16.04.2014 Aufrufe

(1935), S. 4.

(1935), S. 4.

(1935), S. 4.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

**<br />

Schnepfenthäler Nachrich<br />

ZugleichMitteilungender Schnepfenthal-Jubiläums-Stift<br />

undderVereinigungalter Schnepfenthäler<br />

1784-1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang<strong>1935</strong> Nummer 1<br />

Dr. FriedrichAusfeld†<br />

Wenn in einem Lande der König stirbt, legt sich zuerst die Trauer lähmend<br />

auf alles öffentliche Leben, aber um des Weiterbestandes des Volkes willen muß<br />

bald alles wieder seinen geregelten Gang aufnehmen, wie ihn die bestehenden<br />

Gesetze vorschreiben; die Herrschergewalt geht an den rechtmäßigen Thronfolger über:<br />

Der Bestand des Ganzen ist gesichert.<br />

Wieviel einschneidenderist der unerwartete Tod deo Oberhauptes einer großen<br />

Schul- und Hausgemeinde wie Schnepfenthal, in der seit Jahrzehnten das Wort<br />

und der Wille des einzigen, nun so jäh entrissenen Leiters alles regelte! Wieviel<br />

näher stand hier jedem der Gatte, Vater, Erzieher, Hausvater und Arbeitgeber!<br />

Ein saher Schreck ließ aller Herzen fast stille stehen, und kaum zu fasen war es,<br />

daß Ausfeld, der noch Montag abend fröhlich im großen Kreise waltete, Donnerstag<br />

früh schonnicht mehr unter den Lebenden weilte!<br />

Er hat ausgekämpft, aber sein Werk muß weiterleben. Oer Trost in unserer<br />

unsäglichen Trauer sei die mutige, treue Fortführung seiner Lebensaufgabe, die


Erhaltung der Erziehungsanstalt Schnepfenthal! Aber um es in seinem Sinne tun<br />

zu können, dürfen und müssen wir alle, ob wir in Schnepfenthal selbst mitwirken<br />

oder außerhalb als Freunde und Förderer herzlichen Anteil daran nehmen, ung das<br />

Bild seiner Persönlichkeit immer wieder klar vor Augen stellen und miteinander<br />

die Erinnerung an ihn vertiefen und ergänzen, wozu dieser Nachruf ein Anfang<br />

sein möchte.<br />

Friedrich Ausfelds Lebensweg war wie der eines Thronerben von früh an<br />

vorgezeichnet. Am 25. Mai 1879 in Schnepfenthal geboren, stand er durch beide<br />

Eltern, Wilhelm und Marie Ausfeld, ganz in der Salzmannschen Familienüberliefer<br />

Er war Zögling von 1888-1895. Als einziger Sohn war er berufen,<br />

nach seinem Vater die Leitung der Anstalt zu übernehmen. So dienten denn auch<br />

seine Studien am Gymnasium Ernestinum zu Gotha (1895-1899) und an den<br />

Universitäten Göttingen (1899-1900) und Straßburg (1900-906) (an letzterer<br />

erwarb er mit einer Dissertation über die deutsche anakreontische Dichtung deo<br />

18. Jahrhunderts den philosophischen Doktortitel) weniger der Gelehrsamkeit an sich<br />

alg der Befähigung zur Übernahme der Anstaltsleitung. Auch in der Fremde war<br />

es seinen Freunden immer fühlbar, daß er mit jeder Faser seines Herzens, mit der<br />

ganzen Liebe seiner Kinderjahre an Schnepfenthal hing.<br />

Die wissenschaftlichePrüfung für das Lehramt an höheren Schulen bestand<br />

er am 7. November 1903 in Straßburg. Den Abschluß seiner pädagogischen Ausbildung<br />

bildete ein in Forbach in Lothringen 1906-1907 abgeleistetes Probekandidate<br />

Darauf trat er als Oberlehrer am Realgymnasium in Eisenach in<br />

den Staatsdienst. Das begeisternde Ziel und den Inhalt seines erzieherischen Wollens<br />

bestätigte ihm seine Berührung mit Johannes Müller und dessen Schriften, die ein<br />

wesentliches Menschentum und eine echt deutsche Auffangung von Jesu Botschaft an<br />

unsere Zeit und unser Volk verkündeten. In Schloß Mainberg, dem damaligen Sitze<br />

Johannes Müllers, fand er auch seine Braut, Grete Wiebe, die er am 27. Dezember<br />

1907 heimführte. Sie schenkteihm zwei Töchter, Wiebe und Inge, und den einzigen<br />

Sohn, Eberhard.<br />

Nachdem ,,Fritz" schon lange in seinen Ferien als Mitarbeiter seines Vaters in<br />

Schnepfenthal tätig gewesen war, wurde die Anstalt vom Herbst 1908 an sein<br />

hauptamtliches Wirkungsfeld. Bei zunehmendem Alter des Vaters wurde er sein<br />

Vertreter und im Jahre 1914 übernahm er die Leitung der Anstalt selbständig.<br />

Den unermüdlichen Eifer, die Kraft zur Bewältigung der fast übermenschlichen<br />

Arbeitslast schöpfte er nicht aug seiner trotz der Hünengestalt zarten Gesundheit,<br />

sondern aus einer völlig eindeutigen Ausrichtung seines Willens aus das eine Ziel,<br />

der durch schwere Prüfungen nur noch verstärkt wurde.<br />

Es ist schwer zu sagen, was von den Eigenschaften, die ihm die Erfüllung<br />

seiner vielgestaltigen Pflichten ermöglichten, ererbte Anlage war, was Frucht<br />

väterlicher Erziehung und Anleitung, wag durch eigene bittere Erfahrung erworben<br />

und erkämpft. Seine begeisterte Vaterlands und Heimatliebe, seine große Freude<br />

an der Natur, seine Aufgeschlossenheitfür alles Hohe und Schöne, seine ehrliche<br />

Bewunderung der Tüchtigkeit anderer, seine Lust am fröhlichen Spiel und heiterer<br />

Geselligkeit, seine Vorliebe für gemütvolle Musik, seine Gabe zur Gestaltung ernster


D.r FriedrichAusfeld<br />

25.05.1879 +22.11.1934


Feiern und heiterer Feste, sein eiserner Fleiß, sein mit Strenge gepaartes Zartgefühl,<br />

seine immer zunehmende Fähigkeit, innersten Überzeugungen schlichten und doch<br />

erhabenen Ausdruck zu geben, waren ebensoviele Voraussetzungen, die ihn für jung<br />

und alt zum Freund, Führer und Vorbild machten.<br />

Was ihn den Zöglingen trotz seiner zunächst erschreckendenGröße und einem<br />

äußerlich barschenTon bald nahe brachte, war sein volles Verständnis für Kindesart,<br />

das in der unverlierbaren Kindlichkeit seines eigenen Gemüts begründet war. Mit<br />

welchem innigen Behagen pflegte er an traulichen Adventabenden die Grimmschen<br />

Märchen vorzulesen! Auch für die seltsamsten Seitensprünge der sich schwerin die<br />

Notwendigkeiten des Zusammenlebens findenden Kinderseele hatte er neben der<br />

pflichtmäßigen Empörung den gutmütigsten Humor, der wohl auch seine Liebe zu<br />

den Haustieren erklärt. Ebenso leitete ihn den Erwachsenen gegenüber eine sichere,<br />

instinktive Menschenkenntnis, so daß er in der Wahl seiner Mitarbeiter selten<br />

Enttäuschungen erlebte.<br />

Nicht aus dem inneren Betriebe, sondern von außen her erwuchsen ihm Widerstände<br />

und Schwierigkeiten, wie vielleicht keinem seiner Vorgänger. Oer Weltkrieg,<br />

der der Anstalt ihre jungen Lehrer raubte, die Hungerblockade, die ihm seine geliebte<br />

Landwirtschaft doppelt notwendig machte, die Inflation und die Wirtschaftskrise, die<br />

die Zahlungsfähigkeit der Eltern und damit den wirtschaftlichen Bestand der Anstalt<br />

gefährdete, nicht zulebt die oft verständnislosen Forderungen der wechselnden<br />

Behörden machten die Jahre seiner Leitung zu einem unablässigen Kampf, der auf<br />

die Dauer seine Gesundheit untergrub, aber niemals sein Gottvertrauen und seinen<br />

Glauben an die Zukunft Schnepfenthals. Auf Ferienreisen fand er Erholung, bis<br />

das überanstrengte Herz ihn nötigte, in Bad Nauheim Kur 3u gebrauchen.<br />

Es war eine gnädige Fügung Gottes, daß er noch kurz vor seinem Tode das<br />

150 jährige Jubiläum der Erziehungsanstalt ohne Beschwerden und mit inniger<br />

Freude und Genugtuung erleben durfte. Es brachte ihm tausendfältige Beweise der<br />

Anhänglichkeit und Dankbarkeit von Zöglingen und Freunden, die volle Anerkennung<br />

der Reichs- und Landesbehörden, und gab ihm selbst Anlaß, in zwei Reden seine<br />

Auffassung von der hohen Aufgabe Schnepfenthals zum Ausdruck zu bringen und<br />

damit, ohne es zu ahnen, seinen Nachfolgern ein wegweisendes Vermächtnis 3u<br />

hinterlagen.<br />

So durfte er am 22. November 1934, alg die Krankheit ihn unerwartet plötzlich<br />

überwältigte, friedlich und schmerzlos entschlafen, an einem nur durch vorübergehende<br />

für nervös gehaltene Schmerzen angekündigten Magengeschwür innerlich<br />

verblutend, weil Herzschwächejede Operation verbot.<br />

Wie königlich lagst Du auf Deiner Bahre, Du lieber, großer Freund, so adelig<br />

und hoheitsvoll, ruhig und furchtlos wie ein Feldherr, dem das Bewußtsein<br />

gewonnenen Sieges und erfüllter Pflicht den Tod verschönt. Ich sah Dein Haupt<br />

mit der Krone deo Lebens gekrönt, Du reiner Kämpfer, denn Du warst getreu big<br />

in den Tod!<br />

Leicht wäre es, Dich mit den erhabensten Worten unserer Zeitenwende zu<br />

preisen, denn sie treffen auf Dich mehr zu als auf andre, aber es wäre Dir nicht<br />

lieb, Du stolzer Bescheidener, und die Redewendungen unserer Tage würden der


Überzeitlichkeit und Heiligkeit Deiner Lebensaufgabe nicht gerecht. Schnepfenthal<br />

wird in Deinem Sinne weiterbestehen, wenn Deine Nachfolger sichdafür mit gleicher<br />

Glaubensstärke, mit derselben Ehrfurcht vor dem Ewigen im Menschenwesen und<br />

mit derselben selbstlosenHingebung begeistern können wie Du. Das walte Gott!<br />

Walter<br />

Helmbold.<br />

AnnaNobilingeb.Ausfeld†<br />

Am 9. Mai 1934 starb im Alter von 77 Jahren im Krankenhaus von Waltershausen<br />

Frau Anna Nobiling geb. Ausfeld.<br />

Allen, die seit der Jahrhundertwende big ungefähr 1928 in Schnepfenthal aus<br />

und ein gegangen sind, wird Anna Nobiling deutlich im Gedächtnis sein. Ihre lebhaft<br />

empfindende, hilfsbereite Art, ihr leichter, rascher Schritt während der ersten<br />

Jahre, ihr gebückter, mühsamer Gang während der letzten. Tagtäglich kam sie bei<br />

Wind und Wetter von Rödichen herüber um ihre Stunden zu geben. Sie unterrichtete<br />

fast ausschließlichin der französischenund englischen Sprache. Wenigbegabte<br />

oder widerstrebende Schüler verstand sie zur Mitarbeit anzuregen und war unermüdlich<br />

im Finden immer neuer Mittel, um dies zu erreichen. Viele haben ihr diese<br />

Mühe und das oft humorvolle Eingehen auf ihre Schwächen durch Dankbarkeit und<br />

Anhänglichkeit big zulebt gelohnt. Mancher bewahrt in seinem Album einen kleinen<br />

Vers von ihrer Hand geschrieben und von ihr verfaßt, der im Ernst oder Scherz<br />

einen Wunsch für die Zukunft ausspricht, oder an kleine Erlebnisse aug der Zöglingszeit<br />

erinnert. 1928 schrieb sie für die Kleinen die ''Schnepfenthäler Geisterchen",<br />

die zu Ausfelds Geburtstag und Pfingsten für die alten Schnepfenthäler aufgeführt<br />

wurden und bei alt und sung großen Beifall fanden. Vor allem verdanken wir ihr<br />

unser Lied für die Gefallenen, das sie in der trübsten Zeit nach dem Krieg dichtete.<br />

Wir haben es seitdem an jedem Totensonntag nach der Verlesung der Namen gesungen<br />

Außer in Schnepfenthal hat Anna Nobiling zeitweise noch in Töchterheimen<br />

unterrichtet und stets eine Menge andrer Privatstunden gegeben. Auch ihre dichterische<br />

Begabung stellte sie freigebig in den Dienst ihrer Mitmenschen. Eine ganze<br />

Menge dieser kleinen Stücke und Gedichte sind im Druck erschienen. Sie gab auch<br />

einen Band religiöser Dichtungen heraus.<br />

Anna Nobiling ist alg zweite Tochter von Dr. Gustav Ausfeld und Frau Fanny<br />

geb. Richter am 23. März 1857 in Schnepfenthal geboren. Sie wurde mit ihren<br />

Schwestern und Cousinen zusammen unterrichtet und besuchte dann das Herzogin-Marie-In<br />

in Gotha, wo sie mit sechzehn Jahren das Lehrerinnenexamen bestand.<br />

Nachdem sie einige Jahre alg Hauslehrerin tätig gewesen war, verheiratete<br />

sie sich1881 mit dem Kaufmann Max Nobiling. Bald nach seinem Tod ging sienach<br />

Marienthal bei Bad Liebenstein, um dem Haushalt deo Fabrikbesitzers R. Lux vorzustehe<br />

und seine beiden Kinder zu unterrichten. Alg der Haushalt aufgelöst wurde,<br />

kehrte sie in die Heimat zurück und zog zu ihrer Schwester Agnes nach Rödichen.


Dort hat sie bis zu ihrem Lebensende gewohnt. Während der Kriegsjahre und<br />

später hat sie keinen Weg und kein Opfer gescheut,um Notleidenden zu helfen. Die<br />

Schwestern Nise Gerbing und Anna Nobiling waren beide Persönlichkeiten, die im<br />

Sinne ihres Ahnen Salzmann ihre Mitmenschen zu fördern und ihnen zu helfen<br />

suchten, Bertha Ausfeld.<br />

HedwigGerbing†<br />

Noch war keine Woche seit dem Hinscheiden unseres Fritz Ausfeld verstrichen,<br />

da riß der Tod abermals eine Lücke in unsere Reihen: Am Nachmittag des 28. November<br />

wurde Frau Hedwig Gerbing durch einen sanften Tod von den Leiden einer<br />

hartnäckigen Krankheit erlöst.<br />

Sie wirkte in der Stille, wie die meisten echten Frauen — von denen darum<br />

gewöhnlich erst dann in der Öffentlichkeit die Rede ist, wenn sie nicht mehr sind.<br />

Aber wir Schnepfenthäler haben wohl gewußt, wag sie uns war.<br />

Nur sechs Jahre — seit dem Tod ihres Gatten — lebte sie in unserer Mitte.<br />

Aber in dieser Zeit hat sie sichweit über den Bereich ihrer wirtschaftlichen Pflichten<br />

hinaus, die sie mit Treue und mit dem Einsatz ihrer besten Kräfte erfüllte, unseren<br />

Dank und unsere Liebe erworben. Manchem von uns Erwachsenen, besonders aber<br />

den Älteren unter unsern Jungen ist sie eine wahrhaft mütterliche Freundin gewesen.<br />

Viele kamen 3u ihr, mit unzähligen kleinen Anliegen und größeren Sorgen, denn<br />

sie wußten, daß sie bei ihr immer Verständnis, Rat und selbstloseHilfe fanden.<br />

Ihr Leben war nicht leicht. Nach frohen Jugendjahren im väterlichen Försterhause<br />

hat sie in ihrer glücklichen Ehe mit Dr. Walter Gerbing doch viel Schweres durchlittener<br />

Daseinssorgen und die vielerlei Nöte der Kriegs und Inflationszeiten, lange<br />

Krankheit und schließlichder Tod ihres Mannes (1928), endlich ihr eigenes Leiden<br />

— all das hätte ihre Seele wohl verbittern können. Aber ungebrochen, mit Tapferkeit<br />

und mit klarem Geist hat sie sich durchgekämpft und immer noch die Kraft gehabt,<br />

andere fröhlich zu machen und mit Liebe zu umsorgen. Das erlebten wir noch<br />

am 16. Oktober, ihrem fünfzigsten Geburtstag, alg sie zum testen Male für einige<br />

Stunden ihr Krankenlager verließ und an allem, wag ung bewegte, so lebhaften<br />

Anteil nahm, wie wir es in ihren gesunden Tagen von ihr gewöhnt waren.<br />

Ihr durch und durch lauteres Wesen, das uneingeschränktes Vertrauen fordern<br />

durfte, ihr gerader, frischer Sinn und ihr gütiges Herz haben uns immer zu ihr<br />

hingezogen. So trauern wir um sie wie ihre eignen Kinder, denen sie allzu früh entrinnen<br />

wurde, und werden ihr allezeit ein treues und dankbares Gedächtnis bewahren,<br />

Dr.<br />

Thiemer.


Nachrichten aus Schnepfenthal<br />

April bis Weihnachten 1934<br />

Von Schnepfenthals Festtagen hat der Festbericht erzählt. Die 150-Jahrfeier war<br />

ein erhebendes Erlebnis, das von neuem alle zusammenschloß, die das Werk<br />

Salzmanns lieben und fördern. Es wurde offenbar, daß dieses Werk lebendig und<br />

stark big in die Gegenwart gewirkt hat. Welcher Geist es nun weiterführen soll in<br />

die Zukunft, sagte die große Rede Ausfelds, die er uns vor der Festversammlung in<br />

der Reitbahn gehalten hat. Als wir ihm zuhörten, da waren wir in der festen<br />

Zuversicht und in der starken Hoffnung, daß wir mit ihm zusammen, unter seiner<br />

Führung und unter seiner Weisung in Schnepfenthal weiterarbeiten würden. Es<br />

kam uns damals zu Bewußtsein, daß Ausfeld uns der Inbegriff Schnepfenthals<br />

geworden war, untrennbar verknüpft mit allem, was wir an der Salzmannschen<br />

Schule, wie sie heute ist, lieben. Darum galt das stille Gelöbnis, das jeder Schnepfenthäler<br />

an diesem Tage der Freude ablegte, Ausfeld als dem Träger des Werkes.<br />

Ihm treu und so selbstlos, wie er es war, zu folgen, war uns gleichbedeutend mit<br />

dem lebendigen Dienst an Schnepfenthal. Es ist anders gekommen. Was Gott tut,<br />

das is wohlgetan. Ein halbes Jahr später ist Ausfeld für immer von uno gegangen<br />

und hat Arbeit und Verantwortung seinen Mitarbeitern überladen müssen. Am<br />

25; November haben wir das Gelöbnis der Treue über seinem Grab in der Hard<br />

erneuert und bekräftigt. Was wir ihm versprachen, wollen wir Schnepfenthal<br />

halten.<br />

Ein Jahr freudiger Arbeit liegt hinter ung, freudig in der Zeit des Jubels, freudig<br />

aber auch in den schweren Tagen der Trauer, als der Verlust einem jeden von uns<br />

neue Pflichten auferlegte.<br />

In den Osterferien nahmen die Vorbereitungen für das Fest im Mai ihren<br />

Fortgang. Der frühzeitige Frühling erhöhte die frohe Stimmung. Die Herren<br />

Fuhrmann, Dr. Thiemer, Lüder, Huschenbett, Görnandt und Dr. Krauße hatten an<br />

einem Kursus in Egendorf teilgenommen, als die Hitlerjugend schonzwei Tage vor<br />

Ferienende eintraf, um den Aufmarsch der SA .- Brigade44 in Eisenach mitzumachen.<br />

Noch im März hatten Studienassessor Görnandt und Frau Feodora geb. Braun,<br />

Waltershausen, geheiratet und waren in das vierte Haus gezogen. Am 23. April<br />

kamen die übrigen Zöglinge wieder, und eine ungewöhnlich große Anzahl Neuer.<br />

Ausfeld begrüßte sie am andern Morgen im Betsaal in einer Ansprache, der er das<br />

Wort zugrunde legte: " Wer da kärglich säet, der wird auch kärglich ernten, und wer<br />

da säet in Segen, der wird auch ernten in Segen. ' Gleich am Abend des ersten<br />

Schultages fanden wir uns im Speisesaal zu einer kleinen musikalischen Feier<br />

zusammen, in der Herr Hähle von uns Abschied nahm, der die Osterferien bei uns<br />

verbracht hatte. Am 25. April besichtigte der NS .- Lehrerbund, dem auch unser<br />

Kollegium vollzählig angehört, die Anstalt. Anschließend lud Ausfeld die Besucher<br />

für alle kommenden Versammlungstage ein. der Folgezeit tagte der Bund, der<br />

sichdann nach Schnepfenthal nannte, fast jeden Monat im Unterhaltungssaal. Für<br />

die Schnepfenthäler Hitlerjugend und für das Jungvolk standen Monate zielbewußter


<strong>1935</strong> Schnepfenthäler Nachrichten Nr. 1<br />

Ausbildungsarbeit bevor. Der neue Scharführer Heinz von Hüttner trat Anfang<br />

Mai sein Amt an und verstand wie auch sein Vorgänger von der Decken in<br />

gedeihlicher Zusammenarbeit mit den Erziehern die Schar im Sinne des neuen<br />

Deutschlands zu bilden. Draußen bei Gepäckmärschen,bei Nachtübungen, beim Volkssport<br />

unter Herrn Fuhrmanns Leitung - und im Haus beim Heimabend und bei<br />

Schulungsabenden wurden die Neuen der Truppe eingewöhnt. Dann konnte man<br />

die Schnepfenthäler auch anderswo auftreten sehen, so zu allen Reichsfesten in<br />

Rödichen, am Tage der deutschen Arbeit, beim Fest der Jugend, zur Feier der<br />

