwerbsarbeit <strong>als</strong> auch sehr<br />
hochqualifizierte. 136<br />
Seine grundsätzlich positive Konnotation hat der Begriff des <strong>Beruf</strong>es aus seinem<br />
Ursprung im Wort „<strong>Beruf</strong>ung“, „d.h. <strong>von</strong> Gott an diese Stelle gesetzt“ 137 und mit dessen<br />
Betonung in der protestantischen Ethik Luthers. Auf diesen bezieht sich auch Weber,<br />
der im asketischen Protestantismus die Keimzelle für die <strong>Beruf</strong>sarbeit <strong>als</strong><br />
herausragendes Charakteristikum der modernen westlichen Kultur sieht. In der<br />
klassischen Definition <strong>von</strong> Weber heißt es, dass es sich beim <strong>Beruf</strong> um eine<br />
„Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination <strong>von</strong> Leistungen einer Person handle<br />
[…] welche für sie Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance<br />
ist.“ 138<br />
Beck, Brater und Daheim definieren <strong>Beruf</strong>e <strong>als</strong> „relativ tätigkeitsunabhängige,<br />
gleichwohl tätigkeitsbezogene Zusammensetzungen und Abgrenzungen <strong>von</strong><br />
spezialisierten, standardisierten und institutionell fixierten Mustern <strong>von</strong> Arbeitskraft, die<br />
u a. <strong>als</strong> Ware am Arbeitsmarkt gehandelt und gegen Bezahlung in fremdbestimmten<br />
kooperativ–betrieblich organisierten Arbeits- und Produktionszusammenhängen<br />
eingesetzt werden“ 139 .<br />
<strong>Beruf</strong>e sind nach Lempert im Wesentlichen durch drei Merkmale erläutert:<br />
Es handelt sich dabei erstens um personengebundene Kombinationen <strong>von</strong> Leistungen<br />
beziehungsweise <strong>von</strong> Kompetenzen (Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten,<br />
135 Müller (2002), S. 726<br />
136 vgl. Heinze (1998), S. 106, Pfadenhauer (2003), S. 19f<br />
137 Pfadenhauer (2003), S. 20<br />
138 Weber (1919), zit. n. Hartmann (1972), S. 37<br />
139 Beck; Brater; Daheim (1980), S. 20, zit. n. Heinze (1998), S. 22<br />
57
Orientierungen, Verhaltens- und Handlungsmuster), die <strong>von</strong> den Individuen in speziellen<br />
Ausbildungsgängen erworben und nach einer Abschlussprüfung bescheinigt werden.<br />
Zweitens vermittelt diese Kompetenzbündel eine Erwerbschance und zwar drittens für<br />
längere Zeit. 140<br />
Diese Definitionen aus verschiedenen Zeiten haben Gemeinsamkeiten darin, dass der<br />
<strong>Beruf</strong> darin <strong>als</strong> auf eine einzelne Person bezogene, eine auf Dauer übernommene<br />
sinnhafte Tätigkeit beschrieben wird zum Zweck der Sicherung des Einkommens. <strong>Beruf</strong><br />
hat zum einen eine funktionale Dimension, die Fertigkeiten, Leistungen und Wissen<br />
umfasst, daneben gibt es aber noch eine soziale Bedeutung, die den einzelnen <strong>Beruf</strong>en<br />
beigelegt wird. Mit dem Erlernen und Ausüben eines <strong>Beruf</strong>es gehen auch<br />
identitätsstiftende und die Persönlichkeit stabilisierende Prozesse einher.<br />
Helmut Schelsky hat 1972 zum <strong>Beruf</strong> angemerkt, dass er „zu einer der großen sozialen<br />
Sicherheiten gehört, die der Mensch in der modernen Gesellschaft […] noch besitzt,<br />
verglichen etwa mit seinem Verhältnis zur Politik, zur Freizeit, zur Kultur und,<br />
jedenfalls in den meisten Fällen, auch zur Religion.“ 141 Die <strong>Beruf</strong>stätigkeit ist für den<br />
modernen Menschen der wesentlichste Bereich sozialer Lebensaktivität, neben der<br />
Familie. Der <strong>Beruf</strong> verbindet den Menschen mit der sozialen Welt außerhalb der<br />
Familie. Die wesentlichste Leistung des <strong>Beruf</strong>es für den modernen Menschen ist die<br />
„Umwelt- und Innenstabilisierung“ 142 einer Person. Durch seinen <strong>Beruf</strong> baut sich der<br />
Mensch in der Vielzahl der möglichen sozialen Rollen ein bestimmtes<br />
Handlungssystem auf, das verhältnismäßig dauerhaft ist. Dieses Handlungssystem wird<br />
<strong>von</strong> außen gestützt und stabilisiert. Zwischen der Stabilität <strong>von</strong><br />
Lebenszusammenhängen und der Basis der sozialen Identität des Menschen und <strong>Beruf</strong><br />
besteht eine enge Verbindung. 143<br />
<strong>Beruf</strong>e besitzen und erzeugen einen „Habitus, der die <strong>Beruf</strong>srollenträger erkennbar<br />
werden lassen.“ 144<br />
„Der berufliche Habitus ist ein stabiles System verinnerlichter Handlungsregeln, die<br />
nicht nur in der Anpassung an die Arbeitsanforderungen, sondern auch in<br />
140 Lempert (2002), S. 179<br />
141 Schelsky (1972), S. 25<br />
142 ebda, S. 32<br />
143 vgl. ebda, S. 25ff<br />
144 Kurtz (2002), S. 94; Habitus: „Ein System internalisierter Handlungsmuster einer Kultur oder sozialen<br />
Klasse“, Bourdieu (1974), zit. n. Heinze (1998), S. 51<br />
58
Selbstinterpretation und der Deutung gesellschaftlicher Verhältnisse dienen.“ 145 Der<br />
berufliche Habitus bildet sich nach mehr oder weniger langen beruflichen<br />
Orientierungsphasen heraus. 146<br />
<strong>Beruf</strong>stätigkeit ist immer noch ein wichtiger Faktor für die soziale Bestimmung des<br />
menschlichen Lebens in unserer Kultur. Das Verhältnis Mensch und Gesellschaft ist<br />
gerade in unserer Gesellschaft noch immer sehr berufsbestimmt, und die gewichtigsten<br />
sozialen Bedürfnisse werden <strong>von</strong> der <strong>Beruf</strong>stätigkeit her befriedigt, sowohl materieller<br />
<strong>als</strong> auch sozialer Art. Soziale Stellung und soziales Ansehen des einzelnen werden <strong>von</strong><br />
der Stellung im <strong>Beruf</strong>, <strong>von</strong> seinem Ansehen, und da<strong>von</strong>, was der <strong>Beruf</strong> „einbringt“ <strong>von</strong><br />
anderen wahrgenommen. Menschen werden hauptsächlich nach der Art ihres <strong>Beruf</strong>es<br />
sozial eingeordnet. Die Leistungsansprüche an die <strong>Beruf</strong>sarbeit sind allenthalben<br />
gestiegen, was ein wesentlicher Grund für immer umfassendere <strong>Beruf</strong>squalifikation in<br />
vielen <strong>Beruf</strong>sfeldern ist. 147<br />
<strong>Beruf</strong>sarbeit hat einen hohen Stellenwert, durch sie werden aber nicht alle Arbeiten des<br />
täglichen Lebens erfasst. Verborgener wird unbezahlt eine Vielzahl <strong>von</strong> gesellschaftlich<br />
ebenso wichtigen Tätigkeiten verrichtet, wie die Reproduktionsarbeit im Haushalt.<br />
Tätigkeiten wie Fürsorge, Erziehung, Altenpflege spielen in der Arbeitssoziologie lange<br />
eine untergeordnete Rolle bzw. wurden sie eben <strong>als</strong> „Gegenstück“ zur beruflichen<br />
Arbeit mit Erwerbsabsicht verstanden, die sich in der Privatsphäre der Menschen<br />
vollzieht.<br />
Um den monetären Wert dieser Reproduktionsarbeit in Österreichs Haushalten zu<br />
bestimmen, wurde den erbrachten Leistungen <strong>von</strong> ÖSTAT (heute Statistik Austria) auf<br />
Basis der 1992 dafür aufgewendeten Zeit und Gehälter ein finanzieller Wert zugeordnet.<br />
Schon der Mindestlohn für im Haushalt Beschäftigte <strong>als</strong> Maßstab ergibt einen Wert <strong>von</strong><br />
€49,71 Mrd. Bei Annahme, dass Frauen gleich viel wie Männer verdienten - <strong>als</strong>o bei<br />
durchschnittlichen Männerlöhnen <strong>als</strong> Berechnungsgrundlage – erhöht sich die Summe<br />
auf €141,06 Mio. Der Anteil der Frauen beträgt €98,98 Mio, der <strong>von</strong> Männern €42,08<br />
145 Heinze (1998), S. 51<br />
146 vgl. ebda, S. 52<br />
147 vgl. ebda, S. 27f<br />
59
Mio. Werden diese Beträge zum Bruttoinlandsprodukt dazugerechnet, so tragen Frauen<br />
insgesamt (bezahlte und unbezahlte Arbeit) 55 % und Männer 45 % zur<br />
volkswirtschaftlichen Wertschöpfung Österreichs bei. 148<br />
4.1.1 Wandel der <strong>Beruf</strong>swelt<br />
Vergleichbar mit dem Wandel der Familie haben sich auch entsprechende Änderungen<br />
in <strong>Beruf</strong>skarrieren und Erwerbsbiographien in den letzten drei Jahrzehnten ergeben. Die<br />
heutige Arbeitswelt ist durch eine Auflösung <strong>von</strong> klassischen Tätigkeitsfeldern,<br />
beständigen Erwerbsbiografien und der üblichen Beschäftigungsformen „selbstständig“<br />
oder „unselbstständig“ gekennzeichnet. Der <strong>Beruf</strong> ist zwar noch immer wichtiger<br />
Ausgangspunkt für Orientierung und Beteiligung am Arbeitsmarkt, allerdings wird<br />
<strong>Beruf</strong> mit seinem umfassenden Geltungsbereich für Lebensstil und Zugehörigkeit zu<br />
einer gesellschaftlichen Schicht heute oft <strong>als</strong> am absteigenden Ast gesehen. 149<br />
Eine fundierte <strong>Beruf</strong>sausbildung in jungen Jahren ist heute keine Garantie mehr für den<br />
dauerhaften Verbleib in der gewählten <strong>Beruf</strong>ssparte. Es ist erkennbar, dass das Merkmal<br />
"Dauerhaftigkeit" für die Charakterisierung <strong>von</strong> <strong>Beruf</strong> derzeit in Frage gestellt wird,<br />
denn ein <strong>Beruf</strong>swechsel wird zum Alltag. In der Dienstleitungsgesellschaft kommt es<br />
ebenfalls zu einer Individualisierung und Pluralisierung; die Arbeitskraft des Einzelnen<br />
muss flexibel auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes abgestimmt werden.<br />
Arbeitsbedingungen verändern sich heute durch das Auflösen <strong>von</strong> Standards und<br />
Individualisierung was die Arbeitsform und Arbeitszeit betrifft. 150<br />
Eine Zunahme <strong>von</strong> Arbeitsverhältnissen, die nicht dem Normalarbeitsverhältnis<br />
(standardisiert, vollzeitig, kontinuierlich, arbeits- und sozialrechtlich abgesichert)<br />
entsprechen, ist zu beobachten. Zahlenmäßig scheinen Formen der „Atypischen<br />
Beschäftigung“ (umfassen Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, befristete<br />
Beschäftigung, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, Telearbeit und so genannte<br />
scheinselbstständige Beschäftigungen) das<br />
überholen. 151<br />
Normalarbeitsverhältnis langsam zu<br />
Diese Entwicklungen haben für Unternehmen gesamtwirtschaftlich<br />
gesehen viele Vorteile, da sie flexibel auf den Markt reagieren können, indem sie<br />
Personal schnell abstoßen oder bei Bedarf auch wieder aufnehmen können. Dies zeigt<br />
148 vgl. Beham; Gossweiner; Gross (1999), S. 58ff<br />
149 vgl. Kurtz (2001), S. 14<br />
150 vgl. Daheim (2001), S. 32<br />
151 Fink (2003), S. 138<br />
60
sich für den Einzelnen aber in einem vermehrten Risiko arbeitslos zu werden und in<br />
Stress, diese existenziellen sozialen Probleme bewältigen zu müssen.<br />
Kurtz fasst die Erkenntnisse der neueren <strong>Beruf</strong>ssoziologie dahingehend zusammen, dass<br />
der <strong>Beruf</strong> heute nicht mehr <strong>als</strong> der beste einzelne Indikator zur Beschreibung der<br />
Sozi<strong>als</strong>truktur einer Gesellschaft gesehen werden kann, <strong>als</strong> der er lange angesehen<br />
wurde, sondern <strong>als</strong> eines unter vielen Kriterien. Im Vergleich zu früher ist seine<br />
Bedeutung deutlich relativiert. 152<br />
Wie sich die Familie zum Projekt mit Gestaltungsnotwendigkeit und mit „beschränkter<br />
Haftung“ entwickelt hat, zeigt sich auch eine fortschreitende Instabilität <strong>von</strong><br />
<strong>Beruf</strong>sverläufen und <strong>Beruf</strong>skarrieren; berufliche Leitbilder sind uneindeutig und können<br />
sich rasch ändern. 153<br />
Unter Karriere verstehen Becker und Strauss „berufliche Laufbahnen, d.h.<br />
gesellschaftlich anerkannte und normierte Abfolgen <strong>von</strong> Arbeitstätigkeiten, die<br />
aufeinander bezogen sind und sich in Prestige sowie Einkommen unterscheiden“. 154<br />
Wird die <strong>Beruf</strong>skarriere einer Person mehrm<strong>als</strong> unterbrochen, etwa durch Elternschaft,<br />
Tätigkeits-, Betriebs- oder <strong>Beruf</strong>swechsel, aber auch durch Erwerbslosigkeit – vor der<br />
heute wenige gefeit sind – dann ist die Verwirklichung beruflicher Lebenspläne und<br />
berufsbezogener Identitäten gefährdet.<br />
Wenn <strong>Beruf</strong>e gewechselt werden müssen, dann stehen Erwerbstätige vor dem Problem,<br />
häufig neue Ausrichtungen gegenüber veränderten Arbeitssituationen und<br />
Karrieremöglichkeiten finden zu müssen. Die einmal entwickelte <strong>Beruf</strong>sidentität muss<br />
transformiert werden, damit die in der modernen Arbeitswelt erwartete Flexibilität<br />
geboten werden kann, und man im Kampf um den Arbeitsplatz erfolgreich<br />
hervorgeht. 155<br />
Senghaas/Knobloch beschreiben vier Gründe, warum Erwerbsarbeit trotzdem nach wie<br />
vor zentrale Funktionen für den Einzelnen übernimmt:<br />
Erwerbsarbeit sichert erstens das individuelle Einkommen; hat darüber hinaus zweitens<br />
eine psychosoziale Funktion im Hinblick auf die psychische Gesundheit und die soziale<br />
152 vgl. Kurtz (2001), S. 14<br />
153 vgl. ebda, S. 10<br />
154 Becker; Strauss (1972), zit. n. Heinze (1998), S. 103<br />
155 vgl. Heinze (1998), S. 65f<br />
61
Anerkennung der Individuen; sie ist drittens <strong>von</strong> grundlegender Bedeutung für die<br />
wohlfahrtsstaatliche Absicherung, insbesondere in jenen Systemen sozialer Sicherung, die<br />
auf individuellen Statuserhalt aufbauen; und viertens ist an Erwerbsarbeit die<br />
bürgerschaftliche Integration gebunden. 156<br />
Auch wenn sich die <strong>Beruf</strong>swelt immer schneller dreht, bleibt die Bedeutung der<br />
sozialen Organisationseinheit „<strong>Beruf</strong>“ bestehen.<br />
4.1.2 Frauen und Erwerbstätigkeit<br />
Bis vor wenigen Jahrzehnten war in den westlichen Ländern die bezahlte Arbeit vor<br />
allem den Männern vorbehalten, diese Situation hat sich aber grundlegend geändert. Die<br />
steigende Zahl erwerbstätiger Frauen und Mütter lässt sich damit erklären, dass heute<br />
Frauen auf den <strong>Beruf</strong> hin sozialisiert werden und eine bessere Schul- und<br />
<strong>Beruf</strong>sausbildung <strong>als</strong> früher erhalten. Zunehmend sehen sich auch beide Elternteile dazu<br />
gezwungen, für den Familienunterhalt zu sorgen. Für Frauen ist es mittlerweile ein<br />
Privileg geworden, sich zwischen Familie oder <strong>Beruf</strong> entscheiden zu können. Diese<br />
Wahlmöglichkeit haben auch Familien aus der Mittelschicht nur noch mit erheblichen<br />
Einschränkungen. Familiengründung und ökonomische Zwänge führen dazu, dass<br />
Frauen den Spagat zwischen Familie und Erwerbstätigkeit versuchen. Prioritäten<br />
bleiben jedoch nicht ein Leben lang erhalten, mit dem Alter der Kinder verändert sich<br />
die Rolle der Mutter und ihre Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt. 157<br />
So nimmt die Erwerbstätigkeit einen dominierenden Platz im Bewusstsein <strong>von</strong> Frauen<br />
ein. Zudem wird sie mit Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit,<br />
Arbeitsfreude, Anregung, Kommunikation mit anderen und Anerkennung durch Dritte<br />
verknüpft. Dementsprechend nähern sich Frauen in ihren Einstellungen zum <strong>Beruf</strong>,<br />
ihren Karriereerwartungen und ihrer Arbeitsmotivation immer mehr den Männern an.<br />
So kann für Österreich im Jahr 2006 eine allgemeine Frauenerwerbsquote <strong>von</strong> 83%<br />
angegeben werden, unter der Gruppe der Mütter, liegt sie bei 68%. 158<br />
Ein großer Teil der verheirateten erwerbstätigen Frauen hat die <strong>Beruf</strong>stätigkeit aus<br />
familienbedingten Gründen unterbrochen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die<br />
Familientätigkeit in der Öffentlichkeit stark abgewertet. Trotz der großen Bedeutung der<br />
156 vgl. Senghaas; Knobloch (1999), zit. n. Kreimer (2007), S. 419<br />
157 vgl. Lecallion (2001), S. 83f<br />
158 vgl. Scheuer; Dittmann (2007), S. 2<br />
62
Haushaltsfunktion für die Daseinsfürsorge, den Lebensstandard und das Wohlbefinden<br />
der Familienmitglieder werden die mit ihr verbundenen Aufgaben <strong>von</strong> der Gesellschaft<br />
unterbewertet, da sie in erster Linie der Frau zugeschrieben werden, keine großen<br />
<strong>Beruf</strong>squalifikationen verlangen und nicht bezahlt werden. Hier wirken sich<br />
traditionelle Geschlechtsrollenleitbilder, soziokulturelle Normen und Vorstellungen<br />
über geschlechtstypische Begabungen abschlägig aus. So wird reine Familientätigkeit<br />
heute <strong>von</strong> der Gesellschaft wenig geschätzt, haben nichterwerbstätige Frauen einen<br />
niedrigen sozialen Status. Das hat zur Folge, dass vielen Frauen der <strong>Beruf</strong>sverzicht sehr<br />
schwer fällt – er bedeutet für sie einen Verlust an Möglichkeiten der<br />
Selbstverwirklichung, an finanzieller Unabhängigkeit und familialer Macht. Vielfach<br />
fühlen sie sich benachteiligt und entwickeln negative Selbstwertgefühle. 159<br />
Für Frauen ergibt sich durch die anhaltende Verantwortlichkeit für die<br />
Reproduktionsarbeit im Haushalt und die Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit durch<br />
Mutterschaft, die Schwierigkeit des Wiedereinstiegs in die <strong>Beruf</strong>swelt. Dem begegnet<br />
man mit immer kürzeren Zeitphasen, die zu Hause mit der Versorgung <strong>von</strong> Kindern<br />
verbracht werden oder durch die Kombination <strong>von</strong> atypischen Beschäftigungsformen<br />
mit außerhäuslicher privater oder staatlicher Kinderbetreuung, um die<br />
Erwerbsbiographie so durchgängig wie möglich zu gestalten. Denn eine längere<br />
Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ist mit geringerer sozialer Absicherung auch im<br />
Alter gekoppelt. Frauen sind daher in Formen der Atypischen Beschäftigung<br />
überproportional stark vertreten. 160<br />
Für Frauen entsteht eine Diskrepanz zwischen der hohen Wichtigkeit des eigenen<br />
<strong>Beruf</strong>es und dem Wunsch auch der Familie gerecht zu werden. Diese Diskrepanz ist in<br />
Österreich besonders ausgeprägt, da hier der familiären Betreuung der eigenen Kinder<br />
und der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau ein hoher Wert<br />
zugemessen wird. 161<br />
159 vgl. Meier (2001), S. 41ff<br />
160 vgl. Kreimer (2007), S. 417<br />
161 vgl. ebda, S. 418; Scheuer; Dittmann (2007), S. 2: Eurobarometer 2006: Zustimmung der Europäer zur<br />
„traditionellen“ Arbeitsteilung in der Familie: Ö: 67%, Durchschnitt der EU-15: 46%<br />
63
Die Verantwortung für die Erziehung <strong>von</strong> Kindern und damit auch der Erfolgsdruck in<br />
dieser Hinsicht werden zum Großteil in den Zuständigkeitsbereich <strong>von</strong> Müttern<br />
übertragen. An die Mütter werden extrem hohe Erwartungen gerichtet, die leicht zu<br />
Überforderung und Stress führen können.<br />
Da Mutterschaft aber etwas „Wunderbares“ ist, darf diese nicht dafür verantwortlich<br />
gemacht werden. Und da sie im Wesen der Frau liegt und etwas Natürliches ist, sind keine<br />
besonderen Qualifikationen für sie notwendig. So haben Mütter nur einen geringen<br />
gesellschaftlichen Status, wird Erziehung nicht entlohnt. 162<br />
Pasquale, die über die Arbeit der Mütter schreibt, bemerkt, dass sich immer mehr<br />
Frauen <strong>von</strong> einem spontanen unreflektierten Handeln im Bezug auf Kindererziehung<br />
weg entwickeln und zu einem überlegten und durchdachten Handeln hinbewegen. 163<br />
Von Müttern wird <strong>als</strong>o einiges erwartet, bei Pflegemüttern verstärkt sich diese<br />
Erwartungshaltung. Diese werden mit einer besonders widerspruchsvollen und unklaren<br />
Sachlage konfrontiert. In ähnlicher Weise, wie das Konzept der „Normalfamilie“ nur<br />
bedingt auf die Pflegefamilie übertragbar ist, behält auch das Mutterkonzept für<br />
Pflegemütter nur eingeschränkt Geltung. Obwohl sie <strong>als</strong> Mütter bezeichnet werden, und<br />
oft auch so <strong>von</strong> den ihnen anvertrauten Kindern gesehen werden, sind sie keine<br />
leiblichen Mütter. Bei der Erziehung der Kinder sind die leiblichen Eltern gescheitert;<br />
die Pflegemütter sind gefordert, die Defizite auszugleichen, die bei der Erziehung der<br />
Kinder durch die leiblichen Eltern entstanden sind und die sich in Form <strong>von</strong><br />
Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und psychischen<br />
Beeinträchtigungen zeigen. Sie sollen die Kindern nicht nur normal erziehen, sondern<br />
auch die aus der missglückten Sozialisation in der Herkunftsfamilie resultierenden<br />
Auffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und seelischen Verletzungen<br />
ausgleichen. 164<br />
4.1.3 Tätigkeiten innerhalb des familiären Aufgabenkreises<br />
Familiäre Aufgaben und Leistungen sind schwer in das System „<strong>Beruf</strong>“ einzufassen,<br />
Familie und Arbeit wird oft <strong>als</strong> Gegensatzpaar dargestellt. Unser <strong>Beruf</strong>ssystem ist nicht<br />
an Familien angepasst und umgekehrt. Die Bedingungen der Arbeitswelt, die Trennung<br />
162 Textor (2006), unter: http://www.familienhandbuch.de/cmain/s_112, (abgefragt am 17.05.2007)<br />
163 vgl. Pasquale (1998), S. 30<br />
164 vgl. Textor, unter: http://www.sgbviii.de/S14.html, (abgefragt am 17.05.2007)<br />
64
<strong>von</strong> Arbeits- und Familienbereich führen zum „strukturellen Widerspruch der beiden<br />
großen Bindungen und sozialen Lebensnotwendigkeiten, auf denen die Sicherheiten des<br />
Menschen in der modernen Gesellschaft beruhen.“ 165 . Diese grundlegende<br />
Kontradiktion des Systems führt zu großen Belastungen für die erwerbstätige Mutter.<br />
Frauen, die im Familienhaushalt arbeiten, lassen sich verschiedenen Kategorien<br />
zuordnen:<br />
1) „Frauen, die Vollzeit im eigenen Haushalt ohne Entlohnung arbeiten<br />
2) Frauen, die im Haushalt eine Fremdarbeit übernehmen<br />
3) Frauen, die sich um Familie und Haushalt kümmern und zusätzlich einer<br />
außerhäuslichen Arbeit nachgehen“. 166<br />
Bei <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit <strong>von</strong> Pflegemüttern wird die traditionelle<br />
Trennung <strong>von</strong> Arbeitssphäre und Privatsphäre durchbrochen, sie lässt sich auch nicht<br />
eindeutig einer der drei Typen <strong>von</strong> Scallon zuordnen, da sich die Erziehungsarbeit mit<br />
Kindern, die über Jahre hinweg in die Familie integriert sind, nicht <strong>als</strong> Fremdarbeit<br />
titulieren lässt. Sie ist demnach eine „eigene, ganz spezifische Art“ <strong>von</strong><br />
Erwerbstätigkeit, sie stellt eine neue Form der Atypischen Beschäftigung dar.<br />
4.2 Der Prozess der Kommodifizierung<br />
Der Begriff Kommodifizierung geht zurück auf den Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi.<br />
Man drückt damit den Prozess der „Kommerzialisierung bzw. des zur Ware Werdens<br />
aus.“ 167 Mit der Kommodifizierung beschreibt man die Privatisierung <strong>von</strong> Gütern und<br />
Dingen. 168<br />
Der Terminus wird in zwei Richtungen gebraucht. Zum einen in der<br />
Informationswissenschaft; dort beschreibt er die systematische Privatisierung <strong>von</strong><br />
Wissen, da auch Wissensbestände <strong>als</strong> Waren gesehen werden können. Der Zugang zu<br />
165 Schelsky (1972), S. 26<br />
166 vgl. Scallon (2001), S. 129<br />
167 Definition <strong>von</strong> Kommodifizierung unter<br />
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kommodifizierung& oldid=31010348, abgefragt am<br />
08.05.2007. Der Begriff leitet sich aus Polanyis 1944 veröffentlichtem Werk The Great Transformation<br />
ab. Darin beschreibt er die gesellschaftlichen und politischen Folgen der Wandlung <strong>von</strong> der<br />
kapitalistischen Wirtschaft zur kapitalistischen Gesellschaft und die Veränderung des Charakters der<br />
Arbeit. Der Begriff ist wenig eingeführt, da er in Lexika und Fremdwörterbüchern nicht zu finden ist.<br />
168 vgl. ebda<br />
65
und die Nutzung <strong>von</strong> Wissen werden somit ebenfalls zu auf Märkten gehandelten<br />
Produkten und Leistungen, für die man Gebühren entrichten muss. 169<br />
Der Begriff Kommodifizierung bezeichnet weiters die zunehmende Vermarktung <strong>von</strong><br />
Tätigkeiten, die der Sphäre der Familie zugeordnet sind und bislang weitestgehend <strong>als</strong><br />
