Strafprozessordnung (StPO) - Kölner Anwaltverein
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Oberlandesgericht, 1. Strafsenat Seite 24<br />
Dezember 2004 - Januar 2005<br />
§ 77 b OWiG<br />
Irrtümliches Absehen von Urteilsgründen<br />
SenE v. 20.12.2004 - 8 Ss-OWi 90/04 -<br />
Das Urteil des Amtsgerichts ist schon auf die Sachrüge aufzuheben, weil es nicht (mehr<br />
in zulässiger Weise) mit Gründen versehen worden ist und daher keine Grundlage für<br />
eine sachlich-rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht bietet. Die<br />
nachträglich zu den Akten gelangten Urteilsgründe sind im Rechtsbeschwerdeverfahren<br />
nicht beachtlich (vgl. OLG Brandenburg VRS 106, 61 [62] = NStZ-RR 2004, 121 m. w.<br />
Nachw.; BayObLG zfs 2004, 382).<br />
Denn das Amtsgericht hatte sich zuvor für ein Urteil in der Fassung des Protokolls, also<br />
ohne Gründe, entschieden (a), obwohl die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG für<br />
ein Absehen von Urteilsgründen nicht gegeben waren (b) und auch eine nachträgliche<br />
Urteilsbegründung nicht möglich war (c) .<br />
(a)<br />
Es kann dahinstehen, ob es bereits ein Absehen von der schriftlichen Begründung des<br />
Urteils nach § 77 b Abs. 1 S. 1 OWiG darstellt, wenn der Bußgeldrichter - wie hier - die<br />
Akten zwar mit dem Verhandlungsprotokoll, aber noch ohne gefertigtes Urteil der Staatsanwaltschaft<br />
mit der Frage vorlegt, ob auf Rechtsmittel verzichtet wird (dagegen: OLG<br />
Celle VRS 97, 436 = NZV 1999, 524; KG a.a.O.; vgl. a. KG NZV 1992, 332; SenE v.<br />
01.04.1997 - Ss 500/96 - = NZV 1997, 371 = VRS 93, 452 = DAR 1997, 286).<br />
Jedenfalls mit der Verfügung vom 30. April 2004 ("Urteil in Reinschrift fertigen … Leseabschrift<br />
z. d. A. …Geschäftsstelle z.w.V.") hat der Richter zu erkennen gegeben, dass<br />
er - in der irrigen Annahme bereits eingetretener Rechtskraft - von einer schriftlichen Begründung<br />
des Urteils absehen und das im Protokoll der Hauptverhandlung enthaltene,<br />
allein aus der verkündeten Urteilsformel bestehende Urteil als endgültige Fassung verstanden<br />
wissen wollte. Seiner Anordnung entsprechend sind im Anschluss Urteilsausfertigungen<br />
(mit Rechtskraftvermerk) der Staatsanwaltschaft zur Vollstreckung zugeleitet<br />
worden.<br />
Das Protokoll enthält (hier) auch die für das Urteilsrubrum erforderlichen Angaben sowie<br />
die Urteilsformel und beinhaltet damit sämtliche Elemente eines abgekürzten Urteils in<br />
Bußgeldsachen (vgl. KG, NZV 1992, 332 = VRS 92,135; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 77b<br />
Rdnr. 8; Senge, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 77b Rdnrn. 1, 3).<br />
(b)<br />
Die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG für das zulässige Absehen von einer<br />
schriftlichen Begründung des Urteils lagen indessen nicht vor. Der Betroffene hatte weder<br />
auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet, noch war die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels<br />
für ihn gegen das in seiner Abwesenheit ergangene Urteil abgelaufen; sie hatte<br />
noch nicht einmal begonnen (§ 79 Abs. 4 OWiG; vgl. SenE v. 05.09.1995 - Ss 449/95 Z -;<br />
BayObLG NStZ 1991, 342; Göhler a.a.O. § 79 Rdnr. 30a m. Nachw.), als die Ausfertigung<br />
des abgekürzten Urteils auf Veranlassung des Richters an die Staatsanwaltschaft<br />
zur Vollstreckung des vermeintlich rechtskräftigen Urteils herausgegeben wurde. Denn da<br />
die Urteilsverkündung in Abwesenheit des Betroffenen stattfand, konnte die Frist nur<br />
durch Zustellung des Urteils in Gang gesetzt werden. Ob dazu die Zustellung eines unzulässiger<br />
Weise nicht mit Gründen versehenen Urteils ausreicht (so BGH NJW 2004,