Sonnenwende, zum Erntedankfest und am 9. November. Pfingsten verlebten sie in<br />

einem Lager in Hüttners Heimat, Pirk im Vogtland. Auf der Reichsnährstand-Ausstellung<br />

in Erfurt führten sie Freiübungen vor, und auch am Gautreffen in Gera<br />

nahmen sie teil. Die Führer der Hitlerjugend und des Jungvolkes machten verschiedene<br />

Führerbesprechungen des Thüringer Gaues mit. Ende April begann der Bau des<br />

Ehrenmals oberhalb der Reitbahn an der Stelle, wo früher das Anlagenhäuschen<br />

stand. Die Reitbahn bekam ihren festlichen Schmuck. Zum zweiten Male wurden die<br />

Häuser bekränzt und junge Birken verkleideten die Häuserwände. Unermüdlich<br />

kamen Herr Oberst Heyne und sein Neffe, Architekt Peter Heyne, herüber, um den<br />

Fortgang der Arbeiten zu leiten. Auch die Festschriften gelangten an, und wurden<br />

aus dem Wagen in den Vorratsraum .neben der Torfahrt gepackt. Man hörte am<br />

Vortage das eifrige Üben der Sprechchöre und der Fanfarensignale. Die Ausstellunge<br />

wurden ergänzt, Wegweiser für die Gäste gemalt und Absperrzäune angelegt.<br />

Der Festtag wird allen, die ihn miterlebten, unvergeßlich sein.<br />

In den dann folgenden heißen und trocknen Sommerwochen, besonders in der<br />

Reichs Schwimmwoche, ging es oft zum Baden nach Tabarz oder zum Kumbskochsteich.<br />

Der Bau des Schwimmbades am Gleisdreieck, aus dessen Fertigstellung wir<br />

sehr hofften, zögerte sich leider hin. Eine kleine Nachfeier war am 18. Juni die<br />

150. Wiederkehr des Tages der Grundsteinlegung des ersten Hauses. Am 12. Juni<br />

hatten 50 Teilnehmer einer Kraft-durch-Freude-Reise Schnepfenthal besucht im<br />

Juli kamen 10 Memelländerinnen, die unter der Führung des VDA. Thüringen besichtigte<br />

Fahnen auf Halbmast riefen am 28. Juni die Erinnerung an die Ermordung<br />

des österreichischenThronfolgers vor zwanzig Jahren bei denen wach, die jene<br />

ernsten, schicksalsschwerenTage damals miterlebten. Kurz darauf mahnte die von der<br />

Regierung entschlossenunterdrückte Röhmrevolte an die Gefahren der Gegenwart.<br />

Als erster reiste dann Ende Juni Günther Tischer in die Ferien hinüber nach<br />

Curaçao, wo er nach vierjähriger Trennung Eltern und Geschwister wiedersehen<br />

sollte.Im Oktober kehrte er von da mit seinem jüngeren Bruder gesund zu uns<br />

zurück. Von den anderen machten einige in Nord- und Süddeutschland Fahrten mit<br />

den Rädern, alg die Ferien angefangen hatten.<br />

In die Sommerferien fiel der Tod unseres verehrten Reichspräsidenten von<br />

Hindenburg. Rundfunk hörten wir die Trauerfeiern in Berlin und im Ehrenmal<br />

von Tannenberg mit an. Zwei Saardeutsche weilten einige Zeit bei uns, und später<br />

kam Wiebe Ausfeld mit fünf kleinen Jungs des Liezschen Landwaisenheims Deckenstätt<br />

zu Besuch. Am 5. September kehrten dann alle Mitglieder unsrer Gemeinschaft<br />

neugestärkt zur Arbeit bis Weihnachten nach Schnepfenthal zurück.


Die Einrichtung des Staatsjugendtages, vorläufig nur für das Jungvolk,<br />

machte Änderungen des Stundenplanes notwendig. Durch genaue Einteilung des<br />

Tagesplanes und ernste Zusammenarbeit von Lehrern und Schülern wurde die<br />

Bewältigung deo Lehrstoffes möglich. Auch auf dem Sportplatz, in der Guths-Muths-Turnhalle<br />

und am Schießstand, bei freiwilliger Mitarbeit auf dem Runkelrübenfeld<br />

und beim Sammeln deo Herbstlaubes wurden die Kräfte angespannt. Für die großen<br />

Jungen brachte der Erntetanz und der Kirmsetanz im Dorf Abwechslung, und auch<br />

die Theatervorführungen in Waltershausen, " Robinson soll nicht sterben" (Forster<br />

Burggraf), und "Schillers Räuber ' machten Freude. Mitte Oktober ließ ein plötzlicher<br />

Kälteeinbruch mit Schnee auf Wintersport hoffen, aber nach wenigen Tagen schon<br />

war selbst auf dem Inselsberg, wohin am22. ein Ausflug in Gruppen gemacht<br />

wurde, nichts mehr davon zu sehen. Warme, feuchte Witterung hielt bis Weihnachten<br />

an. So sprach am 31. Oktober der Gebietsführer der Hitlerjugend, Günther<br />

Blum, der Schnepfenthal besuchte, bei strömendem Regen zu den vorm Haus<br />

angetretenen Jungen.<br />

Wir waren mitten im täglichen Leben, wie wir es für die langen, regelmäßigen<br />

Tage und Wochen der Zeit vor Weihnachten seit Jahren gewöhnt sind. Es fiel außer<br />

für die wenigen, die Näheres wußten, kaum auf, daß Ausfeld am 2o. November<br />

fehlte, daß abends die kleine Hausmusik ohne ihn stattfand, und daß er auch am<br />

Bußtag nicht zu sehen war. Bange Sorge erfüllte aber die, die von seiner plötzlichen<br />

schweren Erkrankung und von seiner Überführung in das Krankenhaus Waltershausen<br />

wußten. Die allgemeine große Stille entstand, alg dann am 22. November<br />

die Nachricht kam, daß Ausfeld sanft entschlafen sei. Herr Burggraf teilte das den<br />

Zöglingen in der Morgenandacht mit. Er sagte zu ihnen:<br />

",Gottes Wille geschehe,Gottes Wille ist geschehen!'- Meine lieben Zöglinge<br />

und Freunde, heute in der frühen Morgenstunde ist unser treuster Freund und Vater,<br />

Fritz Ausfeld, auf immer von uns gegangen. Das Schicksal hat es so gewollt -<br />

haben es hinzunehmen. Aber Gott, der unser Schnepfenthal 150 Jahre behütet hat,<br />

wird es auch fernerhin behüten. Nun wollen wir hingehen und ganz still und einfach<br />

erst einmal unsere nächste Pflicht tun, so, wie es Fritz Ausfeld selber getan hätte. '<br />

Dann folgten ernste Tage, alg die Fahnen auf dem Dach auf Halbmast wehten,<br />

und an dem Festschmuck,der noch an die Freude des Frühjahres erinnerte; Trauerflor<br />

befestigt wurde. Mitarbeiter und Zöglinge gingen dem Sarg, der von Waltershausen<br />

herübergefahren wurde, bis an die Flurgrenze von Ibenhain entgegen, und geleiteten<br />

ihn langsam den Berg hinauf. Hier nahmen die Jungen rechts und links am Wege<br />

Aufstellung, und zwischen ihren Reihen fuhr der Wagen vor die Tür des ersten<br />

Hauses. Am Nachmittag hatten einige von uns, wie Ausfeld es jedes Jahr tat,<br />

Kränze auf den Gräbern der Hard niedergelegt und still der Worte gedacht, die er sonst<br />

dabei sagte: " Gott segne uns, Gott segne Schnepfenthal Am Totensonntag fand<br />

die Beerdigung unter großer Beteiligung statt. Herr Obers Heyne hatte es übernommen<br />

die Feier zu regeln. Wir versammelten uns im Betsaal, der wie am<br />

7. März eingerichtet war. Vor dem Altar stand der mit Kränzen reich geschmückte<br />

Sarg, daneben zur Rechten und Linken zwei Zöglinge mit den Fahnen des<br />

150. Jubiläums. Herr Pfarrer Langenhan hielt die Predigt. Der Chor sang von


der Empore herab " Auferstehen, ja auferstehen wirst du mein Leib nach kurzer Ruh"<br />

Herr Oberst Heyne und Herr Lüder sprachen Worte des Gedenkens. Alle, die bis<br />

auf die Treppen hinaus stehend teilnahmen an dieser Stunde, empfanden miteinander<br />

daß Ausfeld, der Träger seines Salzmannschen Erbes und Förderer des<br />

alten Werkes, von einem schweren, arbeitsreichen und kampfreichen, aber von einem<br />

sehr schönen und erfüllten Leben ausruhen würde. Als der Sarg hinuntergetragen<br />

und vor der Tür auf den Wagen geladen wurde, bewegte diese Zeitspanne lang der<br />

letzte Abschied Ausfelds aus seinem Haus und von seiner Wirkungsstätte aller<br />

Herzen. Voran die Zöglinge mit den sechs Anstaltsfahnen, begab sich der Zug hinter<br />

dem einfachen Wirtschaftswagen her, auf dem der Sarg nach Ausfelds Wunsch in<br />

die Hard gefahren wurde. Unterwegs schlossensich noch viele an, die teilweise von<br />

fern hergekommen waren, um ihm das letzte Geleit zu geben. Mit Fackeln beleuchteten<br />

die Jungen dann die Einsegnung und Beisetzung. Das feierliche Licht schloß die<br />

ganze Versammlung tröstend und erwärmend zusammen, inmitten der nebligen,<br />

kalten Herbstdämmerung unter den alten Bäumen. Während die Vertreter der Behörden<br />

und der Vereine sprachen und Kränze niederlegten, vereinte uns alle das<br />

Gedächtnis an den Toten, und wir wußten, so, wie wir hier standen und ihn zur<br />

Ruhe brachten, war alles in seinem Sinne. Hell und klar klang das Lied " Eine feste<br />

Burg ist unser Gott" Die lange Reihe der Zöglinge gab Grete, Wiebe, Inge und<br />

Eberhard die Hand. Auf allen Gesichtern war zu sehen, daß jeder eng verbunden<br />

gewesen war mit diesem vorbildlichen Menschenleben, daß jeder einen Helfer und<br />

Vater verlor, dem er noch über den Tod hinaus sich nahefühlte.<br />

Das Leben aber ging weiter und forderte alle Kräfte. Und wenn wir dem Vorbild<br />

des Heimgegangenen gehorsam sein wollten, so mußten wir ungesäumt wieder<br />

ans Werk gehen und die Arbeit aufnehmen, wo sie ihm aus den Händen genommen<br />

worden war. Schon am 22. November hatte Herr Lüder die Leitung der Schule<br />

übernommen , später übernahm Herr Fuhrmann die der Wirtschaft, und so verlief<br />

die Zeit bis Weihnachten ohne Unterbrechung in der Disziplin und Opferfreudigkeit,<br />

zu der sich alle nun doppelt verpflichtet fühlten. Am Sonnabend vor dem ersten<br />

Advent nahmen die Erwachsenen und einige ältere Zöglinge an der Trauerfeier für<br />

Frau Hedwig Gerbing in Gotha teil, die nach längerem Leiden am28. November<br />

gestorben war. Auch mit ihr war ein Leben beschlossen, das untrennbar zu<br />

Schnepfenthal gehört. Gegen Ende der Schulzeit brach noch eine leichte Grippe aus,<br />

die aber schließlichdoch keinem Jungen die Ferien verkürzte, so daß am 18. Dezember<br />

alle abgereist waren. In der Morgenandacht am Sonnabend wurde das Lied gesungen:<br />

" Gib mir ein fröhlich Herz" Die Gedanken gingen zurück auf die letzte<br />

Rede, die Ausfeld im Betsaal gehalten hatte, zum Gedächtnis Hindenburgs am<br />

2. Oktober. Er verlas damals die Worte: Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein<br />

und der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit sein. Dann sagte er:<br />

"Diese Worte lag ich hier zu Hindenburgs 85. Geburtstag vor zwei Jahren.<br />

Seit 1917 haben wir an jedem 2. Oktober gebetet: Gott erhalte ung Hindenburg.<br />

Vor demDruck diesesHeftestraf die erfreulicheNachricht ein, daßHerr Lüdervom Ministerium<br />

in Weimar bestätigtwordenist.


Nr. 1 Schnepfenthäler Nachrichten <strong>1935</strong><br />

Wir konnten uns nicht vorstellen, daß der Tod ihn einmal hinwegnehmen würde.<br />

In diesem Jahre am 2. August ist das Unfaßbare geschehen.Das Leben Hindenburgs<br />

ist vollendet. Er selbsthat so gehämmert, gemeißelt, gestaltet in Gehorsam und Treue,<br />

in Gehorsam gegen Gott, in Treue gegenüber seinem deutschen Volk. Und dieses in<br />

Gehorsam und Treue vollendete Leben hat er ung hinterlagen alg sein Vermächtnis.<br />

Nachdem er nun seine Aufgabe erfüllt hat, sind wir da, sein Vermächtnis lebendig<br />

zu erhalten: Gehorsam gegen Gott und seine Gebote und gegen die Gebote der<br />

Pflicht, die wir täglich und stündlich zu tun haben. Treue gegenüber unserm deutschen<br />

Vaterland und Kameradschaft untereinander. In Gehorsam, Treue und<br />

Kameradschaft werden wir Hindenburgs Andenken bewahren. Aber das dürfen nicht<br />

nur Worte sein, sondern das soll Leben bedeuten. Gehorsam bewährt sich erst dann,<br />

wenn es uns einmal schwer wird zu gehorchen. Treue bewährt sich erst, wenn sie<br />

uns Überwindung kostet und uns Angelegenheiten bringt. Kameradschaft bewährt<br />

sich erst, wo sieuns Opfer auferlegt. Gehorsam, Treue und Kameradschaft sind etwas<br />

Unbedingtes und Unausweichbares, das unter allen Umständen überall gehalten<br />

werden muß. Wir geloben, in Gehorsam, Treue und Kameradschaft das Vermächtnis<br />

Hindenburgs zu erfüllen, und bitten Gott, daß er uns Kraft schenke,dieses Gelöbnis<br />

zu halten. '<br />

Gehorsam, Treue und Kameradschaft, so lautet das Vermächtnis, das Ausfeld<br />

nun uns hinterlassen hat. Gudrun Burggraf.<br />

An dieimWeltkrieg gefallenen Schnepfenthäler<br />

Über den Tod hinaus<br />

Habt ihr gehalten heilige Treue<br />

Dem Vaterland.<br />

Mit eurem Herzensblut<br />

Habt ihr sie besiegelt;<br />

Unverlöschbarist euer Bild!<br />

Wag uns im Leben band:<br />

Kindheitserinnern— edelstesStreben<br />

Hält ewig fest!<br />

In unserm Schnepfenthal<br />

Leben eure Namen,<br />

Unsere Herzen vergehennichti<br />

Kinder der neuen Zeit<br />

Lernen an eurem Bilde verstehen<br />

Was groß und schön!<br />

Lernen, was hier erstand:<br />

Heldenkraftund Treue!<br />

So seidihr unserfür alle Zeit!<br />

Anna Nobilinggeb.Ausfeld


Besucherliste<br />

Von April bis November 1934 besuchten uns u. a. (die Besucher zum 27. Mai<br />

sind nicht mit genannt ):<br />

Herr Dr. Albert Fels (1891—1896), Berlin; Frau Agnes Lilly Andre, Costa<br />

Rica; Frau Elfriede Wiebe, Berlin-Dahlem Herr Major a. D. Werner von<br />

Zepelin, Mirkow Herr und Frau Herdieckerhoff, Saalfeld; Frau Mutschler,<br />

Gestungen Frau E. von Lochow, geb. von Blücher, Petkus; Herr Paul Lindenberg,<br />

Berlin Frau Ida Nikolai, Waltershausen Herr und Frau Forstmeister<br />

Standhardt, Reichmannsdorf Frau Hoffmann, Berlin-Dahlem; Herr und<br />

Frau Faßbänder, Stutzhaus Frau Lily Tetens, geb. Sieveking, Berlin; Herr<br />

Bergrat Dreyer und Frau, Ibbenbüren NS. Lehrerbund Tenneberg; Herr<br />

R. Oertmann, Finsterbergen; Frau Käte Rössel, Meuselbach; Herr und Frau<br />

Hülsmann, Wurzen; Herr Johannes Haase, Maracaibo; Herr Oberstudiendirektor<br />

Anz, Gotha; Herr und Frau Rolf Köllner (1924—1929) Luisenthal;<br />

Herr Hans Voigt (1924—1925), Georgenthal Herr Franz Glinicke und Frau<br />

Gunhild Glinicke, Dresden; Fräulein Helge Glinicke, Dresden Herr Dr. Meye<br />

und Frau, Hannover; Herr Polizeioberst Keppler, Gotha; Herr Dr. W. Boeck<br />

und Frau, Gießen; Herr Oberstudiendirektor Dr. W. Malzan und Frau, Friedberg<br />

Herr Ministerialrat Dr. Karl Malzan, Darmstadt; Herr Günther Macskowsky<br />

(1920—1924), Hauptsturmführer, Sagan Herr Dipl .:Ing. Heinz Reitz (1916 big 1922<br />

Bitterfeld; Frau Elisabeth Meyer, geb. Bunge, Elberfeld; Fräulein<br />

Dorothea Bunge, Berlin; Fräulein Hildegard Bunge, Marburg Herr Erich<br />

Engelhardt (1927—1931), Rom; Herr Heinz Rath (1928—1931), Grünenthal;<br />

Fräulein Margarete Egebrecht, Arolsen Herr komm. Unterrichtsleiter Wolfgang<br />

Lüdemann, Herr Studienrat Joh. Thieler, Herr Dr. Hans Teuscher, Herr<br />

Studienassessor H. Schumann, NS. Erziehungsanstalt Naumburg; Herr Max<br />

Bessin, Berlin; Pfarrerkonferenz des Kirchenkreises Georgenthal mit Herrn Oberpfarrer<br />

Neßler, Georgenthal Frau Dora Jäger, Berlin; Herr Rektor i. R. Ruthe,<br />

Rödichen eine Reisegesellschaft " Kraft durch Freude" aug Pommern; Herr Professor<br />

Dr. Albrecht Lüder und Frau Elisabeth Lüder, Dresden Herr Rechtsanwalt<br />

Dr. Erich Pocher und Frau, Meiningen Herr Hans Sachsenberg und Frau,<br />

Dessau; Frau Elisabeth Weihe, Lehnendorf; Herr und Frau Rechtsanwalt Heu<br />

(1881—1886), Neustadt, Sa .; Herr Dr. Erich Sundhausen (1899—1904) und<br />

Frau 10 Memelländerinnen mit Frau Marie Hochheim und Frau Hager, Gotha;<br />

Frau Eva Hirt, Breslau! Fräulein Hedwig Müller, Gotha Herr Amtsgerichtsrat<br />

Stoll, Gotha; Fräulein Ruth Klar, Reinhardswaldschule; Herr Rudolf Wiemer<br />

(1917—1920) und Frau; Herr M. Barsekow, Berlin; Herr Rudolf Haas und<br />

Frau Gisela, Berlin Herr Pfarrer Karl Grein, Arheilgen; Herr Dr. Kurt Uhthoff<br />

und Frau, Stettin ; Herr Studiendirektor Richard Hanewald, Magdeburg;<br />

Herr Professor Dr. Brüggemann und Familie, Gießen; Herr D. Karl Wagner,<br />

Kirchenrat, Gießen; Herr Dr. Werner Görnandt, Dortmund; Herr Walter<br />

Görnandt, Eisenach; Herr Reg .- Baurat Fritz Heusinger und Frau, Rochlitz ;<br />

Deutsch-Englische Feriengesellschaft, Georgenthal; Herr Studienrat Werner Dietsch,


München; Herr Hermann Lindner und Frau, Jena Frau Elsa Sieckmann,<br />

Minden Herr Dr. Joachim Böhme mit der OlI der Landesschule zur Pforte; Frau<br />

Johanna von Dalwitz, Tornow Herr Karl Anton Zickmantel (1915—1918),<br />

Leipzig Herr Jan Thorbecke, Leipzig; Herr Felix Bassermann und Frau,<br />

Chemnitz; Herr Studienrat Bentz und Frau, Gießen Fräulein Elisabeth Zinober,<br />

Bensheim; Herr Dr. med. Kurt Thorbecke und Frau, Bremen; Herr Major a. D.<br />

Joachim von Rappard, Gotha; Frau Helene Daimler, Berlin Herr Bürgermeister<br />

a. D. Erich Neißner und Frau, Hainichen Herr Günther Blum, Gebietsführer<br />

und Frau, Herr Kurt Staps, Oberbannführer, Weimar; Fräulein Annelise<br />

Barkhausen, Bremen Herr Dr. med. Häberlin, Bad Nauheim Herr Alfred<br />

Künzel, Hamburg; Herr Hans Ackenhausen (1925—1926), Ruhla; ein Kursus<br />

der Reichssportführerschule Waltershausen Herr Dr. med. Hofmann, Pfafferode<br />

Herr Rolf Ausfeld, Berlin; Frau Tischer, Curaçao.<br />

Nachklänge zur Hundertfünfzigjahrfeier<br />

Die Schriftleitung kann es sichnicht versagen, aus der Fülle von Dankesbezeugung<br />

die unser Dr. Friedrich Ausfeld und sein Schnepfenthal 1934 erhielt,<br />

einige herauszuheben:<br />

Von den alten Lehrern und Erziehern der Anstalt schreibtHerr Oberpfarrer i..R.<br />

Paul Sörgel, Ohrdruf, unter anderm folgendes:<br />

"Meine Lehrtätigkeit in Schnepfenthal gehört mit zu den schönstenund liebsten<br />

Erinnerungen aug meiner eingehenden Berufstätigkeit.. Hauptsächlich war es der<br />

Verkehr mit den frischen, fröhlichen, wohlerzogenen Jungen, der mir täglich mehr<br />

Freude bereitete Daß ich ihnen nicht nur ein Lehrer, sondern auch ein Freund<br />

gewesen war, das bewiesen mir ihre Tränen und ihre Trauer; alg ich von ihnen<br />

scheiden mußte. Das bewahre ich noch heute nach 56 Jahren in dankbarem Herzen! '<br />