Erwerbsquelle ausgeschlossen wurden. Große Bereiche <strong>von</strong> Tätigkeiten, die traditionell<br />
innerfamilial erbracht wurden, wachsen nun verstärkt in den Bereich der Erwerbsarbeit<br />
hinein.<br />
Die Idee, private Rollen und Beziehungen einer Kommerzialisierung zu unterziehen,<br />
scheint vielen befremdlich und stößt im ersten Moment auf Ablehnung. Gerade sie<br />
zeichnen sich durch ihre Privatheit aus, die im Gegensatz zu dem Bereich der <strong>Beruf</strong>e<br />
steht. Kommodifizierung ist <strong>als</strong>o ein sehr widersprüchlicher Prozess.<br />
„Er kann entmenschlichen und entsolidarisieren, aber er kann auch die Menschen<br />
befreien und Raum für soziale Innovationen schaffen, indem er die traditionellen<br />
Fesseln zerstört“ 170 . Krankenpflege, Erziehungsarbeit etc. werden verstärkt zu Arbeiten,<br />
die bisher ohne Tauschabsicht im Privathaushalt erbracht wurden, und nun auf dem<br />
Markt entlohnt werden und somit Erwerbschancen eröffnen. 171<br />
In der sozialpolitischen Diskussion ist dieser Terminus <strong>von</strong> Esping-Andersen geprägt<br />
und wird <strong>von</strong> ihm für den Prozess des Einschlusses <strong>von</strong> Personen in den Arbeitsmarkt<br />
verwendet. 172<br />
Für die eingehende Auseinandersetzung mit diesem Prozess wurde der Begriff „Care“ 173<br />
aus dem angloamerikanischen Raum übernommen.<br />
Der Begriff Care <strong>als</strong> Aufwertung fürsorgender Tätigkeiten meint „einerseits eine innere<br />
Einstellung und zielt auf eine zwischenmenschliche, fürsorgende Tätigkeit […],<br />
andererseits bezeichnet Care gesellschaftlich notwendige Arbeit.“ 174<br />
Brückner unterscheidet drei Arten <strong>von</strong> „caring work“, je nach Stufe der Formalisierung:<br />
169 vgl. Fleissner (2006), S. 10<br />
170 Fleissner (2006), S. 3<br />
171 vgl. Geisler (2000), S.117<br />
172 vgl. Lewis (1997), S. 70<br />
173 Lewis (1997), S. 67<br />
174 Thiessen (2004), S. 372<br />
66
Caregiving Work: findet in privaten Kontexten statt und ist verbunden mit persönlichen<br />
Beziehungen und Gefühlen, „skills“ haben dabei kaum eine Bedeutung. (familiale<br />
Tätigkeit)<br />
Carework: meint ungelernte, bezahlte Tätigkeit in informellen und institutionellen<br />
Kontexten, „skills“ haben eine geringe Bedeutung (informelle Tätigkeit)<br />
Professional Care: bezeichnet eine anerkannte berufliche Tätigkeit mit formaler<br />
Qualifikation, die in einem institutionellen Kontext angesiedelt ist (formalisierte<br />
Tätigkeit). 175<br />
Mit der Eröffnung neuer Arbeitsmarktsegmente für Carework und Professional Care<br />
erhofft man sich zusätzliche Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, die für diese<br />
Tätigkeiten vorherbestimmt scheinen. Die Entwicklung <strong>von</strong> Formen der<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> mit beruflicher Orientierung kann man <strong>als</strong>o diesem Prozess zuordnen.<br />
Ein konkretes Beispiel dafür ist das EU geförderte Projekt Cinderella, in dessen<br />
Rahmen in Mecklenburg-Vorpommern und Wien Konzepte zur Vorbereitung,<br />
Entlohnung und Begleitung <strong>von</strong> Pflegeeltern erstellt und umgesetzt wurden. Zielsetzung<br />
dieser Projekte war, neben der umfangreicheren Qualifizierung <strong>von</strong> Pflegeeltern,<br />
ausdrücklich auch eine Initiative auf dem Arbeitsmarkt für Frauen zu schaffen. Weiters<br />
wurde beabsichtigt mit Hilfe solcher Qualifizierungs- und<br />
Professionalisierungskonzepte die Schaffung eines neuen Sozialberufs Pflegemutter/<br />
Pflegevater voranzutreiben. 176<br />
Bei Care geht es aber um „Güter“, die nicht den herkömmlichen<br />
wirtschaftlichen/beruflichen Konzepten erfassbar sind. Die Situation eines Kindes,<br />
welches Zuwendung braucht, erfordert dass die Pflegeperson seine Bedürfnisse zur<br />
Grundlage ihres Handelns nehmen muss.<br />
Die Tätigkeit <strong>von</strong> Pflegeeltern beinhaltet neben dem instrumentellen Aspekt des „caring<br />
for“ 177 (Erziehungshandlungen, Begleitung zur Therapie etc.) auch einen ideellen<br />
Aspekt der Zuwendung, das „care about“ 178 . Jochimsen spricht daher <strong>von</strong> einer<br />
zwiefältigen Erscheinung dieser Tätigkeiten (angesprochen ist neben Kinderbetreuung<br />
die Pflege alter Menschen). 179 Der erwartete „emotionale Zusatz“ 180 , der einen hohen<br />
moralischen Wert besitzt, wird nicht vergütet bzw. darf nicht vergütet werden, da<br />
175 Brückner (2001), S. 155; zit. n. Thiessen (2004), S. 372<br />
176 vgl. Lutter (1996), S. 116<br />
177 Grahmen, zit. n. Brückner (2001); zit. n. ebda, S.374<br />
178 ebda<br />
179 vgl. Jochimsen (1999), zit. n. Kreimer (2007), S. 421<br />
180 Thiessen (2004), S. 367<br />
67
ansonsten die emotionale Verbundenheit verloren zu gehen droht. Diese Dienstleistung<br />
setzt ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl voraus. „Dieses wird jedoch <strong>als</strong> „Liebe“<br />
und weibliches Wesensmerkmal codiert und damit entwertet.“ 181 Die Monetarisierung<br />
und Ökonomisierung <strong>von</strong> personenbezogenen Dienstleistungen, <strong>als</strong> solche man die<br />
pflegeelterliche Tätigkeit durchaus bezeichnen kann, wird äußerst kritisch betrachtet, da<br />
sie dadurch „in ihrem Charakter pervertiert würde“. 182<br />
Betreuungsarbeiten brauchen langfristige Vereinbarungen, die deren Eigenheiten- die<br />
emotionale Verbindung, moralische Verpflichtung und intrinsische Motivation- in<br />
angebrachter Weise berücksichtigen. Solche Vereinbarungen sind schwer festzulegen.<br />
Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um unbezahlte Betreuungsbeziehungen in<br />
der Familie auf Basis sozialer Normen, oder um ausdrückliche Verträge, <strong>als</strong>o um echte<br />
Dienstverhältnisse handelt. Wer diese Tätigkeiten für die pflegebedürftige Person - sei<br />
es nun ein Kind oder ein alter Mensch – ausübt, hat weitreichende Folgen für die<br />
betreute Person. 183<br />
Kreimer schließt: „Die zentrale Frage ist nicht, ob Betreuungsarbeit über<br />
marktvermittelte Prozesse angeboten und gestaltet werden soll, sondern wie diese<br />
Prozesse selbst gestaltet sind.“ 184 Im Mittelpunkt der Debatten soll nicht der Prozess der<br />
Kommodifizierung an sich stehen, sondern der Aufbau <strong>von</strong> Strukturen, die es<br />
ermöglichen Tätigkeiten, die mit dem Begriff Care bezeichnet werden - die <strong>als</strong>o<br />
pflegeelterliche Tätigkeit mit ein schließen – unter guten Bedingungen zu leisten.<br />
Um Frauen abzusichern, die Fürsorgearbeit im Rahmen der eigenen Familie leisten,<br />
wird in Wohlfahrtsstaaten auch der Weg der De-kommodifizierung 185 gewählt. Darunter<br />
versteht Esping-Andersen die sozi<strong>als</strong>taatlich geschaffene Möglichkeit, nicht<br />
erwerbstätig zu sein und trotzdem monetär abgesichert zu werden. Kritiker/innen sehen<br />
darin jedoch die Gefahr einer wachsenden Abhängigkeit <strong>von</strong> erwachsenen Frauen <strong>von</strong><br />
öffentlichen Leistungen und <strong>von</strong> der Person, die <strong>von</strong> ihnen gepflegt wird - die entweder<br />
jünger oder älter <strong>als</strong> sie ist - sowie eine Verfestigung der vorherrschenden Strukturen<br />
181 ebda, S. 376<br />
182 ebda, S. 368<br />
183 vgl. Kreimer (2007), S. 424<br />
184 Kreimer (2007), S. 428<br />
185 Lewis (1997), S. 69<br />
68
dahingehend, dass Fürsorgearbeit weiterhin ungleich zwischen den Geschlechtern<br />
verteilt ist und unbezahlt <strong>von</strong> Frauen geleistet wird. 186<br />
Kann die Qualität dieser Arbeiten nur dadurch erhalten bleiben, wenn sie nicht bezahlt<br />
werden? Bei vielen anderen Leistungen gilt gerade der hohe Preis <strong>als</strong> Sicherheit dafür,<br />
dass man qualitätsvolle Arbeit erwarten kann. Sobald Care in der öffentlichen Sphäre<br />
geleistet wird und Frauen zu bezahlten „Fürsorgearbeiterinnen“ werden, wird diese<br />
Arbeit schlecht entlohnt. 187<br />
Die Auffassung, dass Bezahlung per se die Motivation, Empathie und Fürsorglichkeit<br />
im Betreuungsprozess zerstört, ist auch im Bezug auf <strong>Pflegeelternschaft</strong> verbreitet.<br />
Allein aufgrund der Bezahlung können Absichten in ein schiefes Licht geraten.<br />
Pflegeeltern bekommen Schuldgefühle, wenn sie für ihre materiellen Forderungen<br />
eintreten, denn Geldverdienen wird mit der Verfolgung eigener Interessen gleichgesetzt.<br />
In der Pflegekindschaft wurde daher die finanzielle Seite lange beiseite geschoben und<br />
vernachlässigt. Die Wurzel für das materiell eher gering ausgestattete<br />
Pflegekinderwesen liegt in seiner Geschichte 188 , und darin, dass der <strong>Beruf</strong> de/r/s<br />
Erzieher/in/s mit Wissen und mit durchdachtem Vorgehen verknüpft wird, während eine<br />
Mutter, in diesem Fall die Pflegemutter, dagegen ihre natürliche Rolle bei der Erziehung<br />
ihrer Kinder einnimmt und intuitiv vorgeht. Der Pflegekinderbetreuung haftet der<br />
„Stallgeruch der Hausfrauenarbeit“ 189 an. Pflegeeltern haben Bedenken, für ihre stark<br />
beanspruchenden Pflegekinder einen Lebensunterhalt zu fordern, der alle Bedarfe<br />
abdeckt, und wenige wollen Entgelt für die Betreuungs- und Erziehungsleistung<br />
verlangen. Häufig wird ihnen mit Misstrauen begegnet, da sie womöglich Kinder bei<br />
sich auf nehmen, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Dem Argument,<br />
dass für die Erziehung eines Pflegekindes kein „Lohn“ erhalten werden darf, entgegnet<br />
Lutter in einem Interview:<br />
Pflegemütter sind leiblichen Müttern nicht gleichzusetzen! Ihre Aufgabe erfüllen sie nicht<br />
privat, sondern im öffentlichen Auftrag unter der Weisung und Kontrolle. Es ist unfair, nur<br />
an den Idealismus <strong>als</strong> Mutter zu appellieren – kein anderer Sozialberufsstand muss ein<br />
186 vgl. ebda, S. 69f<br />
187 vgl. ebda, S. 81<br />
188 siehe dazu Heitkamp (1995)<br />
189 Widemann (1994), S. 264<br />
69
schlechtes Gewissen haben, wenn er – neben all dem Idealismus des Einsatzes – auch für<br />
seine Arbeit entlohnt und sozialversichert wird. 190<br />
Jordan formuliert, dass „es unakzeptabel ist, die Bereitschaft <strong>von</strong> Pflegepersonen<br />
<strong>als</strong> eine unentgeltliche, ehreamtliche Leistung des Gemeinwesens zu nutzen […]<br />
Die bezahlte Pflegeelternarbeit steht nicht im Widerspruch zum Heimerzieher und<br />
Sozialarbeiter. Wie diese erfüllen Pflegepersonen Aufgaben für das<br />
Jugendamt.“ 191 Er sieht in einer finanziellen Honorierung nichts Bedrohliches für<br />
das Pflegeverhältnis, wenn Pflegeeltern ihrer Aufgabe gut und verantwortungsvoll<br />
nachgehen.<br />
Im 2003 ausverhandelten Kollektivvertrag für Gesundheits- und Sozialberufe<br />
(BAGS-KV) wurden Pflegeltern bereits explizit <strong>als</strong> eigene Entlohnungsgruppe<br />
berücksichtigt.<br />
Im Zusammenhang mit Kommodifizierung <strong>von</strong> pflegeelterlicher Tätigkeit wird auch<br />
immer <strong>von</strong> der professionellen Pflegefamilie und der Professionalisierung des<br />
Pflegekinderwesens gesprochen. Doch was bedeuten diese Begrifflichkeiten genau?<br />
4.3 Professionalisierung im Pflegekinderwesen<br />
Die Frage, was man unter Professionalisierung versteht, muss zuerst geklärt werden. In<br />
der Soziologie versteht man darunter im engeren Sinne den Prozess der Erhebung eines<br />
akademischen <strong>Beruf</strong>es zu einer anerkannten Profession. Die Profession wird weiters<br />
abgegrenzt gegen den „Job“, der eine befristete Tätigkeit ausschließlich zum<br />
Gelderwerb darstellt und zum <strong>Beruf</strong>, der den Lebensunterhalt auf Dauer sichern soll. 192<br />
Nur wenige <strong>Beruf</strong>e können diese höchste Stufe der gesellschaftlichen Anerkennung<br />
erreichen. Ihre Aufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass sie häufig schwerwiegende<br />
und schwierige Entscheidungen verlangen, weil es um wichtige Bereiche des<br />
menschlichen Lebens geht, nämlich die Gesundheit (Medizin), die Gerechtigkeit<br />
(Jurisprudenz) und das Seelenleben (Klerus). Die Folgen dieser Entscheidungen sind<br />
schwer voraussehbar, eine ungenügende Güte der Entscheidungen kann massive Folgen<br />
190 Lutter (1996), S. 112<br />
191 Jordan (1990), S. 240<br />
192 Pfadenhauer (2003), S. 12<br />
70
für die/den Klient/en/in bedeuten. Professionsangehörige müssen daher einen langen<br />
Weg der Ausbildung beschreiten, damit die dafür nötigen Kompetenzen angeeignet<br />
werden können.<br />
Es wurden verschiedenste Kriterien für die Zugehörigkeit eines <strong>Beruf</strong>es zu den<br />
Professionen gebildet: eine lang dauernde, in der Regel akademische Ausbildung, ein<br />
hoher Grad an beruflicher Organisation, ein beträchtliches gesellschaftliches Ansehen,<br />
persönliche und sachliche Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit in der Tätigkeit sowie<br />
eine besondere <strong>Beruf</strong>sethik. Die Tätigkeit wird vor allem wegen der Herausforderung,<br />
die in der Aufgabe liegt, ausgeübt. 193<br />
Die Sozialarbeit befindet sich einem solchen Prozess der Professionalisierung bzw. wird<br />
darüber debattiert, ob sie Professionsstatus schon erreicht hat bzw. über den Status einer<br />
Semi-Profession nicht hinaus kommen kann. Auf eine genauere Thematisierung der<br />
jüngeren Professionsdiskussion wird in diesem Rahmen jedoch verzichtet. 194<br />
Daneben gibt es auch noch die Auffassung, dass die „freien <strong>Beruf</strong>e“ wie der de/r/s<br />
Journalist/in/en, oder Künstler/in/s mit Professionen gleichzusetzen sind. 195<br />
Im weiteren Sinne meint Professionalisierung die Tendenz zur Verlagerung <strong>von</strong><br />
Aufgaben aus dem Bereich der Familie, des Ehrenamts oder der Freiwilligkeit heraus zu<br />
einer bezahlten <strong>Beruf</strong>stätigkeit, die spezielles Wissen und Können voraussetzt. Eine<br />
solche Professionalisierung geht oft mit einer Steigerung der Effizienz einher. Im<br />
Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und<br />
Standardisierungen erreicht. Der Begriff Professionalisierung ist aber nur ein Teil der<br />
Begriffskette, zu der weiters „Verberuflichung und Verfachlichung“ 196 zählen.<br />
4.3.1 Professionelles Handeln<br />
Professionelles Handeln lässt sich nicht nur dadurch beschreiben, dass die handelnde<br />
Person einer Profession angehört, sondern auch <strong>als</strong> Handeln <strong>von</strong> gewisser Güte. Wenn<br />
man einer Person professionelles Handeln bescheinigt, dann meint man damit<br />
üblicherweise, dass die Person das, was sie getan hat, gekonnt und nicht mangelhaft<br />
193 vgl. Lempert (2002), S. 184, Wetterer (1993), S. 17ff<br />
194 Siehe dazu Overmann (1996); Pfadenhauer (2005); Combe/Helsper (1996); Nagel (1997)<br />
195 vgl. Hartmann (1972), S. 36<br />
196 Kolbe (2004), S. 33<br />
71
durchgeführt hat. Mit professionellem Handeln verbindet man ferner durchdachte,<br />
überlegte, auf vorhergehende Betrachtungen aufgebaute Handlungen. 197<br />
Professionell klingt für viele aber auch kühl, distanziert, geschäftsmäßig, ohne Wärme<br />
und echte Solidarität. Daher scheint ein Widerspruch zwischen den Konzepten hinter<br />
den Begriffen „professionell“ und Pflegefamilie zu bestehen, der sich nicht auflösen<br />
lässt.<br />
Für die Darstellung <strong>von</strong> Professionalität spielen Requisiten eine wichtige Rolle. Über<br />
welche Requisiten verfügen Pflegeeltern? Sie sind nach außen hin kaum <strong>von</strong> einer<br />
Hausfrau und Mutter zu unterscheiden. Sie haben weder eine besondere Kleidung, noch<br />
spezifische Geräte. Man braucht sich nicht umzuziehen, nirgends anzumelden, hat<br />
keinen vom privaten Wohnraum abgegrenzten Arbeitsbereich, keine festgelegten<br />
Arbeitszeiten. Somit fehlen für die ausübende Person, <strong>als</strong> auch für die/den<br />
Beobachter/in <strong>von</strong> außen, die Symbole, die klar machen, dass es sich um Spezialisten in<br />
der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit handelt. Sie werden deswegen auch nicht <strong>als</strong><br />
solche behandelt und dies wirkt sich wiederum auf deren Selbstdefinition aus. Es gibt<br />
aber auch Gründe, wieso hier auf spezifische Requisiten verzichtet wird, die in den<br />
Bedürfnisse des untergebrachten Kindes zu suchen sind. 198<br />
Das tägliche Leben mit Pflegekindern zu teilen und mit dem normalen Familienalltag<br />
fertig zu werden, erscheint vielen auch nicht sehr herausfordernd – und daher nicht <strong>als</strong><br />
ein zu „professionalisierender“ Bereich. Das Zusammenleben in Pflegefamilien enthält<br />
aber eine Fülle <strong>von</strong> Möglichkeiten für Hilfeleistungen und Therapie für die<br />
Pflegekinder.<br />
4.3.2 Verberuflichung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />
Unter „Verberuflichung“ versteht man die Übergangsphase in der Herausbildung <strong>von</strong><br />
<strong>Beruf</strong>en, in der eine bisher <strong>von</strong> nicht dafür ausgebildeten Personen ohne Entgelt<br />
ausgeübte Tätigkeit nun dauerhaft gegen ein vertraglich festgelegtes Entgelt verrichtet<br />
wird. 199<br />
197 vgl. Pfadenhauer (2005), S. 11<br />
198 vgl. Freigang; Wolf (2001), S. 65<br />
199 vgl. Pasquale (1998), S. 37f<br />
72
Hartmann bezeichnet mit dem Begriff Verberuflichung weiters die Entwicklung <strong>von</strong><br />
einem Bündel <strong>von</strong> Arbeitsverrichtungen zu einem <strong>Beruf</strong>. Dieser Schritt erfolgt auf den<br />
zwei Ebenen der „Systematisierung und der Vergesellschaftung“ 200 . Im Einzelnen weist<br />
Verberuflichung eine stärkere Veränderung einer relativ schwachen Ausprägung zu<br />
einer relativ stärkeren Ausprägung zweier Dimensionen aus: des „Wissens und der<br />
sozialen Orientierung“ 201 . Entsprechendes gilt für die Professionalisierung.<br />
Für die Verrichtung <strong>von</strong> „Arbeit“ genügt einzelnes und einfaches alltägliches<br />
Erfahrungswissen. Die mit der Verberuflichung verbundene Systematisierung des<br />
Wissens besteht in der Kombination einzelner Wissensstoffe. Die jeweiligen Muster<br />
sind darauf angelegt, dem einzelnen <strong>Beruf</strong>sangehörigen die Lösung der Aufgaben zu<br />
ermöglichen, die diesen <strong>von</strong> der Umwelt in typischer Weise gestellt werden. Der Fokus<br />
wird auf Effizienz gelegt. In dieser Phase des Systematisierungsprozesses spielt das<br />
Erfahrungswissen im Gegensatz zum formalen Wissen noch eine vergleichsweise<br />
bedeutsame Rolle. 202<br />
200 Hartmann (1972), S. 40<br />
201 ebda.<br />
202 vgl. Hartmann (1972), S. 40f<br />
73
Abbildung 2: Prozesse <strong>von</strong> Verberuflichung und Professionalisierung<br />
(Quelle: Eigene Darstellung nach Hartmann 1972, S. 40)<br />
Dieses Modell lässt sich am Beispiel der pflegeelterlichen Tätigkeit überprüfen: Auch<br />
bei den Pflegeeltern ist eine einschlägige Vorbildung nicht ausschlaggebend für die<br />
grundsätzliche Eignung zur professionellen Pflegeperson, sondern es wird darauf<br />
geachtet, dass sie eigene Kinder bereits gut auf das Leben in Selbständigkeit vorbereitet<br />
haben bzw. frühere Pflegeverhältnisse bereits gut verlaufen sind. Da bloßes<br />
Erfahrungswissen jedoch nicht ausreicht, werden Pflegeeltern begleitend zu ihrer<br />
Tätigkeit höherqualifiziert. Die Förderung <strong>von</strong> Kindern greift auch auf Ergebnisse der<br />
Forschung zurück, dieses Wissen muss <strong>von</strong> den handelnden Personen aber auch<br />
„abgerufen“ und in der konkreten Situation eingesetzt werden können. 203<br />
Auch die soziale Orientierung weitet sich mit fortschreitender Verberuflichung weiter<br />
aus. Während es im Rahmen <strong>von</strong> Arbeitsverrichtungen bei einem relativ<br />
eingeschränkten Sozialbewusstsein bleibt, geraten im Verlauf der Vergesellschaftung<br />
immer größere Sozialräume ins Blickfeld und werden im Selbstverständnis der<br />
<strong>Beruf</strong>sangehörigen fest mit ihrer Tätigkeit verknüpft. Die Entwicklung zum <strong>Beruf</strong><br />
bedeutet <strong>als</strong>o in dieser Dimension, dass sich Mitglieder des <strong>Beruf</strong>es nicht nur an der<br />
203 vgl. E 1, Z. 512<br />
74
Zufriedenstellung ihrer persönlichen Bedürfnisse orientieren, sondern sich ihrer Rolle in<br />
größeren Wirtschaftzusammenhängen bewusst werden. Die Skala lässt sich auch <strong>als</strong> ein<br />
„Kontinuum der sozialen Interessiertheit“ 204 verstehen. An dem einen Kräftepunkt der<br />
Ausdehnung der Sozialen Orientierung steht die Selbstbezogenheit der einzelnen Person<br />
bzw. die persönliche Bedürfnisbefriedigung – am anderen die Gesamtgesellschaft bzw.<br />
die Interpretation der eigenen Tätigkeit in gesellschaftlichen Kategorien (<strong>von</strong><br />
Selbstbezogenheit zu Uneigennützigkeit). 205<br />
Auch im Pflegeelternwesen lässt sich die Entwicklung dieser Dimension verfolgen. Den<br />
Pflegeeltern wird zunehmend bewusst, dass sie eine Leistung für die Gesamtgesellschaft<br />
erbringen und dass sie im System Jugendhilfe eine wichtige Rolle <strong>als</strong><br />
Leistungserbringer/innen spielen. Durch den Zusammenschluss in Vereinen und<br />
Gruppen wird die Position eine/r/s Einzelkämpfer/in/s aufgegeben.<br />
Hartmann sieht in seiner Schematik den Vorteil, dass unterschiedliche zurückgelegte<br />
Wegstrecken bezeichnet werden können, die zwischen Arbeit und <strong>Beruf</strong> liegen. 206 Auf<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> in Österreich umgelegt, lässt sich damit zeigen, dass ein<br />
unterschiedlich langer Weg bereits beschritten worden ist, je nach Bundesland und je<br />
nach Form der Inpflegnahme. <strong>Pflegeelternschaft</strong> befindet sich <strong>als</strong>o im Zwischenbereich<br />
<strong>von</strong> Arbeit und <strong>Beruf</strong>, sie nimmt einen interimistischen Zustand ein.<br />
Verberuflichung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong> bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen der<br />
Arbeit, die <strong>von</strong> der einzelnen Person/Familie geleistet wird, ohne Interesse an<br />
Verberuflichung bis zur ausgebildeten Erziehungshelferin, die mit dieser Tätigkeit ihren<br />
Lebensunterhalt bestreitet und der Merkm<strong>als</strong>definition <strong>von</strong> einem <strong>Beruf</strong> deutlich nahe<br />
kommt bzw. schon dort angekommen ist.<br />
Entlang der Dimension des Wissens ist die Entwicklung schon weiter fortgeschritten;<br />
auf der Linie der Vergesellschaftung muss konstatiert werden, dass in der breiten<br />
Öffentlichkeit ein Informationsdefizit bezüglich der Tätigkeiten und Aufgaben <strong>von</strong><br />
Pflegeeltern besteht und daher die Ausübung eines solchen <strong>Beruf</strong>es noch <strong>als</strong><br />
ungewöhnlich bis nicht notwendig wahrgenommen wird. An dieser Stelle wird <strong>von</strong><br />
204 Hartmann (1972), S. 46<br />
205 vgl. ebda<br />
206 vgl. ebda, S. 50<br />
75
Seiten der Verbände der Pflegeeltern oft der Vergleich mit den Tagesmüttern<br />
angestrengt, jedoch unterscheiden sich die Aufgabenprofile meines Erachtens nach<br />
erheblich in ihrer Reichweite.<br />
Professionalisierung stellt gegenüber der Verberuflichung auf beiden Ebenen (Wissen<br />
und soziale Orientierung) einen fortgeschrittenen Prozess dar. In der Systematisierung<br />
des Wissens geht er über die einfache Musterbildung hinaus. Die Systematisierung wird<br />
weiterverfolgt zur Theorieentwicklung und zur Erklärung. Die Professionalisierung<br />
bringt neben dem Wissen über die Lösung eines Problems auch das Wissen über die<br />
Gründe des Problems ins Spiel, durch „Verwissenschaftlichung“. Daneben drängt<br />
Professionalisierung zur verstärkten Ausrichtung auf die Gesellschaft. Die gegenseitige<br />
Abhängigkeit <strong>von</strong> beruflicher Leistung für die Gesellschaft und der Einschätzung des<br />
<strong>Beruf</strong>es durch die Gesellschaft wird deutlich. In den hochentwickelten Stadien der<br />
Professionalisierung kommt es auf Seiten der <strong>Beruf</strong>sgemeinschaft sowohl zur<br />
