(1935), S. 4.
(1935), S. 4.
(1935), S. 4.
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Feiern und heiterer Feste, sein eiserner Fleiß, sein mit Strenge gepaartes Zartgefühl,<br />
seine immer zunehmende Fähigkeit, innersten Überzeugungen schlichten und doch<br />
erhabenen Ausdruck zu geben, waren ebensoviele Voraussetzungen, die ihn für jung<br />
und alt zum Freund, Führer und Vorbild machten.<br />
Was ihn den Zöglingen trotz seiner zunächst erschreckendenGröße und einem<br />
äußerlich barschenTon bald nahe brachte, war sein volles Verständnis für Kindesart,<br />
das in der unverlierbaren Kindlichkeit seines eigenen Gemüts begründet war. Mit<br />
welchem innigen Behagen pflegte er an traulichen Adventabenden die Grimmschen<br />
Märchen vorzulesen! Auch für die seltsamsten Seitensprünge der sich schwerin die<br />
Notwendigkeiten des Zusammenlebens findenden Kinderseele hatte er neben der<br />
pflichtmäßigen Empörung den gutmütigsten Humor, der wohl auch seine Liebe zu<br />
den Haustieren erklärt. Ebenso leitete ihn den Erwachsenen gegenüber eine sichere,<br />
instinktive Menschenkenntnis, so daß er in der Wahl seiner Mitarbeiter selten<br />
Enttäuschungen erlebte.<br />
Nicht aus dem inneren Betriebe, sondern von außen her erwuchsen ihm Widerstände<br />
und Schwierigkeiten, wie vielleicht keinem seiner Vorgänger. Oer Weltkrieg,<br />
der der Anstalt ihre jungen Lehrer raubte, die Hungerblockade, die ihm seine geliebte<br />
Landwirtschaft doppelt notwendig machte, die Inflation und die Wirtschaftskrise, die<br />
die Zahlungsfähigkeit der Eltern und damit den wirtschaftlichen Bestand der Anstalt<br />
gefährdete, nicht zulebt die oft verständnislosen Forderungen der wechselnden<br />
Behörden machten die Jahre seiner Leitung zu einem unablässigen Kampf, der auf<br />
die Dauer seine Gesundheit untergrub, aber niemals sein Gottvertrauen und seinen<br />
Glauben an die Zukunft Schnepfenthals. Auf Ferienreisen fand er Erholung, bis<br />
das überanstrengte Herz ihn nötigte, in Bad Nauheim Kur 3u gebrauchen.<br />
Es war eine gnädige Fügung Gottes, daß er noch kurz vor seinem Tode das<br />
150 jährige Jubiläum der Erziehungsanstalt ohne Beschwerden und mit inniger<br />
Freude und Genugtuung erleben durfte. Es brachte ihm tausendfältige Beweise der<br />
Anhänglichkeit und Dankbarkeit von Zöglingen und Freunden, die volle Anerkennung<br />
der Reichs- und Landesbehörden, und gab ihm selbst Anlaß, in zwei Reden seine<br />
Auffassung von der hohen Aufgabe Schnepfenthals zum Ausdruck zu bringen und<br />
damit, ohne es zu ahnen, seinen Nachfolgern ein wegweisendes Vermächtnis 3u<br />
hinterlagen.<br />
So durfte er am 22. November 1934, alg die Krankheit ihn unerwartet plötzlich<br />
überwältigte, friedlich und schmerzlos entschlafen, an einem nur durch vorübergehende<br />
für nervös gehaltene Schmerzen angekündigten Magengeschwür innerlich<br />
verblutend, weil Herzschwächejede Operation verbot.<br />
Wie königlich lagst Du auf Deiner Bahre, Du lieber, großer Freund, so adelig<br />
und hoheitsvoll, ruhig und furchtlos wie ein Feldherr, dem das Bewußtsein<br />
gewonnenen Sieges und erfüllter Pflicht den Tod verschönt. Ich sah Dein Haupt<br />
mit der Krone deo Lebens gekrönt, Du reiner Kämpfer, denn Du warst getreu big<br />
in den Tod!<br />
Leicht wäre es, Dich mit den erhabensten Worten unserer Zeitenwende zu<br />
preisen, denn sie treffen auf Dich mehr zu als auf andre, aber es wäre Dir nicht<br />
lieb, Du stolzer Bescheidener, und die Redewendungen unserer Tage würden der