Herr Pfarrer K. Schoen in der Prese von der Jubelfeier:<br />

"Wie mir da die Freude ins Herz schlug. Alles steht mir noch lebendig vor der<br />

Seele, auch ein Teil der Zöglinge ist mir noch so gegenwärtig, daß ich heute noch<br />

in die Klasse kommen könnte, um sie beim Namen aufzurufen. Welch gesunder und<br />

lebenswahrer Geist muß dort die Hausgemeinde erfüllt haben, daß man noch nach<br />

30 Jahren davon zehren kann! — Grüßen Sie die Zöglinge von mir Unbekannten,<br />

und sagen Sie ihnen, daß sie vieles voraus haben vor andern Jungen, daß sie in<br />

solcher Freiheit, gepaart mit Zucht, aufwachsen können, wie sie in Vater Salzmanns<br />

Hause herrscht '<br />

Herr Bezirksoberlehrer i. R. Max Fritz, Coburg, für den die Tätigkeit in<br />

Schnepfenthal " wegweisend und bestimmend für seine 40jährige Arbeit an der<br />

Volksschule geworden ist", freut sich, daß so manche Schnepfenthaler Eigenart setzt<br />

allgemeine Anerkennung und Förderung findet.<br />

Aug den vielen Dankbriefen von Eltern früherer und jetziger Zöglinge seien zwei<br />

wiedergegeben, in denen sichdas spiegelt, wag in hunderten anderen Briefen steht:<br />

"Mit herzlich dankbaren Gedenken komme ich zu Ihnen, der Sie sichder Mühe<br />

unterzogen haben, meinen Jungen zu einem ordentlichen, bescheidenen und


frischen Mann zu erziehen Es war im vorigen Herbst wohl das Schönste für<br />

mich, als ich die Freude an der Arbeit in Schnepfenthal bei allen, Lehrern und<br />

Schülern, feststellen konnte. '<br />

Aus der Ferne, aus Afrika, gedenkt einer der treuesten Zöglingsväter " der mit<br />

soviel Liebe und Hingabe geleiteten, des von uns allen so geliebten Schnepfenthals"<br />

Überwältigend ist das Bekenntnis der Dankbarkeit, das die alten Zöglinge<br />

Schnepfenthal abgelegt haben. "Ich bin stolz darauf, mich zu seinen (des Geh.<br />

Schulrats Dr. W. Ausfeld) Schülern rechnen zu dürfen! '<br />

Herr Ernst Mechwart von Beleska, Pußta-Beleßkai Gasdasaga Posta,<br />

Tavirda, Basut; Pinczehela, Ungarn, dessen Grüße an seine Mitzöglinge aus<br />

den Jahren um 1884 wir hiermit weiterleiten, bezeugt, daß sein Herz fest mit<br />

Schnepfenthal verbunden ist. Noch heute steht auf seinem Schreibtisch das Bild<br />

Schnepfenthals.<br />

Aus den Briefen der jüngeren Generation klingt es vielfältig wider von<br />

"meinem Schnepfenthal, das für mich und meine ganze Entwicklung von umwälzend<br />

und grundlegender Bedeutung geworden ist".<br />

Das ist das Packende an allen diesen Dankbezeugungen, daß sie oft, sehr oft<br />

Wort für Wort übereinstimmen, ob sie geschrieben sind von den Ältesten, die noch<br />

unter dem ersten Direktor Ausfeld Zöglinge waren, ob von den Zöglingen des<br />

Geh. Schulrates Dr. Ausfeld und der Mitarbeiter, ob von der jüngeren und<br />

jüngsten Generation, die unserm Dr. Friedrich Ausfeld und seinen Helfern ihre<br />

Erziehung verdankt!<br />

Wag könnte besser und überzeugender beweisen, daß und wie es den Direktoren<br />

Ausfeld gelungen ist, die Idee Schnepfenthal trotz mancher zeitbedingter Wandlung<br />

in ihrer Reinheit durch ein Jahrhundert zu erhalten.<br />

"Was die Anstalt, Deine verehrten Eltern und ihre Mitarbeiter mir in der<br />

Jugend gegeben haben, hat mich durch mein ganzes Leben begleitet: Unendlichen<br />

Dank schuldeich ihnen!" lese ich in dem Briefe eines treuen, alten Schnepfenthalers,<br />

der 1884 als " zweiter Offizier miterlebte. " Denke, dulde, handle, das ich in<br />

Schnepfenthal gelernt, ward das Leitmotiv meines Lebens! ' So oder ähnlich<br />

Schreibenviele.<br />

Schließen wir diese kleine Auslese mit den herzerfrischenden Worten eines<br />

unserer Ältesten, des Herrn Prof. Dr. Heinrich Brockhaus:<br />

Ich verdanke Ihren Großeltern, Ausfeld und Albertine, in meiner menschlichen<br />

Ausbildung soviel wie gesundheitlich dem ganzen Dortsein: in meinem<br />

3. Lebensjahr aufgegeben, bis zum 10. schwächlich, nach Schnepfenthal gesund,<br />

fast in Gesundheit 76 Jahre alt, halb so alt wie Schnepfenthal! '<br />

Mögen unsere jetzigen Zöglinge sich einmal klar machen, was das heißt: Ein<br />

alter Schnepfenthäler, der in Schnepfenthal unter Eberhard Ausfelds Urgroßvater<br />

Zögling war, alg dessenSohn, der spätere Geh. Schulrat Dr. W. Ausfeld, 1871 vor<br />

Paris lag, schrieb das anno 1934!<br />

Uns Ältere aber überkommt der heiße Wunsch, daß es den Männern, denen<br />

jetzt Schnepfenthal anvertraut ist, gelingen möge, ebenso dankbare Geschlechter von<br />

Schnepfenthälern zu erziehen. J. L. Müller.


Von unserenMitgliedern<br />

Zu unserer Freude traten der VAS. als Mitglieder bei:<br />

Frl. Hildegard Kuch, Gießen an der Lahn, Dammstraße 50.<br />

Gustav Lucanus, Wirtschaftschef Auf der Eych, Bad Harzburg.<br />

Dr. Kurt Becker (1919-1923), Berlin-Mariendorf, Ingostraße <strong>4.</strong><br />

Durch Tod verloren wir:<br />

Herrn Dr. Friedrich Ausfeld, Direktor der Erziehungsanstalt Schnepfenthal.<br />

Frau hedwig Gerbing, am 28. November 193<strong>4.</strong><br />

Veränderungen:<br />

Fernando Hackradt; St. Paulo, Brasilien. Postfach 948.<br />

J. W. Müller, Diplomvolkswirt, c/p Mrs. Maltzahn, 26 Napier Avenue,<br />

Hurlingham, London S W 6<br />

Cl. Schetelig, Dipl. - Ing. Leipzig S 36, Am Eichwinkel 10.<br />

Dr. jur. Werner Kanein, Rechtsanwalt. Kanzlei: Dresden-A 1, Johann<br />

Georgen-Allee 9 '.<br />

Edmund Heyne, Ingenieur, Dresden-a, Eisenstuckstraße39<br />

W. v. Bezold, stud. mach. Ing. z. Zt. Funker z. Kompanie Nachrichtenabteilung<br />

München<br />

(A).<br />

Wegen mehrjähriger Nichterfüllung der Beitragspflicht mußten Mitglieder in<br />

unseren Listen<br />

gestrichen werden.<br />

Bitte, halten Sie gerade jetzt Schnepfenthal die Treue !<br />

Erfüllen Sie nach Möglichkeit Ihre Beitragspflichten! !<br />

Werben Sie Mitglieder für die VAG!<br />

Weisen Sie gegebenenfalls in Freundes: und Bekanntenkreisen auf<br />

Schnepfenthal hin!<br />

Hauptschriftleiter: Studienrat J.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />

Postscheckkonto fürdie "Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung":<br />

: Oberst a.D.Heyne,Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch.A.Leipzig45401.<br />

Postscheck fürdieVAS. .: "Vereinigung AlterSchnepfenthäler , Schnepfenthal bei Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch.A.Erfurt15760.<br />

Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel&Co. in Altenburg (Thür. ).


Schnepfenthäler Nachrich<br />

ZugleichMitteilungen der Schnepfenthal-Jubiläums-St<br />

undder Vereinigungalter Schnepfenthäler<br />

1784 1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang <strong>1935</strong> Nummer2<br />

Nachrichten aus Schnepfenthal<br />

Januar bis März <strong>1935</strong><br />

DasJahr 1934 lag hinter uns, das Schnepfenthal höchstes Glück und tiefstes<br />

Leid gebracht hatte. Zum ersten Male fehlte Ausfeld, als die Jungen am<br />

7. Januar aus den Ferien zurückkamen, und alle empfanden das unfaßliche Schicksal<br />

gerade an diesem Tage wieder in seiner ganzen Schwere. Aber war uns denn Ausfeld<br />

wirklich ganz genommen? Lebte er nicht in all denen fort, die seine väterliche<br />

Liebe umschlossenhatte? Fühlten wir uns nicht alle erstarkt in seinem Geiste, auch<br />

wenn er nicht mehr leibhaftig unter uns weilte? Und so erinnerte ich denn in der<br />

ersten Morgenandacht<br />

daran, daß uns ja dieser Trost geblieben sei und keiner von uns<br />

verzagen dürfe, der Ausfeld richtig verstanden habe. In treuer Pflichterfüllung, in<br />

froher, selbstloser Arbeit an dem herrlichen Werk ehren wir sein Andenken am<br />

besten. — Als am 8. Januar der Unterricht begann, waren außer Mutschler, der<br />

abgegangen war, und vier anderen, die noch krank zu Hause lagen, wieder alle zur<br />

Stelle. Auch zwei Neue waren von ihren Eltern gebracht worden: Gert Butz (0III)<br />

aus Gotha und Wolfgang Holzheier (IV) aus Crimmitschau. Herr Hähle, der schon<br />

früher ausgeholfen hatte, übernahm 12 Stunden englischen Unterricht bis Ostern,


um Herrn Fuhrmann und mich zu entlasten. So kam die Arbeit bald wieder in den<br />

gewohnten Gang. An Abwechselung fehlte es freilich nie: Gleich am 9. Januar<br />

besuchten die Klassen 0 II bis O III ihre Anrechtsvorstellung in Waltershausen, eine<br />

von der NS-Kulturgemeinde veranstaltete Aufführung von Schönherrs ,,Glaube<br />

und Heimat", die alle tief ergriff. Das schöne Winterwetter ermöglichte in diesen<br />

Tagen die verschiedenstenUnternehmungen: Am 10. fuhren Herr und Frau Görnandt<br />

mit einigen geübten Skifahrern nach Friedrichroda, Spießberghaus, Heuberg, Tanzbuche,<br />

während andere nach der Kräuterwiese zum Rodeln gingen; auch am 11.<br />

konnte gerodelt werden, und der Staatsjugendtag am 12. wurde zum Schlittschuhlaufen<br />

ausgenutzt. Oer 13. Januar brachte die Saarabstimmung, der in einem<br />

gemeinsamen Gottesdienst in der Rödicher Kirche gedacht wurde. Bei anhaltend<br />

gutem Sportwetter gab es wieder Rodel-, Ski- und Schlittschuhgruppen, auch<br />

berichtet das Tagebuch von großen Schneeballschlachten auf dem Schanzplatz. Am<br />

15, war früh Gemeinschaftsempfang im Speisesaal: das Ergebnis der Saarabstimmu<br />

wurde bekanntgegeben. Auf Anordnung des Ministeriums fiel zur Feier<br />

des Tages der Unterricht aus; in froher, ja übermütiger Stimmung zog alles zum<br />

Wintersport. Am Abend beteiligten sichdie HJ. und das DJ. am Fackelzug im Ort.<br />

Zum Gedächtnis an den Tag der Reichsgründung sprach Herr Dr. Thiemer am<br />

18. Januar in der 6. Unterrichtsstunde über Bismarck und sein Werk. Am 26. war<br />

die letzte Anrechtsvorstellung in Gotha: Figaros Hochzeit, zu der die Klassen 0II-0III<br />

in Begleitung von Herrn Burggraf und Herrn Huschenbett fuhren. Der 30. Januar<br />

brachte, in Erinnerung an die Machtübernahme im Jahre 1933, wiederum eine<br />

Schulfeier: Herr Huschenbett hielt in der 6. Unterrichtsstunde eine Ansprache, Herr<br />

Hähle spielte, von Herrn Dr. Thiemer auf dem Flügel begleitet, eine Violinsonate<br />

von Händel.<br />

Auch im Februar hielt das kalte Winterwetter an, das nur durch eine kurze,<br />

freilich auffällig warme Periode unterbrochen war. So konnten noch öfter größere<br />

Skifahrten unternommen werden, und nur selten wurde die Turnhalle geheizt, wenn<br />

keinerlei Wintersport mehr möglich war. Gelegentlich wurden auch Gepäckmärsche<br />

gemacht oder Geländeübungen, von denen die eine, eine unerwartete Nachtalarmübung,<br />

freudige Erregung hervorrief und besonders deutlich in der Erinnerung haften<br />

blieb. — Mitte Februar wurden Herr Dr. Krauße für 4 Wochen, Herr Studienassessor<br />

Görnandt gleichfalls für 2 Wochen zu einem Kursus einberufen. Als Vertreter<br />

für Herrn Dr. Krauße war Herr Studienreferendar Apley aus Eisenach gekommen,<br />

der sich in den wenigen Wochen große Beliebtheit erwarb. Leider gab es in dieser<br />

Zeit auch einige Kranke: mehrere Jungen waren erkältet, und ich selbst mußte mich<br />

infolge einer leichten aber hartnäckigen Grippe zeitweise von herrn Fuhrmann vertreten<br />

lassen.<br />

Aus Anlaß der Saarbefreiung war der 1. März schulfrei. Die Schulgemeinde<br />

versammelte sichfrüh im Speisesaal zu einer Feier, bei der Herr Hähle, begleitet von<br />

Herrn Dr. Thiemer, die 1. Violin-Sonate F-dur von Weber und, nachdem Herr<br />

Apley die c-moll-Fantasie von Mozart gespielt hatte, noch die 3. Violin-Sonatine<br />

h-moll von Schubert vortrug. Nach der Rundfunkübertragung und Flaggenparade<br />

unternahm die HJ. einen Ausmarsch. Am Abend war Fackelzug zum Hermannstein,


anschließend noch eine Gedenkfeier bei Kluge, bei der auch die Ehrenkreuze für die<br />

Kriegsteilnehmer<br />

verteilt wurden.<br />

Auf Wunsch von Frau Ausfeld wurde der 7. März nicht wie in vergangenen<br />

Jahren gefeiert, das sonst übliche Zusammensein in größerem Kreise hätte zu schmerzliche<br />

Erinnerungen wachgerufen. So wurde des Gründungstages nur in der Morgenandacht<br />

durch eine Ansprache von Herrn Fuhrmann gedacht.<br />

Am Heldengedenktag, Sonntag, dem 17. März, verlas ich in der Andacht die<br />

Namen der im Weltkrieg gefallenen Schnepfenthäler Lehrer und Zöglinge. Nach<br />

einer Kranzniederlegung am Ehrenmal gingen wir zum Gottesdienst in die Rödicher<br />

Kirche. Im Anschluß an die Predigt des Pfarrers sprach Herr Oberst Heyne in<br />

mitreißenden Worten über die Bedeutung deo Tages, an dem die Allgemeine<br />

Wehrpflicht eingeführt wurde. Noch am Vormittag wurden die halbmast wehenden<br />

Flaggen hochgezogen.<br />

Schneller, als alle es bemerkten, war die Zeit verflogen und das Ende des<br />

Schuljahres gekommen. Die vielen bedeutungsvollen Ereignisse hatten uns nie recht<br />

zur Ruhe kommen lasen. Auch in den letzten Tagen gab es noch manche Ablenkung.<br />

Ein unwahrscheinlich warmer und sonniger Vorfrühlingstag verlocktezu einem längeren<br />

Ausflug: ich führte die Jungen, die sichdie Überraschung gern gefallen ließen, zum<br />

Hörselberg. Am 23. März veranstaltete das Jungvolk in Leina, am 2<strong>4.</strong> die HJ. in<br />

Rödichen einen öffentlichen Heimabend. Da ich an einer Sitzung der Leiter der<br />

Deutschen Landerziehungsheime in Frankfurt a. M. teilnehmen mußte, konnte ich<br />

mich leider nicht selbst von dem großen Erfolg der mit viel Liebe und Mühe eingeübten<br />

Darbietungen turnerischer und mimischer Art überzeugen. Besonderen Beifall<br />

soll das Kälberbrüten (Hans Sachs) gefunden haben, das von Kirchhoff (Bauer),<br />

Heusinger (Bäuerin), Schol; (Pfaffe) und Wellensiek (Fahrender Schüler) aufgeführt<br />

wurde, während Kirchhoff in komischen Akrobatenszenen noch einen besonderen<br />

Heiterkeitserfolg<br />

davontrug.<br />

Das Schuljahr schloß am 30. März wie üblich mit der Feier der Konfirmation.<br />

Zehn unserer Jungen wurden im Betsaal von Herrn Pfarrer Langenhan eingesegnet:<br />

Georg Gunther Beyreis, Waldemar Burkhardt, Hans-Joachim Fuhrmann, Klaus<br />

Hagspihl, Carl-Heinz Harnisch, Karl August Herdieckerhoff, Rudolf Hofmann, Otto<br />

Jaeger, Hans-Georg Scharffenberg, Gerhard Tetens.<br />

Zu Hause wurden konfirmiert: Günther Neißner, Henning Sengstack, Gerd<br />

Weihe.<br />

Die Eltern der Konfirmanden überreichten Frau Ausfeld die Faksimile-Ausgabe<br />

der Bibel von 1534 in zwei Lederbänden zur Erinnerung an den Tag der Konfirmation<br />

und zum Gedächtnis Dr. Ausfelds.<br />

Froher Stimmung fuhr dann alles in die Ferien, zunächst die Konfirmanden mit<br />

ihren Angehörigen, dann die übrigen. Fritz Beck, Hans-Wilhelm Klaus und Edmund<br />

Weihe gehen ing praktische Leben über und werden nach Ostern nicht wieder nach<br />

Schnepfenthal zurückkehren. Hans Adler bestand das Abitur mit " gut" und ist in den<br />

Arbeitsdienst eingetreten. Lüder


Einladung<br />

zur Vorstandssitzung<br />

der Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />

und Hauptversammlungder VAS.<br />

am 16. Juni <strong>1935</strong>.<br />

Die diesjährige Vorstandssitzung de Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung,<br />

erweitert durch die Teilnahme der Mitglieder<br />

des Stiftungsrats, findet am ersten Sonntag nach<br />

Pfingsten, dem 16. Juni <strong>1935</strong>, 1215 Uhr im Hotel " Kurhaus" in<br />

Friedrichroda statt.<br />

Hauptversammlung der<br />

Vereinigung Alter Schnepfenthäler<br />

15 Uhr in der Erziehungsanstalt.<br />

Anschließend gegen 17 Uhr Traditions-Schokolade für die Zöglinge<br />

in der Anstalt.<br />

Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Tagung- Beschlußunfähigkeit<br />

kostet uns Geld und vermehrte Arbeit !-bitten wir<br />

um regste Teilnahme.<br />

Besondere Einladungen ergehen nur an die Vorvorstandsmitglieder<br />

und die Mitglieder des Stiftungsrats.<br />

Vorstehender<br />

Ernst Heyne,<br />

Schnepfenthäler-Jubiläums-Stiftung und derVAG.