Ausbildung einer <strong>Beruf</strong>sethik <strong>als</strong> auch zu geschickter–organisatorischer Beeinflussung<br />
der Öffentlichkeit. 207<br />
Diese Prozesse können aber auch in entgegengesetzte Richtung ablaufen. gemeinsame<br />
Wissensstoffe können auseinanderfallen oder die soziale Orientierung schränkt sich auf<br />
Grund <strong>von</strong> Individualisierungsprozessen ein. Solche Entwicklungen werden „Deprofessionalisierung<br />
bzw. Entberuflichung“ genannt. 208<br />
Thiessen konstatiert, dass dieses Schema heute nur mehr eingeschränkt Gültigkeit<br />
besitzt. „Längst ist wissenschaftliches Wissen in <strong>Beruf</strong>e eingedrungen und wird dort<br />
eingefordert.“ 209 Ebenso würde es den <strong>Beruf</strong>sfeldern der personenbezogenen<br />
Dienstleistungen, wie Pflege <strong>von</strong> Menschen und Erziehungstätigkeit, die eine hohe<br />
moralische Orientierung aufweisen, nicht gerecht werden. 210<br />
Nimmt man einen Vergleich der Intentionen der Zusammenschlüsse im Interesse der<br />
Pflegeeltern vor, so zeigt sich, dass die Vereine derzeit nicht die „Professionalisierung“<br />
207 Hartmann (1972), S. 41<br />
208 vgl. ebda, S. 42<br />
209 Thiessen (2004), S. 375<br />
210 ebda<br />
76
im engeren soziologischen Sinn verfolgen, sondern eine Verberuflichung oder<br />
zumindest eine Qualifizierung der Tätigkeit vorantreiben. Unter Qualifizierung versteht<br />
man die „Gesamtheit der Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für die<br />
Bewältigung konkreter Anforderungen im Alltag und <strong>Beruf</strong> erforderlich sind“. 211<br />
Viele Forderungen nach einer Professionalisierung des Pflegekinderwesens sind relativ<br />
alt und stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Selbsthilfebewegung in den<br />
1970ern. In dem gleichen Maße, in dem sich Selbsthilfegruppen öffentlich artikulierten,<br />
wurde das Pflegekinderwesen auch <strong>als</strong> Forschungsbereich für die Wissenschaft<br />
entdeckt, es kam zu Forderungen nach besserer Ausbildung, Begleitung und<br />
leistungsadäquater Bezahlung. Parallel dazu bildete sich zunehmend ein Spezialwissen<br />
aus Psychologie, Sozialpädagogik, Recht und Medizin zum Thema Fremdplatzierung<br />
heraus. 212<br />
Die qualifizierten und angestellten Pflegepersonen erzielen mit ihrer Arbeit im<br />
sozialpädagogischen Bereich ein Erwerbseinkommen. Die Bezeichnungen<br />
„Professionelle Pflegeperson“ oder „Familienpädagog/e/in“ fungieren in diesem Sinne<br />
<strong>als</strong> Abgrenzung zur ehrenamtlichen Mutterfunktion.<br />
4.4 Die „professionalisierte“ Pflegefamilie<br />
Hinter dem Wunsch nach Professionalisierung im Pflegekinderwesen verbergen sich<br />
unterschiedliche Motive. Von zentraler Bedeutung scheint ein Streben nach<br />
Anerkennung, fachlicher Kompetenz, nach leistungsgerechter Bezahlung und dem<br />
Schwierigkeitsgrad der Aufgabe angemessenen fachlichen Unterstützung durch<br />
Beratung, Supervision und therapeutischen Hilfen für Pflegepersonen zu sein. Nicht die<br />
formale Qualifikation einer oder mehrer Personen, die in einer Pflegefamilie leben,<br />
machen das professionelle Niveau aus, sondern die spezifischen Leistungen, die das<br />
System Pflegefamilie für die Erziehung und Betreuung <strong>von</strong> Pflegekindern erbringt. 213<br />
Im Jahr 1994 wurde im Rahmen der Europäischen Konferenz der International Foster<br />
Care Organisation (IFCO) eine Resolution verabschiedet, in der die Erziehung <strong>von</strong><br />
211 Schaub; Zenke (1995), S. 287, zit. n. Gratz (2005), S. 77<br />
212 vgl. Thiersch (1990), S. 25<br />
213 vgl. Hansen-Dannath (1994), S. 259<br />
77
fremd untergebrachten Minderjährigen <strong>als</strong> eine „qualifizierte sozialpädagogische<br />
Arbeit“ definiert wird. Um diese zu gewährleisten, seien „im Pflegekinderwesen […]<br />
geeignete Formen der Aus- und Weiterbildung sowie inhaltliche und methodische<br />
Mindeststandards zu entwickeln.“ 214<br />
Professionalisierung <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong> kann Verschiedenes bedeuten bzw. werden<br />
in der Fachliteratur zwei Ansätze hervorgehoben: die sanfte und die doppelte<br />
Professionalisierung.<br />
4.4.1 Sanfte Professionalisierung<br />
Modelle der Anbindung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen an gesellschaftliche<br />
Sicherungssysteme, wie Kranken- und Pensionsversicherung, sowie der Bezahlung<br />
eines (symbolischen) Entgelts bezeichnet Jordan <strong>als</strong> den Weg der „sanften<br />
Professionalisierung.“ 215<br />
Dieser Weg wird in einigen Bundesländern, wie im zweiten Kapitel skizziert, bereits<br />
verfolgt. Durch die bessere Absicherung der Person, die die Betreuung des Pflegekindes<br />
hauptsächlich übernimmt, erhoffen sich die Jugendwohlfahrtsträger höhere bis<br />
zumindest gleichbleibende Zahlen an Bewerber/innen/n. Auf diese Weise wird<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> aus dem Bereich des unentgeltlichen Ehrenamtes gehoben. Die Höhe<br />
der Entlohnung bewegt sich dabei meist in einem Rahmen, der für den Lebensunterhalt<br />
nicht ausreicht. Bei dem Modell des Dienstverhältnisses in Oberösterreich, das allen<br />
Pflegeeltern für jede Pflegeform offensteht, ist dies auch nicht <strong>als</strong> Ziel deklariert. Der<br />
Haushalt sollte auch ohne Aufnahme eines Pflegekindes auf einer finanziell sicheren<br />
Basis stehen. 216 Die Absicherung der Pflegeperson kann eine Erleichterung im<br />
Finanzhaushalt der Pflegefamilie bedeuten und zur Zufriedenheit der Pflegeperson<br />
beitragen, und zwar durch die Gewissheit, durch ihren Einsatz eine Mindestsicherung<br />
für das Alter zu erwerben.<br />
Dies allein bedingt jedoch noch keine Erhöhung der Qualität der Betreuung für das<br />
Pflegekind und eine bessere Bewältigung der pflegeelterlichen Aufgaben. Erst die<br />
Teilnahme an den anerkannten Ausbildungskursen für Pflegeeltern, in denen<br />
214 ebda, S. 256<br />
215 Jordan (1996), S. 15<br />
216 Diese Argumentation ist nicht unumstritten, da durch diese Praxis weite Bevölkerungsschichten für ein<br />
Pflegeverhältnis aufgrund ihrer materiellen Ausstattung nicht in Frage kommen.<br />
78
Bewerber/innen gezielt auf die gestellten Anforderungen vorbereitet werden, und die<br />
Wahrnehmung der begleitenden Unterstützungsangebote veranlassen diesen Schub nach<br />
vorwärts. 217<br />
Inhalte dieser Fortbildungseinheiten sind z.B. Grundlagenwissen über<br />
Entwicklungspsychologie, Selbsterfahrungeinheiten, in denen man sich mit dem<br />
eigenen Familiensystem auseinandersetzt, oder rechtliche Informationen. Auch die<br />
zusätzlichen Pflichten, die aus dem Dienstverhältnis zum Trägerverein entstehen, wie<br />
Dokumentation, Verfassen <strong>von</strong> Entwicklungsberichten und vor allem die Teilnahme an<br />
Mitarbeiter/innen- und Verlaufsgesprächen, können – in Verbindung mit dem zugrunde<br />
liegenden Rollenkonzept der beruflichen Orientierung – zur Ausbildung einer<br />
beruflichen Identität <strong>als</strong> Pflegemutter oder Pflegevater führen.<br />
Natürlich ist dies ein Prozess, der nicht <strong>von</strong> heute auf morgen <strong>von</strong>statten gehen kann,<br />
sondern erst durch eine andauernde und kontinuierliche Einbindung <strong>von</strong> Pflegepersonen<br />
in dieses berufliche „Setting“, in dem sie die Rolle <strong>als</strong> Dienstnehmer/in einnehmen,<br />
erfolgen kann. Dies kann <strong>als</strong> Prozess der beruflichen Sozialisation gesehen werden.<br />
Darunter versteht Lempert „die Entwicklung, das heißt Entfaltung, Verfestigung, und<br />
Veränderung individueller Persönlichkeitsstrukturen in Prozessen der direkten und<br />
indirekten Auseinandersetzung (Interaktion) mit sozialen und sozial geprägten<br />
Merkmalen beruflicher und betrieblicher Umweltstrukturen, die dadurch selbst<br />
reproduziert, aber auch transformiert werden können.“ 218<br />
Die direkte Auseinandersetzung erfolgt durch die Weiterbildungsmaßnahmen,<br />
Dienstbesprechungen etc. an denen Pflegeeltern teilnehmen; man spricht daher <strong>von</strong> der<br />
Sozialisation durch den <strong>Beruf</strong>. Indirekt wird jeder Mensch bereits durch seine<br />
Erziehung und Schullaufbahn, wo Grundqualifikationen erworben werden, die man im<br />
späteren <strong>Beruf</strong>sleben benötigt, für den <strong>Beruf</strong> sozialisiert. 219<br />
Bei der Professionalisierung <strong>von</strong> Pflegeeltern geht es <strong>als</strong>o nicht nur um die Vermittlung<br />
<strong>von</strong> Fachwissen, sondern auch um partielle Einstellungsänderungs- und Lernprozesse,<br />
die über längere Zeiträume gehen. 220<br />
217 vgl. Loidl-Keil; Viechtbaur (2004), S. 205<br />
218 Lempert (2002), S. 186<br />
219 vgl. ebda, S.186<br />
220 vgl. Gritzka (1994), S. 376<br />
79
Eine <strong>Beruf</strong>srolle im klassischen Sinne, die man an- und ablegen kann, ist mit den<br />
Konzepten zur professionellen Pflegefamilie nicht realisierbar. Denn das eigene<br />
Zuhause wird zum Arbeitsfeld, man steht ständig in der Verantwortung für das eigene<br />
Verhalten. Abstand zum Geschehen kann man sich nur in einem sehr bescheidenen<br />
Ausmaß verschaffen. 221<br />
In Anlehnung an die Kriterien für professionelle Mutterarbeit <strong>von</strong> Pasquale 222 wird hier<br />
zusammenfassend ein Katalog <strong>von</strong> Kriterien für professionelle Pflegefamilien erstellt:<br />
• wissenschaftlicher Bezugshintergrund für die Gestaltung des Zusammenlebens<br />
und die Begleitung des Pflegekindes: Durch Aus- und Weiterbildung werden<br />
Zusatzqualifikationen erreicht und problembezogene Wissensschwerpunkte<br />
kristallisieren sich heraus, die Bezüge zu entwicklungspsychologischen,<br />
sozialtherapeutischen Erkenntnissen haben. Dies schließt mit ein, dass die<br />
Pflegeperson Probleme wahrnimmt und deuten kann, Probleme definiert, dabei<br />
den sozialen Zusammenhang beachtet, und Methoden und Handlungskonzepte<br />
jeweils direkt auf das Kind in der Familie anpasst.<br />
• Supervision der kindlichen Entwicklungsverläufe<br />
• Supervision der eigenen Tätigkeit (Projektionen, Bearbeitung eigener<br />
Persönlichkeitsanteile etc.)<br />
• Reflexionskompetenz<br />
• umfassendes „Management“ des Pflegeverhältnisses: Dies umfasst die<br />
Koordination <strong>von</strong> Therapie, Gericht, Schule, Besuchskontakten, etc. Immer<br />
wieder müssen Informationen eingeholt werden, Anträge gestellt werden; dafür<br />
ist entsprechendes Wissen über die rechtlichen Ansprüche notwendig.<br />
• Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Fachleuten <strong>von</strong> Vereinen und der<br />
Jugendwohlfahrt<br />
• Bewusste Annahme des Auftrages der Arbeit mit der Herkunftsfamilie, wenn<br />
diese – in welcher Form auch immer – in Erscheinung tritt<br />
221 vgl. Lutter et al. (1984), S. 67<br />
222 vgl. Pasquale (1998), S. 279<br />
80
• Fähigkeit zu emotionaler Distanznahme (reflexive Emotionalität): besonders<br />
dann, wenn routiniertes Alltagshandeln gegenüber dem Kind nicht den erhofften<br />
Effekt zeigt, eine andere Vorgehensweise entwickelt werden muss und neue<br />
Energie für das Zusammenleben mit dem Kind getankt werden muss. 223<br />
• Bewusstsein über die Grenzen erzieherischer Maßnahmen 224<br />
Blandow sieht auch Risiken in der zunehmenden Verberuflichung des<br />
Pflegekinderwesens. Problematisch erscheinen ihm nicht die verschiedenen<br />
Anstellungsmodi für Pflegeeltern, sondern „die Hereinnahme beruflicher<br />
Orientierungsmuster und eines beruflichen Beziehungsmodus in die konkrete<br />
Interaktion mit dem Kind.“ 225 Er befürchtet, dass Pflegeeltern in die Sphäre der<br />
professionellen Helfer/innen wechseln und sich mehr <strong>als</strong> die Therapeut/innen/en ihres<br />
Pflegekindes und weniger <strong>als</strong> seine Eltern sehen. Gerade die Hereinnahme eines Habitus<br />
der <strong>Beruf</strong>srolle könnte zu einer Versachlichung der Beziehung führen, und beim Kind<br />
Orientierungsverlust und Verwirrung auslösen. In Pflegefamilien sollte es nicht um den<br />
Aufbau <strong>von</strong> beruflichen Beziehungen gehen, sondern vorrangig um persönliche. Er<br />
führt dazu weiters aus: „Professionelle Pflegeeltern erkennen die Besonderheiten ihrer<br />
Rolle, ihrer Beziehung zum Kind, ihrer Position in der gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />
und für die primäre Sozialisation vorausgesetzten Interaktions- und Beziehungsmuster<br />
gleichzeitig an.“ 226<br />
Man kann da<strong>von</strong> ausgehen, dass er hierbei Dauerpflegefamilien im Fokus hatte und<br />
diese Befunde für Typen <strong>von</strong> stark familienergänzenden und zeitlich beschränkten<br />
Pflegeverhältnissen, mit ihren <strong>von</strong> Dauerpflegefamilien differenten Rollen, nicht im<br />
gleichen Maße gelten.<br />
Damerius sieht in der Professionalisierung der Pflegefamilie einen überfälligen<br />
Ausgleich der strukturellen Unterschiede zu Unterbringungsformen in Institutionen. Die<br />
Unterbringung in Heimen und sozialpädagogischen Wohngemeinschaften wird<br />
qualitativ dadurch abgesichert, dass die darin tätigen Fachkräfte eine<br />
223 vgl. Blandow (2005), S. 121<br />
224 vgl. Pasquale (1998), S. 280<br />
225 Blandow (2005), S. 123<br />
226 ebda, S. 124<br />
81
sozialpädagogische Grundausbildung vorweisen, sowie Weiterbildung und Supervision<br />
in Anspruch nehmen müssen. Eine ähnliche qualitative Sicherung sollte auch für<br />
Pflegefamilien gelten. 227<br />
4.4.2 Doppelte Professionalisierung<br />
Nach diesem Verständnis wendet sich der Anspruch nach Professionalisierung an alle<br />
bei Vermittlung und Betreuung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen beteiligten Personen, nicht nur<br />
an die Pflegeeltern. Nur bei den Pflegefamilien anzusetzen greift zu kurz, um Qualität<br />
zu sichern und zu heben. Das gesamte Helfernetzwerk, in das Pflegefamilien<br />
eingebunden sind, hat gleichfalls auf Bedarfe <strong>von</strong> Pflegekindern und Pflegeeltern zu<br />
reagieren.<br />
Potenziale zur Verbesserung gibt es bei jedem Schritt auf dem Weg zum<br />
Pflegeverhältnis. 228 Beispielsweise bei der Werbung <strong>von</strong> Pflegeeltern, der<br />
Eignungsfeststellung und in besonderem Ausmaß bei der Vermittlungsphase auf Seiten<br />
der Behörde. Für das Gelingen <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen wird immer wieder das<br />
„Matching“ <strong>von</strong> Pflegekind und Pflegeeltern angeführt. Vermittlungskarteien, in denen<br />
Informationen, Profile, Wissen um Besonderheiten <strong>von</strong> Pflegeelternwerbern gesammelt<br />
und die Bewerber/innen z.B. eines Bundeslandes erfasst werden, könnten dazu einen<br />
Beitrag leisten.<br />
Textor sieht die bessere Begleitung <strong>von</strong> Pflegeeltern auch eng verbunden mit einer<br />
besseren Zusammenarbeit aller genannten Gruppen, was auch durch die gemeinsame<br />
Teilnahme an Schulungen gefördert werden soll. Weiters wird auch das Aneignen <strong>von</strong><br />
spezifischen Fachkenntnissen zum Bereich Fremdunterbringung auf Seiten der<br />
Sozialarbeiter/innen angesprochen. 229<br />
Abschließend soll noch ein allgemeines Konzept zur Darstellung des<br />
Pflegekinderwesens erläutert werden, dass auch die derzeitige Situation des<br />
Pflegekinderwesens in Österreich gut illustriert. Nancy Hazel hat 1994 sechs<br />
227 vgl. Damerius (2004), unter http://www.agsp.de/html/a49.html (abgefragt am 02.07.2007)<br />
228 vgl. Abbildung 1, S. 13<br />
229 vgl. Textor (1995), unter http://www.sgbviii.de/S11.htm (abgefragt am 01.03.2007)<br />
82
Entwicklungsstufen für das Pflegekinderwesen in Großbritannien identifiziert und auch<br />
den Standard anderer Länder danach beurteilt. 230<br />
Das Pflegekinderwesen ist demnach wie eine Pyramide aufgebaut, die Basis dieses<br />
Gebäudes bildet das traditionelle Pflegekinderwesen, mit traditionellen<br />
Dauerpflegefamilien, die sich <strong>als</strong> Ersatz für das Herkunftssystem sehen und möglichst<br />
kleine Kinder bei sich aufnehmen wollen.. Darauf aufbauend entwickeln sich<br />
Pflegeverhältnisse weiter.<br />
Stufe zwei beschreibt ein Pflegekinderwesen, das die Herkunftseltern „entdeckt“ und<br />
vermehrte Anstrengungen unternimmt, sie einzubeziehen.<br />
Der nächste Aufstieg geht mit der vermehrten Vermittlung <strong>von</strong> auffälligen Kindern, die<br />
bis dahin eher in Heimen untergebracht wurden, in Pflegefamilien. Dieser Ansatz<br />
bedingt eine Ausweitung der Bereuung der Pflegeeltern.<br />
Stufe vier dieses Konzeptes beschreibt die Professionalisierung eines Teils der<br />
Pflegeeltern, die dadurch in den Status aufrücken, Kolleg/innen/en der anderen<br />
Fachkräfte zu sein. Damit wird ein größeres Selbstbewusstsein unter Pflegepersonen<br />
und besseres Zusammenarbeiten erreicht. Hazel bescheinigt Österreich das Erreichen<br />
der Stufen eins bis vier, sowie Bemühungen die beiden übrigen Stufen zu erreichen.<br />
Die fünfte Stufe zeichnet sich durch verstärkte Nachsorge des Pflegeverhältnisses durch<br />
die Pflegeeltern aus, insbesondere durch die Vermittlung <strong>von</strong> eigenständigen<br />
Wohnmöglichkeiten für Pflegekinder und dadurch, dass sie verlässliche erwachsene<br />
Bezugspersonen über das 18. Lebensjahr des Pflegekindes hinaus bleiben.<br />
Die sechste Stufe wird <strong>als</strong> eine – noch selten realisierte – Ausweitung des<br />
Pflegekinderwesens auf sozialräumliche und Konzepte bezeichnet. Pflegeeltern sollten<br />
hier Familien in prekären Lebenssituationen schon vor einer Fremdunterbringung<br />
bekannt gemacht werden und <strong>als</strong> Anlaufstelle zur Verfügung stehen. Die Notwendigkeit<br />
einer Fremdunterbringung soll so abgewendet werden können.<br />
Hazel hebt in ihren Ausführungen hervor, dass das Erreichen einer höheren Stufe in der<br />
Entwicklung nicht mit einem Verschwinden der Grundstufen einhergeht, sondern dass<br />
diese gleichzeitig vorhanden sind. Ein weiterer Gedanke ist, dass die jeweils höheren<br />
Stufen der Entwicklung nicht ohne Einfluss auf die unter ihnen liegenden bleiben. Die<br />
230 vgl. Hazel (1994), S. 75ff<br />
83
Pyramide unterliegt einem „trickle-down-Effekt (>>Sicker-Effekt
Fachkenntnissen durch Qualifizierung und Fortbildungen zu integrieren, umschreibt die<br />
Aufgabe <strong>von</strong> professionellen Pflegeeltern.<br />
Die Rahmenbedingungen für eine berufliche Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegeperson sind bereits<br />
teilweise vorhanden, aber befinden sich für die Mehrzahl der Pflegeverhältnisse auf<br />
relativ niedrigem Niveau.<br />
5 Empirische Untersuchung<br />
In vielen Publikationen zum Pflegekinderwesen wird darüber geschrieben, dass es ein<br />
großes Anliegen ist, Pflegeeltern besser abzusichern, sie besser zu begeleiten und es<br />
ihnen ermöglicht werden soll, dieser Tätigkeit auch <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> nachzugehen. In diesem<br />
Zusammenhang ist es <strong>von</strong> Interesse, zu erfragen, wie Pflegeeltern selbst darüber<br />
denken. Die Sicht der potentiellen und tatsächlichen <strong>Beruf</strong>sangehörigen wird in den<br />
Mittelpunkt dieser Erhebung gestellt.<br />
5.1 Fragestellungen<br />
Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird vor dem Hintergrund der bisherigen<br />
theoretischen Analysen den Fragen nachgegangen, ob Pflegeeltern in ihrer Funktion<br />
berufliche Handlungsmuster ausgebildet haben, und ob der Faktor <strong>Beruf</strong> sich in ihrem<br />
Selbstverständnis <strong>als</strong> Pflegeperson niederschlägt. Wo lassen sich im Datenmaterial<br />
Tendenzen der Verberuflichung ausmachen und wie stellen sie sich im Alltag der<br />
Pflegeeltern dar? Welche Auswirkungen hat die Professionalisierungsdynamik auf ihre<br />
Akteur/innen/e? Spiegelt sich der Prozess der Professionalisierung in der<br />
Selbstreflexion der einzelnen Pflegepersonen wider?<br />
Für den empirischen Arbeitsprozess waren folgende Unterfragen erkenntnisleitend, die<br />
aus der Befassung mit der wissenschaftlichen Literatur zum Pflegekinderwesen und aus<br />
dem Feld der <strong>Beruf</strong>ssoziologie ergeben haben 233 :<br />
- Welche Motive geben Pflegeeltern für ihre Tätigkeit an?<br />
- Welchen Anforderungen sollen Pflegeeltern gerecht werden?<br />
- Wie bewältigen Pflegeeltern die Anforderungen, die sich mit der Aufnahme eines<br />
Kindes in die eigene Familie ergeben?<br />
233 vgl. Blandow (1972) u. (2005); Kolbe (2004); Lutter (1996); Lempert (2002); Heinze (1998)<br />
85
- Welche Formen der Unterstützung durch außerfamiliale Netzwerke und Institutionen<br />
stehen bei traditionellen Pflegefamilien bzw. bei Pflegefamilien mit Dienstverhältnis<br />
bereit?<br />
- Wie erfahren Pflegeeltern Anerkennung für die Tätigkeit?<br />
5.2 Forschungsmethodik<br />
Für die Untersuchung dieser komplexen Fragestellungen erwies sich ein qualitativer<br />
Ansatz <strong>als</strong> geeignet. Die Erhebung spezifischer und tiefer gehender Sichtweisen, die<br />
über eine quantitative Herangehensweise nicht erfassbar sind, wird dadurch ermöglicht.<br />
Der Forschungsprozess zielt auf das Verstehen und Deuten <strong>von</strong> sozialem Handeln<br />
einzelner Subjekte ab. Dazu ist theoretisches Vorwissen unabdingbar.<br />
5.2.1. Datenerhebung<br />
Als angemessenes Erhebungsinstrument für dieses Vorhaben wurde das<br />
leitfadengestütze Interview angewandt. Die interviewten Personen sind Träger/innen<br />
<strong>von</strong> Informationen, die für die Fragestellungen relevant sind. Es handelt sich um<br />
ermittelnde, analytische – „<strong>als</strong>o auf die Erfassung sozialer Sachverhalte abzielende“ 234 –<br />
Interviews.<br />
Für das Forschungsvorhaben war es <strong>von</strong> großer Bedeutung, Sichtweisen, Meinungen,<br />
Interpretationen und Handlungsbegründungen zu erheben, sowie die alltagsweltlichen<br />
Handlungen und Deutungen <strong>von</strong> Pflegeeltern zu verstehen und zu analysieren. Die<br />
interviewten Pflegeeltern stellen ihre Lebenszusammenhänge aktiv dar. Den<br />
Pflegeeltern wurden Fragen zu ihrer Motivation, zur Alltagsorganisation und zu ihren<br />
Bewältigungsstrategien gestellt<br />
Weiters wurden Gespräche mit Personen geführt, die beruflich oder ehrenamtlich mit<br />
der Weiterbildung und Beratung <strong>von</strong> Pflegeeltern und mit der Erstellung <strong>von</strong><br />
Arbeitskonzepten für Pflegeeltern, die in einem professionellen Rahmen tätig sein<br />
wollen, beschäftigt sind. Diese Interviews zeichnen sich durch ihren informatorischen<br />
Charakter aus. Die Expert/innen/en beantworteten die oben angeführten relevanten<br />
Fragenkomplexe aus ihrer Sicht auf die Pflegeeltern und vor dem Hintergrund der<br />
Entwicklungen des gesamten Pflegekinderwesens.<br />
234 Lamnek (2005), S. 724f<br />
86
5.2.1.1 Das themenzentrierte, leitfadengestützte Interview<br />
Beim themenzentrierten Interview geht die/der Forscher/in mit einem theoretischen<br />
Grundkonzept ins Feld, was auch in dieser Untersuchung der Fall ist, daher wurde diese<br />
Methode zur Datenerhebung gewählt. 235<br />
Bei einem Leitfadeninterview handelt es sich um ein halboffenes Interviewverfahren zur<br />
Durchführung einer thematisch strukturierten Befragung. Die Gesprächspartner/innen<br />
können während des Interviews ihre persönlichen Erfahrungen anhand <strong>von</strong> Beispielen<br />
schildern. Der durch die Auseinandersetzung mit den theoretischen Hintergründen zu<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong>, den Fragestellungen und die Schwerpunktsetzung eingegrenzte<br />
Themenbereich sollte jedes der Interviews derart erhoben werden, dass sie miteinander<br />
in Bezug gesetzt werden können. Den Interviewpartner/n/innen sollte im Rahmen des<br />
Interviews dennoch, dem Paradigma der qualitativen Ausrichtung folgend, möglichst<br />
umfassend die Möglichkeit zur Darstellung ihrer persönlichen Sichtweisen, Deutungen<br />
und Handlungen gegeben werden. Sie sollten frei ansprechen können, was für sie im<br />
