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Strafprozessordnung (StPO) - Kölner Anwaltverein

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Oberlandesgericht, 1. Strafsenat Seite 6<br />

Dezember 2004 - Januar 2005<br />

Strafgesetzbuch<br />

§§ 20, 21 StGB<br />

langjährige Drogenabhängigkeit<br />

SenE v. 04.01.2005 - 8 Ss 478/04 -<br />

Das angefochtene Urteil hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Feststellungen<br />

zum Schuldspruch sind unvollständig.<br />

Das Amtsgericht hat die Frage der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der eingeschränkten<br />

Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) nicht geprüft, obwohl die Feststellungen Anlass zu dieser<br />

Prüfung boten. Eine solche Prüfung war veranlasst, weil die Angeklagte ausweislich der<br />

tatsächlichen Feststellungen seit 13 Jahren heroinabhängig und inzwischen polytoxikoman<br />

ist, seit 1 ½ Jahren mit Methadon substituiert wird und zudem gerade am Tattag<br />

zusätzlich zu dem ihr ärztlich verordneten Methadon auch Diazepam und Alkohol konsumiert<br />

hat. Schon zu Art und Umfang der Drogenabhängigkeit sind nähere Feststellungen<br />

nicht getroffen worden; auch zum Umfang des (auch: Ersatz-) Drogenkonsums und der<br />

Alkoholeinnahme am Tattag fehlen Feststellungen. Andererseits ergibt sich aus dem<br />

vom Amtsgericht mitgeteilten Vorstrafenregister, dass die Angeklagte wenigstens einmal<br />

wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bestraft wurde. Weiteren Vorverurteilungen<br />

könnte Beschaffungskriminalität zugrunde liegen. Dies gilt insbesondere für die<br />

Eintragungen zu Ziffer 3 und Ziffer 6 in dem Erziehungs- und Strafregister, bei denen es<br />

jeweils zu einer Zurückstellung der Strafvollstreckung und zu deren Widerruf kam.<br />

Zwar liegt auch bei langjähriger Drogenabhängigkeit eine völlige Schuldunfähigkeit nach<br />

§ 20 StGB nicht ohne weiteres nahe (vgl. BGH NJW 89, 2337; SenE vom 01. April 1997 –<br />

Ss 134/97 - ; SenE vom 15.09.2000 – Ss 375/00 -; Lenckner- Perron in Schönke/Schröder,<br />

StGB, 26. Aufl., § 20 Rdnr. 17). Gleichwohl kann aufgrund einer auf Drogenabhängigkeit<br />

zurückzuführenden Persönlichkeitsveränderung und/oder akuter Beeinträchtigungen<br />

zur Tatzeit eine vollständige Exkulpation im Einzelfall durchaus in Betracht<br />

kommen (Senat a.a.O. und SenE vom 30. März 2004 – Ss 113/04 -). Ein sicherer Ausschluss<br />

der Schuldunfähigkeit durch das Revisionsgericht ist vorliegend aufgrund der<br />

unvollständigen Feststellungen zum Drogen- und Beikonsum jedenfalls nicht möglich.<br />

Erst recht kommt wenigstens eine Einschränkung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB in<br />

Betracht. Eine solche ist bei Drogenabhängigen stets zu prüfen, selbst wenn keine Anhaltspunkte<br />

für eine Tatbegehung unter akuter Drogenbeeinflussung bestehen (vgl. BGH<br />

NJW 89, 2336; StV 88, 198; Senat NStZ 89, 90; Senatsentscheidungen vom 21. Oktober<br />

2003 – Ss 346/03 – und vom 30. März 2004 – Ss 113/04 -). Es ist bei gegebener Betäubungsmittelabhängigkeit<br />

zu prüfen, ob langjähriger Konsum zu einer Persönlichkeitsveränderung<br />

im Sinne einer schweren anderen Abartigkeit geführt hat oder der Täter unter<br />

starken Entzugserscheinungen gelitten hat und dadurch dazu getrieben worden ist, sich<br />

mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, schließlich ferner, ob er die Tat in einem<br />

Zustand eines akuten Rausches verübt hat.<br />

Zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit kann schließlich auch die<br />

Angst des Drogenabhängigen vor Entzugserscheinungen führen, die er schon als äußerst<br />

unangenehm erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt (vgl. zu alledem BGH NStZ<br />

99, 448; NStZ 01, 83; NStZ 01, 85; zusammenfassend die weiteren Rechtsprechungsnachweise<br />

in SenE vom 21. Oktober 2003 – Ss 346/03 -).

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