Besucherliste<br />

Von Januar bis März besuchtenuns u. a.:<br />

Herr Dipl .-Ing. Alfred Fuhrmann, Frankfurt a. M.; Fräulein Claire Bleme,<br />

Frankfurt a. M.; Frau Margarethe Rübsamen, Dresden; Herr Studienrat Dr. Hans<br />

Warg und Frau, Grimma, Fürsten- und Landesschule; Herr Max Trautvetter,<br />

Immelborn; Frau Elise Schmidt und Herr Karl Schmidt, Immelborn Herr<br />

Dr. Fritz Tetens, Charlottenburg; Herr Felix Berhes, Lehrer, Gotha Schwester<br />

Elisabeth Richter, Bad Dürrenberg, Kindererholungsheim; Fräulein Hilda Hoffmann,<br />

, Mittelschullehrerin, Berlin Frau Johanna von Dallwitz, Tornow Herr<br />

Studienassessor W. Beel, Schulgemeinde Wickersdorf; Frau Rose-Marie von<br />

Zepelin geb. von Lochow, Mieckow Herr O. Reum, Barchfeld Herr Studienassessor<br />

Hans Pech, Köthen ; Fräulein Dr. med. Ingeborg Tetens, Berlin; Fräulein<br />

Ursula Hugenberg, Berlin; Herr Studienreferendar Rudolf Apley, Eisenach<br />

Fräulein Rosmarie von Bezold, München Frau Frieda Groß geb. Pumplun,<br />

Oranienburg-Eden; Frau Elisabeth Gröger und Herr Fritz H. Gröger (1911-14),<br />

Hamburg; Herr Jac Brant (1883-87) und Frau, London (Epsom); Frau Johanna<br />

von Lowtzow, Schönhagen; Frau Lili Tetens und Herr Roland Tetens,<br />

Charlottenburg; Frau M. Haedicke, Bremen: Herr Medizinalrat Dr. Hofmann<br />

und Frau E. Hofmann, Pfafferode ; Fräulein S. Hofmann, Leipzig Herr<br />

Dr. med. Burkhardt und Frau, Hohenmölsen Herr Amtsgerichtsrat a. D.<br />

Ludwig Herdieckerhoff, Tabarz ; Herr Fabrikdirektor Eberhard Herdieckerhoff<br />

und Frau, Saalfeld a. d. Saale; Herr Fabrikbesitzer Hugo Fuhrmann und<br />

Frau, Jessena. E. Herr Professor Dr. Werner Jaeger mit Frau und Tochter Heidi,<br />

Berlin ; Frau Ilse Staercker, Dohna-Dresden Fräulein Anna Jaacks, Burg, Insel<br />

Fehmarn ; Frau Dora Schleichardt geb. Becker und Herr Hellmuth Schleichardt,<br />

Ohrdruf; Herr Medizinalrat Dr. Beyreis und Frau, Mülheim-Ruhr ; Frau Else<br />

Hardtmuth und Herr Walter Hardtmuth (1916-17), Wiesbaden.<br />

Vom Taschengeld.<br />

Früher hatte ich erst lange überlegen müssen, wenn ich etwas ausgeben wollte.<br />

" Ich ging viel sparsamer mit den Heften um , denn auch die kleineren Sachen<br />

für die Schule, wie Hefte, Bleistifte u. a., mußte ich selber bezahlen. Als ich einmal<br />

meine alten Bücher, in denen ich meine Ausgaben aufgeschrieben hatte, mit einer<br />

Rechnung aus Schnepfenthal verglich, merkte ich, daß ich beinahe doppelt so viel<br />

für die Schulsachen ausgegeben hatte. '<br />

Der Untertertianer, der in seinem Aufsatz (,,Wie ich über das Taschengeld<br />

denke") diese Sätze schrieb, wies damit den Weg, den wir eigentlich hätten gehen<br />

sollen: eigentlich sollten die Jungen auch ihre Hefte und Bleistifte und dergleichen<br />

von einem Taschengeld, das entsprechend bemessen sein müßte, bezahlen. Das ist<br />

aber nicht durchführbar, schon deshalb, weil diese Ausgaben zu sehr schwanken. Wir<br />

haben deshalb bestimmt, daß vom Taschengeld solcheKosten bestritten werden, die


mit dem Unterricht, der sportlichen Erziehung und der Körperpflege nichts zu tun<br />

haben. In erster Linie sind das die kleineren Ausgaben für die Hitler-Jugend (Beiträge,<br />

Abzeichen, Eintrittsgelder, kleine Fahrtspesen, Meldeblocks u. ä.), ferner<br />

Liebhabereien, wie Photographieren, Zeitschrift, Bilder. Besonders hoffen wir, daß<br />

mancher es lernt, für die Erfüllung eines etwas größeren Wunsches zu sparen<br />

(Ferienwanderung, Bücher). Geschenke, besonders auch Spenden, seien nicht vergessen.<br />

(Winterhilfe! Ist es pädagogisch, ein Monatsabzeichen, das der Junge trägt,<br />

den Eltern auf die Rechnung zu setzen? Geht's vom Taschengeld, dann ist es erst ein<br />

Opfer.) Endlich sollen die Jungen auch für mutwillig oder leichtfertig verursachte<br />

Schäden aufkommen und verlorene Gegenstände (Schulterriemenschlaufen, Schlipsknoten!)<br />

selbst wieder anschaffen. Wenn das auch alles nur in gewissen Grenzen<br />

möglich ist, so wird doch der grundsätzliche Wert dieser Bestimmung damit nicht in<br />

Frage gestellt.<br />

Überblickt man diese Liste der notwendigen und möglichen Ausgaben, so erscheine<br />

die von uns angesetzten Höchstbeträge des Taschengeldes gewiß nicht<br />

luxuriös: 5 RM im Monat für Sekundaner, 3 RM für Tertianer und vierteljährlich<br />

5 RM für die drei Unterklassen. Zumal die Kleinen werden für andere<br />

Dinge (auf griechisch: " allotria" ) nicht viel übrig behalten. Daß für die Älteren ein<br />

größerer Spielraum bleibt, ist natürlich und angemessen: wer als Student über einen<br />

ganzen Monatswechsel verfügen wird, muß beizeiten lernen, mit etwas größeren<br />

Mitteln vernünftig umzugehen.<br />

Der erzieherischeWert des Taschengeldes hängt sehr davon ab, wieweit uns die<br />

Eltern unserer Jungen unterstüzen. Wer zum Beispiel von seinem Vater jede gewünsch<br />

Zahl von Filmen durch Postpaket bekommt, wird auch weiterhin so leichtsinnig<br />

drauflos knipsen wie bisher und mit demselben Mißerfolg, den wir allgemein<br />

beobachten; muß er selbstden Beutel ziehen, um die Kassette neu zu laden, so wird<br />

er bedachtsamer, also auch besser photographieren. So steht es mit vielen Dingen,<br />

auch mit verlorenen Messern und Taschenlampen. Wir bitten hier die Eltern herzlich<br />

um ihre Mitarbeit. Insbesondere bitten wir sie, von außeretatmäßigen Geldsendungen<br />

abzusehen. Wenn sie uns helfen, ihre Söhne zur Sparsamkeit zu erziehen, wird das<br />

Taschengeld, das sie ihnen gewähren, auch kaum eine Mehrausgabe bedeuten.<br />

Verschiedene Posten verschwinden ja schon automatisch von der Rechnung. (Der<br />

Hitler-Jugend-Beitrag für Februar mußte zum Teil noch angeschrieben werden,<br />

weil das Geld zu spät eintraf.)<br />

Unsere Aufgabe besteht darin, das Finanzgebaren der Jungen zu überwachen.<br />

Jeder hat ein Kassenbuch mit Einnahmen- und Ausgabenseite zu führen, das ich<br />

mir von Zeit zu Zeit vorlegen lasse. Wer es verliert, zahlt 50 Rpf Strafe (freibleibend<br />

zugunsten der Schülerbücherei. Am Letzten jedes Monats wird die Monatsbilanz<br />

gezogen. Das Saldo muß natürlich jederzeit mit dem Kassenbestand übereinstimm<br />

Negativ kann es nicht sein, denn Borgen und Verborgen sind verboten.<br />

Bei der Durchsicht der Bücher will ich mich vor allem überzeugen, daß sie regelmäßig<br />

geführt werden. Wenn ich auf törichte Ausgaben stoße, so werde ich den<br />

betreffenden Jungen nicht jedesmal mit Vorwürfen überschütten; er soll zunächst<br />

selber erleben, wie peinlich es ist, wenn man sich durch unüberlegte Käufe in


Schwierigkeiten gebracht hat. Wir lernen an unsern Fehlern. Selbstverständlich hat<br />

die Großzügigkeit ihre Grenzen. Wer zu schlecht wirtschaftet, bekommt weniger<br />

Geld oder kleinere Raten oder muß sich- äußerster Fall- jeden erforderlichen Betrag<br />

mit näherer Angabe besonders abholen. Dieses Verfahren ist anderseits die<br />

Regel bei den Kleinsten, mit denen ich auch das Kassenbuch anfangs zusammen<br />

führe, bis sie das Technische dieser Kunst erfaßt haben. Im allgemeinen erhalten<br />

auch die Größeren den Monatsbetrag nicht auf einmal, besonders zu Anfang,<br />

solange sie noch keine genügenden Erfahrungen gesammelt haben.<br />

Es läßt sich denken, daß das Amt des Taschengelddirektors etwas heikel ist,<br />

wenn es mit so viel Nachdruck wie Takt gehandhabt werden soll, und ich weiß von<br />

vornherein, daß ich es nicht jedem zu Dank machen werde. Da hilft nur offene Aussprache.<br />

Ich bitte deshalb jeden, der mit der Behandlung dieser Angelegenheit nicht<br />

einverstanden ist, ung seine Zweifel oder Wünsche offen mitzuteilen; denn nur wenn<br />

wir auch hier Hand in Hand arbeiten, können wir mit diesem wichtigen Stück der<br />

Erziehung vorankommen. Dr.. Thiemer.<br />

Liebe Alte Schnepfenthäler!<br />

WichtigeMitteilung<br />

Mit der 150-Jahr-Feier hat die Erziehungsanstalt Schnepfenthal einen Markstein<br />

ihrer Geschichte hinter sich gelagen. Die beiden Organisationen, die für<br />

Schnepfenthal gewirkt haben, die "Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung" und die<br />

"Vereinigung Alter Schnepfenthäler" haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten<br />

ihre Aufgaben in gemeinsamer erfolgreicher Arbeit erfüllt. In ihrer Zusammenarbeit<br />

lag der Erfolg der 150-Jahr-Feier begründet, die heute noch als ein uns im Innersten<br />

bewegendes Erlebnis in das neue Jahr herüber klingt.<br />

Nun scheintdie Zeit gekommen zu sein, uns ernsthaft mit der Frage zu befassen,<br />

ob der Bestand dieser beiden Organisationen eine Notwendigkeit ist, oder ob es<br />

nicht bessersei, sie zu einer Einheit zusammenzufallen. Es hat sichim Laufe der<br />

Jahre herausgestellt, daß die Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung in der Nachkriegszeit<br />

allein nicht in der Lage war, ihren satzungsgemäßen Aufgaben, Zahlung von<br />

Pensionszuschüssenan die pensionierten Lehrer und Lehrerwitwen bzw. Pensionsrückverg<br />

an die Anstalt, nachzukommen. Da die Stiftung satzungsgemäßfür<br />

diese Zwecke nur auf die Zinsen ihres durch die Inflation auf den Nullpunkt gesunkene<br />

Vermögens zurückzugreifen befugt war- heutiger Stand deo Vermögens<br />

zirka 5000 RM - , ergab sich,daß diese Zuschüssenur mit Hilfe der von der VAS.<br />

zur Verfügung gestellten Mittel aufzubringen waren, praktisch übernahm also die<br />

VAS. schonseit langem die Verpflichtung der Stiftung, die einzulösen wir alg eine<br />

Ehrenpflicht gegenüber den Zuschußberechtigten betrachteten. In Übereinstimmung<br />

mit dem Thüringischen Justizministerium, dem die Stiftung untersteht, ist beabsichtigt,<br />

beide Organisationen zu verschmelzen, und zwar soll nach dem Vorschlag des<br />

Ministeriums die "Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung in die " Vereinigung Alter<br />

Schnepfenthäler" aufgehen. Die VAS. übernimmt mit dem Vermögen der Stiftung


für die Zukunft auch die der Stiftung zufallenden Aufgaben: Zahlung von Pensionszuschüss<br />

und Pensionsrückvergütungen an die Anstalt; letztere konnten übrigens<br />

Seit dem Kriege aus Mangel an Mitteln überhaupt nicht gezahlt werden. Das alles<br />

selbstverständlich wird geschehen nach Maßgabe der verfügbaren Mittel und im<br />

Rahmen der der VAS. an sich zufallenden bisherigen Aufgaben, die im vollen Umfange<br />

bestehen bleiben! Durch diese Verschmelzung soll gleichzeitig eine Vereinfachung<br />

der Verwaltung erreicht werden. Der vielköpfige Stiftungsrat wird verschwinden,<br />

und der Vorstand wird, wie bei der VAS. nur noch aus drei Mitgliedern und drei<br />

Stellvertretern bestehen. Die gesamten Geschäfte werden alsdann auf denjenigen<br />

wenigen Schultern ruhen, die bisher tatsächlich die Arbeit schon geleistet haben.<br />

Wir brauchen zu diesem Zweck:<br />

1. Beschluß des Stiftungsrats über<br />

a) Auflösung der " Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung";<br />

b) Überweisung des Stiftungsvermögens an die VAS. unter gleichzeitiger<br />

2. Beschluß der VAS. über<br />

Übertragung ihrer Geschäfte an sie.<br />

a) Übernahme der ihr hieraus erwachsenen Verpflichtungen<br />

b) notwendige Satzungsänderungen.<br />

Hierüber soll die für dieses Jahr anberaumte Pfingsttagung Entscheidung herbeiführe<br />

Bitte lesen Sie die in dieser Nummer auf S. .4 veröffentlichte Einladung!<br />

Nach Herbeiführung dieser Beschlüsse wird der Vorsitzende die endgültige Genehmigu<br />

zu der geplanten Verschmelzung beim Justizministerium, Land und<br />

Reich einholen. Mit Schnepfenthäler Gruß und Heil Hitler!<br />

Ernst<br />

Heyne.<br />

Ein Besuchin Schnepfenthal im Oktober1798.<br />

DienachstehendenZeilen entnehme ich einer Reisebeschreibung meines Urgroßvaters<br />

Julius Hieronymus Girtanner, Zögling von 1788- , Lehrer in Schnepfenthal<br />

von 1799-1857. Er reiste am 1<strong>4.</strong> Oktober früh 6 Uhr mit dem Hamburger<br />

Postwagen von Nürnberg ab und kam über Bamberg- Coburg - Meiningen und<br />

Schmalkalden am Abend des 16. Oktober in Tambach an. Von da aug wollte er<br />

am nächsten Morgen zu Fuß nach Schnepfenthal wandern. Der Wirt vom Schwarzen<br />

Bären hatte ihm abends versprochen, für einen Boten zu sorgen, der ihn am nächsten<br />

Morgen nach Schnepfenthal begleiten sollte. Aber lasen wir ihn nun selber erzählen:<br />

17. Oktober. " Ganz trübe dünkte mich der Horizont als ich aufwachte. Es<br />

mochte etwa 6 Uhr sein, und als ich aufstand, hörte ich ganz deutlich regnen. Das<br />

war mir nun freilich recht unangenehm. Indessen war ich gleichwohl entschlossen,<br />

meinen Marsch nach Schnepfenthal sogleich zu beendigen. Ich frug bald nach dem<br />

versprochenen Boten, aber niemand wollte wag davon wissen; als ich endlich Lärm<br />

machte, schickteman nach einem Manne, der Müller hieß und mit dem ich bald um


10 Groschen einig wurde. Er marschierte noch einmal nach Hause, und ich sollte<br />

indessenKaffee trinken, der aber gar nicht schmeckte. Ich gab jetzt der Wirtin meinen<br />

Mantel, Socken, Schnappsack und einen Pelzhandschuh in Verwahrung bis zu<br />

meiner Zurückkunft (den andern Handschuh hatte ich in der Gegend von Hildburghausen<br />

verloren). Den noch übrigen Vorrat von Bratwürsten nahm ichin die Tasche,<br />

und nun ging's mit dem Boten vorwärts unter beständigem Regen. Der Bote führte<br />

mich meistens durch Wald über den Gottlob, indessen wurden wir doch ganz durch<br />

und durch naß. Es war ungefähr morgens 7 Uhr, als wir von Tambach abgingen,<br />

wir trafen aber wenig Leute an, obgleich heute, den 17. Oktober, Jahrmarkt in<br />

Waltershausen war. Etwa um 9 Uhr kamen wir nach Friedrichroda. Hier ließ ich in<br />

einem Wirtshause einen halben Laubtaler wechseln, konnte aber den Wirt nur durch<br />

Bitten dazu bewegen, und gab dann dem Boten 12 Groschen mit der Erlaubniss<br />

nach hause zu gehen, weil es so schlechtWetter wäre. Er nahm die Erlaubnis gerne<br />

an, ließ sich Schnaps bringen, und ich ging sogleich mit dem Mantelsack auf der<br />

Achsel fort. Ich fand noch so ziemlich den Weg nach Reinhardsbrunn und marschierte<br />

drauf los was ich konnte und wußte, um meiner Bürde loszuwerden und aus dem<br />

Regen zu kommen. Mit genauer Not entging ich dem Fallen, denn es war recht<br />

schlüpfrig, und endlich bekam ich Schnepfenthal zu Gesichte, wovon ich ganz eingenomm<br />

wurde. Ich wendete mein Gesichte immer nach dem Institute zu und lief<br />

so mitten durch alles durch nach der Schenke, die vor etlichen Jahren neu gebaut<br />

worden. Lieber wäre ich nach dem Gutshause gelaufen, aber ich fürchtete, da entdeckt<br />

zu werden, und zweifelte, ob Spangenberg mich werde beherbergen können. In der<br />

Schenke traf ich sogleich einen etwas sonderbaren Mann an (Herrn Triebel), der<br />

mich frug, wer ich seie, woher ich komme und wohin ich gehe. Ich sagte ihm, ich sei<br />

Rabe von Hildburghausen und gehe nach Gotha, jetzt wollte er nähere Nachrichten<br />

von Hildburghausen wissen, weil er auch von Hildburghausen sei, allein ich zog mich<br />

aus der Verlegenheit, indem ich den Wirt bat, mir ein Zimmer zum Umkleiden<br />

herzugeben. Obenauf geschahdenn das sogleich, und dabei verzehrte ich die übrigen<br />

Bratwürste. Jetzt trug ich die nasse Ware in die untere Stube zum Trocknen und<br />

marschierte zu den Institutsgebäuden hinauf. Meine Absicht war, mich nicht zu<br />

erkennen zu geben, denn dazu konnte ich mich aus Schüchternheit noch nicht entschließe<br />

ich marschierte also blos ziemlich von weitem um die Gebäude und Garten<br />

herum, besah alles und hielt mich im Garten etwas auf. Ich traf niemanden an und<br />

kehrte wieder in die Schenke zurück, ganz benetzt, denn es hatte immer noch geregnet.<br />

hier labte ich mich an dem Brunnen, der vor der Schenke steht und dessenWasser<br />

mich außerordentlich gut dünkte. Wenigstens Sechsmallief ich zu ihm hin, um wieder<br />

zu trinken. Nun marschierte ich eine Weile auf der Gimnastik herum und patroullierte<br />

wieder eine Weile um Schnepfenthal umher, diesmal kam ich bis an den Geitzenberg<br />

und besah die Kohlfelder. Ich sahe wieder niemand und fing an zu glauben,<br />

alles sei auf Reisen begriffen. Gerne hätte ich jemanden auf einem Spaziergang<br />

überrascht, aber niemand ließ sich blicken.<br />

Neuerdings kehrte ich in die Schenke zurück, und da sichein Herbst da befand,<br />

der mich kannte, so setzteich mich hin, um mit ihm zu plaudern. Er sagte mir eben,<br />

daß der Mann, mit dem ich vorhin gesprochen,Herr Triebel, der Musiklehrer, gewesen


sei. Jetzt kam der Schreiner Hellmund von Waltershausen noch dazu, und nun ging<br />

das Plaudern erst recht an. Diese beiden berichteten mir alles, was sievon Schnepfenthal<br />

wußten, und ich erfuhr da gar vieles in einer Stunde, was ich nachher erst<br />

nach und nach würde haben erfragen müssen. Fragen auf Fragen ergingen von mir,<br />

und diese beiden unterrichteten mich mit großer Bereitwilligkeit und viel Anstrengung.<br />

Endlich wurde die Stube plötzlich ganz voll von Sautreibern, Viehhändlern und<br />

Bauern, welche vom Jahrmarkt kamen und da essen wollten; diese Gäste machten<br />

dem Konklave ein Ende, und ich marschierte abermals zu den Institutsgebäuden<br />

hinauf. An der Stelle, wo sonstder Brunnen gestanden, war jetzt eine Hütte, worin<br />

Steinplatten behauen wurden. Einer der Steinmetzen trat hervor und sagte: Man<br />

sei jetzt beim Speisen, und ich könne wohl nicht mit Herrn Professor sprechen; ich ließ<br />

mir das gesagt sein und marschierte flink wieder ab, und zwar zu Herrn GutsMuths<br />

ins Gutshaus. Er war nicht in der Stube, kam aber gleich und behielt mich dann<br />

beim Mittagessen. Ich sagte zwar, ich hätte schonin der Schenke gegessen, allein er<br />

konnte aus der Begierde, womit ich beim Essen zulangte, wohl schließen, daß ich eine<br />

Unwahrheit gesagt habe, denn ich ließ mir's auf dem Cannapee wohl schmecken.<br />

Herr G. wies mir hernach seine herrliche Drechselbank, Glasschleiferei, seinen Cilinder<br />

zur Elektrisirmaschine etc. etc. Ein Zögling von Racknitz kam während dem Essen und<br />

sah mich, weil er mich aber nicht kannte, so verriet<br />

er auch nichts davon im Institute<br />

droben. Um 2 Uhr ging ich endlich hinauf (nachdem ich mir hatte beschreiben lassen,<br />

wo Herr Buddeus wohne), und auf dem Vorplatz erkannte mich der Bediente Zier,<br />

ohne daß ich es wußte. Ich ging nun die Treppe hinauf, da begegnete ich der Frau<br />

Professor Ausfeld, ich sprach aber nicht mit ihr, weil ich mich noch nicht zu erkennen<br />

geben wollte. Bei Herrn Buddeus klopfte ich an und trat dann herein. Er saß an<br />

seinem Pult und zeichnete, fuhr aber schnell auf, alg er mich sah und bewillkommte<br />

mich. Bald kam auch der Vater und Herr Philipp Salzmann, dann Carl Salzmann.<br />

Der Vater brachte Ernsten, Wilh. Starke und Franz von Knypphausen mit, da hatte<br />

ich eine gar herzliche Freude. Nun sollte ich von Stube zu Stube ziehen, aber ich<br />

blieb bei Herrn Buddeus, weil ich zu schüchtern war. Abends ging Herr Buddeus<br />

mit mir und seiner Stubengesellschaft in die Schenke, um meine Sachen abzuholen,<br />

und die Zöglinge machten sich eine Freude daraus, meine Sachen zu tragen. Der<br />

Wirt verlangte für die Zeche nichts. Ich nahm also dankbar Abschied und bekam nun<br />

meine Lagerstätte in dem Schlafsaale des Herrn Frank (Musiklehrer). Beim Nachteilen<br />

kam ich neben den Vater (der mich stets Herr Gevatter nannte) zu sitzen und<br />

hatte einen gar angenehmen Abend. Nach dem Nachtessen führte mich Herr Buddeus<br />

zu Herrn Melsheimer, der mich mit einer kleinen Rede empfing und in dem ich<br />

hernach einen äußerst guten, munteren und liebenswürdigen Mann fand. Endlich<br />

ging's ins Bette in den Schlafsaal des Herrn Frank ehemals hatte Herr Föst darinne<br />

gelegen, und es hatte die sonderbare Eigenschaft, daß es entsetzlichkrachte, wenn man<br />

sich nur ein bischen darinne bewegte. Ich lernte also da recht stille liegen.<br />

Am folgenden Morgen (den 18. Oktober) erwachte ich von dem Trommelschlag<br />

(Carl Ausfeld war bestellter Trommler) und brachte von nun an die meiste Zeit auf<br />

der Stube des Herrn Buddeus zu. An diesem Vormittage nahm mich Herr Professor<br />

zu einem Spaziergang mit, und ich sagte ihm da mein Anliegen. Herr Professor nahm


es sehr gut auf. Wir wurden aber mit den Deliberationen nicht ganz fertig in dieser<br />

Stunde. Ich war ganz erstaunt über die Schönheit des heutigen Tages, denn in der<br />

Stadt macht ein heiterer Himmel wenig Eindruck. Hier hingegen dünkte es mich,<br />

der helle Himmel verbreite einen außerordentlich angenehmen Reiz auf die ganze<br />