Zusammenhang mit dem angesprochenen Thema bedeutungsvoll ist. Somit gehen beim<br />
themenzentrierten Interview „Deduktion (theoretisch) und Induktion (empirisch) […]<br />
Hand in Hand.“ 236<br />
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden zwei Leitfäden 237<br />
für die<br />
themenzentrierten Interviews entwickelt; dies bedeutet, dass das Interview entlang<br />
zuvor definierter Themenblöcke geführt wird. Dabei finden hauptsächlich offene Fragen<br />
Verwendung, zu denen bei Bedarf zusätzlich Sondierungsfragen gestellt werden<br />
können. Der Leitfaden besteht aus einer Fragenpalette, die in jedem Einzelinterview<br />
angesprochen werden sollte. Der Leitfaden dient der/dem Interviewer/in <strong>als</strong><br />
Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen, in dem er/sie das Hintergrundwissen<br />
thematisch organisiert. Der gesamte Problembereich ist darin in Form <strong>von</strong> einzelnen<br />
thematischen Schwerpunkten formuliert. In Stichworten oder in Frageform gefasst, sind<br />
die Inhalte des jeweiligen Problemfeldes zusammengestellt. Die Themenbereiche sind<br />
in vier Dimensionen gefasst, denen jeweils Sondierungsfragen zugeordnet werden:<br />
• Dimension 1: Motivation und Entscheidungsprozess<br />
235 vgl. ebda, S. 368<br />
236 Lamnek (2005), S. 368<br />
237 Leitfaden 1 und Leitfaden 2 befinden sich im Anhang.<br />
87
• Dimension 2: Anforderungsprofil<br />
• Dimension 3: Handlungsstrategien, Orientierungsmuster, Netzwerk<br />
• Dimension 4: Anerkennung der Tätigkeit<br />
Die Reihenfolge muss dabei nicht zwingend eingehalten werden, die Fragen sollten je<br />
nach Gesprächsfortgang zum passenden Zeitpunkt gestellt werden. Für die interviewten<br />
Personen besteht die Möglichkeit eigene Themen, die im Leitfaden nicht berücksichtigt<br />
worden sind, zu ergänzen. 238<br />
Die Vorteile des Leitfadeninterviews liegen darin, dass konstant zu denselben<br />
Themenbereichen Aussagen getroffen werden. Es kommt vor allem dann zum Einsatz,<br />
wenn konkrete Aussagen über ein Thema erhoben werden sollen. Der Nachteil <strong>von</strong><br />
Leitfadeninterviews ist ein relativ hoher Aufwand für die Auswertung, da<br />
Einzelaussagen in eine „(intersubjektiv) nachvollziehbare Ordnung gebracht werden<br />
müssen.“ 239 Im Vergleich zur Auswertung anderer Interviewformen, wie z.B. dem<br />
narrativen Interview, geht sie jedoch mit einem überschaubaren Arbeitspensum einher,<br />
da man sich dabei weitgehend an den zuvor definierten Themenblöcken orientiert. Das<br />
Leitfadeninterview ist daher eine viel genutzte und populäre Form der<br />
Datenerhebung. 240<br />
5.2.1.2 Auswahl, Zugang und Beschreibung der Interviewpartner<br />
Bei Qualitativen Untersuchungen werden meist kleinere Stichproben gewählt, da es in<br />
diesen Untersuchung primär nicht um statistisch repräsentative, sondern um<br />
exemplarische bzw. inhaltlich repräsentative Ergebnisse geht. Für die Fragestellung<br />
typische und exemplarische Fälle werden gezielt in die Untersuchung aufgenommen. 241<br />
Diese Vorgehensweise des „Theoretical Samplings“, in der man eine gezielte Auswahl<br />
der Interviewpartner/innen vornimmt, setzt Kenntnis des Feldes voraus und „dass der<br />
Forscher weiß, worauf er seine Aufmerksamkeit richten muss.“ 242 Dies wird erreicht<br />
durch vorherige theoretische Befassung mit dem Untersuchungsgegenstand. Die<br />
Grenzen dieses Vorgehens zeigen sich in der Reichweite der Ergebnisse, die praktisch<br />
238 vgl. Lamnek (2005), S. 364ff<br />
239 Schaffer (2002), S. 88<br />
240 vgl. Lamnek (2005), S. 366f<br />
241 vgl. Schaffer (2002), S. 142<br />
242 Lamnek, (2005), S. 266<br />
88
nicht verallgemeinert werden können. Diese Vorgehensweise bietet aber eine gute<br />
Möglichkeit, exemplarische Fälle vertieft und genau zu untersuchen um Aussagen, die<br />
über den Einzelfall hinausgehen, zu erlangen und Hypothesen zu entwickeln. 243<br />
Ziel dieser Untersuchung ist es, Aussagen <strong>von</strong> Pflegeeltern zu erhalten, die schon<br />
mehrere Jahre Pflegekinder betreuen, die in verschiedenen Formen der Inpflegnahme<br />
tätig sind und die sich in unterschiedlichen Stufen der „Verberuflichung“ befinden bzw.<br />
daran kein Interesse haben und darauf folgend deren Sichtweisen miteinander in<br />
Beziehung zu setzen. Dadurch soll ein möglichst umfassendes Spektrum an Positionen<br />
zum Thema <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> erhoben werden.<br />
Dafür wurde Kontakt zu freien Trägern der Jugendwohlfahrt im Bereich des<br />
Pflegekinderwesens hergestellt, die Kontaktanbahnung erfolgte zunächst mittels einer<br />
Voranfrage per E-mail, in dem das Forschungsvorhaben kurz skizziert wurde. In<br />
weiterer Folge kam es zur Zusammenarbeit mit dem Pflegeelternverein Steiermark, dem<br />
Verein Pro Juventute Salzburg und dem Verein Pflege- und Adoptiveltern<br />
Oberösterreich. Dank der Vermittlung durch Vertreter der Vereine in der Steiermark<br />
und Salzburg war es möglich, direkten Kontakt mit Pflegeeltern aufzunehmen, die die<br />
vorab festgelegten Kriterien erfüllten, bzw. meldeten sich drei Pflegepersonen<br />
selbständig per E-mail für ein Interview, nachdem sie die Projektskizze erhalten hatten.<br />
Alle übrigen Pflegeeltern, die <strong>von</strong> der Verfasserin um ein Gespräch gebeten wurden,<br />
kamen der Bitte auch nach. Es konnten sieben Interviews – sechs mit Pflegemüttern,<br />
eines mit einem Pflegeelternpaar – aus den Bundesländern Steiermark und Salzburg<br />
geführt werden. Drei der Interviewpartnerinnen haben kein Dienstverhältnis für ihre<br />
pflegeelterlichen Tätigkeiten. Bei zwei Pflegepersonen ist ein Dienstverhältnis über<br />
geringfügige Beschäftigung mit der Jugendwohlfahrtsbehörde abgeschlossen worden,<br />
diese übernimmt die Beiträge für die Unfall- und Pensionsversicherung. Weitere zwei<br />
Interviewpartnerinnen verfügen über einen freien Dienstvertrag mit einem Verein, damit<br />
gehen sie auch Dienstverpflichtungen wie Dokumentation, Teambesprechungen und die<br />
Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen ein.<br />
243 vgl. ebda.<br />
89
Drei Vertreterinnen aus den genannten Vereinen wurden interviewt, damit ihr vertieftes<br />
Sonderwissen in die Untersuchung Eingang finden konnte. Ihnen ist der<br />
Arbeitsschwerpunkt „Professionalisierung im Pflegekinderwesen“ sowie eine<br />
langjährige berufliche Erfahrung in der Arbeit mit Pflegeeltern gemein. Ein Interview<br />
wurde mit einem Vertreter des Vereines „Kinder brauchen Eltern“ geführt. Dieser<br />
Verein, der im Herbst 2006 neu gegründet wurde, ist ein Zusammenschluss <strong>von</strong><br />
Pflegeeltern aus Salzburg, die sich dafür engagieren, die Rahmenbedingungen für<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> in Salzburg zu verbessern. Der Vereinsobmann ist zudem selbst<br />
Pflegevater. Die Interviews wurden im Zeitraum <strong>von</strong> Mai 2007 bis August 2007<br />
geführt. Die Nummerierung der Interviews bezieht sich nicht auf deren Abfolge.<br />
90
Tabelle 6: Übersicht über die Interviewpartner/innen<br />
Alter/ Familien Zahl Form der Inpflegnahme<br />
Geschl -stand der<br />
echt<br />
Kinder/<br />
Pflegekinder<br />
Pflegeeltern<br />
P 1 Slzbg 40-45,<br />
w<br />
P 2 Slzbg 40-45,<br />
w<br />
und<br />
50-55,<br />
m<br />
P 3 Stmk 55-60,<br />
w<br />
P 4 Slzbg 45-50,<br />
w<br />
P 5 Slzbg 45-50,<br />
w<br />
Verh. 4/2 Dauerpflege<br />
Verh. 3/2 Dauerpflege, bei Bedarf<br />
Krisenpflege<br />
Verh. 4/1 Dauerpflege, bei Bedarf<br />
Kurzzeitpflege<br />
Gesch. 2/1 Dauerpflege, Kind mit<br />
erhöhtem Pflegebedarf<br />
4/2 Zunächst Krisenpflege,<br />
danach Dauerpflege<br />
Anstellung/Dienstverhältnis<br />
<strong>als</strong> Pflegeelternteil ja/nein<br />
Derzeit zusätzliche<br />
Erwerbstätigkeit ja/nein<br />
nein<br />
selbständig<br />
nein<br />
ja, seit 3 Monaten, Teilzeit<br />
nein<br />
selbständig<br />
ja, Pensionsbeitrag wird<br />
übernommen, aber keine<br />
Dienstverpflichtungen<br />
gegenüber Verein<br />
nein<br />
ja, Pensionsbeitrag wird<br />
übernommen, aber keine<br />
Dienstverpflichtungen<br />
gegenüber Verein<br />
selbständig<br />
P 6 Stmk 35-40,<br />
w<br />
P 7 Stmk 35-40,<br />
w<br />
Interviews mit<br />
Experten/innen<br />
E 1 Stmk<br />
E 2 Slzbg<br />
E 3 Slzbg<br />
E 4 OÖ<br />
Gesch.<br />
(Quelle: eigene Darstellung)<br />
Alleinstehend<br />
2/unterliegt<br />
Schwan<br />
-kungen<br />
Familienbegleitende<br />
Pflegeplatzunterbringung,<br />
Mutter-Kind-<br />
Unterbringung<br />
Verh. 4/2 Familienbegleitende<br />
Pflegeplatzunterbringung,<br />
Kurzzeitpflege<br />
Dauer der Tätigkeit im Pflegekinderwesen<br />
Seit 20 Jahren im Pflegekinderwesen tätig<br />
Seit 10 Jahren im Pflegekinderwesen tätig<br />
Seit 1 Jahr <strong>als</strong> Vereinsobmann ehernamtlich tätig, Pflegevater<br />
Seit 8 Jahren im Pflegekinderwesen tätig<br />
ja, freier Dienstvertrag mit<br />
Verein<br />
nein<br />
ja, freier Dienstvertrag mit<br />
Verein<br />
nein<br />
91
5.2.1.3 Ablauf der Interviews<br />
Bei qualitativen Interviews ist es <strong>von</strong> besonderer Bedeutung, eine möglichst natürliche<br />
und angenehme Gesprächssituation herzustellen, um authentische Informationen zu<br />
erhalten. Daher sollten sie in der gewohnten Umgebung der interviewten Personen<br />
durchgeführt werden. 244<br />
Die vier Experten/innen wurden jeweils an ihrem Arbeitsplatz befragt.<br />
Die Interviews mit den Pflegeeltern fanden in allen sieben Fällen bei den Pflegeeltern<br />
zu Hause statt. Die Interviewsituation war bei sechs Gesprächen so, dass sich in<br />
unmittelbarer Nähe, etwa im Nebenzimmer, die Pflegekinder aufhielten und diese sich<br />
des Öfteren auch in das Geschehen einbrachten. Die Folge waren zeitweise<br />
Unterbrechungen des Interviews, die jedoch nur <strong>von</strong> kurzer Dauer waren. Dies weist<br />
bereits auf die Beschaffenheit der pflegefamilialen Außengrenzen hin, die sich durch<br />
große Offenheit und Auskunftsbereitschaft auch fremden Personen gegenüber zeigt.<br />
Man kann weiters da<strong>von</strong> ausgehen, dass die in den Gesprächen eingebrachten<br />
Erfahrungen und Schilderungen für die Pflegepersonen <strong>von</strong> großer Relevanz sind, da sie<br />
sich teilweise auch <strong>von</strong> sich aus für die Interviews gemeldet haben, um zum Thema<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> Stellung zu nehmen.<br />
Allen Pflegepersonen wurde die vollständige Anonymisierung ihrer Interviews<br />
zugesichert, auch die Zustimmung zur Aufzeichnung des Gesprächs mit einem audiodigitalen<br />
Gerät wurde vor Gesprächsbeginn eingeholt. Es wurde darauf Wert gelegt,<br />
dass der Einstieg in die Interviews mit sehr offenen Fragen erfolgte, damit ein erster<br />
längerer Erzählfluss angeregt wurde. Der weitere Gesprächsverlauf erfuhr eine immer<br />
stärkere Strukturierung (Semistrukturierung). Das Verhalten der Interviewerin wurde<br />
möglichst zustimmend, empathisch und zurückhaltend gestaltet. Die interviewten<br />
Personen sollten über möglichst viel Freiraum zur Darstellung ihrer<br />
Lebenszusammenhänge verfügen.<br />
Die Interviews dauerten zwischen 35 Minuten bis 100 Minuten und orientierten sich am<br />
Gesprächsverhalten der Interviewpartner/innen.<br />
244 vgl. Lamnek (2005), S. 509<br />
92
Folgende Rahmendaten wurden ebenfalls festgehalten: Interviewte Person, Datum und<br />
Ort der Befragung, Zahl der Pflegekinder/Kinder, kurze Beschreibung der<br />
Interviewsituation.<br />
5.2.2 Auswertung der Interviews mittels Inhaltsanalyse <strong>von</strong> Mayring<br />
Die Auswertung der Interviews mittels Inhaltsanalyse verfolgt das Ziel subjektive<br />
Einstellungen, Deutungen und Sinnzuschreibungen zu erfassen, zu verstehen und aus<br />
diesen Bausteinen bestimmte Muster und überindividuell gemeinsame Wissensbestände<br />
herauszuarbeiten. 245<br />
Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring untersucht offengelegte<br />
Kommunikationsinhalte, <strong>als</strong>o bewusste bzw. explizite Aussagen <strong>von</strong> Personen, die<br />
meistens in Textform vorliegen oder in Textform gebracht werden. Über die Texte<br />
werden Informationen weitergegeben, die dokumentierten Aussagen der interviewten<br />
Personen geben Hinweise auf externe Sachverhalte. Alle Interviews wurden darum mit<br />
MP3-Player aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Transkription erfolgte<br />
wörtlich, ohne besondere Zeichen für Pausen oder Betonungen, da dies in der<br />
Auswertung nicht berücksichtigt wird.<br />
Damit keine beliebigen Resultate erzielt werden, muss der Verlauf der Auswertung und<br />
Interpretation regelgeleitet sein. Das Auswertungsinstrument muss weiters an den<br />
untersuchten Gegenstand angepasst sein und speziell dafür angefertigt werden. 246<br />
Die Inhaltsanalyse umschreibt Lamnek somit <strong>als</strong> „eine Form wissenschaftlich<br />
kontrollierten Fremdverstehens.“ 247<br />
Im Ablaufmodell nach Mayring werden bei der Inhaltsanalyse neun Stufen beschrieben.<br />
Zunächst wird das Material, das interpretiert werden soll, exakt bestimmt (1). Nicht alle<br />
getätigten Aussagen müssen interpretiert werden, sondern, die für die Forschungsfragen<br />
relevanten. Eine Betrachtung der konkreten Interviewsituation (2) und die Beschreibung<br />
der Beschaffenheit des Materi<strong>als</strong> (3)folgen <strong>als</strong> die nächsten beiden Stufen. Die Richtung<br />
der Analyse muss festgelegt werden, um zu bestimmen, was man aus dem Textmaterial<br />
herausfiltern möchte (4). Die Fragestellung der Analyse muss vorher festgelegt werden<br />
245 vgl. Lamnek (2005), S. 510<br />
246 vgl. Mayring (2003), S. 42ff<br />
247 Lamnek (2005), S. 510<br />
93
und sich an theoretischen Befunden zum Gegenstand orientieren (5). Danach wird man<br />
sich für eine Analysetechnik entscheiden (6), in diesem Fall wurde eine strukturierende<br />
Analyse vorgenommen. Dies bedeutet, dass Material zu bestimmten Themenbereichen<br />
aus den Interviewprotokollen herausgehoben und zusammengefasst wird (inhaltliche<br />
Strukturierung). Dafür muss auch festgelegt werden, welche Einheit des Textes zur<br />
Analyse herangezogen wird (7). Die achte Stufe führt uns zur Analyse des Materi<strong>als</strong><br />
(8) 248 :<br />
Jedes einzelne Interview wurde daher anhand eines zuvor auf Basis der theoretischen<br />
Auseinandersetzung mit dem Gegenstand erstellten Kategoriensystems systematisch<br />
ausgewertet. Die Kategorien basieren somit auf grundsätzlichen Themenkreisen, die für<br />
Pflegeverhältnisse typisch sind, wie z.B. die Motivation für eine Pflegschaft, die sich<br />
aus intrinsischen und extrinsischen Aspekten zusammensetzt. 249<br />
Die Aussagen der einzelnen Interviewpartner/innen wurden nach ihrem Inhalt der dafür<br />
relevanten Kategorie zugeordnet, um zu einer Verdichtung des Textmateri<strong>als</strong> zu<br />
gelangen und die Komplexität der Daten zu reduzieren (Kodierung). Damit wurden die<br />
Aussagen vom Einzelfall losgelöst. Dieser Vorgang der Zuordnung entspricht einer<br />
ersten Interpretationsstufe. Das Auswertungsinstrument wurde am Datenmaterial<br />
geprüft und angepasst. Dem im qualitativen Ansatz geforderten Prinzip der Offenheit<br />
folgend, wurden nach Durchsicht des Materi<strong>als</strong> und der Erkenntnis, dass zwei für die<br />
Pflegeeltern wichtige Schwerpunkte noch nicht berücksichtigt worden waren, zwei<br />
zusätzliche Kategorien gebildet, um diese in die Auswertung einbeziehen zu können. 250<br />
Nach dieser Aufbereitung des Materi<strong>als</strong> konnte die Interpretation der in den einzelnen<br />
Kategorien zusammengefassten Aussagen im Hinblick auf die Fragestellung erfolgen<br />
(9).<br />
Ziel ist es, Positionen zur Verberuflichung in der <strong>Pflegeelternschaft</strong>, die unter jeder<br />
Kategorie aufzufinden sind, systematisch herauszufiltern. Wo decken sich die Angaben<br />
der Interviewpartner/innen? Wo treten unterschiedliche Positionen deutlich hervor? Was<br />
erwähnen alle bzw. was spricht nur ein Teil der Pflegeeltern an?<br />
248 vgl. Mayring (2003), S. 46-89<br />
249 vgl. Blandow (1972); Paltinat; Warzecha (1999)<br />
250 vgl. Lamnek (2005), S. 508<br />
94
5.3 Darstellung der Ergebnisse<br />
Die Darstellung der Ergebnisse orientiert sich an den gebildeten<br />
Auswertungskategorien. Der Schwerpunkt liegt auf den Sichtweisen der Pflegeeltern,<br />
bei den angeführten Zitaten handelt es sich um subjektive Aussagen der Pflegeeltern.<br />
Um die Perspektiven zu erweitern, werden in jeder Kategorie auch die zum Thema<br />
gehörenden Interviewpassagen der Expert/innen/en dazu in Bezug gesetzt. Nach der<br />
Zusammenfassung der erhaltenen Informationen zum jeweiligen Thema folgt eine<br />
Interpretation und Verknüpfung mit Wissensbeständen aus der Fachliteratur.<br />
Ich folge in meinen Ausführungen anderen Autor/innen/en 251 , welche die Personen, die<br />
kein Dienstverhältnis für die <strong>Pflegeelternschaft</strong> eingegangen sind, <strong>als</strong> traditionelle<br />
Pflegeeltern bezeichnen (3). Pflegeeltern, die in einem Dienstverhältnis zu einem Verein<br />
stehen und darüber hinaus über eine zusätzliche Ausbildung <strong>als</strong> Familienpädagog/in/e<br />
verfügen, werden <strong>als</strong> professionelle Pflegeeltern bezeichnet (2).<br />
Personen, die zwar einen Dienstvertrag mit dem Jugendwohlfahrtsträger abgeschlossen<br />
haben, aber keine damit einhergehenden Ausbildungen absolvieren müssen oder<br />
Dienstverpflichtungen eingehen, werden <strong>als</strong> entlohnte Pflegepersonen bezeichnet (2).<br />
Betrachtet man Motivation und Selbstkonzept der beiden entlohnten Pflegemütter, ist<br />
eine dem traditionellen Pflegeeltern zuzuordnen und eine den professionellen, weshalb<br />
sie bei der Auswertung in die jeweiligen Gruppen aufgenommen wurden.<br />
Die vorliegende Studie hat auch regionalen Bezug, da Pflegepersonen aus zwei<br />
Bundesländern befragt wurden, in denen Pflegepersonen unterschiedliche<br />
Ausgangspositionen für diese Tätigkeit vorfinden. Auch wenn die Stichprobe wenige<br />
Personen umfasst, lassen sich aus den Aussagen der Pflegeeltern Rückschlüsse auf die<br />
Auswirkungen des jeweiligen Ansatzes für die Ausgestaltung des Pflegekinderwesens<br />
ziehen.<br />
Vorausschickend kann festgehalten werden, dass die hier dargestellten und verdichteten<br />
Aussagen auf tatsächlichen Erfahrungen der Beteiligten beruhen. Die Schilderungen<br />
beschreiben daher das konkrete Erleben der Pflegeeltern. Das Erleben der Pflegeeltern<br />
251 vgl. Kolbe (2004), S. 146<br />
95
zeichnet sich durch weitgehende Kongruenz zu den Befunden aus der<br />
wissenschaftlichen Fachliteratur aus.<br />
5.3.1 Motivation<br />
Unter der Kategorie Motivation werden die genannten Hauptgründe für die Übernahme<br />
einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> erfasst. Die angeführten Motive bilden einen wichtigen<br />
Mosaikstein für das Rollenkonzept der Pflegeeltern und den späteren Umgang mit den<br />
übrigen Beteiligten. Eine Unterkategorie bildet die Phase der Entscheidungsfindung, die<br />
hier auch berücksichtigt werden soll.<br />
Bei den drei Pflegemüttern, die die Form der traditionellen Dauerpflege repräsentieren,<br />
lagen die Motive im unerfüllten Kinderwunsch, in positiven Erlebnissen mit<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> im Umfeld und in der eigener Familie sowie im sozialen Engagement<br />
für Kinder.<br />
Es sieht keiner mehr die Stärken <strong>von</strong> einem Kind heutzutage, und die Herausforderung<br />
taugt mir auch, so einfach sehen, was in einem Menschen drinnen steckt und wenn man sie<br />
gut begleitet, dass man irrsinnig viel erreichen kann! 252<br />
Bei den zwei entlohnten Pflegemüttern liegen die Motive ähnlich, einerseits im<br />
unerfüllten Kinderwunsch, im anderen Fall wird eine deutliche Tendenz zu einer<br />
beruflichen Orientierung und Freude an Arbeit mit Kindern ersichtlich:<br />
Für mich war es in meinem Leben immer so, die erste Schiene für Kinder etwas zu tun […]<br />
Schlussendlich bin ich bei der Pflegemutterstelle gelandet, wo ich gemerkt habe, ja ich<br />
kann viel bei einem Kind ausrichten, dass ich tagtäglich bei mir habe. 253<br />
Überlegungen zur Aufnahme eines Kindes gingen über einen längeren Zeitraum; die<br />
Angebote der Vereine zur Entscheidungsfindung wurden genutzt und <strong>als</strong> sehr hilfreich<br />
erlebt. Man hatte sich eingehend damit auseinandergesetzt, was eine Pflegschaft für die<br />
Familie bedeutet. Bei den Pflegeeltern, die zunächst einen Adoptionswunsch hegten,<br />
wurden durch die Informationsseminare auch Befürchtungen und Vorurteile gegenüber<br />
252 P 1, Z. 33-37<br />
253 P 5, Z. 3-8<br />
96
einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> abgebaut – diese wurden dadurch überhaupt erst auf die<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> aufmerksam.<br />
Bei den beiden professionellen Pflegemüttern stand der Kinderwunsch nicht an erster<br />
Stelle. Hier wurden die gute Kombinationsmöglichkeit einer Erwerbstätigkeit mit den<br />
Versorgungsaufgaben in der Familie neben ausgeprägtem sozialen Engagement und<br />
dem Interesse an beruflicher Arbeit mit Kindern und deren Eltern <strong>als</strong> Motive genannt.<br />
Und für mich war es deshalb ein Thema, weil ich immer mit Kindern und Jugendlichen zu<br />
tun gehabt habe, wo man aber immer die Grenze gehabt hat, du kannst nicht wirklich was<br />
erreichen, weil du bist mit denen ein paar Stunden zusammen und dann sind sie immer<br />
zurück in ihr System gegangen. Und ich habe mich dann erkundigt, was es da alles gibt und<br />
ich bin dann eben auf diesen <strong>Beruf</strong> der Familienpädagogin gestoßen, wo es eben auch<br />
darum geht, mit den Eltern zu arbeiten, die Kinder zwar bei dir zu haben, aber auch mit den<br />
Eltern zu arbeiten. Und Ziel ist es eben, die Kinder wieder zurückzubringen in die Familie.<br />
Und das hat mir <strong>von</strong> der Grundidee sehr gut gefallen. 254<br />
Die Gelegenheit ihren pädagogischen <strong>Beruf</strong> in einem intensiveren Setting ausüben zu<br />
können, schien dieser Pflegemutter ideal.<br />
Diese Hauptmotive wurden auch <strong>von</strong> den Experten/innen genannt, auch sie konstatieren<br />
eine Art Zweiteilung der Bewerber/innen in die aus Familienorientierung motivierten<br />
Bewerber/innen und Personen, denen die Aufgabe <strong>als</strong> Pflegeperson gefällt.<br />
Es gibt den Wunsch das Pflegekind ganz in die Familie zu integrieren oder aber es gibt den<br />
Wunsch, für Kinder da zu sein und professionell in diesem Bereich zu arbeiten. Da<br />
unterscheiden wir. 255<br />
Bei der endgültigen Entscheidung über die Aufnahme eines Kindes waren Partner/innen<br />
und – wenn vorhanden – übrige Kinder in der Familie stark eingebunden. Aus den<br />
Interviewpassagen geht hervor, dass diese Vorgehensweise für die Pflegeeltern sehr<br />
wichtig war. Alle waren in der Phase der Entscheidungsfindung in ein<br />
Unterstützungssystem aus behördlicher Sozialarbeit und Verein eingebunden. Die<br />
Unterstützung seitens der Sozialarbeiter/innen des Jugendamtes ist in dieser Phase der<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> angemessen empfunden worden.<br />
Die interviewten Pflegemütter lassen sich anhand ihrer Ausführungen zu Motivation<br />
und Entschlussfindung in das Pflegemutterkonzept und in das berufsorientierte Konzept<br />
einordnen, wobei teilweise auch eine Verschränkung der Modelle beobachtet werden<br />
254 P 6, Z. 9-17<br />
255 E 1, Z. 25-27<br />
97
kann. Die Selbstkonzepte lassen auf einen reflektierten Umgang mit dem Pflegekind<br />
und seiner Herkunftsfamilie schließen. Beide Konzepte schließen die Herkunftsfamilie<br />
nicht aus bzw. stehen für ein inklusives Modell <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong>, was sich positiv<br />
auf das Pflegeverhältnis auswirkt. Nach Freiburg/Lettau sind diese beiden Konzepte<br />
