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Programm Kolleg Friedrich Nietzsche 2013 - Klassik Stiftung Weimar

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Fellows in residence<br />

27<br />

Peggy Fiebich<br />

Querdenken. Literaturunterricht und Bildung zu<br />

Transversaler Vernunft<br />

Ein Bildungskonzept, das der radikalen Pluralität gegenwärtiger Kultur<br />

gerecht wird, muss den Heranwachsenden eine Vielfalt an Zugängen<br />

zur Wirklichkeit eröffnen und die Fähigkeit vermitteln, diese mannigfaltigen,<br />

teils disparaten, Rationalitäten, Diskurse und Denkmuster<br />

reflektierend aufeinander zu beziehen. Nur so sind Identitätsbildung,<br />

Verantwortungsfähigkeit, kulturelle und soziale Integration möglich.<br />

Diese Anforderungen erfüllt ein Bildungskonzept, das das Fellowship,<br />

basierend auf Wolfgang Welschs Begriff der ›transversalen Vernunft‹<br />

entwickelt. Es versetzt in die Lage, die verschiedenen diskursiv erzeugten<br />

Welten in Synthesen zu bringen, sie zu hinterfragen, sich möglicher<br />

Alternativen bewusst zu bleiben, auch inner- und interdiskursive<br />

Konflikte zu bearbeiten und unauflösbare Widersprüche auszuhalten –<br />

insgesamt also eine selbstkritische, tolerante, zu Reflexion und Dialog<br />

bereite Haltung einzunehmen. Damit gleicht es Defizite des derzeit<br />

dominierenden Bildungskonzeptes des Kompetenzerwerbs aus, das einseitig<br />

und unzusammenhängend auf das Training von Teilleistungen<br />

des instrumentellen Verstandes abzielt.<br />

Als ein Lernbereich, der zur Bildung ›transversaler Vernunft‹ beiträgt,<br />

wird der Literaturunterricht herausgestellt und damit neu legitimiert.<br />

Es wird untersucht, inwiefern dieser in den Umgang mit radikaler<br />

Pluralität einführt und damit die Integration in eine vielgestaltige,<br />

widersprüchliche, bewegliche Kultur ermöglicht. Dazu wird auf diskurstheoretischer<br />

Ebene nach der kulturellen Funktion der Literatur<br />

gefragt und mit Hilfe rezeptionsästhetischer Theorien den Aktivitäten<br />

des Lesers beim Rezeptionsakt nachgegangen. Literatur ist weder ein<br />

konventionell geregelter Diskurs unter anderen noch ein distanzierter<br />

Metadiskurs, der über allen anderen steht. Vielmehr bewegt Literatur<br />

sich frei zwischen den vielfältigen Diskursen der Kultur, um die Möglichkeit<br />

offenzuhalten, diese neu zueinander zu positionieren und zu<br />

integrieren, dabei zugleich ihre irreduzible Pluralität und Relativität zu<br />

erkennen. So verhindert sie die Erstarrung, Verarmung und Abschottung<br />

der Kultur sowie auch die Auflösung ihres Zusammenhaltes; sie<br />

hilft, die Vielfalt und innere Struktur der Kultur, ihre Offenheit nach<br />

außen und Wandlungsfähigkeit zu bewahren. Literatur erfüllt somit in<br />

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