Gegend. Mir war es desto auffallender, weil der vorige Tag sehr rauh, trübe und<br />

regnerisch gewesen war, sodaß mir die ganze Gegend recht rauh vorgekommen war.<br />

Nach 11 Uhr begleitete Philipp Salzmann und ich den Herrn Laserre nach Waltershausen,<br />

und wir beiden gingen dann noch auf den Jahrmarkt, wo sichHerr Philipp<br />

eine Uhrkette kaufte. Wir trafen da auch den Herrn Bereiter und einige Zöglinge<br />

an. Er verließ uns aber wieder, und wir beiden besuchtendann ein bischen den Herrn<br />

Ziegler, sprachen auch ein wenig mit dem Schreiner Winkler und waren nach '12'12<br />

wieder in Schnepfenthal. Herr Buddeus hatte einen Zwetschgenkuchenvon Waltershausen<br />

mitbringen lasen, womit er mich am Nachmittage traktierte.<br />

mir Herr Gevatter zwei Schnepfen hin und sagte: ich solle sie verzehren,<br />

doch wüßte, daß ich in Schnepfenthal sei. Mein langes Haar und der Bart<br />

dem Vater, daher ich bald den letzteren mit dem Instrument des Herrn<br />

wegzubringen suchte, es ging aber nicht gut, weil ich darin wenig Geschicklichkeit<br />

besitze. Ich besuchte nun abwechselnd den Herrn Bereiter, den Herrn Ausfeld und<br />

Herrn Melsheimer und Herrn Philipp Salzmann und brachte die Zeit sehr angenehm<br />

zu. Der Vater nahm mich einmal mit nach Waltershausen nebst den drei kleinen<br />

Zöglingen Ernst, Wilhelm und Franz, und wir kehrten bei Herrn<br />

aberdieFrauZieglerinkrankundzogendaherbaldwiederab Auf demWege<br />

gaben die kleinen Zöglinge Proben von ihren botanischen Kenntnissen, worüber<br />

ich<br />

sehr erstaunte, auch rechneten sie sehr gut im Kopfe und erzählten dann von der der<br />

kürzlich gemachten Reise nach Arnstadt. Die Ortschaften, die sichüber dem Horizont<br />

befanden, wußten sie perfekt zu benennen. Bei Tische saß meist Carl Salzmann<br />

neben<br />

mir, und der lehrte mich dann die Zöglinge nach und nach kennen. An unserem<br />

'erem<br />

Tische saßen außer Herrn Professor, Herr Weißenborn, Carl und ich,noch von ven Spiegel,<br />

Wildtfank, Nottebohm, zwei Burmester, von Luce, Fried Reisden, Schmaelke.<br />

Sonst<br />

habe ich noch folgende Zöglinge gemerkt: Kratzenstein, drei Knypphausen,<br />

Carl<br />

Reisden, von Roß, zwei Malapert, Koppe, Tutein, Schmidt, Fischer,Globig Globig,<br />

Gandil,<br />

Rodde, von Sekendorf, Carl und Ernst Ausfeld, Ernst Salzmann, Wilhelm<br />

Starke,<br />

Wilhelm Beaulieu, von Racknitz, Nelthrop, Romann, Ardesch. An Lehrern traf ich Id)<br />

an : Herrn Guts Muths Buddeus, Ausfeld, Bereiter, Föst, Triebel, Laserre, Weißenborn,<br />

Sgolka, Blasche, Alberti, Frank, Philipp Salzmann. Herr Lenz war jetzt sest in<br />

Paris. Herr Alberti speistebei Frau Professor, Herr GutsMuths im Gutshause und<br />

Herr Laserre in Waltershausen. Die kleinen Kinder des Herrn Lenz, den kleinen<br />

Gottlob des Herrn Professor und den Christian des Herrn Weißenborn<br />

erwähne<br />

ich gar nicht. Herr Guts Muths hatte ein Mädchen Franziska.<br />

Was mir in Schnepfenthal besonders auffiel, war der hohe Wuchs der Pappeln,<br />

der schöneTeich mit dem Geländer und das neue Haus des Herrn Müller,<br />

sowie das<br />

schönemit Sand beschüttete Pflaster längs den beiden großen Gebäuden,<br />

sodaß jetzt<br />

* Gemeintist Gotthilf Salzmann.<br />

Zu Mittag<br />

Ziegler<br />

stellte<br />

damit ich<br />

mißfielen<br />

Buddeus<br />

ein, fanden


ein geräumiger reinlicher Platz vor den Häusern ist. Nahe an den Häusern liegen<br />

Steinplatten. In der Einrichtung des Instituts selbstwar es mir etwas Neues, daß<br />

die Zöglinge auf den Stuben verteilt waren, man sah aber sehr deutlich die guten<br />

Folgen dieser Verfügung, denn es herrscht setzt eine große Sittsamkeit und ein vortreffliche<br />

Ton unter den Zöglingen. Unter der allgemeinen Aufsicht stehen jetzt nur<br />

noch etwa 6-8 Zöglinge. Herr Buddeus hatte William Burmester, von Racknitz und<br />

Beaulieu. Ich fand das Zimmer des Herrn Buddeus mit am lieblichsten unter allen,<br />

teils weil man den Platz vor dem Hause, das Bassin und die ganze Gegend bis<br />

Gotha übersieht, teils weil es inwendig mit so schönen Porträten ausgeziert ist. Da<br />

konnte ich das Portrait des Herrn Blasche, Herrn Melsheimer, des alten Marx, der<br />

Marxin, der Frau vom Philipp Marx, ferner von Caspar Schmidt, einen Gothaischen<br />

Grenadir, einen Flötenbläser, einen Triumphbogen und viele andere Stücke sehen.<br />

In dem Zimmer des Herrn Professor, über dem Cannapee fand ich die meisten<br />

Portraits der vormaligen Zöglinge und Lehrer hängen, auch ein Prospekt von<br />

St. Gallen hängt in jener Stube. Ich besuchtenun auch die Frau Professorin und<br />

Madame Weißenborn, welcher ich die Strümpfe von Weidenwolle, die Sie ehemals<br />

verfertigte, wies. Bei Herrn Bereiter sah ich oft reiten, und mit vielem Vergnügen<br />

sah ich den Herrn Buddeus vier Zöglingen (zwei Reisden, Nelthrop und Tutein)<br />

italienische Stunde geben. Er sprach die ganze Stunde mit ihnen; sie lernten und<br />

horchten mit Vergnügen und nahmen sehr geschwinde zu.<br />

Was Neues war es für mich, daß die Zöglinge Möhrensaft in Spitzgläsern<br />

und das Brot separat erhielten, sodann auch, daß das Frühstück von Obst in kleinen<br />

Körbchen ausgeteilt wurde, zu meiner Zeit hatte man gewöhnlich nur trockenes<br />

Brot zum Vesperbrot bekommen, fegt bekommen die Zöglinge gutes Vesperbrot, wie<br />

beim Frühstück. herr Buddeus füllte mir alle Abende einige Gläser Himbeersaft mit<br />

Wasser vermischt ein, sodaß seine Flasche ganz leer wurde. Herr Melsheimer wollte<br />

mir durchaus sein ledernes Käppchen vom Kopfe geben, sobald ich mir merken ließ,<br />

daß ich es auf der Reise gut gebrauchen könnte. Nach dem Nachteilen musizierten<br />

Herr Buddeus und Herr Melsheimer allemal mit einander. Ersterer spielte abwechsel<br />

das Klavier und die Flöte, letzterer immer die Flöte, aber ganz vortrefflich;<br />

auch herr Buddeus blies sie überaus gut, auf dem Klavier zeigte er aber eine ganz<br />

ungewöhnliche Fertigkeit. Um 11 Uhr ging's gewöhnlich zur Ruhe, nur Herr<br />

Buddeus arbeitete noch bis 12. Am Freitag, den 19. Oktober, kam Herr Nauman,<br />

der Tanzmeister, während dem Mittagessen in den Speisesaal, um etliche Wochen<br />

in Schnepfenthal zu bleiben, und wurde mit vielem Küssen empfangen. Zugleich kam<br />

auch Herr Kammerrat Reinhard mit seiner Frau und Knaben von Erfurt zum Besuche.<br />

Sogleich kam auch ein neuer Zögling, Rodaz von Hamburg, mit einem Begleiter,<br />

der einige Tage in Schnepfenthal blieb. Rodaz wurde dem Herrn Melsheimer auf<br />

die Stube gegeben. Am Sonnabend des 20. Oktober brachte mir Philipp Marx<br />

das Kistchen aus Gotha mit dem Elektrisirmaschinchen, das ich für Ernst bestimmt<br />

hatte. Ich packte es in der Kammer des Herrn Buddeus aus, richtete es zusammen<br />

und trug es dann zu Herrn Melsheimer hinauf. In dieser Woche schanzte ich auch<br />

zweimal mit, einmal beim alten Hofe, das andere Mal jenseit des Gartens; dann<br />

wurde an einem Abend auch gute Erde auf den Gatten des Herrn Buddeus geschafft.


Bei dem Schaufeln wurde ich jedesmal gewaltig müde, weil ich das Arbeiten gar<br />

nicht mehr gewohnt war. Am Sonntag Morgen, den 21. Oktober, war ich beim<br />

Morgengebete im Betsaale. Oer vater hielt dann noch eine kleine Rede, und diejenigen<br />

Zöglinge, die am vorigen Tage auf dem Mauerchen herumgeklettert waren,<br />

wurden notiert. Erwähnte Rede vertrat für heute die Stelle der Gottesverehrung.<br />

Nachher ging ich zu Herrn Ausfeld, der gerade Ne allgemeine Aufsicht hatte, und<br />

sah den von Spiegel mit der linken hand recht schön schreiben. Hernach besuchteich<br />

die trau Professor Ausfeld und ging Sann mit Herrn Buddeus und seiner Stubengesellsch<br />

nach Daberz; wo herr Buddeus eine Fortepiano bestellt hatte. Wir fanden<br />

aber den Mann nicht und mußten unverrichteter Sachen wieder zurückkehren. Dieser<br />

Spaziergang war übrigens äußerst angenehm. Nachmittag nahm mich Herr Ausfeld<br />

mit auf den Buchberg (?)und nach Tenneberg, wo man ganz herrliche Aussichten<br />

antrifft. Abends wurde bei herrn Melsheimer das Elektrisirmaschinchen probiert,<br />

und da mußte man erstaunlich viel zureden, ehe man den Rodaz zum Empfang<br />

einzelner Funken bewegen konnte. Wilhelm Starke hatte hingegen am meisten Herz,<br />

denn er entlud freiwillig mehrere Mal die Flaschen. Am Mittwoch ging ich mit Herrn<br />

Philipp Salzmann und herrn Laserre nach Reinhardsbrunn zu Herrn Graff. Die<br />

Frohner mußten gerade zur Frohne Mist führen. Auf 6cm Wege dahin verirrte ich<br />

mich, lief umher und fans erst eine gute Weile nachher meine Reisegesellschaftwieder.<br />

In Reinhardsbrunn kaufte Herr Laserre 15 Bäume, Kirschen, Äpfel, Birnen. Dann<br />

sammelten wir viele gelbe und rote Beeren von dem amerikanischen großen Weißdorn,<br />

besuchten zulegt noch den Herrn Graf auf seiner Stube, wo Hauns Frau saß<br />

und mich erkannte, und gingen dann nach Hause.<br />

Nach und nach erneuerte ich auch in Schnepfenthal Ne Bekanntschaft wieder<br />

mit herrn Buschmann, Schneider Gimm, der mich noch recht gut kannte, mit dem<br />

alten Marx als Hirte, mit der alten Marxin, mit Haun etc. Die alte Großmutter<br />

bekam ich jedoch nicht zu sehen. Der Vater wollte mir am Montage gar nicht sein<br />

Land graben lassen, weil er es selber umgraben müsse. Hingegen ließ er mich helfen<br />

Kolrabi ausraufen auf dem Felde beim Geitzenberg und mit den vier Zöglingen<br />

Rodaz, Ernst, Wilhelm, Franz nach Hause fahren. Am 22. Oktober aß ich zu Nacht<br />

bei Serin Guts Muths An diesem Tage kaufte auch Herr Guts Muths das Haus<br />

des Dr. Reinecke in Ibenhain, 900 Reichstaler, welches ich diesen Abend besah.<br />

Sein Haus am Geitzenberge besuchte ich mehrere Mal, es stunden aber erst die<br />

Grundmauern da. Mit Herrn Buddeus ging ich an diesem Tage auf den Hermannstein.<br />

Am 2<strong>4.</strong> Mittwoch sollte der Blaukohl von Jacobi und Haun eingeschlagen<br />

werden, daher fuhr ich fast den halben Tag diesen Kohl von Sein Felde weg. Ich sollte<br />

auch den noch stehenden Kohlrabi herausnehmen, weil ich aber noch 5 stehen ließ, so<br />

mußte ich dafür an den Vater 15 Pfennige Strafe bezahlen, nämlich für Ne erste<br />

1Pfennig, für die zweite 2, für die dritte 3 Pfennig usw. Am letzten Tag,<br />

Donnerstag, den 25. Oktober, vormittag, machte mir Herr Professor ein Present,<br />

mit einem Rasiermesser und Streichleder,<br />

wovon ich sogleich Gebrauch machte. Dann<br />

aß ich mit Herrn Buddeus und seiner Stubengesellschaft bei Herrn Professor auf<br />

seinem Zimmer. Herr Philipp Salzmann kam da, Abschiedzu nehmen, und ich erhielt<br />

dann vom Herrn Gevatter auch den Abschiedskuß.


Jetzt hatte ich noch den Herrn Buddeus, Ausfeld und Bereiter um mich bis<br />

nach 2 Uhr. wo Christian Haun mit dem Mantelsäckchen auf der Schulter mit mir<br />

nach Tambach abmarschierte. Herr Buddeus ging noch eine gute Strecke mit mir, bis<br />

ich ihn bat, umzukehren. Haun wollte über Altenkirch (soll heißen Altenbergen) nach<br />

Tambach gehen, wußte aber diesen Weg nicht. Wir kamen rechts bei Catterfeld vorbei,<br />

welcher Ort ganz mit Schindeln gedeckt ist und ziemlich groß zu sein schien, und<br />

schlugenuns dann in die Straße, die von Georgenthal nach Tambach geht. Ich fand<br />

da ein sehr düsteres enges Tal, wo die Papiermühle drinnen liegt, und ich erinnere<br />

mich nicht, ein traurigeres gesehen zu haben. Es war in der Abenddämmerung, als<br />

wir durchpassierten, und der Abschied von Schnepfenthal hatte mich ohnehin ein<br />

wenig traurig gemacht, daher fand ich das Tal gar so melancholisch. Endlich wurde<br />

es Nacht, und um61/2 Uhr bis 7 Uhr zirka gelangten wir endlich nach Tambach."<br />

Von da reiste Girtanner auf demselben Weg, auf dem er gekommen war, wieder<br />

nach Nürnberg zurück. O. Ausfeld.<br />

Von unsernMitgliedern<br />

Zu unserer Freude traten in die VAS. ein:<br />

Frau Maria Rath, Köln-Lindenthal, Klosterstraße 71II, Mutter unseres<br />

1927 gestorbenen Hans Rath (1923-1925).<br />

Mr. Fredrick Brant (1883-1888), Meadow Close, 1. West Hill Avenue,<br />

Epsom, Surrey.<br />

Hans Wilhelm Klaus, Plauen (Vogtland), Oberer Steinweg 2 (1929-<strong>1935</strong>).<br />

Johanna Boeck, Gießen a. d. Lahn, Stephanstraße 13I.<br />

Hans Adler; Mittenwald (Oberbayern), Haus Tannenberg.<br />

Edmund Weihe, Lehnendorf bei Neubuckow in Mecklenburg.<br />

Leider waren alle Bemühungen des Schriftführers, der an alle gelegentlich des<br />

Jubiläums bekannt gewordenen Anschriften alter, aber noch nicht zur VAS. gehöriger<br />

Schnepfenthaler den Festbericht mit der Bitte um Beitritt schickte,ohne Erfolg.<br />

Wir verloren durch den Tod:<br />

Alexander v. Reuter, Generalmajor a. D., Stettin, + am 21. Februar <strong>1935</strong>.<br />

Wilhelm Ausfeld, Pfarrer i. R., Schmiedefeld (Thür.).<br />

Veränderungen:<br />

stud. rer. pol. Heinz-Georg Willrich, Leipzig, Hohe Straße 6oII.<br />

Martha Heß, Jena, Talstraße 14I.<br />

Holtz (nicht Poltz), Bad Kösen, Salinenstraße 6.<br />

Gustav Lucanus, Landwirt, Hof "Auf der Eych", Bad Harzburg.<br />

August Brauns, Bremen, Georg-Grönning-Straße 50.<br />

Ludwig Döderlein, Taucha b. Leipzig, Porlitzer Straße 9.<br />

Friedrich v. Einsiedel, Ruhla, Kurhausstraße 11, b. Stein.


Herbert Grundmann, Leipzig, Norderneystraße 5b.<br />

Edmund Heyne, Ing. Dresden 27, Chemnitzer Straße 71, Fa. Nitzsche&.Co.<br />

Cecil Hobs, Eisenach, Klein-Neustadt, Rennbahn 81.<br />

Heinz Jahn, Leipzig C1, Auenstraße 18III.<br />

Werner Kanein, Dr. jur., Rechtsanwalt, Dresden-A.1, Johann-Georgen-Allee<br />

9I.<br />

Alfred Künzel, Neustadt a. d. Orla, Carl-Alexanderstrasse 5.<br />

Ernst Lichtenecker, Gotha, Straße unbekannt.<br />

Karl Müller, Hamburg, Hofweg 42.<br />

Albert Rieffenberger, Leipzig, Rosenthalgasse, Nr.?<br />

August Schreck sen., Cannstadt, Hermannstraße 19.<br />

Erich Schreiber, cand. phil., Alperstedt b. Groß-Ruderstedt (Thür.)<br />

Hans Werner Strenge, Altenburg (Thür.), Oswaldstraße 35 p.<br />

Heinz Zimmermann, Feldmeister, Lübben, Arbeitsdienst.<br />

Frau Lore Heckrodt geb. Kayser, Forstassessorsgattin, Weimar, Adolf-Hitler-Straße<br />

10a.<br />

Eberhardt, Berlin-Wilmersdorf 4, Brandenburgische Str. 23I.<br />

Wiebe Ausfeld<br />

VERLOBTE<br />

Gerhard Kreß<br />

Schnepfenthal April. <strong>1935</strong> Osorno (Chile)<br />

Zurück kamen Sendungen, die gerichtet waren an:<br />

Gustav Heinrich Weitert.<br />

Hans Trinius, Generalmusikdirektor, Dortmund.<br />

Wilhelm Cleß, Dresden-A.<br />

Manfred Hübner, Halle.<br />

Hans Calberla, Dresden-A.2.<br />

Hans Friedrich v. Trott zu Solz, cand. med.<br />

Werner Behrends, Charlottenburg.<br />

Ehrhard Lux, Marienthal.<br />

Graf Luxburg.<br />

Anneliese Witschel.<br />

Herbert Kolbe.<br />

Friedrich Karl Krauß. Wer hilft die Vermißten ermitteln?<br />

Immer und immer wieder bittet die Schriftleitung, bei Wohnungswechsel sich<br />

der so geringfügigen Mühe zu unterziehen, die neue Anschrift mitzuteilen.<br />

Anschrift: VAS. Hellerau bei Dresden, Tännichtweg 2.


Es ist kein besonderer Beweis von Anhänglichkeit an Schnepfenthal, Anschriftenverände<br />

nur durch nicht angenommene Nachnahmesendungen bekannt werden<br />

zu lassen.<br />

Trotz des Erfolges, den der würdige Verlauf der Jubelfeier unbestreitbar für<br />

Schnepfenthal gehabt hat, dürfen wir nicht müde werden, für Schnepfenthal zu<br />

werben und zu Schnepfenthal uns zu bekennen. Das eindeutigste Bekenntnis zu<br />

Schnepfenthal is die Zugehörigkeit zur VAG. und die Erfüllung der wenigen Mitgliedpflic<br />

Der Beitrag beträgt je Jahr 6 RM für wirtschaftlich selbständige, 2 RM für<br />

andere Mitglieder. Erlässe sind im Einvernehmen mit dem Kassierer der VAS.,<br />

Herrn Dr. h. c. Springer, Berlin W9, Linkstraße 22-24, möglich. Die Konten der<br />

VAS. stehen am Schluß jeden Heftes.<br />

Auch dieses Mal haben eine ganze Anzahl Rückständige die satzungsgemäß<br />

ergangenen Nachnahmen nicht eingelöst; darunter befinden sich auch Herren, die<br />

sicher in der Lage sind, den Beitrag zu bezahlen. Wir bitten, durch pünktliche Beitragszah<br />

das auch ung peinliche Nachnahmeverfahren unnötig zu machen, aber<br />

nicht über etwas verärgert zu sein, was man letzten Endes selbst verschuldet hat.<br />

Bitte! Ein alter getreuer Schnepfenthäler, der durch Inflation und Wirtschaftskrisen<br />

in Bedrängnis geraten ist, bittet herzlich um Zuweisung oder Vermittlung<br />

einer kaufmännischen Stellung. Erist 34 Jahre alt und istals Kaufmann ausgebildet<br />

eignet sichaber auch für Rechtsanwaltbüro u.ä. Der Gesuchsteller ist uns als<br />

tüchtig und zuverlässig bekannt. Wer hilft? Mitteilungen an die Schriftleitung erbeten.<br />

Buchanzeige. Aus der Feder unseres Herrn Dr. med. Paul Hermann<br />

Tesdorpf-München, dessen dichterischesWirken hier wiederholt<br />

gewürdigt wurde, erschien im Verlag von W. Kohlhammer, Stuttgart, 1934:<br />

SeltsameFunde<br />

Prosabetrachtungen<br />

Wir empfehlen reiferen Lesern diese gedankenreichen Betrachtungen sehr. Das<br />

vom Verlag vornehm gekleidete Werk ist auch als Geschenk für ältere Leser und<br />

Leserinnen sehr geeignet. J. L. M.<br />

Die "Festschrift zur Hundertfünfzigjahrfeier" kann noch von der Buchhandlung<br />

der Erziehungsanstalt Schnepfenthal bezogen werden. Sie ist in der Fachpressebisher<br />

durchweg gut besprochen worden. Wer sie kauft, stützt den Pensionsfond der Anstalt.<br />

Hauptschriftleiter: Studienrat J.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />

Postscheckkonto fürdie ,,Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung": Oberst a. D.Heyne,Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch. A. Leipzig45401.<br />

Postscheck fürdieVAS..:,,Vereinigung AlterSchnepfenthäler", Schnepfenthal betSchnepfenthal-Rödichen, P.Sch. A. Erfurt15760.<br />

Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel &Co.in Altenburg (Thür.).