eine gute Basis für die Betreuung <strong>von</strong> bereits älteren Kindern mit geringeren bis<br />
schweren Verhaltensauffälligkeiten. Das berufsorientierte Konzept eignet sich<br />
besonders für Kinder mit schweren Verhaltensauffälligkeiten, die häufig<br />
Trennungssituationen erlebt haben und die eine anspruchsvolle Herkunftsfamilie ins<br />
Pflegeverhältnis einbringen. Diese Pflegeeltern lassen sich auch durch eine bestimmte<br />
Distanz zu den Pflegekindern charakterisieren. Auch wenn ein großes Maß an<br />
Emotionalität vorhanden ist, so sind sie auch auf unangenehme Situationen vorbereitet<br />
und kalkulieren sie mit ein. 256<br />
5.3.2 Kompetenz- und Anforderungsprofil<br />
Auf die Frage, welche Eigenschaften und Fähigkeiten Pflegeeltern unbedingt<br />
mitbringen sollten, wurden zahlreiche Angaben gemacht. Durch die genannten<br />
Kompetenzen kann man bereits auf die zu erwartenden Anforderungen schließen.<br />
Als grundsätzliche Rahmenbedingungen wurden ausreichend Platz für die Kinder und<br />
eine finanziell konsolidierte Situation in der Pflegefamilie genannt.<br />
Empathie, Kinderliebe sowie Reflexionsfähigkeit kamen in allen Interviews zur<br />
Sprache. Die Summe der beschriebenen Eigenschaften und Kompetenzen decken sich<br />
großteils mit dem Kriterienkatalog für professionelle Pflegefamilien in Kapitel 4.2.2.<br />
Die Aussage eines Pflegevaters macht deutlich, worin er die Unterschiede zur<br />
Erziehung eigener Kinder sieht:<br />
JA und da kommen Sachen, <strong>von</strong> denen du vorher nie gehört hast, dann besuchst du die<br />
leibliche Mutter im Gefängnis…sonst wärst du nie in ein Gefängnis gegangen! Und da ist<br />
es halt nicht schlecht, wenn du ein bissl weißt, wie sollst du dich denn verhalten, gegenüber<br />
dem Kind und auch der Mutter? Das ist ja kein Fehler, wenn man da ein bisschen Bildung<br />
hat in diese Richtung. Und das sind alles Mehrbelastungen, ich brauche mit meinen<br />
leiblichen Kindern nicht ins Gefängnis gehen, um die Mutter zu besuchen. 257<br />
Eine Pflegemutter, die sowohl ein Adoptivkind <strong>als</strong> auch ein Pflegekind bei sich<br />
aufgenommen hat, zieht den Vergleich zur Adoption:<br />
256 vgl. Freiburg; Lettau (1998), zit. n. Kolbe (2004), S. 164f<br />
257 E 3, Z. 40-46<br />
98
Bei <strong>Pflegeelternschaft</strong> ist es ein professionelleres Herangehen <strong>als</strong> bei Adoption, wegen der<br />
ganzen Familiengeschichte, die dazu kommt. 258<br />
Viele der <strong>von</strong> den Pflegeeltern genannten Fähigkeiten werden bei der grundsätzlichen<br />
Eignungsfeststellung <strong>von</strong> Pflegeelternwerbern „abgeklopft“ und nachgefragt. In der<br />
StJWG- DVO 2005 werden unter anderem noch die Bereitschaft zur Einsicht in die<br />
eigenen Familiendynamiken, Verständnis für den Umgang mit<br />
Verhaltensauffälligkeiten und eine grundsätzliche wohlwollende Einstellung zur<br />
leiblichen Familie <strong>als</strong> Kriterien festgelegt.<br />
Angesichts einer breiten und umfassenden Palette an Kriterien lässt sich auch verstehen,<br />
dass die Zahl der positiven Eignungsfeststellungen zurückgeht. Blandow stellte die<br />
Annahme in den Raum, dass der vielbeklagte Rückgang der Zahl der Pflegeelternwerber<br />
nicht nur auf das generell zurückgehende Interesse an Familiengründung und geringerer<br />
Bereitschaft Kinder zu erziehen schließen lässt, sondern auch darauf, dass<br />
Pflegeelternwerber <strong>von</strong> den Behörden heute viel häufiger <strong>als</strong> früher <strong>als</strong> nicht geeignet<br />
für diese Aufgabe beurteilt werden, da höhere Maßstäbe angelegt werden. 259<br />
Eine Expertin führt weiter aus, was <strong>von</strong> Pflegeeltern verlangt wird:<br />
Es ist wirklich mehr <strong>als</strong> berechtigt, den Pflegeeltern zuzugestehen, dass es eine berufliche<br />
Herausforderung ist, mit der sie fertig werden müssen. Also nicht nur das Sich-persönlich-<br />
Einlassen und dieses private Engagement, das reicht einfach nicht aus. Da brennen sie<br />
früher oder später aus, damit. Es wird <strong>von</strong> ihnen verlangt, dass sie reflektieren und dass sie<br />
sich auseinandersetzen mit der Herausforderung“ 260<br />
Für eine Ausübung <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> nennt eine Pflegemutter zusätzlich folgende<br />
Voraussetzungen:<br />
Ich bin ein großer Verfechter, dass es Leute sein sollen, die schon <strong>von</strong> Vornherein im<br />
Sozialbereich oder im pädagogischen Bereich tätig waren. Ich finde, dass das nicht gut ist,<br />
wenn Leute einfach genommen werden, die <strong>von</strong> dem Ganzen keine Ahnung haben. […] 261<br />
…deswegen meine ich eben, dass es gut wäre, wenn die Leute vorher schon einmal eine<br />
Ahnung haben mit welcher Klientel sie zu tun haben. 262<br />
Eine Projektgruppe des DJI kommt auch zu der Erkenntnis, dass die traditionell eher<br />
mitfühlenden und Emotionen weckenden Strategien zur Werbung <strong>von</strong> Pflegeeltern kein<br />
258 P 4, Z. 170<br />
259 vgl. Blandow (2005), S. 116<br />
260 E 4, Z. 633-640<br />
261 P 6, Z. 40-42<br />
262 P 6, Z. 43-47<br />
99
ealitätsgetreues Bild über die zu erwartenden Aufgaben eröffnen, dies kann Grund für<br />
f<strong>als</strong>che Erwartungen an das Pflegeverhältnis werden. 263<br />
5.3.3 Herkunftssystem<br />
In den Interviews wurde nicht explizit nach dem Herkunftssystem gefragt, das<br />
Verhältnis zu ihm fand in den Ausführungen der Pflegeeltern aber viel Platz, daher<br />
wurde auch diese Auswertungskategorie noch hinzugefügt. Sechs der sieben befragten<br />
Pflegeeltern haben Kontakt zu den Herkunftsfamilien der Kinder.<br />
Bei Betrachtung der Aussagen der professionellen Pflegemütter mit denen der<br />
traditionellen Pflegeeltern, stellt sich heraus, dass die Besuchskontakte verschieden<br />
gesehen werden. Je nach Pflegeform wird die Herkunftsfamilie mehr oder weniger stark<br />
eingebunden. Pflegeeltern, die sowohl Dauerpflege <strong>als</strong> auch bei Bedarf Kurzzeitpflege<br />
übernehmen, sind sich der unterschiedlichen Ausrichtung und Grenzziehung sehr<br />
bewusst. Ein Grund dafür ist sicher auch die unterschiedliche Zielsetzung der<br />
Pflegeform. Bei Interims-Pflegeplätzen - auch wenn sie für mehrere Jahre gedacht sind-,<br />
wird die Konkurrenz zu den leiblichen Eltern nicht so stark empfunden.<br />
Dauerpflegefamilien haben hier verstärkt zu kämpfen und schildern die<br />
Besuchskontakte <strong>als</strong> belastende Situation für sie.<br />
Der Zugang der professionellen Pflegeeltern ist hier partnerschaftlicher, denn das klare<br />
Ziel ist die Bindungen des Kindes zu den leiblichen Eltern zu erhalten und dazu<br />
beizutragen, dass eine Rückkehr des Kindes in die Ursprungsfamilie gelingt.<br />
Für eine professionelle Pflegemutter ist die Arbeit mit den Eltern das zentrale Element<br />
ihrer Tätigkeit. Sie formuliert es so:<br />
Ich arbeite gerne mit den Leuten, mit den Eltern. Ja und wenn jemand sagt: „Ja den Kindern<br />
geht es gut bei dir“, das ist doch selbstverständlich für mich, das braucht mir keiner sagen,<br />
das ist für mich nichts. Also mir ist es wirklich lieber mit den Leuten zu arbeiten […] Ja<br />
und das ist die wichtigste Arbeit. Und das wird auch oft übersehen, muss man dazusagen.<br />
Denn wenn ich das Ziel habe, ein Kind wieder zurückzugeben, dann muss ich mit den<br />
Eltern gut arbeiten und nicht mit den Kindern, ich muss bei den Eltern ansetzen. 264<br />
Sie nutzt die Besuchskontakte gezielt zur Beobachtung der Interaktion <strong>von</strong> leiblichen<br />
Eltern und Pflegekind und bringt diese Informationen in Fallbesprechungen ein. Für sie<br />
263 vgl. DJI (2007b), unter http://www.dji.de/cgibin/projekte/output.php?projekt=439&Jump1=LINKS&<br />
Jump2=32 (abgefragt am 13.07.2007)<br />
264 P 6, Z. 248-250; Z. 253-255<br />
100
ist es ein wichtiger Erfolg, wenn sie eine gute Gesprächsbasis mit den leiblichen Eltern<br />
aufbauen konnte. An ihrem Beispiel zeigt sich, wie sich die berufliche Orientierung im<br />
konkreten Handeln niederschlägt, und sich zu beständigen Handlungsmustern ausformt.<br />
Das Schwierige dabei ist, dass Herkunftseltern nach einer Unterbringung ihrer Kinder<br />
meist das Vertrauen in die behördliche Sozialarbeit verloren haben und Angebote <strong>von</strong><br />
deren Seite ausschlagen. Das Einbinden des Herkunftssystems trägt aber viel zum<br />
Gelingen eines Pflegeverhältnisses bei und kann den leiblichen Eltern dabei<br />
unterstützen, ihre Kinder wieder zu sich nehmen zu können, oder eine dauerhafte<br />
Herausnahme des Kindes zu akzeptieren.<br />
In den Beschreibungen der Pflegeeltern schwingen auch Verständnis für die<br />
Lebenslagen der leiblichen Eltern mit, die mit schwierige Bedingungen in der eigenen<br />
Kindheit, psychischen Krankheiten, Sucht, Alkohol etc. zu kämpfen haben. Als<br />
schwierig schildern Pflegeeltern Situationen, wenn die Herkunftseltern Hilfe <strong>von</strong> ihnen<br />
erwarteten. Die Pflegeeltern sind nicht nur Konkurrenten um die Zuneigung des Kindes,<br />
sie werden <strong>von</strong> den leiblichen Eltern auch <strong>als</strong> Anlaufstelle bei Problemen genutzt. Die<br />
Besuchskontakte werden <strong>von</strong> den abgebenden Müttern für Gespräche mit den<br />
Pflegeeltern genutzt, in denen es um ihre persönliche Lage geht.<br />
Aber sie will gar nicht mit ihm spielen, sondern sie will immer mit mir reden!<br />
Ja, das ist wie mit einem Kind! Man bekommt mit dem eigentlichen Kind noch ein Kind<br />
dazu, meistens ist das so. Das sind ja betreuungsbedürftige Personen, sonst wären die<br />
Kinder ja nicht weggekommen. 265<br />
Und dann ist es oft so gewesen, dass nur mehr wir wichtig waren und das Kind haben sie<br />
gar nicht mehr angeschaut. 266<br />
Wenn Pflegeeltern sich damit überfordert sehen, bzw. wenn sie das Gefühl haben durch<br />
ihre Anwesenheit werden Besuchskontakte erschwert, werden Maßnahmen getroffen,<br />
Besuchskontakte in einen neutralen Rahmen zu verlegen. Strategien im Umgang mit<br />
den leiblichen Eltern, die ihr Kontaktrecht zum Kind wahrnehmen, müssen sich<br />
Pflegeeltern erst aneignen.<br />
Die Häufigkeit der Besuchskontakte war im Rahmen der zeitweisen<br />
Unterbringungsformen erwartungsgemäß höher und die Anforderungen der Arbeit mit<br />
265 P 2, Z. 251-254<br />
266 P 1, Z. 185-191<br />
101
dem Herkunftssystem hatte bei den beiden professionellen Pflegemüttern zusammen mit<br />
der geforderten zeitlichen Verfügbarkeit und Bereitstellung der Räumlichkeiten, den<br />
Stellenwert der „eigentlichen“ Arbeit, für die sie bezahlt werden.<br />
Gerade für die Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern und bei der Vorbereitung <strong>von</strong><br />
Rückführungen machen sich die Qualifizierungsmaßnahmen in einer größeren<br />
Handlungssicherheit der Pflegeeltern bemerkbar.<br />
5.3.4 Belastungssituationen<br />
Die in dieser Kategorie zusammengefassten Aussagen waren sehr umfangreich und<br />
beziehen sich auf Situationen, die die interviewten Betreuungspersonen an ihre<br />
Belastbarkeitsgrenzen geführt haben. Im Interview wurde gezielt nach einer besonders<br />
anstrengenden, schwierigen Situation gefragt, in jedem der Interviews wurden eine<br />
Reihe weiterer Belastungsfaktoren angesprochen.<br />
Eine traditionelle Pflegemutter gab zunächst an, dass sie keine Belastungen speziell<br />
durch das Pflegeverhältnis verspüre, zählte aber in der weiteren Folge eine Vielzahl <strong>von</strong><br />
Belastungen auf.<br />
Die geäußerten Szenen spiegeln die Befunde im theoretischen Teil zu den<br />
Problemkreisen großteils wider. Sie lassen sich grob in vier Gruppen gliedern, diese<br />
Reihung kann auch <strong>als</strong> Ranking gesehen werden, nach der Häufigkeit und Intensität der<br />
Schilderungen:<br />
1. Konflikte mit dem Herkunftssystem werden <strong>als</strong> besonders heikel empfunden,<br />
wie das Nichteinhalten <strong>von</strong> Besuchsregelungen, Unzuverlässigkeit, anhaltender<br />
Telefonterror, Anschuldigungen <strong>von</strong> Seiten der Herkunftseltern, die zu langwierigen<br />
Gerichtsverhandlungen führen. Beschimpfungen über sich ergehen zu lassen und<br />
plötzlich Feindbild für jemanden zu sein, sind Situationen, mit denen Pflegeeltern neu<br />
konfrontiert werden und mit denen sie erst einen Umgang erlernen müssen.<br />
2. Massive Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die sich durch verbale und<br />
körperliche Gewalt den anderen Familienmitgliedern gegenüber äußern, werden <strong>als</strong><br />
belastend empfunden und führten zu Reaktionen bei Pflegeeltern, die sie eigentlich nie<br />
setzen wollten. Hyperaktivität, übermäßige Risikobereitschaft des Kindes, Albträume,<br />
102
über Jahre andauernde Schlafstörungen des Kindes führen auch bei den Pflegeeltern zu<br />
körperlicher Beanspruchung.<br />
3. Pflegeeltern erleben ihre Position <strong>als</strong> wenig gefestigt. Sie wurden darüber in<br />
Ungewissheit gelassen, ob und wie lange ein Kind bei ihnen bleiben kann. Die<br />
schwache Rechtsposition führt zu Besorgnissen, was wohl passieren könnte, wenn es zu<br />
einem Unfall des Pflegekindes kommt oder die Aufsichtspflicht vernachlässigt wird.<br />
Pflegeeltern befürchten, dass sie in einem solchen Fall sehr schnell die Kinder wieder<br />
verlieren könnten und sie einen „schwachen Stand“ haben.<br />
Eine Pflegemutter dazu :<br />
Und wo ich Angst gehabt habe, dass wirklich mal ganz was Schlimmes passieren könnte.<br />
Und wo ich dann auch <strong>als</strong> Pflegemutter jetzt nicht nur vom emotionalen, sondern auch<br />
rechtlich einfach drinnen hänge […] Wahnsinn, die Verantwortung, die ich da habe, ich<br />
weiß gar nicht, ob ich sie tragen kann. Und da war ich wirklich verzweifelt. Und da habe<br />
ich auch Träume gehabt im Nachhinein, <strong>als</strong>o das waren traumatische Geschichten<br />
einfach 267 .<br />
4. Zweifel an den eigenen Fähigkeiten kommen massiv an die Oberfläche nach<br />
erfolglosen Versuchen eine schwierige Situation alleine zu bewältigen. Resignation,<br />
Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und Kraftlosigkeit sind Begriffe, die in diesem<br />
Zusammenhang fallen. Man glaubt, keine Fortschritte erkennen zu können. Bei einer<br />
professionellen Pflegemutter keimt die Frage auf, ob diese Tätigkeit wirklich die<br />
richtige für sie ist, da sie mit ihren üblichen Interventionsversuchen bei einem Kind<br />
nicht weiterkommt.<br />
Von den Pflegeeltern wird aber grundsätzlich erwartet, dass es durch die bloße<br />
Tatsache, ein Pflegekind in ihre Familie aufzunehmen und dass jedes Pflegekind eine<br />
ganz persönliche Geschichte mitbringt, üblicherweise zu Zusatzbelastung für die<br />
Familie kommt:<br />
Jedes Kind, das schon eine Vorgeschichte hat braucht viel Betreuung, es gibt kein Kind, das<br />
keine Betreuung braucht! 268<br />
Nicht genügend klar war immer wieder, dass zusätzlich zu den Phasen der<br />
Eingewöhnung 269 oft weitere Belastungsmomente entstehen, die über Jahre anhalten<br />
267 P 4, Z. 213-217; Z. 222-225<br />
268 P 1, Z. 325-326<br />
103
können. Oft ist zum Zeitpunkt der Übernahme auch noch nicht erkennbar, welchen<br />
Betreuungsbedarf das Pflegekind tatsächlich aufweist bzw. wird nicht <strong>von</strong> Seiten der<br />
vermittelnden Behörde auf einen zusätzlichen Betreuungsbedarf hingewiesen, der sich<br />
in erhöhten finanziellem und zeitlichem Aufwand äußern kann.<br />
Das hohe Maß an Verantwortung, die emotionale Verbundenheit mit dem Kind und die<br />
starke Identifikation mit der pflegeelterlichen Tätigkeit ermöglichen viel Stärke und<br />
Engagement bei Pflegeeltern. Wenn Belastungssituationen aus eigener Kraft nicht<br />
befriedigend bewältigt werden und eine Dauerbelastung in Kombination mit einer<br />
hohen Erfolgserwartung auf Seiten der Pflegeeltern in Erscheinung tritt, wird dies auch<br />
<strong>als</strong> persönliches Scheitern interpretiert. Nach Paltinat und Warzecha kann es zu Burn-<br />
Out bei Pflegeeltern kommen und Pflegeverhältnisse daran scheitern. 270<br />
Einige Aussagen in den Interviews lassen die Interpretation zu, dass die Belastungen,<br />
die durch die Übernahme eines Pflegekindes entstehen können in manchen Fällen,<br />
deutlich unterbewertet wurden. Die Belastungen werden aber zu tragen versucht, da die<br />
positiven Erlebnisse im Zusammenleben mit den Pflegekindern sie für Vieles stärkt und<br />
motiviert. Pflegeeltern gewinnen Zuversicht aus den Fortschritten und Anzeichen <strong>von</strong><br />
Stabilisierung beim Pflegekind.<br />
Das Doppelmandat der Jugendamtsozialarbeiter/innen <strong>von</strong> gleichzeitiger Hilfe- und<br />
Kontrollfunktion, die sie auch gegenüber der Pflegefamilie ausüben, lässt die<br />
traditionellen Pflegeeltern davor zurückscheuen, bei ihnen Unterstützung zu suchen.<br />
Wenn sie aber konkret Hilfe suchen, dann an erster Stelle dort bzw. wird es versucht.<br />
Wenn, ein Helfernetz zur Verfügung steht, das über die behördliche Sozialarbeit<br />
hinausgeht, wird auch darauf zurückgegriffen. Pflegeeltern fühlen sich bei der<br />
tatsächlichen Bewältigung der Probleme aber tendenziell eher auf sich und ihre<br />
Fähigkeiten alleine gestellt.<br />
Die beiden professionellen Pflegepersonen wenden sich in erster Linie an den Verein,<br />
bei dem sie angestellt sind, oder sie versuchen auftretende Probleme aus professioneller<br />
Motivation allein zu lösen, da sie sich <strong>als</strong> Profis verstehen.<br />
269 vgl. Kap. 3.2.2<br />
270 vgl. Paltinat; Warzecha (1999), S. 72f<br />
104
5.3.5 Netzwerk<br />
Im Rahmen dieser Kategorie erfolgt eine Analyse der Einbindung der Familien in<br />
außerfamiliäre, institutionelle Unterstützungssysteme und deren Nutzung in schwierigen<br />
Situationen. Die Wahrnehmung der Unterstützungsleistungen kann <strong>als</strong> eine Möglichkeit<br />
zur Burn-Out-Prophylaxe gesehen werden.<br />
Eine zusammenfassende Analyse der institutionellen Netzwerke gestaltet sich<br />
schwierig, da die interviewten Pflegeeltern aus zwei Bundesländern stammen, deren<br />
institutionelle Unterstützungsnetzwerke sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Diese<br />
müssen daher gegenüber gestellt werden.<br />
In Salzburg stehen für Pflegeeltern weniger Angebote speziell für Pflegeeltern bereit <strong>als</strong><br />
in der Steiermark (siehe auch Kap. 2.4) unabhängig da<strong>von</strong>, ob sie einen Dienstvertrag<br />
abgeschlossen haben oder nicht, was sie in den Interviews deutlich beklagt haben.<br />
Neben der Jugendamtssozialarbeit gibt es keine spezialisierte Einrichtung, die eine<br />
laufende Betreuung sicherstellt. Mit dem Eingehen eines Dienstvertrags sind sie nicht in<br />
eine Organisation eingebunden, <strong>von</strong> der sie bei ihrer Tätigkeit begleitet und fachlich<br />
beraten werden. Daraus ergibt sich der Umstand, dass sie obwohl sie sich <strong>von</strong> der<br />
finanziellen Abgeltung und Absicherung her in etwa in der Höhe der steirischen<br />
Pflegeeltern befinden, ihre subjektive Lage <strong>als</strong> nicht sehr zufriedenstellend einschätzen.<br />
Eine Pflegemutter bringt ihren Unmut auf den Punkt:<br />
In meinen Augen können sie sich die Anstellung behalten! Aber nur man bräuchte einen<br />
größeren Hilfsfaktor! 271<br />
Die Ressourcen, die da wären, sind in dem Moment, wo sie gebraucht werden, nicht<br />
verfügbar, es muss auf private Einrichtungen (z.B. zur Diagnostik <strong>von</strong><br />
Verhaltensauffälligkeiten) ausgewichen werden, deren Kosten <strong>von</strong> der Behörde nicht<br />
übernommen werden. Das System wird <strong>von</strong> den Pflegeeltern mitunter <strong>als</strong> schwerfällig<br />
und im Bedarfsfall nicht verfügbar erlebt.<br />
Ein unzureichendes institutionelles Netzwerk macht sich schmerzlich bemerkbar, wenn<br />
auch das informelle Netzwerk <strong>von</strong> Familie, etwa durch Scheidung löchrig geworden ist,<br />
wie bei einer alleinstehenden Pflegemutter, deren Pflegekind einen erhöhten<br />
271 P 1, Z. 343-344<br />
105
pflegerischen Bedarf aufweist. Die langen Sommerschulferien werden für sie so zur<br />
Belastungsprobe. Ähnlich geht es einer anderen alleinstehenden Pflegemutter:<br />
Man bekommt eben monatlich die finanzielle Unterstützung, das Pflegeelterngeld – aber<br />
sonst […] und ich kann nie krank sein, ich kann nie einen Urlaub machen – und immer<br />
wieder stellst du dir die Frage: Hältst du das aus? 272<br />
Aus diesen Gründen wurde daher auch der Selbsthilfeverein „Kinder brauchen Eltern“<br />
<strong>von</strong> Pflegeeltern gegründet, dessen Forderungen auch einen Ausbau <strong>von</strong> adäquaten und<br />
verfügbaren Hilfen zur Alltagsbewältigung und eine Ausweitung <strong>von</strong><br />
Weiterbildungsmaßnahmen umfassen. Ein besonderes Anliegen ist ihnen, dass fixe<br />
Krisenpflegefamilien ermöglicht werden, da es derzeit keine Differenzierung der<br />
Pflegeformen für solche Bedarfe gibt.<br />
...es gibt derzeit keine professionelle Schiene in diese Richtung, ja. Wenn das dann schon<br />
ältere Kinder sind, die kurzfristig untergebracht werden müssen, kennen sich die<br />
Pflegeeltern oft nicht aus bei den Traumata, die diese Kinder haben, oft haben wir solche<br />
Unterbringungen auch bei anonymen Geburten, bevor sie zu den Adoptiveltern kommen.<br />
Und das ist auch oft sehr unprofessionell, <strong>als</strong>o dann gibt es manchmal <strong>von</strong> den ersten zwei<br />
Monaten keine Fotos <strong>von</strong> den Babys und das fehlt dann für die Geschichte des Kindes, das<br />
habe ich z.B. schlimm gefunden. 273<br />
Auf die Frage, welche Unterstützung sich Pflegeeltern wünschen, wurde <strong>von</strong> den<br />
Salzburger Pflegeeltern durchwegs die Bereitstellung <strong>von</strong> vermehrten<br />
Fortbildungsmaßnahmen angeführt, die gezielt auf bestimmte, spätere<br />
Entwicklungsphasen des Pflegekindes eingehen, die bei der Grundausbildung noch<br />
nicht Thema sind. Das derzeitige Ausmaß <strong>von</strong> einer Fortbildung pro Jahr wird <strong>als</strong> nicht<br />
ausreichend gesehen und drei der Pflegepersonen finanzieren sich daher Kurse oder<br />
Seminare selbstständig.<br />
Was in beiden Bundesländern ermöglicht und geschätzt wird ist die Supervision im<br />
Gruppensetting, da sich <strong>von</strong> dort aus auch informelle Netzwerke unter den Pflegeeltern<br />
knüpfen, die im Bedarfsfall zum Tragen kommen. Die Aussagen lassen darauf<br />
schließen, dass Pflegeeltern sich untereinander austauschen möchten, da sie bei<br />
Personen, die nicht in das System Pflegekinderwesen involviert sind, zuviel<br />
Erklärungsbedarf für ihre Situation sehen und diese ihnen in weiterer Folge nicht recht<br />
weiterhelfen können. Solche Foren zum Austausch werden <strong>von</strong> Pines <strong>als</strong> „ Soziales<br />
Stützsystem, welches die Teilhaber vor einer Burn-Out- fördernden Isolation<br />
272 P 4, Z. 261-263<br />
273 E 2, Z. 36-42<br />
106
ewahrt“ 274 bezeichnet. Eine Pflegemutter schätzt wiederum gerade diese Außensicht<br />
<strong>als</strong> hilfreiche Perspektive, wenn sie vor einem komplizierten Problem mit einem<br />
Pflegekind steht. Oft relativiere sich das Problem durch die Betrachtungsweisen eine/s/r<br />
Außenstehenden.<br />
In der Steiermark steht den Pflegeeltern ein dichteres Netz an Angeboten zur<br />
Verfügung, wie eine eigene Beratungsstelle oder die Möglichkeit das ein<br />
problematischer Besuchskontakt durch Mitarbeiter/innen des Pflegeelternvereines<br />
begleitet werden. Darüber hinaus gibt es für Pflegeeltern, die einen freien Dienstvertrag<br />
mit dem Verein eingegangen sind eine zweijährige begleitende Ausbildung zur<br />
Familienpädagogin. Der Wissenserwerb und Austausch mit anderen Pflegeeltern wird<br />
<strong>als</strong> Stütze erlebt. Ihnen steht weiters eine Notrufhotline des Vereines zur Verfügung, die<br />
jederzeit angerufen werden kann, wenn Probleme auftauchen. Alle zwei bis maximal<br />
