Kompendium der Familienforschung in Ãsterreich, Schriftenreihe Nr. 7
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zu br<strong>in</strong>gen. Ansatzpunkte dafür waren eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> familiensoziologischen Literatur<br />
zu f<strong>in</strong>den als <strong>in</strong> <strong>der</strong> familienhistorischen. Aber auch dort zeigten sich bezüglich<br />
e<strong>in</strong>iger wichtiger Verän<strong>der</strong>ungen Defizite – etwa h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> zeitlichen o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> räumlichen Dimensionen des Familienlebens. Solche Raum- bzw. Zeitbezüge<br />
stellen – neben den immer wie<strong>der</strong> behandelten Familienstrukturen und Familienfunktionen<br />
– e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante und wichtige Aufgabe e<strong>in</strong>er historisch-anthropologischen<br />
<strong>Familienforschung</strong> dar. Ähnliches gilt für die Themenkomplexe Familienriten<br />
o<strong>der</strong> Familiensymbole. Gestützt auf langjährige Vorarbeiten läßt sich im<br />
Überblick auch jetzt schon e<strong>in</strong>iges dazu sagen. Oft genügt es, für die Gegenwart<br />
von Soziologen o<strong>der</strong> Sozialanthropologen erstellte Modelle mit historischen<br />
Informationen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen, um Aussagen über Entwicklungsverläufe<br />
wagen zu können. In den siebziger Jahren war dieses Historisieren <strong>der</strong><br />
Familiensoziologie – vielfach auch <strong>in</strong> kritischer Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dieser – für<br />
die Anfänge <strong>der</strong> Historischen <strong>Familienforschung</strong> äußerst fruchtbar. Heute weiß<br />
man kaum mehr vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Überblicksdarstellungen e<strong>in</strong>er Zeitgeschichte <strong>der</strong><br />
Familie zw<strong>in</strong>gen zu <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Zusammenarbeit. Im Rahmen des hier<br />
besprochenen Projekts wurde dieser Versuch noch <strong>in</strong> zwei weiteren Veröffentlichungen<br />
unternommen – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bändchen über „Entwicklungstendenzen <strong>der</strong><br />
Familie“ sowie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em als Rea<strong>der</strong> konzipierten Sammelband „Familie im 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t. Traditionen – Probleme – Perspektiven“.<br />
Der Sammelband „Familie im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t“ steht im Rahmen des<br />
Gesamtprojekts <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise für e<strong>in</strong>e anthropologische Neuorientierung<br />
<strong>der</strong> Historischen <strong>Familienforschung</strong>. Er illustriert Möglichkeiten und<br />
Schwierigkeiten e<strong>in</strong>er solchen Zugangsweise. Seit William Goodes großer Synthese<br />
„World Revolution and Family Patterns“ von 1963 wurde ke<strong>in</strong> solcher Versuch<br />
e<strong>in</strong>er weltweiten Zusammenschau von e<strong>in</strong>em Autor unternommen. Der vorgelegte<br />
Rea<strong>der</strong> sollte Überblick über die Familienentwicklungen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>in</strong><br />
den e<strong>in</strong>zelnen kulturellen Großräumen <strong>der</strong> Welt bieten. Dabei war angestrebt,<br />
durch e<strong>in</strong>en zugrundegelegten e<strong>in</strong>heitlichen Problemraster Vergleichbarkeit zu<br />
erzielen. Dieses Ziel wurde nicht voll erreicht – e<strong>in</strong>erseits aufgrund <strong>der</strong> ganz unterschiedlichen<br />
Forschungslage <strong>in</strong> den behandelten Großregionen, an<strong>der</strong>erseits aufgrund<br />
<strong>der</strong> spezifischen Beson<strong>der</strong>heiten, die die Bearbeiter<strong>in</strong>nen und Bearbeiter<br />
jeweils für ihre Region <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund stellen wollten. Der Ertrag ist trotzdem<br />
nicht ger<strong>in</strong>g. So erweist sich die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung vielfach rezipierte These William<br />
Goodes von <strong>der</strong> weltweiten Konvergenz <strong>der</strong> Familienentwicklung unter dem<br />
E<strong>in</strong>fluß <strong>der</strong> Industrialisierung als revisionsbedürftig. Insgesamt sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Faktor<br />
Industrialisierung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bedeutung für die Familienentwicklung <strong>der</strong> neueren<br />
Zeit überschätzt worden zu se<strong>in</strong>. An<strong>der</strong>e ökonomische, aber vor allem auch<br />
außerökonomische Faktoren verdienen stärkere Berücksichtigung. Der Kulturraumvergleich<br />
zeigt, daß <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e religiöse Traditionen – <strong>in</strong> unmittelbarer wie<br />
<strong>in</strong> vermittelter Wirkung – Familienverhältnisse <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne nachhaltig prägen. So<br />
ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluß des Ahnenkults ke<strong>in</strong>eswegs auf Stammesgesellschaften beschränkt.<br />
Er wirkt – freilich <strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>er Weise – <strong>in</strong> vielen hoch<strong>in</strong>dustrialisierten<br />
ÖIF SCHRIFTENREIHE