Schnepfenthäler Nachricht<br />

ZugleichMitteilungender Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftu<br />

undder VereinigungAlter Schnephenthäler<br />

1784-1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang<strong>1935</strong> Nummer3<br />

Nachrichten aug Schnepfenthal<br />

April bis Juli <strong>1935</strong><br />

Am 2<strong>4.</strong> April, dem festgesezten Reisetag, waren außer den Getreuen, die vollzählig<br />

auch im neuen Schuljahr zur altgewohnten Arbeit nach Schnepfenthal<br />

zurückkehrten, zehn weitere Zöglinge (Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Gotha,<br />

Gerhard Flehmig, Helmut Rost, Dietrich Gruson, Wolfgang Standhardt,<br />

Alexander von und zu der Tann, Ulrich Matthiae, Erhard Schwarz, Friedrich-Wilhelm<br />

von Lowtzow und Karl Trautvetter, später noch Hans Weigel, Sigurd<br />

Toltz und Georg-Helmut Fischer) und ein neuer Lehrer (Herr Studienassessor Walter<br />

Hermann aus Eisenach) eingetroffen. So gab es gleich vom ersten Tag an bewegtes<br />

Leben im Haus: Die Neulinge mußten eingerichtet werden, und auch die Sekundaner<br />

(19 an der Zahl!) hatten vollauf zu tun, ihre neu vorgerichteten Stuben zu beziehen.<br />

Sie stellten mit Befriedigung fest, daß man in Schnepfenthal auch während der<br />

Ferien nicht gerastet hatte, und freuten sich an dem blanken Linoleum und an den<br />

schönenneuen Tapeten und Vorhängen. Mit um so größerem Eifer richtete nun jeder<br />

seinen Platz nach eigenem Geschmack ein, big die Räume zuletzt wirklich wohnlich<br />

und schmuckaussahen. ("Ach könnt' es doch immer so bleiben!")


Der erste Arbeitstag begann mit einer Morgenandacht, in der ich an das Wahrzeichen<br />

über der Tür des zweiten Hauses, an das EAN über dem Spaten bei<br />

ausgehender Sonne erinnerte. Salzmann hatte die Bedeutung dieser Buchstaben<br />

jahrelang für sich behalten; aber als er sein Ziel erreicht hatte, da deutete er sie:<br />

'Åí' Áõôþ) Íß÷á (Durch dieses siege!) . Er war dem Spaten, der Natur treu geblieben,<br />

er hatte in stiller Pflichterfüllung auf Gott vertraut, und er hatte gesiegt. - Wenn<br />

auch wir uns durch nichts abbringen lassen von diesem Wege der Treue, dann<br />

können wir - wie Salzmann - Kraft schöpfen aug jenem sieghaften Glauben, der<br />

allein zum Ziele führt. -Nach Worten freundschaftlicher Begrüßung an die Neuaufgenom<br />

hatte ich noch die angenehme Pflicht, in dankbarer Freude unseres<br />

Herrn Jacobi zu gedenken, der mit Beginn dieses Schuljahres auf eine 30jährige<br />

Dienstzeit in Schnepfenthal zurückblicken kann.<br />

Den 1. Mai feierte diesmal unsere HJ. zumeist vom Jungvolk getrennt. Sie<br />

marschierte am Vormittag nach Waltershausen, um an einer dortigen Kundgebung teilzunehme<br />

während das Jungvolk die Übertragung aus Berlin in Rödichen anhörte.<br />

Die örtliche Maifeier am Vorabend (Einholen des Maibaums, Umzug durchs Dorf usw.)<br />

litt unter dem regnerischenWetter; das geplante Feuer am Abend mußte ausfallen.<br />

Am Sonntag, dem 5. Mai, fand ein Gepäckmarschder HJ. für das HJ. Sportabzeichen<br />

statt. Die Gefolgschaft traf sich am Nachmittag in Waltershausen und<br />

marschierte in drei Abteilungen nach Altersklassen getrennt über Laucha, Aspach,<br />

Hörselgau, Leina, Wahlwinkel nach Waltershausen zurück. Alle Beteiligten schafften<br />

die geforderte Leistung in der entsprechendenZeit; die Übungen für das HJ-Sportabzeichen<br />

wurden während des ganzen Sommers fortgesetzt. Zur Belustigung für<br />

die Kleinen gondelte Herr Huschenbett mit ihnen auf dem Reinhardsbrunner Teich,<br />

was die Großen, die sich zum Sonntagnachmittag hatten plagen müssen, nicht ganz<br />

ohne Neid vernahmen. - Nach einer Verfügung des Reichskultusministers sollte am<br />

Sonnabend, dem 11.Mai, der Unterricht in den beiden letzten Stunden ausfallen und<br />

in einer Schulfeier des Muttertages (12. Mai) gedacht werden. In sinnentsprechender<br />

Anwendung dieser Verfügung auf unsere Verhältnisse verschobich die Schulfeier auf<br />

Sonntag (musikalisch ausgestaltete Reichssendung zum Muttertag im Rundfunk)<br />

und ordnete für die beiden letzten Stunden des Sonnabends "Briefaufsicht" an.<br />

Ich hoffe, daß die Mütter unserer Jungen mit dieser Vorverlegung des üblichen<br />

Briefwechsels gern einverstanden waren und sich am Sonntag durch einen unerwartet<br />

Gruß aus Schnepfenthal besonders erfreuen ließen.<br />

Am Abend des 21. Mai hörten wir gemeinsam die Übertragung der großen<br />

Hitler-Rede im Reichstag, am Nachmittag des 2<strong>4.</strong> besuchten wir in Waltershausen<br />

den Film: Der alte und der junge König.<br />

Ein Tag schmerzlicher Erinnerung war für uns der 25. Mai. Wir gedachten<br />

Ausfelds Geburtstags in einer Morgenandacht im Betsaal; daran anschließendlegten<br />

die Zöglinge, aug eigenem Antrieb, einen Lorbeerkranz am Grabe nieder mit der<br />

Aufschrift: "Unserem lieben Ausfeld von seinen dankbaren Zöglingen".<br />

Herr Görnandt hatte uns am 19..verlassen, um an einem fünfwöchigen Kursus<br />

teilzunehmen. Er wurde durch Herrn Studienreferendar Zapf aus Eisenach vertreten.<br />

Auch Herr Dr. Krauße war vom 11. big 22. Juni zu einem Kursus einberufen.


Den Himmelfahrtstag (30. Mai) feierten wir, wie üblich, durch einen Tagesausflug.<br />

Nach langen Wochen kühlen und regnerischen Wetters waren endlich<br />

warme und schöneTage angebrochen, so daß die verschiedenen Gruppen am Abend<br />

sehr befriedigt heimkehrten. Den weitesten Marsch hatte Herr Dr. Thiemer mit<br />

Sekundanern unternommen (Finstere Tanne, Tabarz, Kleiner Inselberg, Brotterode,<br />

Mommelstein, Kleinschmalkalden, Splitterfall, Tambach). Herr Hermann hatte mit<br />

seiner Gruppe von Wandersleben aug die Wachsenburg besucht und war zurück nach<br />

Ohrdruf gelaufen. Die Kleinen hatten unter Führung von Herrn Huschenbett und<br />

mir von verschiedenen Seiten den Inselberg erklommen und sich dort zu gemeinsamer<br />

Mittagsmahlzeit getroffen. In Vertretung für den plötzlich erkrankten Herrn<br />

Zapf mußte auch unser HJ-Scharführer H. v. Hüttner eine Gruppe übernehmen.<br />

Er hat seine Leute in die Gegend von Georgenthal geführt.<br />

Zur Teilnahme am Gauparteitag fuhr unsere HJ. am Sonnabend, den 1. Juni,<br />

nachmittags nach Erfurt und kam am 2. etwa um dieselbeZeit zurück.<br />

Lebhaft bewegt wurden die Gemüter auch durch die Drei-Tage-Mittelgebirgsfahrt<br />

(Geländezuverlässigkeitsprüfung für Krafträder, Personen- und Lastkraftwagen)<br />

vom <strong>4.</strong> bis 6. Juni, bei der Start und Ziel in Friedrichroda lagen. Am <strong>4.</strong> nachmittags<br />

besichtigte Herr Fuhrmann mit den Jungen die Wagen in Friedrichroda, am 5. gegen<br />

Mittag umfuhren die Motorräder in scharfer Wendung den Anstaltsberg- wer war<br />

da im Hause zu halten! -und am 6. vormittags war die Bergprüfung am steilen<br />

Eselsweg bei Friedrichroda. Trotz strömenden Regens waren wir alle dort, und<br />

vielleicht war gerade wegen der außerordentlich ungünstigen Bodenverhältnisse<br />

das Rennen besonders sehenswert: mit spielender Leichtigkeit überwanden die<br />

Wagen auch stärkste Steigungen in dem Morast.<br />

Die Pfingsttage verlebten nur wenige Zöglinge bei ihren Eltern. Die HJ. machte<br />

vom 8.—10. Juni eine Fahrt nach Eschwege.Von herrlichem Wetter begünstigt, kehrten<br />

alle braun gebrannt, gesund und frisch, und von ihren Erlebnissen beglückt und erfüllt<br />

heim. Das Jungvolk verbrachte die gleiche Zeit in einem Gemeinschaftslager auf der<br />

Kräuterwiese bei Waltershausen.<br />

Am 13. Juni wurden bei Ausbesserungsarbeiten am Turm Wetterfahne und<br />

Kugel abgenommen, worüber an anderer Stelle ausführlich berichtet ist.<br />

Abwechslung brachte auch ein Vortrag mit Lichtbildern über thüringische<br />

Burgen, den Burgwart Nebe von der Wartburg am 15. Juni abends im Kurhaus<br />

hielt und der von den Sekundanern besucht wurde.<br />

Das Fest der Jugend, das am Sonnabend, dem 22. Juni für das Jungvolk, am<br />

Sonntag, dem 23. Juni für die HJ. mit sportlichen Wettkämpfen gefeiert wurde,<br />

gewann für ung noch eine besondere Bedeutung durch die Einweihungsfeier des am<br />

Gleisdreieck neuerbauten Schwimmbades. Unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung<br />

der Umgegend und in Gegenwart zahlreicher Ehrengäste übergab Bürgermeister<br />

Dr. Nederkorn, Waltershausen, das Bad seiner Bestimmung, nachdem er in<br />

einer Ansprache auf die soziale Bedeutung dieses vom Arbeitsdienst Waltershausen<br />

geschaffenen Werkes hingewiesen hatte. Im Namen Schnepfenthals gab ich der<br />

besonderenFreude der Erziehungsanstalt<br />

Ausdruck, daß der seit langem mit Spannung<br />

verfolgte Bau nunmehr vollendet sei. Denn für uns Schnepfenthäler ist es ja von


unschätzbarer Bedeutung, in so unmittelbarer Nähe ein in jeder Beziehung wirklich<br />

ideales Schwimmbad zu besitzen! Hatte doch schonGuts Muths im Jahre 1793 das<br />

kalte Baden für einen "Hauptpunkt einer gesunden körperlichen Erziehung" erklärt<br />

und gesagt, daß eine "Badeeinrichtung für öffentliche Schulen und Erziehungshäuser<br />

unentbehrlich" sei. Meine Versicherung, daß wir es uns zur Ehre anrechnen würden,<br />

zu den treuesten Besuchern des Bades gerechnet zu werden, ist seitdem durch die<br />

Tat bekräftigt worden: Es ist seither kaum ein Tag vergangen, an dem unsere<br />

Jungen nicht wenigstens zu kurzer Erfrischung ans Gleisdreieck gekommen wären.<br />

Das heiße Sommerwetter der vergangenen Wochen begünstigte natürlich auch sonst<br />

den Besuch deo Bades<br />

sehr.<br />

Durch ein Sonnwendfeuer, das bei Einbruch der Nacht auf dem Sportplatz<br />

Rödichen abgebrannt wurde, fand das diesjährige Fest der Jugend seinen Abschluß.<br />

Am 5. Juli besuchtenwir in Waltershausen den Film vom Reichsparteitag 1934:<br />

Triumph des Willens; am 16. Juli verfolgten wir Teile einer Reichswehrgeländeübung,<br />

die sich über unser Gebiet erstreckte.Dieletzten Tage vor Schulschluß wurden<br />

noch verkürzt durch einen Ausflug nach der Wartburg, den Herr Huschenbett am<br />

17. Juli mit den Klassen VI bis IV unternahm, und durch das traditionelle Schnepfenthäler<br />

Sportfest am 18. Juli Hatte es sichin früheren Jahren gezeigt, daß die<br />

Aufmerksamkeit der Jungen in den letzten Unterrichtsstunden vor den großen Ferienzumal<br />

bei großer Hitze - oft recht zu wünschen übrigließ, so war die Teilnahme an<br />

den sportlichen Wettkämpfen noch am letzten Tage vor Schulschluß äußerst lebhaft.<br />

Den Morgen füllten leichtathletische Wettkämpfe aus, an die sich Schwimm- und<br />

Tauchübungen anschlossen. Am Nachmittag war Schießen (die Großen schossnenmit<br />

der Kleinkaliberbüchse, die Kleinen mit dem Luftgewehr) und vor der gemeinsamen<br />

Vesper unter der Linde die öffentliche Preisverteilung.<br />

Heusinger O III und Tischer U III<br />

hatten die meisten Siege errungen. Als Ausklang gab es noch ein Faustballwettspiel<br />

zwischen Erziehern und Zöglingen, das von den Jungen knapp gewonnen wurde. - Um<br />

7 Uhr abends wurde mit der feierlichen Flaggeneinholung die Schule geßchlossen.<br />

Bei dem Zensurenlesen nach dem Abendbrot zeigte es sich,daß trotz der starken<br />

körperlichen Beanspruchung der Jungen (ihr überaus gesundes und kräftiges Aussehen<br />

zeugt davon) auch die Wisenschaften zu ihrem Recht gekommen waren: Der<br />

Leistungsstand der Jungen war auch in diesen Fächern im ganzen gesehen durchaus<br />

zufriedenstellend.- Die Bestenliste, die jetzt nur einmal, am Ende eines jeden Tertials,<br />

aufgestellt wird, nennt: aus 0II v. Hüttner, aus UII Hagspihl, aug UIII Matthiae,<br />

aus V Gruson. Voraussetzung für die Aufnahme war nicht nur eine gute Beurteilung<br />

in den wissenschaftlichenFächern, sondern auch der körperlichen Leistungen<br />

und des Charakters. - Zuverlässigkeit und Fleiß wurden außerdem anerkannt bei:<br />

Riegel, Weihe, v. Oertzen, Zwingenberger, Holzheier, Standhardt I; gute wissenschaftli<br />

Fortschritte bei Tetens und Knaffl. Hüttner, Werner und Hofmann, die<br />

als Führer in der HJ. tätig sind, verdienten sich durch ihre ausgezeichnete Arbeit<br />

an unseren Jungen auch den besonderen Dank der Schule. Alle Genannten sind,<br />

ein äußeres Zeichen der Anerkennung, von der Last des "Wochenzettels" künftig<br />

befreit.- Am 19. Juli war Packtag, denn am 20. reisten die meisten schon frühzeitig<br />

in die Ferien.<br />

Lüder.


Einladung<br />

zur Vorstandssitzung<br />

der Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />

und Hauptversammlungder VAS.<br />

am 22. September <strong>1935</strong>.<br />

Die diesjährige Vorstandssitzungder Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung,<br />

erweitert durch die Teilnahme der Mitglieder des Stiftungsrats,<br />

findet nunmehr am Sonntag, dem 22. September; 12 Uhr in der<br />

Erziehungsanstalt Schnepfenthalstatt.<br />

Frau Dr. Ausfeld läßt die Teilnehmer an dieserSitzung bitten, an der<br />

gegen 13.15Uhr stattfindenden Mittagstafel der Zöglinge teilzunehmen.<br />

Hauptversammlung<br />

der<br />

"Vereinigung Alter Schnepfenthäler"<br />

Anschließendgegen 16.30Uhr<br />

in der Anstalt.<br />

1<strong>4.</strong>30Uhr in der Erziehungsanstalt.<br />

Traditions-Schokolade für die Zöglinge<br />

Mit Rücksichtausdie Wichtigkeitder Tagung— Beschlußunfähigkeitkostet<br />

uns Geld und vermehrte Arbeit! — bitten wir um regsteBeteiligung.<br />

Die Mitglieder der Vorstände der Stiftung und der VAS.<br />

bitten wir, diese Tagung als einmalige Pflichttagung ansehen<br />

zu wollen. Die Bedeutung des Verhandlungsstoffs— Verschmelzungder<br />

Stiftung und der VAS. — erfordert vollzähliges Erscheinen. Für die<br />

übrigen Mitglieder deo Stiftungsrats werden wir Mittel und Wege finden,<br />

um im Falle ihrer Nichtabkömmlichkeitüber ihre Stimmen verfügen zu<br />

können.<br />

Ansagen erbeten bio 8. September <strong>1935</strong> an den unterzeichneten<br />

Vorsitzenden.<br />

Ernst Heyne,<br />

Obersta. D. und Obersturmbannführer z.b. V.


Vom April bis Juni besuchten uns u. a.:<br />

Besucherliste<br />

Frau Agnes Andre, San Jose de Costa Rica; Frau F. Hashagen, Sonabaja,<br />

Java; Herr Staatsminister a. D. Adolf Grimme, Berlin; Fräulein Gudrun Weidel,<br />

Berlin; Fräulein Hildegard Diederichs, Holzkirch bei Lauban; Fräulein Lotte<br />

Holzheier, Crimmitschau; Herr P. Hartkopf, Berlin-Reinickendorf; Ihre Königl.<br />

Hoheit Frau Herzogin Viktoria-Adelheid von Sachsen-Coburg-Gotha; Seine<br />

Hoheit Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Gotha; Herr Gerhard Rost,<br />

Frau Hilde Rost und Sohn Helmut, Rabenstein i. Sa; Herr und Frau Müller,<br />

Bremerhaven; Frau Ruth Gruson, Magdeburg; Frau Katharina Hamel geb. Funke<br />

mit Sohn und Tochter, Erfurt; Herr Hans-Georg Siefken, Hamburg; Herr Hans<br />

Jenßen (1924-31), Hamburg; Herr Fritz Berlinicke (1928-30), Lüchfeld; Herr<br />

Johannes Krämer, Gotha; Fräulein Dorle Thorbecke, Heidelberg; Herr Reg.<br />

Baumeister Ludwig Stapf, Berlin; Herr Dr. Herbert Overmann, Berlin; Herr<br />

Baurat Kurt Toltz, Gotha; Herr Gottfried Helmbold, Weimar; Herr Ernst Ohage,<br />

Schneidemühl; Herr Professor Fr. Dähnhardt, Berlin; Herr August Epping und<br />

Frau, Plauen i. V.; Frau Marie Vaßmer, Bremen; Herr Dr. Schwarz, Schweinitz<br />

a. d. Elster; Fräulein Erdmuthe Schwarz, Schweinitz a. d. Elster; Frau E. Weigel,<br />

Leipzig; Herr Fritz Becker, Dessau; Fräulein Anni Körber, Marburg; Herr<br />

Dr. Berghegger, Mackenheim i. Odw.; Herr Hans Calberla (1880-86) und<br />

Fräulein Käte Calberla, Dresden; Herr P. Witting, Landesfinanzamtsdirektor,<br />

Hamburg; Herr Std.-Referendar Helmut Zapf, Bad Salzungen; Fräulein Hildegard<br />

Bayer, Stuttgart; Fräulein Johanna Kürbis, Dresden; Frau Margarete<br />

Bloedner, Gotha; Frau Else Matthiae, Kaiserslautern; Frau Else Schüler geb.<br />

Kern, Witten a. d. Ruhr; Frau Elis. Rasch und Herr Walter Rasch, Rechtsanwalt<br />

und Notar, Gotha; Herr Günther Willikens (1918-24) und Frau Ilse Willikens,<br />

Leipzig-Rückmarsdorf; Fräulein Gerda Meumann, Teutleben mit der Jungmädelschaft;<br />

Herr Bergwerksdirektor Riegel und Frau, Aschersleben; Herr Fritz Weidlich<br />

(1895-99), Leipzig; Frau Klara verw. Zergiebel, Zwickau; Herr cand. math. Karl<br />

Zergiebel, Zwickau; Frau Johanne Flehmig, Weida i. Thür.; Seine Hoheit<br />

Erbprinz Johann Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha; Herr Reg.- Baurat<br />

Heusinger und Frau, Rochlitz i. Sa.; Frau Mina Witting, Hamburg; Herr Fabrikdirektor<br />

Herdieckerhoff und Frau, Saalfeld; Frau Sella Schwarz geb. Rieckmann,<br />

Schweinitz a. d. Elster; Herr M. Hermann und Frau, Eisenach; Frau B. Habermas,<br />

Eisenach; Herr Dr. Fritz Tetens, Charlottenburg; Herr Dr. Wilhelm Weidenhammer,<br />

Frankenberg; Herr Albert und Pat Weidenhammer, New York; Herr<br />

Ernst von Jungenfeld und Frau, Weimar / Chemnitz; Herr Franz-Hellmut Anton<br />

(1918-20), Jena; Herr Dr. H. Anton und Frau, Gotha; Herr Dr. Erhard Nicklisch,<br />

Berlin; Herr Dr. Bessell, Amtsgerichtsdirektor, und Frau Ingeborg geb. Petit,<br />

Leipzig; Herr Ernst Heller (1924-25), Haina b. Kassel; Herr Karl-Otto Voigtländer<br />

(1926) und Herr Hans Voigtländer (1924-26), Leipzig; Herr Oskar<br />

Eichhorn, Fulda; Herr Kurt Kallensee, Waltershausen/ Thür.; Schwester Louise<br />