vier Wochen gibt es Kontakte wie z.B. Fallbesprechungen. Eine Pflegemutter deutet in<br />
ihren Aussagen an, dass sie ohne das vorhandene institutionelle Netzwerk, sich die<br />
Übernahme einer Pflegschaft nicht vorstellen hätte können.<br />
Derzeit in Planung befindet sich ein Entlastungsangebot für Dauerpflegeeltern, wenn sie<br />
wirklich nicht mehr weiterwissen und einfach eine Auszeit brauchen. Das Pflegekind<br />
kann dann für wenige Wochen bei einer professionellen Pflegefamilie untergebracht<br />
werden. Diese Möglichkeit der zeitweiligen Entlastung sollen Pflegeeltern annehmen<br />
können, ohne gleich befürchten zu müssen, dass das Pflegeverhältnis damit <strong>als</strong><br />
gescheitert angesehen wird. 275<br />
Die Vertreterin des Pflegeelternvereines Steiermark betonte in ihrem Interview, dass die<br />
Nutzung <strong>von</strong> Weiterbildungsangeboten bei Dauerpflegefamilien auf Freiwilligkeit<br />
basieren sollte und nicht aufgezwungen werden darf.<br />
Man kann niemanden zwingen, aber man könnte…wir überlegen auch zusammen mit der<br />
Jugendwohlfahrt im ersten Jahr der Inpflegnahme das Gruppenangebot verpflichtend zu<br />
machen. Es war schon einmal in unserem Curriculum, ist dann wieder fallen gelassen<br />
worden. Man muss auch ein gutes Augenmaß haben, was sind Pflegeeltern auch bereit auf<br />
sich zu nehmen, weil man auch nicht riskieren darf, dass es dann weniger Pflegeeltern gibt.<br />
Das muss sich die Waage halten. 276<br />
274 Pines (1993), zit. n. Paltinat; Warzecha (1999), S. 84<br />
275 vgl. E 1, Z. 597-602<br />
276 E 1, Z. 275-280<br />
107
Bei Pflegeeltern, die ein Dienstverhältnis mit dem Verein eingegangen sind, haben<br />
diese Unterstützungssysteme eine andere Funktion, sie sind Teil der<br />
Dienstverpflichtung, sie dienen der Qualitätssicherung, und die Wahrnehmung dieser<br />
Angebote muss auf Grund des Arbeitsvertrages erbracht werden.<br />
In Oberösterreich, wo angestellte Pflegeeltern den Status „echter“ Dienstnehmer/innen<br />
einnehmen, kommt das Instrument des Mitarbeiter/innengesprächs zum Einsatz:<br />
Da steht nur die angestellte Pflegemutter oder –vater im Mittelpunkt. Wie es ihr geht mit<br />
der Aufgabenstellung, was die Schwierigkeiten sind, welche Ressourcen sie oder er nutzen<br />
kann. Also das ist das Thema des Mitarbeitergespräches. Außerdem haben wir<br />
Qualitätskriterien erarbeitet – was uns wichtig erscheint für eine Pflegemutter oder einen<br />
Pflegevater. Und da kann auch die Person für sich selbst überprüfen und kriegt<br />
Rückmeldungen <strong>von</strong> der Sozialarbeiterin zu dem, wie sie wahrgenommen wird in ihrer<br />
Aufgabe. 277<br />
Die Konzepte <strong>von</strong> Supervision, Weiterbildung, Mitarbeiter/innen/gesprächen und der<br />
Verlaufsgespräche mit der Jugendwohlfahrt sollen in ihrem Zusammenwirken eine<br />
qualitätsvolle Arbeit sicherstellen.<br />
Das informelle Netzwerk, das für Pflegepersonen bereitsteht umfasst meist die engsten<br />
Familienmitglieder und Lebenspartner/innen, die Rückhalt geben; in den Interviews<br />
wurde nämlich auch deutlich, dass die Erziehung des Pflegekindes, unabhängig da<strong>von</strong>,<br />
ob die Pflegeperson angestellt ist oder nicht, hauptsächlich Aufgabe der Frauen ist.<br />
Andere Kinder im Familienverband werden ebenfalls <strong>als</strong> Stütze gesehen, wobei den<br />
Pflegeeltern durchwegs bewusst ist, dass <strong>von</strong> diesen viel verlangt wird, gerade in der<br />
Phase der Übernahme eines Pflegekindes.<br />
5.3.6 Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter/innen/n der<br />
Jugendwohlfahrt<br />
Auch diese Kategorie wurde erst nachträglich dem Auswertungsschema angefügt, nach<br />
diesem Aspekt wurde im Interview nicht ausdrücklich gefragt. Interessant an dieser<br />
Kategorie ist, dass sich die professionellen Pflegemütter im Bezug auf die<br />
Zusammenarbeit mit Jugendamtssozialarbeiter/innen/n in sehr geringem Ausmaß und<br />
weniger emotional äußerten. Die Kooperation mit dem Verein bzw. mit der Psychologin<br />
277 E 4, Z. 143-151<br />
108
stand für sie im Vordergrund. Daher beziehen sich die folgenden Zeilen auf die<br />
traditionellen Pflegeeltern.<br />
Die Beziehung der Pflegefamilien zu den Sozialarbeiter/n/innen des Jugendamtes ist<br />
<strong>von</strong> Ambivalenzen geprägt, was sich an den widersprüchlichen Aussagen der<br />
Pflegeeltern zeigt. Das Bild, das <strong>von</strong> der Institution Jugendamt gezeichnet wird, stellt<br />
ein System dar, das überlastet ist, Verantwortung abgeben möchte und über wenig Zeit<br />
verfügt. Die andere Darstellung zeigt es <strong>als</strong> starken Partner, wenn es zu Konflikten mit<br />
dem Herkunftssystem der Pflegekinder kommt und <strong>als</strong> durchaus offen für Anregungen<br />
und Bedürfnisse der Pflegeeltern.<br />
Eine spezielle Ausgangslage entsteht dadurch, dass das Jugendamt gegenüber der<br />
Pflegefamilie, mit der Erfüllung unterschiedlicher Funktionen befasst ist. Es gewährt<br />
Leistungen, oder lehnt Kostenübernahmen ab, es hat Aufsichtsfunktion und bietet auch<br />
beratende und unterstützende Angebote. Aus dieser Kombination heraus können<br />
Konflikte entstehen. Die bei der Behörde zuständigen Fachleute sind durch ihre<br />
Beziehungsgestaltung mitverantwortlich dafür, ob Pflegeeltern sich in einer starken oder<br />
eher schwachen Position verhaftet sehen.<br />
Zu Beginn des Pflegeverhältnisses scheint die Betreuung ausreichend zu sein, jedoch<br />
nehmen die Kontakte danach sehr schnell ab und beschränkt sich bei den<br />
Dauerpflegefamilien auf die jährlichen Hausbesuche zur Pflegeaufsicht.<br />
Die Zusammenarbeit und Betreuung durch die Mitarbeiter/innen der Jugendwohlfahrt in<br />
Belastungssituationen wird <strong>von</strong> den Pflegeeltern sehr unterschiedlich empfunden,<br />
Hilfestellung erfolgt zwar meistens, aber oft erst nach mehrmaligen Anläufen der<br />
Pflegeeltern.<br />
Ich hab dann versucht, das dem Jugendamt zu sagen – aber da kann man nichts machen.<br />
[…] ich hab schon vorher Vieles auch dem Jugendamt zu sagen versucht, aber die haben<br />
mich nicht angehört. 278<br />
Die Betreuung durch die Jugendwohlfahrt liegt grundsätzlich im Ermessen der<br />
zuständigen Sozialarbeiter/innen des Jugendamtes. Die traditionellen Pflegeeltern<br />
betonen, wie wichtig ist, dass man mit „seine/r/m Sozialarbeiter/in“ gut auskommt.<br />
278 P 3, Z. 95-96; 106-107<br />
109
Die therapeutischen Vorschläge, die ich dem Jugendamt mache, werden auch meistens<br />
angenommen und auch bezahlt. Und das erlebe ich auch <strong>als</strong> Stütze, dass ich da nicht lange<br />
verhandeln muss und mir dabei groß <strong>als</strong> Bittsteller vorkomme. Das bespreche ich mit<br />
meinem Sozialarbeiter und dann sagt er ja und dann krieg ich das innerhalb kürzester Zeit<br />
vergütet. 279<br />
Das Spektrum der Aussagen bezüglich der Betreuungsqualität durch die behördlichen<br />
Sozialarbeiter/innen war daher weit gefächert <strong>von</strong> sehr gut, bis nicht vorhanden.<br />
Es kommt immer wieder zu Situationen, die in Familien auftreten, die <strong>von</strong> den<br />
Sprengelsozialarbeiter/n/innen nicht im <strong>von</strong> Pflegeeltern gewünschten Ausmaß<br />
abgedeckt werden konnten, da diese über knappe Zeitbudgets verfügen.<br />
Vielfach wird das Verhältnis zum Jugendamt <strong>als</strong> ein Abhängigkeitsverhältnis gesehen,<br />
wie es z.B. bei Entscheidungen für Kostenübernahmen für Behandlungen,<br />
Musikschulbesuch, oder die Ausstellung eines Passes für eine Urlaubsreise mit den<br />
Pflegekindern illustriert wird. Bei letztgenannter Angelegenheit wurden einem<br />
Pflegeelternpaar die eingeschränkten Elternbefugnisse besonders deutlich.<br />
Statusaspekte im Verhältnis Jugendamt – Pflegefamilie wurden bei einem Interview<br />
ebenfalls offensichtlich, diese wurden in der Kategorie Wahrnehmung <strong>als</strong> Pflegeperson<br />
erfasst.<br />
5.3.7 Wahrnehmung <strong>als</strong> Pflegeperson<br />
In dieser Kategorie wird die Wahrnehmung der pflegeelterlichen Tätigkeit auf zwei<br />
Ebenen betrachtet: Der Ebene der Fremdwahrnehmung durch Umfeld oder<br />
Partner/innen im System Pflegeverhältnis und der Ebene der Selbstwahrnehmung der<br />
Pflegeeltern.<br />
Neben den direkten Akteur/innen/en des Pflegeverhältnisses zählen Freund/innen/e,<br />
Bekannte und Nachbarschaft zum bestimmenden Umfeld des Pflegeverhältnisses.<br />
Das Akzeptieren, das argwöhnische Betrachten, oder auch das Missbilligen der<br />
Übernahme einer <strong>Pflegeelternschaft</strong> ist für die Pflegeeltern direkt aus den Reaktionen<br />
des sozialen Umfeldes erkennbar. Zum einen wird das Aufnehmen fremder Kinder mit<br />
,,Liebe“ oder ,,Selbstlosigkeit“ erklärt und nötigt Bewunderung vom Umfeld ab, weil<br />
die Pflegeeltern sich das „antun“.<br />
279 P 5, Z. 131-135<br />
110
…<strong>als</strong> Pflegeeltern hast einen ganz anderen Status, du stehst da auf einem Stockerl oben,<br />
weil du was Gutes tust. 280<br />
Daneben wird z.B. <strong>von</strong> Nachbar/innen/n kritisch begutachtet, was sich im Haushalt<br />
abspielt, wenn womöglich immer wieder verschiedene Kinder dort sind. Häufig<br />
wechselnde Pflegekinder bei Pflegefamilien, die Kurzzeitunterbringung anbieten,<br />
bringen die Pflegeeltern in Erklärungsnotstand bei Nachbarschaft und Verwandtschaft.<br />
Eine Pflegemutter berichtet da<strong>von</strong>, dass sich Personen aus ihrem Umfeld distanzieren,<br />
weil die leiblichen Eltern der untergebrachten Kinder auch häufig vor Ort sind, bei<br />
denen es sich z.B. um Personen aus dem Rotlichtmilieu handelt. Sie wurde bereits vom<br />
Bürgermeister des Ortes darauf hingewiesen, dass ihre Tätigkeit „nicht gut ankommt“.<br />
Einen Pflegevater stört es, wie unsensibel das Umfeld reagiert, dass man sich immer<br />
wieder erklären und rechtfertigen muss, obwohl die Kinder schon seit Jahren in der<br />
Familie sind.<br />
Das Umfeld richtet auch Erwartungen an die Pflegeeltern für die Erziehung und die<br />
Integration der Pflegekinder. Pflegeeltern fühlen sich daher <strong>von</strong> ihrer Umgebung<br />
beobachtet bei ihrem Tun und stärkerer Kontrolle ausgesetzt. So schildert eine<br />
professionelle Pflegemutter, dass sie darauf angesprochen werde, wenn nicht alle ihre<br />
Kinder (Pflegekinder und leibliche Kinder) genau dieselbe Ausstattung für die Schule<br />
haben. Schnell werde eine Ungleichbehandlung der Kinder vermutet:<br />
…da wird wirklich sehr genau und anders darauf geschaut! Ist die ordentlich hergerichtet?<br />
Hat sie alles? Und das sind so Sachen, wenn du das nicht begründen kannst, dann, …[…]<br />
du bist sofort in dem drinnen. „Typisch Pflegekind- hat halt eine zu kurze Hose an…aber<br />
ich denk mir, das ist die Gefahr man muss da so aufpassen [mit Nachdruck] und eine<br />
Pflegefamilie hat einen negativen Beigeschmack! 281<br />
Auch der Umstand, dass Pflegeeltern für den Aufwand eines Pflegekindes finanziell<br />
entschädigt werden, bedingt eine erhöhte Aufmerksamkeit. Pflegeeltern leiden unter der<br />
Zuschreibung, sie würden sich an den Kindern bereichern. Dies äußert sich auch in der<br />
Befürchtung, dass die Inhalte einer beruflichen Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegeperson nicht erkannt<br />
werden vom Umfeld und man Angriffsfläche wird:<br />
280 P 3, Z. 178-181<br />
281 P 6, Z. 394- 403<br />
111
Aber manche werden sagen: Ja, die sitzt den ganzen Tag daheim und lässt sich vom<br />
Sozialamt aushalten, nur dafür, dass sie einen Buben hat, der eh nicht anders ist <strong>als</strong><br />
unserer. 282<br />
Für die negativ eingefärbte Sicht <strong>von</strong> außen auf die Pflegefamilie wird auch das<br />
Nachwirken alter Bilder <strong>von</strong> Pflegefamilien in den Köpfen der Menschen<br />
verantwortlich gemacht, und dass sich ein hartnäckig festgefügtes Bild eben schwer<br />
revidieren lässt. Pflegeeltern sollten daher darauf vorbereitet werden, den Reaktionen<br />
des Umfeldes gefestigt begegnen zu können.<br />
In der Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiter/n/innen vom Jugendamt fühlen sich zwei<br />
Pflegemütter nicht <strong>als</strong> Partnerinnen wahrgenommen, nicht für voll genommen:<br />
Ja und überhaupt <strong>als</strong> Pflegemutter ist man ja, letztes Mal haben sie glaube ich gesagt: „ein<br />
Instrument“ das gebraucht wird!! Das habe ich noch nie gehört! Ja aber das ist einfach so.<br />
Wir haben keine Ausbildungen, nur diese kleine Grundausbildung – aber das heißt ja noch<br />
gar nichts. 283<br />
Eine professionelle Pflegemutter, die selbst eine ähnliche Erfahrung gemacht hat sieht<br />
dies aber auch sehr selbstkritisch. Eine Aufwertung der Tätigkeit kann ihrer Meinung<br />
nach nur durch das Aufzeigen <strong>von</strong> Kompetenz und durch gute Zusammenarbeit erreicht<br />
werden:<br />
Der Sozialarbeiter hat dann zu mir am Schluss gesagt: „Es tut mir leid, dass ich so reagiert<br />
habe, aber ich bin es gewohnt, dass die meisten Pflegeeltern nicht wirklich etwas Gutes<br />
beitragen zu den Gesprächen“ Und ich finde, da hat er nicht unrecht. Ich will jetzt nicht<br />
sagen alle, aber es gibt sehr viele, wo ich sage, ja die sind lieb zu den Kindern, aber die<br />
haben einfach keine fachliche Kompetenz. Und ich glaub, dass das der Punkt ist, wieso die<br />
Anerkennung nicht sehr hoch ist. 284<br />
Wenn Pflegeeltern die Möglichkeiten wahrnehmen sich weiterzuqualifizieren und<br />
kontinuierlich in diesem Bereich tätig sind, schlägt sich das auch auf die Wahrnehmung<br />
durch Systempartner/innen/n nieder:<br />
…wir fragen natürlich auch unsere Kooperationspartner bei der Jugendwohlfahrt und hören<br />
da schon auch, dass sich das durchaus sehr positiv auswirkt. Dass sie erstaunt sind, auch die<br />
Sozialarbeiter <strong>von</strong> der Jugendwohlfahrt, welches Wissen die Pflegeeltern sich im Laufe der<br />
Zeit aneignen. 285<br />
Die Selbstwahrnehmung der Eltern ist generell positiver. Sie sehen sich <strong>als</strong><br />
Begleiter/innen der Kinder, für ein bestimmtes Stück des Weges.<br />
282 P 4, Z. 337-339<br />
283 P 7, Z. 113-116<br />
284 P 6, Z. 371-375<br />
285 E 4, Z. 188-191<br />
112
Auf die Frage, ob sie ihre Tätigkeit auch <strong>als</strong> Dienstleistung an der Allgemeinheit<br />
verstehen, wurde zustimmend geantwortet, bis auf eine heftige ablehnende Reaktion<br />
einer traditionellen Pflegemutter.<br />
Nein, überhaupt nicht! Keine Spur da<strong>von</strong>, es geht um das einzelne Kind, mir geht es darum,<br />
dass ich es gerne tue, dass es mir Spaß und Freude macht. Ich mache es auch für mich<br />
selber, weil es mir einfach taugt zu sehen, wie sie sich entwickeln. 286<br />
Man sagt ja zu einem Pflegekind. Aber alle anderen Geschichten dazu ist schon ein Auftrag<br />
fürs Land, <strong>als</strong>o für den Staat. Weil gehören tun sie uns eh nicht 287<br />
Die professionellen Pflegemütter nehmen sich auch in der Zusammenarbeit mit<br />
den Sozialarbeiter/innen/n der Behörde oder des Vereines <strong>als</strong> gefestigt und<br />
anerkannt wahr, eine Pflegemutter empfindet es vor allem dadurch, dass sie sich<br />
in der „Sprache“ der Psycholog/innen/en und Sozialarbeiter/innen verständlich<br />
machen kann.<br />
…ich rede jetzt nur <strong>von</strong> den Mitarbeitern vom Verein, da fühl ich mich oft gleichwertig, oft<br />
auch, das muss ich dazu sagen auch eine Stufe höher gestellt, das darf ich zwar nicht, aber<br />
es ist so. Weil ich sage, ich habe die lange Erfahrung… 288<br />
Bei den Pflegeeltern selbst ist das Bewusstsein, eine wichtige Aufgabe in der<br />
öffentlichen Jugendhilfe zu erfüllen, unterschiedlich entwickelt. Den Pflegeeltern ist<br />
aber bewusst, dass sie mit ihrer Arbeit die Öffentlichkeit entlasten.<br />
5.3.8 Absicherung<br />
In dieser Kategorie werden Aussagen zur finanziellen und<br />
sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Pflegeeltern gesammelt.<br />
Finanzielle Belastungen für Pflegefamilien entstehen zum Großteil durch die Kosten,<br />
die durch Therapie für die Pflegekinder anfallen, z.B. Ergotherapie, Heilpädagogisches<br />
Voltigieren etc. Die Rechnungen müssen mitunter <strong>von</strong> der Pflegefamilie vorfinanziert<br />
werden, danach kann ein Ansuchen auf Kostenersatz gestellt werden. Es wird<br />
unterschiedlich entschieden, ob Leistungen genehmigt werden oder nicht. Eine<br />
Pflegemutter berichtet <strong>von</strong> Ausständen in der Höhe <strong>von</strong> € 10.000 für Therapiestunden<br />
ihres Pflegekindes. In der Regel werden diese Anträge aber im Vorhinein gestellt.<br />
286 P 3. Z. 297-299<br />
287 E 3, Z. 591-593<br />
288 P 7, Z. 189-192<br />
113
Bei Kurzzeitpflegefamilien fallen Kosten für die Ausstattung mit Kleidern und Möbel<br />
für die Pflegekinder an:<br />
…und ich kann auch schon bald nicht mehr zählen, wie viele Betten ich schon gekauft habe<br />
in diesen 7 Jahren. Es kommen Kinder, die <strong>als</strong> erstes was sie machen, das Zimmer<br />
zertrümmern. Man hat dermaßen hohe Ausgaben, was hin und wieder dann nicht einmal<br />
gedeckt ist. Wo ich sage, du schaust dann wirklich manchmal durch die Finger, weil du<br />
überhaupt kein Geld mehr hast, weil du so viel investieren musst. 289<br />
Die meisten Pflegeeltern mit Dienstvertrag erhalten ein Einkommen für ihre<br />
Erziehungsleistungen, das knapp über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Die Konzepte<br />
sehen mit dem Gehalt eine sozialversicherungsrechtliche Grundabsicherung durch<br />
Kranken- und Pensionsversicherung vor - in Oberösterreich inkludiert sie auch<br />
Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge zur Pensionsversicherung führen höchstens zu<br />
einer Mindestpension. Das Gehalt ist ausdrücklich nicht <strong>als</strong> (alleinige) Lebensgrundlage<br />
gedacht. Dadurch würde ein verstärkter Erfolgsdruck auf den Pflegeeltern lasten. Mit<br />
dem Scheitern <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen wären auch erhebliche wirtschaftliche Folgen<br />
verknüpft. Das Pflegekind bekommt eine zusätzliche Funktion in der Pflegefamilie. Ein<br />
Abhängigkeitsverhältnis zur Vermittlung <strong>von</strong> Kindern durch die Behörde kann<br />
entstehen. Eine Pflegemutter äußert die Bedenken, dass Pflegeeltern so Kinder<br />
aufnehmen, die <strong>von</strong> ihren Bedürfnissen her nicht mit dem Profil der Pflegefamilie<br />
zusammenpassen, weil sie ansonsten finanziell unter Druck geraten könnten.<br />
Gleichzeitig äußern alle Interviewpartner/innen, dass die Absicherung für Pflegeeltern<br />
derzeit unzureichend und dringend notwendig ist. Bei den traditionellen Pflegeeltern<br />
kommt die Haltung zum Ausdruck, dass eine bessere Vergütung generell befürwortet<br />
wird, aber für die eigene familiäre Situation nicht unbedingt erforderlich ist.<br />
Anders die professionellen und alleinstehenden Pflegemütter, sie fühlen sich nicht gut<br />
abgesichert und entlohnt.<br />
Die Ausrichtung der derzeitigen Modelle ist eindeutig auf Pflegeelternpaare<br />
zugeschnitten. Alleinstehende Frauen, die <strong>als</strong> Pflegemutter arbeiten, wie zwei meiner<br />
Interviewpartnerinnen sind daher in einer finanziell prekären Situation. Beide haben<br />
Pflegekinder mit erhöhtem betreuerischen Bedarf, was es ihnen nicht ermöglicht einer<br />
regelmäßigen außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie stehen so finanziell<br />
unter Druck.<br />
289 P 7, Z. 289-294<br />
114
Sowieso sollte es eine richtige Absicherung sein. Ja – weil man arbeitet ja auch ein ganzes<br />
Leben lang und mehr oft <strong>als</strong> jemand mit 40 Stunden pro Woche, ja klar, das kann man<br />
überhaupt nicht vergleichen […] für mich ist das unbezahlbar! […] Ich möchte ein<br />
ordentliches Einkommen. Nicht ein „Pseudoeinkommen“! Genau ich arbeite Tag und Nacht<br />
und ich lass es mir nicht gefallen, dass man es in irgendeinen Stundenbereich einordnet –<br />
ich möchte einfach ein ordentliches Einkommen dafür. 290<br />
Die Pflegepersonen sprechen auch die grundsätzliche Frage nach dem Wert der<br />
Erziehungsarbeit in Familien und die Arbeit <strong>von</strong> Hausfrauen generell an.<br />
wenn man Geld verdient dafür, dass man <strong>als</strong> Mutter arbeitet – das gefällt mir schon einmal<br />
sehr gut. Und was es heißt <strong>als</strong> Mutter zu arbeiten, das müsste man glaube ich allen Müttern<br />
noch mal klar machen, das ist in unserer Gesellschaft einfach verloren gegangen. Also was<br />
<strong>von</strong> den Müttern geleistet wird. JA! Das würde eine Anstellung verdienen! Von meiner<br />
Sicht aus – auf jeden Fall! 291<br />
5.3.9 Verberuflichung<br />
Diese Kategorie umfasst mehrere Unterkategorien: <strong>Beruf</strong>liche Tätigkeit und Einstellung<br />
zum <strong>Beruf</strong> Pflegemutter, Handlungsmuster, berufliche Zukunftsperspektive.<br />
Alle Pflegemütter haben eine <strong>Beruf</strong>sausbildung absolviert und waren vor der<br />
Übernahme eines Pflegekindes über mehrere Jahre hinweg erwerbstätig. Die<br />
interviewten Pflegemütter sind es <strong>als</strong>o gewohnt berufstätig zu sein und schätzen die<br />
damit einhergehenden Erfahrungen, wie das Eingebundensein in ein Team <strong>von</strong><br />
Arbeitskolleg/en/innen, finanzielle Unabhängigkeit und Erfolgeserlebnisse. Zwei<br />
Pflegemütter haben eine Grundqualifikation im sozialen Bereich, diese beiden sind auch<br />
ein Dienstverhältnis eingegangen und haben <strong>als</strong> Motivation für die <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />
ein berufliches Interesse angegeben. Die übrigen Interviewpartner/innen übten bzw.<br />
üben einen <strong>Beruf</strong> in anderen Sparten aus. Eine Pflegemutter, die nach zehn Jahren<br />
kürzlich wieder halbtags in ihren erlernten <strong>Beruf</strong> zurückgekehrt ist, schildert ihr<br />
Verhältnis zur beruflichen Tätigkeit so:<br />
Und ich hab das Gefühl, ich bin die ausgeglichenere, bessere Mutter <strong>als</strong> zuvor, wo ich nicht<br />
gearbeitet habe. Einfach, weil es mir besser geht. Und ich weiß nicht, ob ich das <strong>als</strong><br />
Pflegemutter <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>, ob es das auch so geändert hätte. 292<br />
Bei dieser Pflegemutter war die Motivation zur <strong>Pflegeelternschaft</strong> im unerfüllten<br />
Kinderwunsch begründet.<br />
290 P 5, Z. 204-207; Z. 211-213<br />
291 P 3, Z. 186-191<br />
292 P 2, Z. 431-433<br />
115
Die Einteilung mit der die Arbeit <strong>von</strong> Müttern traditionell verknüpft war, nämlich, dass<br />
es keine Arbeit sei, findet sich in den Äußerungen der Pflegeeltern nirgends, im<br />
Gegenteil, die Pflegepersonen sind sich sehr bewusst, was geleistet wird.<br />
Die Leistungen werden durchwegs <strong>als</strong> Arbeit wahrgenommen, aber nur <strong>von</strong> einem Teil<br />
der Mütter <strong>als</strong> berufliche Arbeit.<br />
Eine besonders prägnante Aussage <strong>von</strong> einer traditionellen Pflegemutter, deutet darauf<br />
hin, dass sie es nicht <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit betrachten möchte, weil sie es ja gern tut.<br />
Damit ist die Annahme impliziert, dass Personen, die beruflich Pflegemütter oder<br />
Pflegeväter sind, es nicht gern tun bzw., dass Arbeit in erster Linie mit Mühe und<br />
Anstrengung verbunden wird.<br />
Es kommt immer darauf an, ob man das <strong>als</strong> Arbeit sieht oder ob man es gern tut. 293<br />
Die Perspektive auf den <strong>Beruf</strong> Pflegeperson ändert sich jeweils im Zusammenhang mit<br />
Pflegeform und Betreuungsbedarf der Pflegekinder.<br />
Da macht es Sinn die Anstellung, weil man dann sagt, ja ich mache das und auch in dieser<br />
Qualität, bin Partner vom Jugendamt und die wissen dann ja auch: Ja diese Familie, da geht<br />
es ganz gut mit den Babys und eine andere kann gut mit älteren Kindern so <strong>von</strong> 5 bis 10<br />
Jahren, einfach <strong>als</strong> Ansprechpartner auch für das Jugendamt, damit sie dort untergebracht<br />