Rogée, Leiterin d. Laak-Krippe, Königsberg/ Ostpr.; Herr Karl Kannenberg und


Frau, Schleswig; Frau Elisabeth Gruson und Hildegard Schaeffer, Magdeburg;<br />

Herr Oberstudiendirektor i. R. Dr. Albrecht Lüder und Frau, Dresden; Herr<br />

Generalkonsul Dr. Carl Geibel (1897-1900) und Frau Lisette geb. Bourrillow,<br />

München; Frau Else Salzmann, Tabarz; Herr Carl Hagemeister, Berlin-Lichterfelde<br />

Frau Helene Hagemeister geb. Barth, gew. Regierungslehrerin in DSWA;<br />

Herr Major a. D. Werner von Zepelin und Frau Rose-Marie von Zepelin geb.<br />

von Lochow, Mieckow i. Mecklbg.; Herr Adalbert Weber (1925-26), Düsseldorf;<br />

Herr und Frau O. Richter, Essen; Herr Claudio Schetelig (1889-92), Herr<br />

E. ten Klooster, Detmold; Herr Max Heller und Frau, Leipzig; Herr Werner<br />

Hoffmeister (1912-17), Valparaiso/ Chile; Fräulein Elisabeth Theile, Berlin.<br />

Schnepfenthal<br />

ist nach wie vor "Erziehungsanstalt". Leider wird dieses Wort heute oft anders verstanden<br />

als vor 100 Jahren. Damals verband niemand mit diesem Wort den Begriff<br />

der Zwangserziehung oder Besserungsanstalt. Jeder werdende Mensch bedarf der<br />

Erziehung, und ein Unternehmen, das sich die Erziehung des heranwachsenden Geschlecht<br />

zur Aufgabe gemacht hat, nannte man ,,Erziehungsanstalt". Wir behielten<br />

diesen Namen bei, nicht aus äußerlichen Gründen - wollten wir solchen Gründen<br />

Raum geben, so hätten wir ja den Namen längst ändern und einen klangvolleren,<br />

moderneren annehmen müssen, wie Pädagogium, Landerziehungsheim, moderne<br />

Reformschule u. a. Nein, wir behielten den Namen Erziehungsanstalt bei, mit dem<br />

Schnepfenthal seinen guten Ruf begründete, und geben damit kund, daß der Kern<br />

der Anstalt, daß die für unsere Tätigkeit leitenden Grundsätze die bewährten geblieben<br />

sind; solchenämlich, die niemals veralten können, solche,die sichaug der Eigenart<br />

des werdenden Menschen immer wieder ergeben. Was sich stets ändert, das<br />

ist die Praxis, weil die Menschen und die durch sie bedingten Lebensverhältnisse<br />

sichvon Jahrzehnt zu Jahrzehnt ändern. Wir beobachten das an den neuen Landerziehun<br />

Sie gehen von Salzmannschen Grundsätzen - und Erfahrungen -<br />

aus (ob sie ihre Ideen nun von Rousseau, von Basedow oder auch von Hermann Lietz<br />

oder von sich selbst ableiten). In ihrer Praxis aber suchensie neue Wege. Warum<br />

auch nicht? Wenn viele Menschen demselben Ziel zustreben, so wird doch jeder den<br />

seiner Art entsprechenden Weg suchen. Auch in Schnepfenthal hat die Praxis Wandlungen<br />

erfahren. Als Richtlinien stehen uns sowohl die Erfahrungen zu Gebote, die<br />

unsre Vorfahren hier gewonnen haben, wie auch die Erfahrungen, die wir den neuen<br />

Versuchen entnehmen, Versuchen, die an den bekannten neuzeitlichen Anstalten gemacht<br />

werden. Neue Wege müssen ja immer gesucht werden. Da aber in diesem<br />

Falle lebendige junge Menschen das Versuchsobjekt sind, so ist größte Bedachtsamkeit<br />

geboten; und uns, denen durch Überlieferung mehrerer Generationen ein intensives<br />

Verantwortungsgefühl den ung anvertrauten Kindern sowie deren Eltern gegenüber<br />

sozusagen angezüchtet ist, uns darf es nicht verdacht werden, wenn wir neuen Wegen<br />

anderer zunächst skeptisch gegenüberstehen. Doch wir sind uns bewußt, daß wir in<br />

dieser Skepsis nicht zu weit gehen dürfen; denn ohne das Wagnis eines Versuchs<br />

kommen wir nie vorwärts. (Aus nachgelassenen Aufzeichnungen von Dr. Fr. Ausfeld.)


Schnepfenthal, ein Erbhof?<br />

Wer mit Schnepfenthal verbunden ist, weiß, daß die Landwirtschaft ein recht<br />

wesentlicher Bestandteil der Erziehungsanstalt von jeher war und in Zukunft<br />

auch bleiben wird. hatte doch Salzmann das Gut Schnepfenthal, worin er seine<br />

Erziehungsanstalt gründete, mit nicht unbeträchtlichen Ländereien übernommen,<br />

und viele seiner Gedanken und Erfahrungen, die uns in seiner Fürsorge für den<br />

deutschenBauern<br />

mit seiner Scholle gekommen.<br />

entgegentreten, sind ihm ganz gewiß aug der engen Verbundenheit<br />

Freilich hat der Grundbesitz Schnepfenthals in den zurückliegenden Jahren<br />

mancherlei Änderung erfahren. Doch genügte seine Größe, die, abgesehen von<br />

288,63 a Pachtland, heute noch 1918,27 a umfaßt, nach dem Reichserbhofgesetz<br />

vom 23. September 1933, Schnepfenthal in die Erbhöferolle einzutragen. Diese<br />

Tatsache entschied zwar noch nicht, daß Schnepfenthal in Zukunft ein Erbhof sein<br />

wird jedes Anwesen, das die Größe einer "Ackernahrung" hat, wurde ja zunächst<br />

ungeachtet eines Einspruchs seitens des Besitzers in das Verzeichnis der Höfe, deren<br />

Eintragung in die Erbhöferolle in Aussicht gestellt war, aufgenommen.<br />

Darüber wurde Dr. Friedrich Ausfeld am 25. Oktober 1934 durch das zuständige<br />

Anerbengericht in Waltershausen in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig aufgefordert,<br />

zu der bevorstehenden Maßnahme Stellung zu nehmen.<br />

Wenige Tage noch vor seinem Tode hatte Dr. Ausfeld den ihm Nahestehenden<br />

seinen Entschluß mitgeteilt, wonach er das Anerbengericht ersuchen wollte, von der<br />

Eintragung seines Anwesens als Erbhof abzusehen. Allein, als er am 22. November<br />

die Augen für immer Schloß war dieser Entschluß noch nicht fixiert, und es überblieb<br />

uns, zu ergründen, aus welchen Motiven heraus er empfunden hatte, daß Schnepfenthal<br />

in Zukunft nie Erbhof sein kann.<br />

Nach der Veröffentlichung des<br />

Reichserbhofgesetzes hatte ich einmal die Gelegenheit,<br />

mich mit Dr. Ausfeld über die wichtigsten Punkte dieses Gesezes zu unterhalten.<br />

Nach seinem Tode nun mit der Wirtschaftsleitung Schnepfenthals betraut und in<br />

meiner Eigenschaft als Pfleger des unmündigen Eberhard Ausfeld von dem Vorsitzenden<br />

des genannten Gerichtes aufgefordert, war es an mir, jener Aufforderung<br />

nachzukommen. In einem besonderen Gutachten unterbreitete ich daher dem<br />

Anerbengericht das Ergebnis meiner Betrachtungen, und es sei hier meine Aufgabe<br />

zu versuchen, die Gedankengänge, die mich dabei leiteten, wiederzugeben.<br />

Friedrich Ausfeld, dessen Wirken für Schnepfenthal - abgesehen von seiner<br />

erzieherischen Sendung - darin bestand, .das, was ihm an Grundbesitz von seinen<br />

Vätern her überkommen war, in allen seinen Teilen zu festigen und zu erhalten,<br />

sah in sich stets nur den Verwalter, den Treuhänder dieses Erbes. So hatte er in<br />

seinem Schnepfenthal auch das vorgelebt und vorgelebt, was das neue Gesetz vom<br />

wahren Bauerntum verkündete. Und diese Wahrheit lag für ihn in der Erkenntnis:<br />

Bauer sein, heißt verwurzelt sein!<br />

Wir, die wir wissen, daß das Schicksal Schnepfenthals stets auch das Schicksal<br />

Ausfelds war, begreifen nun, daß er durch die Anwendung des Erbhofgesetzes auf<br />

die Verhältnisse in Schnepfenthal den Fortbestand seiner Erziehungsanstalt und


damit auch die Verwirklichung der Salzmannschen Erziehungsidee für alle Zukunft<br />

gewährleistet sah.<br />

Drei Generationen hindurch war Schnepfenthal im Sinne dieses Gesezes<br />

ungeteilt vom Vater auf den Sohn übergegangen; deshalb war es auch Ausfelds<br />

Wunsch und Wille, daß sein Sohn, der in diesem Falle der Anerbe war, Schnepfenthal<br />

so übernehmen möchte, wie es ihm einst von seinem Vater übergeben war, und<br />

wie es sichin seinen Tagen und unter seiner Leitung gestaltet hatte.<br />

Wag gehört nun eigentlich alles zu einem Erbhof? Zu ihm zählen zunächst die<br />

im Eigentum des Bauern stehenden Grundstücke; zum Erbhof Schnepfenthal also<br />

abgesehenvon den unbebauten Flächen - neben den Gebäuden, die der Landwirtschaft<br />

dienen, natürlich auch das Hauptgebäude der Erziehungsanstalt, also das erste und<br />

zweite Haus. Darüber hinaus ist aber noch festgelegt, daß auch zum Erbhof das im<br />

Eigentum des Bauern stehende " Zubehör"' rechnet. Das Gesetz erläutert, was<br />

darunter zu verstehen ist:<br />

"Zum Hofzubehör gehören die auf dem Hofe befindlichen Urkunden, aus<br />

früheren Generationen stammende Familienbriefe, ferner Bilder mit Erinnerung<br />

Geweihe und ähnliche auf den Hof und die darauf seßhafte<br />

Bauernfamilie bezügliche Erinnerungsstücke. '<br />

Hat nicht Ausfeld zu wiederholten Malen versichert, daß Schnepfenthal an<br />

solchen traditionellen Werten heute unvergleichlich reicher sein würde, wenn alles<br />

das, wag ehemals in ihm war, auch wirklich in Schnepfenthal geblieben wäre?<br />

Doch wir wollen die Vergangenheit nicht anklagen; die Gegenwart schütztsolches<br />

Gut und sichert seinen Besitz auch den kommenden Generationen!<br />

Wenn es so Ausfelds Bestreben war, Schnepfenthal als ungeteiltes Besitztum<br />

der Zukunft zu erhalten, muß indessen auch unbestritten bleiben, daß so ebensosehr<br />

sein Wunsch war, daß die Leiter dieser historischen Erziehungsstätte nichts anderes<br />

alg Erzieher sein möchten. Nach dem Erbhofgesetz aber hat der Eigentümer des Hofes,<br />

der sich auch stets Bauer nennen muß, im wesentlichen die Aufgabe, das Besitztum<br />

ungeschmälert seinen Nachkommen zu erhalten. Ohne Zweifel liegt in solcher Anwendung<br />

des Gesezes auf die Verhältnisse Schnepfenthals auch eine nicht zu verkennend<br />

Gefahr: Die jeweiligen Leiter könnten dadurch von ihrer Aufgabe, die doch<br />

darin besteht, das von dem Gründer geschaffene Kulturgut, nämlich die Idee einer<br />

wahrhaften und deutschenErziehung zu pflegen und zu fördern, abgezogen werden.<br />

Schnepfenthal ist nun einmal nicht ein Bauernhof, sondern in des Wortes<br />

tiefster und schönsterBedeutung eine Erziehungsanstalt; deswegen können auch seine<br />

Leiter oder Direktoren niemals Bauern, sondern müssen immer Erzieher sein.<br />

Aus solcher Betrachtung ergibt sich, daß der mit der Erziehungsanstalt verbundene<br />

landwirtschaftliche Betrieb und auch die Gärtnerei nur Mittel zum Zweck<br />

sind und, allein genommen, für die Anstalt keinerlei Daseinsberechtigung haben.<br />

Beide Teile sollen ja nur die Erzeugnisse des Bodens unter Ausschluß jeglichen<br />

Zwischenhandels und unmittelbar an die Zöglinge und die Erziehergemeinschaft abgeben,<br />

sofern ihre Angehörigen keinen selbständigen Haushalt führen.<br />

Aug diesem Grunde mußte auch der durch das Gesetz gegebenen Möglichkeit<br />

einer Trennung der Erziehungsanstalt von der Landwirtschaft entgegengetreten


werden. Es galt also, nachzuweisen, daß auf der einen Seite die Erziehungsanstalt<br />

ohne die Landwirtschaft nicht wirtschaftlich, auf der anderen die Landwirtschaft ohne<br />

die Erziehungsanstalt nicht lebensfähig sei.<br />

Ganz gewiß würde die Existenz der Erziehungsanstalt gefährdet werden, wenn<br />

die Erzeugniss, die ihre Acker hervorbringt; käuflich erworben werden müßten. Die<br />

Erziehungsbeiträge würden den Etat nicht mehr ausgleichen, und die große soziale<br />

Last, die Schnepfenthal durch die private Erziehung dem Staate abnimmt, fiele<br />

wiederum auf diesen zurück. Das Erziehungsgeschäft — wie Salzmann es nennt<br />

ist nicht vom kapitalistischen, sondern lediglich vom sozialen und ideellen Standpunkt<br />

aus zu betrachten. Deshalb ist es notwendig, daß Landwirtschaft und Gartenwirtschaft<br />

als lebenswichtige Zweige der Erziehungsanstalt erhalten bleiben.<br />

Würde man aber die Erziehungstätigkeit in Schnepfenthal aufgeben, um die<br />

Landwirtschaft zu erhalten, so müßte sichbald erweisen, daß diese die Gebäudewerte,<br />

die ungefähr das Achtfache der Flurwerte ausmachen, nicht tragen, die Unkosten<br />

nicht mehr decken können. Auch bestünde in diesem Falle die Gefahr, den bäuerlichen<br />

Besitzer für seine nach außen hin unrentabel erscheinende Wirtschaftsführung<br />

verantwortlich zu machen und ihm seine Bauernfähigkeit abzusprechen. Umgekehrt<br />

würde aber auch das Erziehungsgeschäft nicht die Summen einbringen, um die leerstehende<br />

landwirtschaftlichen Gebäude zu unterhalten, falls man die Landwirtschaft<br />

nicht mehr betreiben würde.<br />

Es war aber auch darauf zu verweisen, daß die Erziehungsanstalt eine gewisse<br />

Bewegungsfreiheit auch auf finanziellem Gebiete beanspruchen muß. Das Erbhofgesetz<br />

indessen verhindert zum Schutz des Eigentums die hypothekarische Belastung<br />

des Grundbesizes. Vorausgesezt, Schnepfenthal wäre Erbhof, so könnten Grund<br />

und Boden niemals die Werte kreditieren, die zur Aufrechterhaltung von Erziehung<br />

und Unterricht gelegentlich — geringer Zöglingsstand! — notwendig sein könnten.<br />

Die Folge davon wäre die Aufgabe der Erziehungstätigkeit und damit aber auch die<br />

Aufgabe der Existenzbedingungen vieler Familien und Einzelpersonen, deren Schicksal<br />

mit der Anstalt unzertrennlich verbunden ist.<br />

Ich bin dessen gewiß, daß Ausfeld sowohl in der Landwirtschaft als auch in der<br />

mit ihr verbundenen Gärtnerei auch ein Mittel der Erziehung selbst gesehen hat.<br />

So betrachtet liefern beide Zweige eine Fülle wertvoller Beispiele und Erfahrungen<br />

für den Unterricht und die Erziehung. Gerade dadurch erweckt ja Schnepfenthal in<br />

der ihm anvertrauten Jugend den Sinn für die Bedeutung der Worte vom Blut<br />

und Boden, und auch nur von hier aus, von der erlebten Verbundenheit mit der<br />

Scholle ist dann das Gefühl der Geborgenheit und der großen Heimatliebe aller,<br />

die durch Schnepfenthal gegangen sind, zu verstehen. Kein Zufall ist es darum, daß<br />

die Leiter der Salzmannschen Erziehungsanstalt durch 5 Generationen geistig<br />

bedeutsame und hochstehende Erzieher-Persönlichkeiten gewesen sind. Hier hat sich<br />

in der Tat erwiesen, daß in solcher Verbundenheit das Bauerntum stets Quelle wertvollen<br />

deutschenBlutes gewesen ist.<br />

Nach diesen Erörterungen war das Ergebnis meiner Betrachtungen nun<br />

folgendes: " Durch das Reichserbhofgesetz wird zwar der landwirtschaftliche Teil der<br />

Erziehungsanstalt Schnepfenthal für alle Zeiten sichergestellt, aber die Erziehungs


arbeit selbst würde ihre primäre Stellung verlieren. Aug diesem Grunde möchte<br />

Schnepfenthal nicht 3um Erbhof erklärt werden. '<br />

Das Schlußprotokoll des Thür. Anerbengerichtes in Waltershausen vom<br />

8. März <strong>1935</strong> entschied danach, daß die Voraussezung eines Erbhofes nicht gegeben<br />

sei.<br />

Unter den Erben Dr. Ausfelds wurde jedoch im Sinne des Erbhofgesetzes schon<br />

am 28. Dezember 1934 ein Auseinandersetzungsvertrag geschlossenewonach am<br />

13. Juni <strong>1935</strong> Gerhard Ausfeld, dem zur Zeit noch unmündigen Sohn des Verstorbenen<br />

die Erziehungsanstalt in vollem Umfange übertragen worden ist.<br />

So hat sichin den letzten Monaten und Wochen das Schicksal Schnepfenthals<br />

gestaltet. Wer aber meint, Schnepfenthal sei nur vom geistigen oder pädagogischen<br />

Standpunkt aus zu verstehen, verkennt, daß solches Schicksal sichauch auf wirtschaftlich<br />

Gebiete erfüllen kann! R Fuhrmann.<br />

Vom Sinn des Literatur-Unterrichts<br />

AlsPrimaner notierte ich: ,Geradezu übel wird mir bei dem Gedanken an die<br />

entsetzlichen Deutschstunden ; Goethes Mailied! Ich mußte es lesen: " Wie<br />

herrlich leuchtet mir die Natur - ' und wurde unterbrochen: " Warum heben Sie das<br />

mir ' nicht besser hervor?" Im Verlauf des Gedichtes folgten noch zwei Unterbrechung<br />

und daran schloßsicheine viertelstündige - ich habe verbotenerweise nach<br />

der Uhr gesehen- eine viertelstündige Besprechung des Wortes "mir" im zweiten<br />

Verse, wobei viel vom dativus ethicus die Rede war. Endlich hieß es: Mit dieser<br />

kurzen Erläuterung möge es genug seini<br />

Damals schwur ich mir, es einmal anders zu machen.<br />

Aber wie?<br />

Manche Deutschlehrer haben unter dem Alpdruck ähnlicher Erinnerungen vorgeschlag<br />

überhaupt nicht über die Dichtungen zu reden, sondern sie einfach durch<br />

guten Vortrag den Schülern " näherzubringen" Aber das heißt, das Kind mit dem<br />

Bade ausschütten, abgesehen von der Zeitfrage. Einen Kriminalschmöker kann schon<br />

der Tertianer ohne Hilfe genießend edlere Kost wirklich zu schmeckenmuß der Gaumen<br />

erst lernen. Es ist ein Festtag, wenn ein Junge ehrlich gesteht: jetzt ist mir klar, daß<br />

Storm und Keller mehr wert sind als Edgar Wallace!<br />

Für diese Werte gilt es die Augen zu öffnen. Sie sind ungleichartig, und das<br />

muß den Schülern aufgehen. Es war ein Kardinalfehler der alten Schule, jede Dichtung<br />

nach allen Richtungen zu " behandeln" Um so weniger erfaßten wir das<br />

Wesentliche. Storms feine Charakteranalyse und Stimmungsmalerei - C. F. Meyers<br />

groß gesehene, manchmal pomphafte Bilder - Hebbels Zergrübeln eines Problems<br />

Eichendorffs problemferne Schwärmerei - vier Welten! Deshalb muß beinahe jede<br />

Dichtung unter andere Gesichtspunkte gestellt werden.<br />

Zunächst gilt es, einen geeigneten Ansatzpunkt zu finden. Ein Beispiel:<br />

Eichendorffs " Taugenichts" ist gelesen, in Untersekunda. (Für Untertertia viel<br />

zu Schade, den Dreizehnjährigen fehlen alle Voraussetzungen!!) Ich frage: Wer ist<br />

denn der Held? Verblüffung: der Taugenichts natürlich! Was tut denn dieser Held?