werden können, wenn es notwendig ist. 294<br />
Aber was anderes ist es bei der Dauerpflege, finde ich, das hat für mich einen ganz anderen<br />
Aspekt. Das sind Leute, die meinen, sie können es sich gut vorstellen, dass noch ein Kind<br />
bei Ihnen lebt, da geht es nicht um Elternarbeit oder sonst irgendwas, sondern nur darum,<br />
dass ein Kind bei Ihnen lebt. Und da sehe ich es nicht so. 295<br />
Für Personen, die <strong>Pflegeelternschaft</strong> (auch) aus einer beruflichen Orientierung heraus<br />
ausüben, sind Themen wie Einbindung in eine Organisation <strong>Beruf</strong>sbild, angemessene<br />
Bezahlung, Rechte und Pflichten <strong>als</strong> Arbeitnehmer/in wichtige Materien, mit denen sich<br />
auseinandergesetzt wird.<br />
Der berufliche Hintergrund dass ich Supervisionen habe, dass ich dort dazu gehöre, dass ich<br />
dort hin gehen kann – ohne das würde ich das nicht machen. 296<br />
Bei Formen der zeitweiligen Unterbringung sind die Funktion, die die<br />
Pflegeperson ausübt und ihre Ziele transparent.<br />
293 P 1, Z. 326-327<br />
294 P 2, Z. 518-524<br />
295 P 6, Z. 275-279<br />
296 P 7, Z. 23-25<br />
116
Ich sehe es <strong>als</strong> meinen <strong>Beruf</strong> an, Ja und die meisten sagen dann, sie könnten die Kinder<br />
nicht mehr hergeben. Und ich sage dann aber immer: Naja - aber die Eltern sind für mich<br />
präsent - sind ja ständig da! […]<br />
Für mich war das klar, das ist mein <strong>Beruf</strong>, die Kinder sind in dieser Zeit da, ich sehe mich<br />
da <strong>als</strong> kleines Kinderhotel, da geht es ihnen gut, ich schaue das Pflege und Erziehung passt<br />
– das war für mich klar. 297<br />
Für Personen, deren Motivation gänzlich auf das Kind bezogen war, sind viele dieser<br />
Aspekte zweit und drittrangig, jedoch ist auch für sie eine soziale Absicherung Thema.<br />
Für sie ist es aber genauso wichtig, auf ein Netzwerk zur Unterstützung zurückgreifen<br />
zu können, das bereit- und zur Verfügung steht, wenn schwierige Situationen mit dem<br />
Pflegekind oder seinen leiblichen Eltern auftreten. Auch ohne dass dafür zwingend ein<br />
Dienstverhältnis eingegangen werden muss.<br />
Als Indikatoren für die Annäherung an ein berufliches Verständnis im Handeln der<br />
Pflegepersonen können die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Reflexion und induktives<br />
Vorgehen identifiziert werden.<br />
Der Habitus einer Pflegeperson mit beruflicher Orientierung zeichnet sich nach<br />
Pasquale weiters durch umfassendes Kindheitsmanagement, Selbstreflexion, Flexibilität<br />
und autonome Selbstdefinition - d.h. die Pflegeperson nimmt auch ihre Bedürfnisse und<br />
Interessen wahr - aus. Zum professionellen Habitus gehören Respekt vor der<br />
Persönlichkeit des Kindes und ein Bewusstsein über die Grenzen der erzieherischen<br />
Interventionen. 298<br />
Besonders der zuweilen notwendige distanziertere Blick auf die<br />
Tätigkeit und das Verhalten des Pflegekindes wird in den Interviews <strong>von</strong> beiden<br />
Gruppen angesprochen:<br />
Da distanziere ich mich, weil ich sage, das ist meine Arbeit, das ist mein Job, ich bin für das<br />
Kind da. 299<br />
Gerade wenn ich mich mal richtig ärgere, dann sage ich mir: Das ist mein <strong>Beruf</strong>! Wenn es<br />
wirklich mal brennt und dann komme ich voll schnell wieder runter. Das hat nichts mit<br />
Bezahlung zu tun. 300<br />
Von professionellen Pflegepersonen werden das Einhalten gewisser<br />
Dienstverpflichtungen und eine verstärkte reflexive Auseinandersetzung mit ihrer<br />
Aufgabe vom Dienstgeber gefordert. Die Expertin aus Oberösterreich gibt an, dass auf<br />
297 P 7; 201-202; 205-208<br />
298 vgl. Pasquale (1998), S. 271<br />
299 P 7, Z. 137<br />
300 P 3, Z. 281-283<br />
117
eine klare Trennung zwischen Beratungsgesprächen, und dienstlichen Besprechungen<br />
Wert gelegt wird, daher werden diese Gespräche <strong>von</strong> verschiedenen Personen<br />
durchgeführt. Damit soll vermieden werden, dass eventuelle Schwierigkeiten, die mit<br />
der Dienstverpflichtung zusammenhängen (Urlaub etc.) die Beratungsgespräche, in<br />
denen es um das Pflegeverhältnis geht, überlagern. Sie kann <strong>von</strong> Äußerungen der<br />
Pflegeeltern berichten, wonach es zwar immer wieder schwierige Phasen in den<br />
Pflegeverhältnissen gibt, diese aber durch die offensive Auseinandersetzung mit ihnen<br />
und die Begleitung gut bewältigt werden.<br />
Durch die Einbindung vieler Pflegeeltern in den Verein <strong>als</strong> Angestellte kommt es auch<br />
zu erweiterten Formen <strong>von</strong> Zusammenschlüsse und der Entfaltung eines<br />
„Zusammengehörigkeitsgefühls“. In Anlehnung an das vorgestellte Schema <strong>von</strong><br />
Verberuflichung <strong>von</strong> Hartmann kann man dies auch <strong>als</strong> eine Weiterentwicklung in der<br />
Dimension der Vergesellschaftung deuten. Beispiele dafür sind das Einbinden der<br />
Pflegeeltern in den Betriebsrat, der eine institutionalisierte Form der Vertretung der<br />
Rechte der angestellten Pflegeeltern im Verein darstellt. Oder aber die Ideenwerkstatt<br />
<strong>von</strong> Pflegeeltern, wo sich regelmäßig interessierte Pflegeeltern zusammenfinden um<br />
sich auszutauschen und an Projekten, wie der Ausformulierung eines <strong>Beruf</strong>sbildes<br />
„Pflegemutter/Pflegevater“ zu arbeiten.<br />
Die Expert/inn/en stimmen darin überein, dass die Basis für eine berufliche Tätigkeit <strong>als</strong><br />
Pflegeperson immer das persönliche umfassende Engagement am Wohlergehen des<br />
Pflegekindes sein kann. Eine rein beruflich orientierte Haltung und bloße<br />
Erwerbsabsicht können nicht Grundlage für die Übernahme dieser Rolle sein:<br />
Das muss ich ganz ehrlich sagen, wenn’s z.B. so wäre, dass man vom AMS Leute geschickt<br />
bekommt- so soll es ja laufen im Pflegehelferbereich, so werden viele Arbeitslose in diesen<br />
Bereich transportiert. – Und so was kann ich mir für Pflegeeltern ganz schwer vorstellen.<br />
Bei uns ist das ja auch bei denn Tagesmüttern so, die dann auch nicht glücklich sind, die<br />
müssen auch die Leute nehmen, aber da geht’s vielleicht noch, aber ob das für Pflegeeltern<br />
die richtige Schiene wäre, das ist die Frage […] da ist wirklich viel, viel mehr dahinter <strong>als</strong><br />
bloß Arbeitsplatzbeschaffung, wenn ein Kind in die Familie integriert wird. 301<br />
Bei der erstmaligen Einführung <strong>von</strong> Dienstverhältnissen wurde <strong>von</strong> einer Expertin eine<br />
Überlagerung der kindbezogenen Themen <strong>von</strong> arbeits- und dienstrechtlichen Belangen<br />
beobachtet, was man nicht beabsichtigt hatte. Die Bedürfnisse des Kindes sind in den<br />
Hintergrund getreten. Diese Entwicklung fand man nicht optimal. Für eine große<br />
301 E 1, Z. 322-328<br />
118
Gruppe <strong>von</strong> Pflegeeltern kommt eine verberuflichte Form <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />
grundsätzlich nicht in Frage:<br />
Viele wollen es gar nicht, die sagen, dass mag ich gar nicht, wobei viele eigentlich nur<br />
Angst haben, dass es dann die Freiwilligkeit und das Gute, <strong>als</strong>o den sozialen Charakter<br />
verliert dabei. 302<br />
Die Pflegemütter machten auch Angaben zu ihrer beruflichen Zukunftsperspektive. Die<br />
professionellen Pflegepersonen sehen sie weiterhin im Sozialbereich, die andere Gruppe<br />
möchte wieder bzw. ist in ihren ursprünglichen <strong>Beruf</strong> zurückgekehrt.<br />
Und wer weiß was ich noch einmal mache mit diesem <strong>Beruf</strong>. Jetzt sind meine Kinder klein,<br />
jetzt will ich daheim bleiben, wie lange ich das mache <strong>als</strong> Pflegemutter weiß ich ja selber<br />
noch nicht. 303<br />
Deswegen sage ich auch, man kann diese Tätigkeit nicht ewig machen. Das ist sicher ein<br />
wichtiger Punkt. […] man kriegt irgendwann die Routine und das ist gerade im<br />
Sozialbereich ganz schlecht und vor allem, man muss auf sich selber schauen! Man muss<br />
sowieso sehr auf sich schauen in dem Bereich, nur sehr viel kann man es eben nicht. 304<br />
Beide Gruppen wünschen sich, dass die erworbenen Qualifikationen für sie nutzbar<br />
gemacht werden können durch Zertifizierung, um sie nachweisen zu können, oder <strong>als</strong><br />
Anrechnung, falls sie eine weitere Ausbildung im Sozialbereich anstreben.<br />
5.3.10 Anerkennung<br />
Die Frage wie Pflegeeltern Anerkennung erfahren für das, was sie in ihrer Funktion tun,<br />
war Ausgangspunkt für Aussagen, die in dieser Kategorie zusammengefasst wurden.<br />
In erster Linie deuten die Ausführungen darauf, dass die größte Anerkennung in der<br />
entstehenden Beziehung zum Pflegekind gesehen wird. Die Pflegemütter erfahren<br />
Anerkennung über die positiven Reaktionen <strong>von</strong> den Menschen, mit denen sie<br />
zusammenarbeiten, hier werden Herkunftseltern und Sozialarbeiter/innen explizit<br />
genannt. Situationen, in denen diese Anerkennung angesprochen wurde, bleiben<br />
besonders in Erinnerung. Eine professionelle Pflegemutter nennt die Bezahlung <strong>als</strong><br />
Form der Anerkennung, die ihr entgegengebracht wird.<br />
Interessant sind die widersprüchlichen Aussagen einer traditionellen Pflegemutter, sie<br />
möchte zunächst keine Anerkennung:<br />
302 E 1, Z. 143-147<br />
303 P 7, Z. 297-300<br />
304 P 6, Z. 66-68; 72-75<br />
119
Das will ich gar nicht! Wieso soll ich da eine Anerkennung haben wollen. [starke<br />
Ablehnung] Ich tu es weil es mir Spaß macht und es mir taugt und eine Herausforderung<br />
ist. […] Nein ich möchte nicht <strong>von</strong> irgendjemand Anerkennung dafür. 305<br />
Im nächsten Absatz erwähnt sie aber ihren Wunsch nach Anerkennung durch die<br />
Pflegekinder.<br />
Die entlohnte Pflegemutter, die nach ihrem Selbstkonzept dem berufsorientierten Typ<br />
zuzuordnen ist, sieht sich <strong>von</strong> niemandem anerkannt. Ihre Aussagen waren durchgängig<br />
pessimistischer und nüchterner <strong>als</strong> die der übrigen Gesprächspartner/innen.<br />
Ich glaube das gibt es gar nicht, sowie man einer Mutter nicht sagt, wie brav sie ihre Kinder<br />
erzieht – ist es da genauso. Auch wenn es fremde Kinder sind. Am Jugendamt wird einem<br />
das nie gesagt, im Gegenteil! Da müsste man alles anders machen oder besser oder<br />
irgendwie oder es hört einem sowieso niemand zu – nein nirgendwo! 306<br />
Aus den Befunden in Kap. 4.1 geht hervor, dass der Mensch in unserer westlichen<br />
Gesellschaft gerade durch seine Arbeit soziale Anerkennung erfährt oder sie im Falle<br />
<strong>von</strong> Arbeitslosigkeit auch abgesprochen wird. Voswinkel erklärt, dass nicht das<br />
Ausführen einer beruflichen Tätigkeit an sich Anerkennung vermittelt, sondern diese<br />
erst in Verbindung mit bestimmten Formen des Kapit<strong>als</strong>, wie ökonomischem,<br />
kulturellem oder sozialem Kapital entgegengebracht wird. Er unterscheidet zwei<br />
Anerkennungsformen 307 :<br />
Die Bewunderung 308 , die für Prestige, Fähigkeiten, Kapital, Ressourcen und Leistung<br />
steht und die Würdigung 309 , die mit Begriffen wie Dankbarkeit, Opfer, Bemühungen,<br />
Engagement verknüpft wird. Würdigung setzt eine Form <strong>von</strong> sozialer Beziehung voraus<br />
und basiert auf sozialem Austausch.<br />
Zwei kurze Beispiele machen die Differenz deutlich: Gewürdigt wird der Einsatz <strong>als</strong><br />
freiwilliger Helfer/in z.B. mit der Verleihung <strong>von</strong> „Anerkennungssymbolen“ (bei<br />
Pflegeeltern z.B. durch Briefe an Muttertag oder Einladungen in die Oper etc.),<br />
bewundert wird eine steile Karriere. Beide beziehen sich auf eine Leistung, die erbracht<br />
wird. Wenn Leistung mehr aus dem Blickwinkel des geleisteten Aufwands, des<br />
Beitrags, der Kosten, der Opfer und Mühen gesehen, so wird hierfür eine entsprechende<br />
Gegenleistung erwartet in Form <strong>von</strong> Lohn und Anerkennung. Wird Leistung dagegen<br />
305 P 1, Z. 394-395; Z. 405-406<br />
306 P 5, Z. 162-165<br />
307 vgl. Voswinkel (2000), S. 40<br />
308 ebda, S. 42<br />
309 ebda<br />
120
eher an ihrem wirtschaftlichen Ertrag und Erfolg gemessen, spielt der Aufwand dafür<br />
eine untergeordnete Rolle. Würdigen kann man auch Arbeiten, die nicht zum Erfolg<br />
führen; Würdigung kann auch <strong>als</strong> Entschädigung für fehlende Bewunderung<br />
interpretiert werden. Es ist gerade die Selbstverleugnung, die Aufopferung, der<br />
Würdigung gebührt. Würdigung ist demnach vor allem eine stark moralische<br />
Kategorie. 310<br />
Die vermehrten Rufe nach Anerkennung der „Leistung“ und Fähigkeiten, die<br />
Pflegeeltern erbringen und einsetzen, entspricht dem Wunsch nach der<br />
Berücksichtigung in der Anerkennungsdimension Bewunderung, die in unserer<br />
Gesellschaft einen höheren Stellenwert <strong>als</strong> Würdigung genießt.<br />
Als Form der Anerkennung ihrer Tätigkeit wünschen sich die Pflegeeltern in erster<br />
Linie mehr Möglichkeiten zur Fortbildung, einen Ausbau des Helfernetzwerkes, dass<br />
sich Sozialarbeiter/innen mehr Zeit nehmen. Durch die Möglichkeit <strong>Pflegeelternschaft</strong><br />
<strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> ausüben zu können, erwarten sich die interviewten Pflegeeltern eine vermehrte<br />
positive Wahrnehmung ihrer Tätigkeit und größere Interessiertheit an<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong>.<br />
Die Wertschätzung kommt nicht so sehr über das Geld, sondern aus dem Umgang mit<br />
Pflegeeltern. Wie behandle ich Pflegeeltern, wie behandeln sie die Sozialarbeiter vom<br />
Jugendamt, wie behandelt das Helfersystem die Pflegeeltern, wie werden sie gesehen, wie<br />
werden sie wertgeschätzt. 311<br />
5.4 Zusammenfassung<br />
Pflegeeltern treten mit unterschiedliche Motiven, und Wünschen und Erwartungen an<br />
ein Pflegeverhältnis heran. Die Kompetenzen und Anforderungen an Pflegeltern<br />
unterscheiden sich je nach dem Auftrag, den es zu erfüllen gilt und nach dem<br />
Hilfebedarf des Pflegekindes, dieser ist zu Beginn eines Pflegeverhältnisses oft noch<br />
unklar. Das Herkunftssystem spielt in jedem Fall eine entscheidende Rolle für das<br />
Erleben <strong>als</strong> Pflegeperson. Die Idee einer Verberuflichung wird widersprüchlich bewertet<br />
und fordert zu Kontroversen heraus. Diese wurzeln in der Ablehnung der Vorstellung,<br />
310 vgl. ebda<br />
311 E 1, Z. 217; Z. 242-245<br />
121
dass „Kinder des Geldes wegen“ aufgenommen werden; dieses Bild wird vielfach mit<br />
der Verberuflichung verknüpft. Eine mögliche Absicherung der hauptsächlich mit dem<br />
Pflegekind befassten Person wird aber dennoch begrüßt.<br />
Die Etablierung eines <strong>Beruf</strong>sbildes wird <strong>als</strong> Chance wahrgenommen, dass es zu einer<br />
vermehrten Wahrnehmung und Anerkennung der Tätigkeit in der Gesellschaft kommt,<br />
aber auch dazu, die eigene Position gegenüber Sozialarbeiter/innen/n,<br />
Psycholog/innen/en, Ärzte/innen/n und anderen Systempartner/innen/n zu stärken.<br />
6 Schlussbetrachtung und Ausblick<br />
Mit den ausführlichen Interviews zum Thema <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> wurde<br />
beabsichtigt, Einstellungen zur Verberuflichung des Tätigkeitsfeldes <strong>von</strong> Pflegeeltern<br />
zu erfassen. Konsens besteht darüber, dass der eingeschlagene Weg der Qualifizierung<br />
und Absicherung <strong>von</strong> Pflegeeltern weiter beschritten werden soll und muss. Es zeigt<br />
sich eine Tendenz zu einer höher Qualifizierung aller Pflegepersonen und somit ein<br />
generell fachlicherer Zugang zu Pflegeverhältnissen, das Pflegekinderwesen gewinnt an<br />
Professionalität.<br />
Sowohl ihrem Anspruch nach <strong>als</strong> auch empirisch nachvollziehbar üben Pflegepersonen<br />
eine vielschichtige Tätigkeit aus. Sie versuchen, die erworbenen Kenntnisse aus den<br />
Ausbildungen in die Erziehung der ihnen anvertrauten Kinder einzubeziehen. Nachdem<br />
ein Kind in die Familie aufgenommen wurde, ist sie Leistungsträger, in den<br />
Pflegefamilien wird der größte Teil der Leistungen des Pflegekinderwesens erbracht.<br />
Natürlich ist das Primat der Elternrolle in Pflegeverhältnissen unbestritten, denn diese<br />
Form der Hilfe ergibt sich ja aus dem Hilfebedarf des Kindes und das Familiensetting<br />
wurde einer Unterbringung in einem institutionellen Rahmen Vorzug gegeben. Die<br />
Pflegekinder brauchen neben der emotionalen Zuwendung aber auch kompetente und<br />
für ihre Geschichte und Bedarfe sensibilisierte Pflegeeltern.<br />
Immer wieder wird der Vergleich mit <strong>Beruf</strong>sgruppen, die in stationären Einrichtungen<br />
der Jugendhilfe tätig sind angestrengt, um auf eine Ungleichbehandlung und<br />
Handlungsbedarf hinzuweisen. Die Tätigkeiten <strong>von</strong> Pflegefamilien werden in der<br />
Gesellschaft, z.B. im nachbarlichen Umfeld oft nicht <strong>als</strong> qualifizierte erkannt. Wenn<br />
eine Aufgabe in der Öffentlichkeit <strong>als</strong> „alltäglich“ und einfach gilt, dann wird ihre<br />
Anerkennung <strong>als</strong> berufliche Tätigkeit besonders schwer. Sie ist <strong>von</strong> Pflegefamilien auch<br />
122
nicht immer gewollt, da es auf den Status des Kindes <strong>als</strong> Pflegekind in der Familie<br />
hinweist und mit einer Stigmatisierung des Kindes einhergeht. Für die Bewertung der<br />
Leistungen <strong>von</strong> Pflegeeltern ist sie aber <strong>von</strong> Vorteil.<br />
Kann das Tätigkeitsbündel, das Pflegeeltern zu leisten haben <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong> gesehen werden?<br />
Für bestimmte Pflegeformen lässt sich dies eindeutig mit Ja beantworten.<br />
Wenn man die Merkmale <strong>von</strong> „<strong>Beruf</strong>“ nach Lempert 312 betrachtet und die<br />
pflegeelterliche Tätigkeit darin zu verorten sucht, kommt man zu folgenden Schlüssen:<br />
Sie handelt sich um eine personengebundene Kombination <strong>von</strong> Leistungen und<br />
Kompetenzen. Diese Kompetenzen müssen durch Ausbildung erworben und bescheinigt<br />
werden, wie z.B. bei der Ausbildung zu/m/r Familienpädagog/in/en. Dadurch wird eine<br />
Möglichkeit zum „Broterwerb“ geschaffen, und das für längere Zeit.<br />
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung haben gezeigt, dass die Tätigkeit der<br />
professionellen Pflegepersonen, für Frauen und Männer <strong>als</strong> eine interessante Alternative<br />
zu einer hauptberuflichen außerhäuslichen Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen<br />
wird. Der <strong>Beruf</strong> Pflegeperson kann dauerhaft oder für einen bestimmten Zeitraum<br />
ausgeübt werden, <strong>als</strong> Zwischenstation in einer <strong>Beruf</strong>slaufbahn, die grundsätzlich im<br />
Sozial/- Kinderbetreuungsbereich angesiedelt ist. Diese Pflegepersonen sehen es <strong>als</strong><br />
beruflicher Herausforderung, Eltern und Kindern in einer schwierigen Lebenslage zu<br />
unterstützen. Ihr Engagement für ein einzelnes Pflegkind ist ein zeitweises und sie<br />
können sich vorstellen im Sozialbereich in anderer Funktion weiter zu arbeiten, wenn<br />
das Pflegekind nicht mehr bei ihnen ist. Zwei Brennpunkte lassen sich in ihrem Handeln<br />
erkennen: Die Aktivität mit dem Kind und ganz klar auch Arbeit mit dessen<br />
Herkunftssystem. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Pflegefamilien, die<br />
Pflegekindern zeitweise Unterbringungen bieten möchten. Sie zielen nicht auf die<br />
völlige Integration eines Kindes in die Familie ab, und kommen daher verstärkt für<br />
Kurzzeit und Interimspflegeformen in Betracht, wo eine Rückführung in die<br />
Herkunftsfamilie angestrebt wird. Eine kürzere Aufenthaltsdauer beinhaltet eine andere<br />
Beziehungsqualität und eine andere Form <strong>von</strong> Arbeitsbeziehung mit den weiteren<br />
Systempartner/n/innen.<br />
312 vgl. Kap. 4.1, S. 57<br />
123
Pflegefamilien, die Pflegekinder mit erhöhten Bedarfen (durch Behinderung oder<br />
schwerwiegende Traumatisierungen) dauerhaft bei sich aufnehmen und eine völlige<br />
Integration des Kindes anstreben können auch dieser Gruppe zugeordnet werden, da sie<br />
ebenfalls höheren Anforderungen gerecht werden müssen (vgl. Heilpädagogische<br />
Pflegefamilien, Kap. 2.2.4 ) Die Beziehungsgestaltung zum Pflegekind orientiert sich<br />
aber eher am Modell der traditionellen Pflegefamilie.<br />
In der – wie ich sie benenne - qualifizierten Pflegefamilie wird die Möglichkeit eines<br />
zusätzlichen Beitrags zum Familieneinkommen und zum Sammeln <strong>von</strong> Pensionszeiten<br />
begrüßt und <strong>als</strong> Strategie gesehen, familiale Aufgaben mit einer Absicherung zu<br />
kombinieren. Der Prozess der Verberuflichung trifft aber für sie nicht so umfassend zu.<br />
Sie streben die dauerhafte Integration des Kindes in der Familie an, die Kinder sollen in<br />
der Familie bleiben und feste Bindungen aufbauen können. Die Pflegeperson geht ein<br />
Dienstverhältnis bewusst für diese Kinder ein. Sie nehmen die Angebote zur Fort und<br />
Weiterbildung an, weil sie durch das erworbene Wissen ihre Pflegekinder besser<br />
unterstützen können. Pflegeeltern arbeiten geplant und dokumentieren ihre Tätigkeiten,<br />
sie beziehen auch weitere Fachkräfte in ihre Arbeit mit ein. Wenn die Kinder aus dem<br />
„Gröbsten raus“ sind, orientieren sich die Pflegepersonen wieder an dem <strong>Beruf</strong>, den sie<br />
vor Beginn der Pflegschaft ausgeübt haben und lösen das Dienstverhältnis <strong>als</strong><br />
Pflegeperson bzw. koppeln es mit einer anderweitigen Teilzeitbeschäftigung.<br />
Pflegepersonen werden auf niedrigem Grundniveau abgesichert, sie bilden sich dafür<br />
spezifisch weiter und sind in eine Organisation eingebunden. Damit soll die<br />
Qualitätssicherung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen garantiert werden. Dieses Modell <strong>von</strong><br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> beruflichte Tätigkeit bietet für Pflegeeltern mit besonders<br />
entwicklungsbeeinträchtigten und anspruchsvollen Pflegekindern zuweilen auch<br />
zuwenig an Unterstützung. 313<br />
Die Gruppe unter den traditionellen Pflegeeltern, die ein exklusives<br />
Pflegefamilienkonzept integriert hat, möchte zwar auch Unterstützung, aber auf<br />
freiwilliger Basis, wenn sie es für nötig hält. Sie findet wenig Gefallen an der Idee,<br />
<strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> ihren <strong>Beruf</strong> zu sehen. Es ist für sie kein Widerspruch das Betreuen<br />
313 vgl. E 4, Z. 446-447<br />
124
und Erziehen <strong>von</strong> Pflegekindern nicht <strong>als</strong> ihren <strong>Beruf</strong> zu sehen und dennoch<br />
professionelle Zugänge und Haltungen zu entwickeln. Dies unterstreichen auch die<br />
Aussagen der Experten/innen. Die Gruppe der traditionellen Pflegefamilien möchte die<br />
Kinder voll integrieren, in späterer Folge eventuell auch adoptieren und ein möglichst<br />
ungestörtes, „normales“ Familienleben führen. Eine materielle Absicherung, die sich<br />
aus dem Pflegeverhältnis begründet, ist für sie nicht entscheidungsrelevant bzw. führt<br />
zu moralischen Bedenken. Für diese Pflegeeltern haben der Kinderwunsch und der<br />
Wunsch nach einer „vollständigen“ Familie oberste Priorität. In der Steiermark werden<br />
deshalb für die dauerhaften Pflegeformen auch keine Dienstverhältnisse angeboten und<br />
angestrebt.<br />
Fakt ist, dass verberuflichte Formen <strong>von</strong> <strong>Pflegeelternschaft</strong>, neben der klassischen,<br />
traditionellen Familienpflege, auf dem Weg sind, sich zu etablieren - auch aus Sicht der<br />
Pflegeeltern selbst. Die Entscheidung in welchem Ausmaß ihnen dies ermöglicht wird,<br />
liegt bei den Jugendwohlfahrtsträgern.<br />
Pflegeeltern bekamen schon immer eine Aufwandsentschädigung für die Versorgung<br />
des Kindes, die befürchtete Entwicklung, dass es zu einem Geschäft werden könnte, ein<br />
Pflegekind bei sich aufzunehmen ist meines Erachtens äußerst gering, wenn sie nun<br />
angestellt und versichert werden.<br />
Eine finanzielle Entlohnung ist und kann nur ein Teil der Anerkennung für Pflegeeltern<br />
sein. Mit dem Anspruch an qualitätsvoller Arbeit sollten Pflegeeltern nicht sich selbst<br />
überlassen werden. Die Schaffung <strong>von</strong> Rahmenbedingungen für Pflegeverhältnisse, in<br />
denen den Bedürfnissen der Pflegekinder am besten entsprochen werden kann, ist<br />
Aufgabe der Jugendwohlfahrtsträger.<br />
Als weitere Maßnahmen zu einer Verbesserung der Lage <strong>von</strong> Pflegeeltern und<br />
Pflegekindern können sein: Die Beseitigung <strong>von</strong> steuerlichen Nachteilen, damit ein<br />
Dienstverhältnis auf geringfügiger Basis kein Nullsummenspiel wird. Die verstärkte<br />
Zusammenarbeit und Vereinbarungen zwischen den Bundesländern, damit<br />
systematische Ungleichbehandlung <strong>von</strong> Pflegeeltern im selben Bundesland nicht<br />
vorkommen kann. Eine Zertifizierung und Anrechnung der erworbenen Qualifikationen<br />
125
für mögliche Fortsetzung der <strong>Beruf</strong>stätigkeit im Sozial- und Kinderbetreuungsbereich,<br />
nach Beendigung eines Pflegeverhältnisses, wird <strong>von</strong> Pflegeeltern ebenfalls begrüßt.<br />
Angebote für die Pflegekinder selbst sollten geschaffen werden, um ihnen die<br />
Möglichkeit des Austausches zu geben – dies wird in der Steiermark voraussichtlich in<br />
Kürze umgesetzt.<br />
Ein nächster Schritt zur besseren Bewältigung der Situation Fremdunterbringung<br />
generell kann die verstärkte Arbeit mit Herkunftsfamilien sein, nachdem die<br />
Herausnahme des Kindes erfolgt ist. Eine intensivere Arbeit mit Herkunftsfamilien ist<br />
über den Bereich des Besuchskontaktes hinaus noch kaum weiterentwickelt worden.<br />
Hier stellt sich die Frage, wer dies übernehmen soll, da die Mitarbeiter/innen der<br />
behördliche Sozialarbeit unter derzeitigen Bedingungen (steigende Fallzahlen, keine<br />
bzw. schleppende Nachbesetzungen etc.) eine Ausweitung ihrer Aufgaben wohl kaum<br />
befürworten würden. Im Grunde handelt es sich nicht um eine Ausweitung der<br />
Aufgaben, sondern dem bestehenden Auftrag müsste umfassender nachgekommen<br />
werden können. Hier eröffnet sich meines Erachtens ein weiteres Betätigungsfeld für<br />
die freien Träger im Pflegekinderwesen, sie würden auch aus einer neutraleren Position<br />
heraus arbeiten, da sie aus Perspektive der Herkunftsfamilie weniger stark negativ<br />
besetzt sind im Vergleich zur Behörde. Dafür müsste natürlich das Bewusstsein für die<br />
Notwendigkeit einer solchen Betreuung bei den politischen Entscheidungsträger/innen/n<br />
vorhanden sein.<br />
Weiterentwicklung im Sinne <strong>von</strong> Qualitätssteigerung im Pflegeelternwesen kann nicht<br />
nur <strong>von</strong> Pflegeeltern gefordert werden. Auch die beteiligten Fachkräfte müssen das<br />
gewandelte Selbstbild <strong>von</strong> Pflegeeltern anerkennen, die sich nicht in mehr in eine Art<br />
Klient/en/innen/rolle der Behörde gegenüber verhaftet wissen wollen, sondern die<br />
selbstbewusst auf ihre Fähigkeiten und Leistungen für das System der Erziehungshilfen<br />
generell verweisen.<br />
Im Hinblick auf die zukünftige fachliche Diskussion im Pflegekinderwesen kann für die<br />
nächste Zeit mit weiteren Impulsen gerechnet werden, die auf aktuell erhobenen<br />
empirischen Daten beruhen.<br />
126
Die Veröffentlichung einer Fallstudie, die dem Ansatz <strong>von</strong> Biographieforschung folgt,<br />
beschäftigt sich mit der Untersuchung <strong>von</strong> Resilienzfaktoren, die Pflegekinder für den<br />
Umgang mit ihrer Situation stärken. Die Publikation der Forschungsergebnisse <strong>von</strong><br />
Gehres & Hildebrand ist noch im Herbst 2007 zu erwarten.<br />
Eine Projektgruppe des Deutschen Jugendinstituts arbeitet an der Herausgabe eines<br />
neuen Handbuches für das Pflegekinderwesen, das der Nachfolger des 1987<br />
erschienenen werden wird. 314 Eingedenk der Reaktionen und Folgen, welche das<br />
Vorgängerwerk angestoßen hat, darf man gespannt sein, welche Resultate sich aus den<br />
Studien ergeben und welche Handlungsempfehlungen für die Praxis des<br />
Pflegekinderwesens daraus abgeleitet werden.<br />
314 Es handelt sich um ein umfassendes Forschungsprojekt mit Laufzeit <strong>von</strong> 2005 bis Ende 2008, in dem<br />
auch europäische Vergleichsdaten erhoben werden. Eine kontinuierliche Veröffentlichung der<br />
Zwischenergebnisse erfolgt im Internet unter www.dji.de.pkh.<br />
127
7 Literatur- und Quellenverzeichnis<br />
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(Abgefragt unter http://www.verwaltung.ktn.gv.at/cgi-bin/evoweb.dll/web/akl/1992_<br />
DE-Produkte-LeistungenProduktDetail.64F758773a3550091614b16b3d2adefa275a6b<br />
14?ipr _id=6918, am 29.03.2007)<br />
Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung für das Sozialwesen<br />
(Hrsg.) (2000): Information Ruhegeld. (Abgefragt unter<br />
http://www.soziales.steiermark.at/cms/dokumente/10034772_5339/a2d7ea93/folder_pfl<br />
egemuetter.pdf, am 12.08.2007)<br />
Andriopoulos, Sotirios (1995): Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie – Beratung<br />
und Unterstützung. In Martin R. Textor & Peter Klaus Warndorf (Hrsg.),<br />
Familienpflege: Forschung, Vermittlung, Beratung (S.202-217). Freiburg im Breisgau:<br />
Lambertus.<br />
Andruschow, Katrin (Hrsg.) (2001): Ganze Arbeit. Feministische Spurensuche in der<br />
Non-Profit Ökonomie. Berlin: Edition Sigma.<br />
Arbeitskreis zur Förderung <strong>von</strong> Pflegekindern e.V. (Hrsg.) (1995): Pflegekinder in<br />
einer veränderten Welt. Dokumentation der Europäischen IFCO- Konferenz 1994 in<br />
Berlin. Münster: Votum Verlag.<br />
Jürgen Blandow (2007): Perspektiven des Pflegekinder- (und Adoptionswesens).<br />
Referat zur Fachtagung „Kinder in Pflege- und Adoptivfamilien“ in der Bildungsstätte<br />
St. Virgil Salzburg am 28.2.2007 (Abgefragt unter<br />
http://www.virgil.at/downloads/skriptblandow1.doc am 23.06. 2007)<br />
Blandow, Jürgen (2006): Zwischen Stagnation und neuem Aufbruch – das<br />
Pflegekinderwesen in fachlicher und jugendhilfepolitischen Diskussion. Referat zur<br />
Tagung „Facetten der Modernisierung. Das Pflegekinderwesen zwischen Milieu,<br />
Professionalisierung und Modernisierung“ an der Universität Siegen. (Abgefragt unter<br />
http://www3.uni-siegen.de/fb2/pflegekinder2006/tagungsdokumentation/?lang=de am<br />
01.03.2007)<br />
Blandow, Jürgen (2005): Pflegefamilie auf dem Weg zur professionellen<br />
Familienpflege? – Folgen für Kinder – Auswirkungen auf das Pflegekinderwesen. In<br />
Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.), 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens.<br />
Pflegekinder in Deutschland – Bestandsaufnahme und Ausblick zur Jahrtausendwende<br />
(2. unveränderte Auflage) (S. 113-125). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />
Blandow, Jürgen (2004): Pflegekinder und ihre Familien. Geschichte, Situation und<br />
Perspektiven des Pflegekinderwesens. Weinheim: Juventa.<br />
Blandow, Jürgen (2002): Sozialraum und Milieuorientierung in der Pflegekinderarbeit.<br />
In ISA Münster (Hrsg.), Expertengespräch Sozialraum und Pflegekinderarbeit.<br />
128
Tagungsdokumentation (S. 5-20). Münster: o. V. (Abgefragt unter: http://www.isamuenster.de/pdf/Materialien/Pflegekinder/Expertengespr%E4ch%20Sozialraum%20und<br />
%20Pflegekinder.pdf am 11.08.2007).<br />
Blandow, Jürgen (1999): Versorgungseffizienz im Pflegekinderwesen. In Herbert<br />
Colla & Thomas Gabriel & Spencer Millham (Hrsg.), Handbuch Heimerziehung und<br />
Pflegekinderwesen in Europa. Handbook Residential and Foster Care in Europe (S. 757-<br />
772). Neuwied: Luchterhand.<br />
Blandow, Jürgen (1972): Rollendiskrepanzen in der Pflegefamilie. Analyse einer<br />
sozialpädagogischen Institution. München, Juventa.<br />
Becker-Textor, Ingeborg & Textor, Martin R. (1993): Handbuch der Kinder- und<br />
Jugendbetreuung. Neuwied: Luchterhand.<br />
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Rosenberger, Sieglinde & Tàlos, Emmerich (Hrsg.) (2003): Sozi<strong>als</strong>taat. Probleme,<br />
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In Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.), 2. Jahrbuch des<br />
Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland - Bestandsaufnahme und Ausblick zur<br />
Jahrtausendwende (2. unveränderte Auflage) (S. 36-67). Idstein: Schulz Kirchner<br />
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Scallon, Rosemary (2001): Wie steht es um die Unterstützung <strong>von</strong> Hausfrauen und<br />
Familienmüttern in der Gesellschaft? In Christian Leipert (Hrsg.), Familie <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>.<br />
Arbeitsfeld der Zukunft (S. 129-133). Opladen: Leske + Budrich.<br />
Schaffer, Hanne (2002): Empirische Sozialforschung für die Soziale Arbeit. Eine<br />
Einführung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />
Schattner, Heinz (1987): Von der Werbung <strong>von</strong> Pflegeeltern bis zur Vermittlung eines<br />
Pflegeverhältnisses. In Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.), Handbuch Beratung im<br />
Pflegekinderbereich (S. 175-211). Weinheim: Juventa. (Abgefragt unter<br />
http://www.dji.de/pkh/handbuch_1987.pdf am 21.01.2007).<br />
Schelsky, Helmut (1972): Zur Bedeutung des <strong>Beruf</strong>es in der modernen Gesellschaft.<br />
In: Thomas Luckmann & Walter Michael Sprondel (Hrsg.), <strong>Beruf</strong>ssoziologie. (S.<br />
25-35) Köln: Kiepenheuer & Witsch.<br />
Scheuer, Angelika & Dittmann, Jörg (2007): <strong>Beruf</strong>stätigkeit <strong>von</strong> Müttern bleibt<br />
kontrovers. In GESIS-ZUMA. Abteilung Soziale Indikatoren (Hrsg.),<br />
Informationsdienst soziale Indikatoren (ISI) (38), 1-4. (Abgefragt unter<br />
http://www.gesis.org/Publikationen/Zeitschriften/ISI/pdf-files/isi-38.pdf<br />
am<br />
11.08.2007)<br />
Scheurer-Englisch, Hermann (2001): Auswirkungen traumatischer Erfahrungen auf<br />
das Bindungs- und Erziehungsverhalten. In Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“<br />
(Hrsg.), 1. Jahrbuch des Pflegekinderwesens (S. 66-84). Idstein: Schulz Kirchner<br />
Verlag.<br />
Schulze, Hans Joachim & Tyrell, Hartmann & Kunzler, Jan (1989): Konstitutive<br />
Merkmale <strong>von</strong> Familie im Vergleich zu anderen Lebensformen. In Rosemarie Nave-<br />
Herz & Manfred Markefka (Hrsg.), Handbuch der Familien und Jugendforschung (S.<br />
31-45). Neuwied: Luchterhand.<br />
Sitz Angelika (1998): Professionelle Formen der familienorientierten<br />
Fremdunterbringung im österreichischen Jugendwohlfahrtssystem. unveröffentlichte<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> am Institut für Erziehungswissenschaften. Wien.<br />
Steege, Gerhard; Szylowicki, Alexandra (1996): Bereitschaftspflege – zur<br />
historischen und fachlichen Entwicklung und zur aktuellen Situation einer besonderen<br />
Form der Vollzeitpflege. In Ulrich Ginzel (Hrsg.) (1996), Erziehung in Pflegefamilien.<br />
Auf der Suche nach einer Zukunft (S. 180-197). Münster: Votum.<br />
138
Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.) (2001): 1. Jahrbuch des<br />
Pflegekinderwesens. Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />
Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.) (2005): 2. Jahrbuch des<br />
Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland - Bestandsaufnahme und Ausblick zur<br />
Jahrtausendwende (2. unveränderte Auflage). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />
Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hrsg.) (2005): 3. Jahrbuch des<br />
Pflegekinderwesens. Kontakte zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie (2. Auflage).<br />
Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />
Textor, Martin R. (2006): Mutterbilder. In Wassilios .E. Fthenakis & Martin R.<br />
Textor (Hrsg.), Online-Familienhandbuch. (Abgefragt unter<br />
http://www.familienhandbuch.de/cmain/s_112, am 17.05.2007)<br />
Textor, Martin R. (2005): Pflegemütter im Spannungsfeld <strong>von</strong> Mutteridealen und<br />
Familienkonzept. In Ingeborg - Becker Textor & Martin R. Textor (Hrsg.), SGBVIII<br />
Online-Handbuch. (Abgefragt unter http://www.sgbviii.de/S14.html, am 17.05.2007)<br />
Textor, Martin R. (2005): Familien: Soziologie, Psychologie. Eine Einführung.<br />
(Abgefragt unter http://freenet-homepage.de/Textor/Familien.htm, am 17.05.2007)<br />
Textor, Martin R. & Warndorf, Peter Klaus (Hrsg.) (1995): Familienpflege:<br />
Forschung, Vermittlung, Beratung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />
Textor, Martin (1995): Forschungsergebnisse zur Familienpflege. In Martin Textor<br />
R. & Peter Klaus Warndorf (Hrsg.), Familienpflege: Forschung, Vermittlung,<br />
Beratung (S. 46-67). Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />
Thiersch, Hans (1990): Kinderleben in Pflegefamilien. In Friedhelm Güthoff &<br />
Erwin Jordan & Gerhard Steege (Red.), Mut zur Vielfalt. Dokumentation Hamburger<br />
Pflegekinderkongress (S. 16-25). Münster: Votum.<br />
Thiersch, Hans (1974): Thesenskizze: Pflegestellen – öffentliche Erziehung in privaten<br />
Institutionen. In Martin Bonhoeffer & Peter Widemann (Hrsg.), Kinder in<br />
Ersatzfamilien (S. 98-103). Stuttgart: Ernst Klett Verlag.<br />
Thiessen, Barbara (2004): Re-Formulierung des Privaten. Professionalisierung<br />
personenbezogener, haushaltsnaher Dienstleistungsarbeit (1. Auflage). Wiesbaden:<br />
Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Thole, Werner (Hrsg.) (2002): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch.<br />
Opladen: Leske + Budrich.<br />
Verein Eltern für Kinder Österreich (2007): Sie möchten Pflegeeltern werden?<br />
(Abgefragt unter http://www.efk.at/pflegeeltern.htm am 26.05.2007)<br />
139
Verein Pflege- und Adoptiveltern Oberösterreich (2007): Angestellte Pflegeeltern.<br />
(Abgefragt unter http://www.pflegeeltern.at/fachbereiche_angestellte_allgemein, am<br />
26.05.2007).<br />
Voswinkel, Stephan (2000): Anerkennung der Arbeit im Wandel. Zwischen<br />
Würdigung und Bewunderung. In Ursula Holtgrewe & Stephan Voswinkel &<br />
Gabriele Wagner (Hrsg.), Anerkennung und Arbeit (S. 39-63). Konstanz:<br />
Universitätsverlag.<br />
Wetterer, Angelika (1993): Professionalisierung und Geschlechterhierachie. Vom<br />
kollektiven Frauenausschluß zur Integration mit beschränkten Möglichkeiten. Kassel:<br />
Verlag Jenior und Preßler.<br />
Widemann, Peter (1994): Der Faktor Geld: Was kosten Pflegekinder? In Arbeitskreis<br />
zur Förderung <strong>von</strong> Pflegekindern e.V. (Hrsg.), Pflegekinder in einer veränderten<br />
Welt. Dokumentation der Europäischen IFCO- Konferenz 1994 in Berlin (S. 264-265).<br />
Münster: Votum Verlag.<br />
Wiemann, Irmela (1994): Ratgeber Pflegekinder. Erfahrungen, Hilfen, Perspektiven.<br />
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.<br />
Wiesner, Reinhard (2005): Familienpflege in Deutschland – Auswirkungen des KJHG<br />
(SGBVIII) und die Notwendigkeit der Qualitätsentwicklung für das Pflegekinderwesen<br />
– Ein Beitrag aus bundespolitischer Sicht. In Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“<br />
(Hrsg.), 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland-<br />
Bestandsaufnahme und Ausblick zur Jahrtausendwende (2. unveränderte Auflage) (S.<br />
68-75). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.<br />
Wille, Elisabeth (2006): Rechtsinformation für Pflegefamilien im deutschsprachigen<br />
Raum. Recherche April/Mai 2006. (Abgefragt unter http://paedagogik.soskinderdorf.at/downloads/bericht_wille_pflegeeltern_recherche.pdf,<br />
am 01.03. 2007).<br />
Zenz, G. (2001): Zur Bedeutung der Erkenntnisse <strong>von</strong> Entwicklungspsychologie und<br />
Bindungsforschung für die Arbeit mit Pflegekindern. In Stiftung „Zum Wohl des<br />
Pflegekindes" (Hrsg), 1. Jahrbuch des Pflegekinderwesens (S. 22-35). Idstein: Schulz<br />
Kirchner Verlag.<br />
Zoller-Mathies, Susanne & Madner Veronika (2006): Zahlen, Daten, Fakten in der<br />
Jugendwohlfahrt am Beispiel Fremdunterbringungen. In Der Österreichische<br />
Amtsvormund, (194), 175-183. (Abgefragt unter:<br />
http://paedagogik.soskinderdorf.at/downloads/zahlen_daten_fakten.pdf am 01.03.2007).<br />
140
8 Abkürzungsverzeichnis<br />
ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Patent vom 1ten Junius 1811),<br />
JGS 946/1811 in der Fassung BGBl I 113/2006.<br />
Abs<br />
BMfGFJ<br />
bzw.<br />
d.h.<br />
DJI<br />
ebda.<br />
et.al<br />
etc.<br />
f<br />
ff<br />
FPU<br />
Hrsg.<br />
gem.<br />
ggf.<br />
idgF<br />
JWF<br />
JWG<br />
KindRäg<br />
StJWG<br />
StJWG- DVO<br />
usw.<br />
vgl.<br />
z.B.<br />
zit.n.<br />
Absatz<br />
Bundesministeriums für Gesundheit Familie und Jugend<br />
beziehungsweise<br />
das heißt<br />
Deutsches Jugendinstitut<br />
eben da, dieselbe Quelle<br />
und andere<br />
et cetera<br />
folgende (Seite)<br />
fortfolgende (Seiten)<br />
Familienbegleitende Pflegeplatzunterbringung<br />
Herausgeber<br />
gemäß<br />
gegebenenfalls<br />
in der gültigen Fassung<br />
Jugendwohlfahrt<br />
Jugendwohlfahrtsgesetz<br />
Kindschaftsrechtsänderungsgesetz<br />
Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz<br />
Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen<br />
Jugendwohlfahrtsgesetz<br />
und so weiter<br />
vergleiche<br />
zum Beispiel<br />
zitiert nach<br />
141
9 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />
Abbildung 1: Der Weg zum Pflegeverhältnis.........................................................................................13<br />
Abbildung 2: Prozesse <strong>von</strong> Verberuflichung und Professionalisierung ..............................................74<br />
Tabelle 1: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in Pflegefamilien ..............21<br />
Tabelle 2: Dauer der im Jahre 2006 beendeten Fremdunterbringungen in sonstigen Einrichtungen<br />
der Jugendwohlfahrt .....................................................................................................................21<br />
Tabelle 3: Pflegekinderstatistik Österreich für das Jahr 2006.............................................................22<br />
Tabelle 4: Pflegekinderstatistik Österreich: Verlauf 1990 bis 2006.....................................................22<br />
Tabelle 5: Ausmaß der jährlichen Dienstverpflichtungen für Angestellte PE in Oberösterreich.....25<br />
Tabelle 6: Übersicht über die Interviewpartner/innen .........................................................................91<br />
142
10 Anhang<br />
10.1 Eidesstattliche Erklärung<br />
„Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende <strong>Diplomarbeit</strong> selbständig und ohne<br />
fremde Hilfe verfasst, andere <strong>als</strong> die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt<br />
und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen <strong>als</strong> solche<br />
kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner<br />
anderen Prüfungskommission vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.“<br />
Graz, am 10.10.2007<br />
<strong>Anita</strong> Maier<br />
143
10.2 Interviewleitfäden<br />
Interviewleitfaden 1: <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong>: Angestellte Pflegeeltern<br />
Dieses Gespräch ist absolut vertraulich und wird vollständig anonymisiert, niemand kann nachvollziehen<br />
mit wem dieses Gespräch geführt wurde!<br />
Dimension: Motivation und Entscheidungsprozess<br />
• Wie haben Sie sich dazu entschieden <strong>als</strong> Pflegemutter/-vater tätig zu werden?<br />
o Welche Überlegungen gab es dabei?<br />
o War eine mögliche Anstellung schon Teil dieser Überlegungen?<br />
o Wie ist der Entscheidungsprozess mit ihrer/m Partner/in verlaufen?<br />
Dimension: Anforderungsprofil<br />
• Was soll man Ihrer Meinung nach unbedingt dafür mitbringen, was soll man<br />
können, um <strong>als</strong> Pflegeelternteil zu arbeiten?<br />
Dimension: Handlungsstrategien, Orientierungsmuster, Netzwerk<br />
• Wie hat die Aufnahme eines Kindes den Alltag Ihrer Familie verändert?<br />
• Wie werden Sie bei Ihrer Tätigkeit unterstützt?<br />
• Können Sie sich an eine besonders schwierige Situation erinnern und kurz<br />
schildern? Wie haben Sie diese Situation bewältigt?<br />
• Sehen Sie die Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegemutter/-vater <strong>als</strong> Ihren <strong>Beruf</strong> an? (warum<br />
ja/warum nein?)<br />
• Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit dem Dienstgeber?<br />
Dimension: Anerkennung der Tätigkeit<br />
• Wie erhalten Sie Anerkennung und Wertschätzung für Ihre Tätigkeit?<br />
• Sehen Sie Ihre Tätigkeit (im weitesten Sinne) auch <strong>als</strong> „Dienstleistung“ an der<br />
Allgemeinheit an?<br />
• Ist Ihrer Meinung nach die soziale/finanzielle Absicherung für Pflegefamilien<br />
ausreichend?<br />
In den letzten Jahren wurden in einigen Bundesländern verschiedene Modelle eingeführt, um Pflegeeltern besser<br />
vorzubereiten, zu begleiten und auch zu entlohnen für ihre erzieherische Arbeit. Dabei sind sie auch voll sozial<br />
versichert. Dafür sind sie bei einem Verein <strong>als</strong> Pflegeeltern angestellt und gehen gewisse Pflichten ein:<br />
Dokumentation, Supervision, Fortbildung etc.)<br />
• Wo sehen Sie Vorteile bei diesen Entwicklungen? Wo Nachteile?<br />
144
• Als Ziel dieser Modelle wird auch genannt, dass der Stellenwert der Pflegeeltern<br />
(<strong>als</strong> gleichberechtigte Partner/innen, Experten/innen) erhöht wird. Halten Sie<br />
diesen Weg <strong>als</strong> dafür geeignet?<br />
Danke für die Unterstützung! ☺<br />
145
Interviewleitfaden 2: <strong>Pflegeelternschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>Beruf</strong><br />
Dieses Gespräch ist absolut vertraulich und wird vollständig anonymisiert, niemand kann nachvollziehen<br />
mit wem dieses Gespräch geführt wurde.<br />
Dimension: Motivation und Entscheidungsprozess<br />
• Wie haben Sie sich dazu entschieden <strong>als</strong> Pflegeperson tätig zu werden?<br />
o Welche Überlegungen gab es dabei?<br />
o Wie ist der Entscheidungsprozess mit ihrer/m Partner/in verlaufen?<br />
Dimension: Anforderungsprofil<br />
• Was soll man Ihrer Meinung nach unbedingt dafür mitbringen, was soll man<br />
können, um <strong>als</strong> Pflegeelternteil zu arbeiten?<br />
Dimension: Handlungsstrategien, Orientierungsmuster, Netzwerk<br />
• Wie hat die Aufnahme eines Kindes den Alltag Ihrer Familie verändert?<br />
• Wie werden Sie bei Ihrer Tätigkeit unterstützt?<br />
• Können Sie sich an eine besonders schwierige Situation erinnern und kurz<br />
schildern? Wie haben Sie diese Situation bewältigt?<br />
• Sehen Sie die Tätigkeit <strong>als</strong> Pflegemutter/-vater <strong>als</strong> Ihren (möglichen) <strong>Beruf</strong> an?<br />
Warum ja/warum nein?<br />
Dimension: Anerkennung der Tätigkeit<br />
• Wie erhalten Sie Anerkennung und Wertschätzung für Ihre Tätigkeit?<br />
• Sehen Sie Ihre Tätigkeit im weitesten Sinne auch <strong>als</strong> „Dienstleistung“ an der<br />
Allgemeinheit an?<br />
• Ist Ihrer Meinung nach die soziale/finanzielle Absicherung für Pflegefamilien<br />
ausreichend?<br />
In den letzten Jahren wurden in einigen Bundesländern verschiedene Modelle eingeführt, um Pflegeeltern besser<br />
vorzubereiten, zu begleiten und auch zu entlohnen für ihre erzieherische Arbeit. Dabei sind sie auch voll sozial<br />
versichert. Dafür sind sie bei einem Verein <strong>als</strong> Pflegeeltern angestellt und gehen gewisse Pflichten ein:<br />
Dokumentation, Supervision, Fortbildung etc.)<br />
• Wo sehen Sie Vorteile bei diesen Entwicklungen? Wo Nachteile?<br />
• Könnten Sie sich vorstellen, sich anstellen zu lassen? Wieso ja, wieso nein?<br />
• Als Ziel dieser Modelle wird auch genannt, dass der Stellenwert der Pflegeeltern<br />
(<strong>als</strong> gleichberechtigte Partner/innen, Expert/innen/en) erhöht wird. Halten Sie<br />
diesen Weg <strong>als</strong> dafür geeignet?<br />
Danke für die Unterstützung! ☺<br />
146