Nachdenken. Eigentlich tut er gar nichts, es geschieht immer etwas mit ihm. Und<br />

allmählich wird's deutlich: die ganze Erzählung lebt von einer Handlung, die den<br />

"Helden" im Grunde gar nichts angeht, von der Entführung der jungen Gräfin,<br />

der Flucht des verkleideten Paares und seinen Versuchen, die irrezuführen,<br />

alles Vorgänge, in denen der ahnungslose Taugenichts eine unfreiwillige und unverstand<br />

Rolle spielt. Am Schluß erfährt er zu seinem Staunen, daß er das Glück<br />

der Liebenden mit begründet hat, und der unverdiente Lohn fällt ihm zu wie einem<br />

Träumenden: die Geliebte - denn sie ist gar keine " gnädige Frau" - und ein Schloß<br />

mit Gärten und Weinbergen. Musik erschallt, Leuchtkugeln fliegen durch die stille<br />

Nacht, "und die Donau rauschte dazwischen herauf - und es war alles, alles gut!"<br />

Schöner als in manchem Märchen, wo Schmerz und Trübsal durchkostet werden<br />

müssen, ehe das Glück lächelt. (Denn die sanfte Traurigkeit des Taugenichts Steigert<br />

sich nirgends zu quälendem Schmerz.) Das muß nun herausgearbeitet werden.<br />

Darum stelle ich die unerwartete und prosaischeFrage: Wie oft regnets eigentlich<br />

in dieser Geschichte? Es regnet nie! Sommersonne und Mondnächte, Blumen und<br />

Vögel, verwunschenen Schloß, Harfen und Geigen, singende Scholaren auf dem<br />

Donauschiffchen - eine verklärte Welt, eine unwirkliche Welt. Das wird noch klarer,<br />

wenn ich scheinbar pedantisch zu überlegen gebe: was ist denn dieser und jener von<br />

Beruf? Eine verständnisvolle Klasse lacht bei dieser Frage, und ohne daß ich viel<br />

nachhelfen muß, finden die Jungen: aus dieser Welt ist jeder strenge Ernst verbannt,<br />

jeder Gedanke an Nutzen und Zweckmäßigkeit, ja an Arbeit erschiene hier Philistertum,<br />

alles ist Spiel. Spiel auch die eigentlich unsinnige Idee, den Taugenichts die<br />

unverstandenen Geschehnisseselbst erzählen zu lassen. Daher fehlen scharfe Konturen,<br />

auch die Personen haben fließende Umrisse, nach " Charakteren" darf kaum gefragt<br />

werden, geschweigedenn nach Problemen. Keine Rede von Psychologie. " Gefühl ist<br />

alles. ' An dieser Welt, an dieser Erzählung soll man sich einfach freuen, denn es ist,<br />

trotz Entführung und Verfolgung und Spiegelfechterei, eine Idylle.<br />

Von hier läßt sich, wenn man es will, der Begriff des Romantischen entwickeln,<br />

der dann aber Fülle gewinnen muß durch andere Dichtungen, vor allem auch durch<br />

die bildende Kunst. ist für Sekundaner äußerst reizvoll, aufzusuchen, was Eichendorff<br />

etwa mit Runge oder Caspar David Friedrich verbindet, vielleicht auch - aber<br />

das ist schwer- mit Franz Schubert.<br />

Eine dankbare Aufgabe ist es, nachher die " Judenbuche der Droste zu lesen.<br />

Man braucht nur den " Taugenichts" in Erinnerung zu bringen, und schon fördert<br />

der Vergleich bei einer geschultenKlasse eine Fülle von Gedanken zu Tage. Hier ist<br />

ein Mittelpunkt: die Entwicklung eines Verbrechers, an der Erbanlagen, Umwelt und<br />

Erziehung ihren Anteil haben. Das alles gilt es sorgsam herauszupräparieren.<br />

Scharfe Denkarbeit ist vonnöten, schonum die Kriminalromanfrage zu beantworten:<br />

"Wer ist der Mörder?" Denn mit klaren Worten wird das nirgends gesagt. Aber<br />

während wir in Eichendorffs Märchenwelt nach realen Zusammenhängen kaum<br />

fragen, lockt hier die kunstvolle Verschleierung zur Klärung der Hintergründe. Legt<br />

man da die psychologischeSonde an, um schließlich nach Abwägung der inneren<br />

Möglichkeiten in Friedrich Mergel den Täter zu entdecken, so hat man noch den<br />

großen Gewinn, der Charakterisierungskunst der Droste gegenüber die Belanglosigkeit


einer Detektivschwarte indirekt aufzudecken, die sichmit äußerer Spannung begnügt<br />

und den Leser mit der sechsmal falsch beantworteten Frage " Wer ist der Mörder? "<br />

bloß an der Nase herumführt. Die Jungen auf diese Art zu überzeugen (und es<br />

geht!), ist besser, als bloß ihre Groschenhefte zu konfiszieren. -<br />

Münchhausen hat einmal geulkt:<br />

Ihr lieben Jungens, euch ist ja gelehrt,<br />

warum die Dichter was dichten:<br />

Ihr wißt, der Zweck ist stets die Moral<br />

bei allen solchen Geschichten<br />

Moral in der Schule ist besonders scheußlich, wenn sie an den Haaren herbeigezogen<br />

wird. Das soll schon vorgekommen sein. Also Vorsicht! Aber bisweilen<br />

ergeben sich ethische Fragen ganz von selbst. So in der " Judenbuche" Friedrich<br />

Mergel ist schuldig geworden durch sein maßloses Geltungsbedürfnis, das er auf<br />

ehrliche Weise nicht befriedigen konnte, und der Spott der Kameraden hat ihn eine<br />

peinliche Lage so auskosten lassen, daß er in aufflammender Wut zum Totschläger<br />

wird. Das stellen wir heraus - die " Moral" zu ziehen, überlasse ich den Jungen<br />

selbst,denn eine lehrhafte Verallgemeinerung würde die Wirkung abschwächen.<br />

Dagegen ist zum Beispiel bei Hebbels " Agnes Bernauer" alles auf die zentrale<br />

Frage anzulegen! Durfte die Unschuldige geopfert werden? Die Betrachtung der<br />

Charaktere muß ins Licht dieses Problems gerückt, es muß den jungen Menschen<br />

das Ungeheuerliche dieser Tragik offenbar werden. Diesmal kann ich es den dialektisch<br />

ungeschulten Geistern nicht überlassen, das ethischeUrteil selbstzu finden. Zwar sie<br />

verstehen schnell Hebbels Idee: die Staatsräson fordert das Haupt der Unschuldigen;<br />

Gemeinnutz geht vor Eigenrecht. Aber die Formel ist, scheintes, so einleuchtend für<br />

den Verstand, daß der jugendliche Geist - selbst ehrlich zum Opfer bereit - die Sache<br />

zu leicht nimmt, etwa so: es ist ja ein schweres Geschick,aber das Vaterland fordert<br />

es eben. Leichter fiele dem jungen Menschen,<br />

theoretisch wenigstens, der Urteilsspruch<br />

als dem alten Herzog, der ihn sichin schwerer Prüfung abringen muß, weil er weiß:<br />

man spielt nicht mit Menschenleben, man spielt noch weniger mit einem Justizmord.<br />

Warum hat Hebbel die Agnes mit solch rührendem Liebreiz ausgezeichnet? Warum<br />

hat er ihre Anspruchslosigkeit, ihren Verzicht auf jede äußere Würde bei aller Hoheit<br />

der Gesinnung so eindringlich betont? Warum die Grausamkeit dieses Todes so<br />

unerbittlich vor Augen gestellt? Um die ganze Schwere der Verantwortung aufzuzeigen<br />

die Herzog Ernst auf sich lädt, wenn er in diesem einen grauenvollen<br />

Sonderfall zu dem Schluß kommt: ohne diese Rechtsbeugung wankt der Staat, es<br />

muß sein: " Agnes Bernauer, fahr hin!" Je schwerer der Entschluß und je reiner das<br />

Opfer, desto gewaltiger erscheint die Idee, die es fordert: der Staat. -<br />

Über solchen Betrachtungen vergessen wir nicht, daß Dichtung Sprachkunstwerk<br />

ist. Bei der Lyrik versteht sich das von selbst. Freilich gehört die Erschließung eines<br />

lyrischen Gedichts zu den schwerstenAufgaben des Deutschunterrichts. Man muß<br />

behutsam vorgehen, muß spüren, wenn die Teilnahme nachläßt, und dann sofort<br />

aufhören. Denn hier läßt sichnichts erzwingen. Aber wenn alle Umstände günstig<br />

sind Klasse, Gegenstand, Stimmung - , dann kann man wohl einmal zwei kurze<br />

Frühlingsgedichte so eingehend vergleichen, daß eine genußreiche halbe Stunde


darüber hingeht. Beschreiben läßt sichdas schwer. Aber daß Sekundaner wirklich zu<br />

einer gewissen Kennerschaft gelangen können, läßt sich beweisen: man liest etwa<br />

einer Klasse, die Eichendorff kennt, drei unbekannte Gedichte vor; sie soll das<br />

Eichendorffsche herausfinden, soll die charakteristischstenStellen bezeichnen und sonst<br />

ihr Urteil begründen. Das Ergebnis ist oft erstaunlich. Auch Prosadichter werden<br />

erkannt. erinnere mich, daß einmal nach wenigen Zeiten eines (bestimmt unbekannte<br />

Textes einige herausplatzten: " Natürlich Storm! ' und dann auch eine<br />

vernünftige Erklärung gaben. Der gefühlsmäßige Eindruck, oft schwer in Worte zu<br />

fassen, ist freilich das Primäre, und das ist ja das Natürliche. -<br />

Meine Darstellung konnte nur Skizze sein. Doch hat sie vielleicht erkennen<br />

lassen: zu den Werten der Dichtung müssen wir die Jungen führen, müssenihr den<br />

Blick schärfenfür Kostbarkeiten, die dem ungeübten Auge verborgen bleiben. Wenn<br />

es gelingt, ist der Ertrag unschätzbar. Fülle und Tiefe der deutschenSeele offenbaren<br />

sich nirgends gewaltiger als in unserer Dichtung, und wohl dem, der gelernt hat,<br />

beim Aufnehmen eines Dichtwerks zum Wesentlichen vorzustoßen: wenn er das<br />

Buch schließt, ist er reicher geworden, sei es, daß ihm eine Idee aufgegangen ist,<br />

seine Kenntnis der menschlichenSeele sich vertieft hat oder die Melodie und die<br />

Bildkraft der deutschenSprache ihm von neuem den inneren Reichtum des Volkes<br />

offenbarten, dessen Seele sichin dieser Sprache spiegelt.<br />

Das ist wichtiger als literarhistorische Kenntnisse zu vermitteln, deren Wert für<br />

den jungen Menschen problematisch ist. Die höheren Werte stecken im einzelnen<br />

Kunstwerk, an ihnen bilden sich denkender Geist, Geschmack,Gemüt und Wille.<br />

Dr. W. Thiemer.<br />

Von unseremTurm<br />

Im Juni 1842 wurde der Turmbau beendet und Knopf und Windfahne feierlich<br />

aufgesetzt. In diesem Jahre nun, wieder im Juni, mußte die Turmspitze ausgebesse<br />

werden. Letzten Winter hatte der Sturm die Spitze der Windfahne heruntergerissen<br />

und alg die Schieferdecker die Windfahne herunterholten, um sie auszubessern<br />

entdeckten sie den Schaden: Die obere Kugelhülle war durchschossen,wodurch Wasser<br />

in das Innere gedrungen war und so der oberste Turmbalken immer mehr anfaulte.<br />

Am 13. Juni wurden vormittags die nötigen Gerüste aufgebaut und nachmittags<br />

zuerst die schwereWindrose an einem Seil heruntergelasen und dann die Turmkugel,<br />

an der noch die Reste früherer Vergoldung waren. Es war dies das erstemal seit<br />

dem Turmbau, daß die Kugel heruntergeholt wurde. Die Urkunde fand man darin,<br />

auf die alle spannten. Am Abend wurde sie der im Speisesaal versammelten Hausgemeinde<br />

vorgelesen und gezeigt: Im Turmknopf lag eine grüne etwa 3O ein lange<br />

Flasche, mit Pergament verschlossen,von dem allerdings nur noch Reste zu sehen<br />

waren. Darin war:<br />

1. Ein Verzeichnis der " als Erzieher oder als Zöglinge mit der Erziehungsanstalt<br />

zu Schnepfenthal verbunden gewesenen Personen" (1784-1842).<br />

2. Ein Prospekt " Kurze Nachricht über die gegenwärtige Einrichtung der Erziehungs<br />

zu Schnepfenthal bei Gotha von Carl Salzmann Der Prospekt


ist noch in einem Exemplar in der Bibliothek vorhanden. Auf der letzten<br />

Seite war, von Carl Salzmann selbstgeschrieben, ein Verzeichnis der 36 gegenwärtigen<br />

Zöglinge.<br />

3. Das Wichtigste, die Urkunde selbst. Sie ist von Carl Salzmann August Ausfeld<br />

diktiert worden, der es in feiner und sauberer Schrift aufgeschrieben hat. Darin<br />

steht soviel Interessantes, daß es sich lohnt, sie hier abzudrucken:<br />

"Die im Sommer des Jahres 1842 unternommene Vereinigung reg ersten<br />

und zweiten Institutsgebäudes betreffende Bemerkungen:<br />

1. die Störungen, welche daraus hervorgingen, daß sich Zöglinge bei Übelbefinden<br />

nicht ohne Gefahr von einem Hause zum andern begeben konnten,<br />

2. die Nachteile davon, daß die Zöglinge, welche im zweiten Hause schliefen,<br />

bei nasser und kalter Witterung abends über die Straße gehen und sich<br />

morgens unmittelbar nach dem Ausstehen ins Freie begeben mußten,<br />

3. der heftige Zug, der durch die eisernen Tore zwischen dem ersten und<br />

zweiten Hause hindurch strich,<br />

<strong>4.</strong> der Übelgeruch, den die Abtritte in den beiden Wohngebäuden verursachten,<br />

5. der Mangel eines Bodens zum Wäsche trocknen für meine Frau, sowie<br />

eines Raumes, um viele, den Platz versperrende Sachen unterzubringen,<br />

machten es schonlängst wünschenswert, daß die beiden ersten Wohngebäude durch<br />

einen Zwischenbau vereinigt und dadurch die gedachten Mängel beseitigt werden<br />

möchten. Und da die Hausuhr, welche am mittleren Mansardenfenster des<br />

ersten Hauses (westlich) stand, nun<br />

weggebracht werden mußte, so machte es sich<br />

notwendig, daß ein Turm auf diesem Zwischenbau errichtet werde, um dieselbe<br />

aufzunehmen.<br />

Herr Baumeister J. V. Kirschner in Friedrichroda machte den Riß zum Neubau,<br />

welcher vom Durchl. Herzog Ernst III. und vom herzogl. Bauamt gebilligt<br />

wurde. Am3. Mai 1842 teilte ich den hier lebenden Mitgliedern meiner Familie<br />

mein Vorhaben mit, welche nichts erhebliches dagegen zu bemerken fanden.<br />

Herr Baumeister Kirschner machte demnach den Bauanschlag, schloßdie Anrede<br />

mit den verschiedenen Professionisten ab, und leistete mit Hilfe<br />

Eduard Haun den Bau. '<br />

meines Verwalters<br />

Nun folgen die Namen der Handwerker aus Friedrichroda und Waltershausen,<br />

die die Arbeiten<br />

übernahmen.<br />

"Am Montag, den 30. Mai 1842 fingen die Maurer ihre Arbeit an, wobei<br />

dem Meister am ersten Tage der Goldfinger der linken Hand zerschlagen<br />

wurde. Folgende Nachbarn aus den Dörfern Schnepfenthal und Rödichen<br />

leisteten freiwillig und unentgeltlich Fuhren von Zimmerholz und Steinen:.. ,<br />

bei welcher Gelegenheit der Metzgermeister Balthasar Bause am 18. Juni leider<br />

vom Wagen fiel, überfahren wurde und starb.<br />

Am 23. Juni 1842 wurden Knopf und Wetterfahne, welche die oben genannten<br />

Tünchermeister vergoldet hatten, vom<br />

auf den Turm gesetzt.'<br />

<strong>4.</strong> Ein Verzeichnis der Kinder Carl Salzmanns und<br />

Schieferdeckermeister Friedrich Fick


5. ein kleines Päckchen blonder Haare, " die Haare aller anwesenden Mitglieder<br />

der Salzmannschen Familie Sind hierin enthalten", außerdem war noch ein Gedicht<br />

von Thusnelda Salzmann, geb. Lenz dabei:<br />

Gütig hüllt in Finsternissen<br />

Gott die Zukunft ein.<br />

Sicher sie vorher zu wissen<br />

Würde Strafe sein.—<br />

Die Ausbesserungsarbeiten wurden erst am Montag den 17. beendet. Alles<br />

versammelte sichvor dem Hause. Ehe Knopf, Windrose und Fahne wieder aufgesetzt<br />

wurden, verlas Wiebe Ausfeld die von ihr verfaßte Urkunde und dann Herr Fuhrmann<br />

die seine Herr Fuhrmann berichtet darin über die Ausbesserung des Turmes<br />

und nennt dabei die beschäftigten Handwerker. Die alte Urkunde kam in eine neue<br />

größere Zinkkapsel; neu hinzu kamen außerdem nochdie zwei Nummern der Schnepfenthäler<br />

Nachrichten, von denen die eine den Nachruf für meinen Großvater, die andere<br />

den für meinen Vater enthält. Dann kam noch der Jubiläumsbericht (1934) hinzu,<br />

eine Ansichtskarte vom heutigen Schnepfenthal und schließlich ein Verzeichnis der<br />

Unterschriften der jetzigen Zöglinge, Lehrer und sonstigen Mitarbeiter und der<br />

Familienmitglieder. Eberhard Ausfeld.<br />

Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />

Wir quittieren dankend über eine Spende von 10 RM von Frau Butz, Gotha.<br />

Die Sammlung geht weiter! E Heyne.<br />

Von unsernMitgliedern<br />

Zu unserer Freude traten in die VAS. ein:<br />

Ernst Heller, stud. med. (1924-1925) Haina- Kloster, Bez. Kassel.<br />

Hans Voigtländer (1924-1926), Leipzig C1 Nordplatz 1 '.<br />

Karl-Otto Voigtländer (1926), Leipzig C 1, Nordplatz 1 '.<br />

Aus der VAS. trat aus : Herr Horst Hösel, Naumburg.<br />

Die Jahresbeiträge<br />

von 6 RM für wirtschaftlich Selbständige,,2 RM für andere, müssen nun umgehend<br />

bezahlt werden ! Konnten am Schluß jedes Heftes!<br />

Bitte, teilen Sie jede Veränderung Ihrer Anschrift,<br />

Ihres Berufes, Ihrer Stellung der Schriftleitung mit.<br />

Hauptschriftleiter: Studienrat I.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />

Postscheckkonto fürdie" Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung":<br />

: Oberst a.D'.Heyne,Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch.A.Leipzig45401.<br />

Postscheck fürdieVAS. .: " Vereinigung AlterSchnepfenthaler", Schnepfenthal beiSchnepfenthal Rödichen, P.Sch.A.Erfurt15760.<br />

Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel& Co.in Altenburg (Thür.).


Schnepfenthäler Nachricht<br />

ZugleichMitteilungen der Schnepfenthal-Jubiläums-Sti<br />

undder VereinigungAlter Schnepfenthäler<br />

1784-1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang<strong>1935</strong> Nummer4<br />

Nachrichten aus Schnepfenthal<br />

werden von jetzt an nach Jahrdritteln gegeben werden, wie es den drei großen<br />

Abschnitten im Schuljahr entspricht. Die nächsten Nachrichten erscheinen also im<br />

ersten Heft 1936.<br />

Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />

Bericht über die Herbsttagung <strong>1935</strong><br />

Die infolge Erkrankung des Vorsitzenden verschobene Vorstandssitzung der<br />

Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung fand nunmehr am Sonntag, dem 22. September<br />

<strong>1935</strong>, 12 Uhr in der Erziehungsanstalt Schnepfenthal statt. Der Tag wurde trotz<br />

der schweren seelischenBelastung, die die Herzen aller Teilnehmer im Andenken an<br />

den heimgegangenen letzten Anstaltsleiter beherrschte, zu einem beglückenden Erlebnis<br />

kameradschaftlicher Verbundenheit alter und junger Schnepfenthäler. Sturm<br />

und Regen der vergangenen Tage waren durch einen sonnigen Tag abgelöst,,und<br />

dieseSonne erwärmte gleichermaßen das vereinsamte Haus wie auch unsere Herzen.


Es war wieder ein Beweis: das Leben geht seinen Weg weiter, ob wir wollen<br />

oder nicht! Und das ist gut so! -<br />

Die Beteiligung war außergewöhnlich stark. Die Wichtigkeit gerade der diesjährigen<br />

Tagung hatte die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder mobil gemacht. An<br />

der Sitzung der Schnepfenthal-Jubiläum Stiftung nahmen teil:<br />

1. Die Vorstandsmitglieder: Oberst a. D. Heyne, Amtsgerichtsrat<br />

Schaedel, Dr. Stumme, Dipl .-Ing. Schetelig, Kaufmann Gadegast, Major a. D.<br />

Heyne, Major a. D. von Freyhold, Dr. Springer. Entschuldigt fehlten die Vorstandsmitgliede<br />

Dr. Karl Geibel-München und Alfred Meger-Friedrichswerth, die ihrerseits<br />

bevollmächtigte Vertreter entsandt hatten.<br />

2. Die Stiftungsratsmitglieder Kunstmaler Harrison Compton, Kaufmann<br />

Fritz Gröger, Prof. Dr. Hochheim, Rittmeister a. D. Rudolf Meger, Rittergutsbesit<br />

Schad von Mittelbiberach, Dr. Freiherr von Veltheim, Verlagsbuchhän<br />

Fritz Weidlich. 25 Stiftungsratsmitglieder waren außerdem durch<br />

bevollmächtigte Vorstandsmitglieder vertreten.<br />

Die Versammlung war somit für alle gestellten Aufgaben,<br />

insonderheit auch für die Frage von Satzungsänderungen nach<br />

§16 der Satzungen voll beschlußfähig.<br />

1. Jahresbericht<br />

Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung im Hinweis auf die Bedeutung der<br />

Tagung und gedachte in warmen Worten des jähen Schicksalsschlages,den die Anstalt<br />

im vergangenen Jahre durch den unerwarteten Heimgang des Leiters der Anstalt,<br />

Dr. Friedrich Ausfeld, unseres unvergeßlichen Freundes, erlitten hatte. Die Anstalt<br />

hat das ihr hinterlassene Erbe würdig und entschlossen angetreten. Die von Frau<br />

Dr. Ausfeld durchgeführte und vom Thüringischen Volksbildungsministerium genehmigt<br />

Organisation — Einteilung der Anstaltsleitung in eine Abteilung Schule<br />

(Leiter: Studienassessor Lüder) und eine Abteilung Wirtschaft (Leiter: Reallehrer<br />

Fuhrmann) — hat sich als durchaus geeignetes Instrument erwiesen. Der Zugang<br />

an Zöglingen übertraf im Berichtsjahr zahlenmäßig den Abgang solcher bei weitem.<br />

Zurzeit zählt die Anstalt einschließlich der Abiturienten 69 Zöglinge.<br />

2. Rechnungslegung und Entlastung<br />

Auf Grund des vorgelegten Geschäftsberichts, den wir folgen lassen, entwickelte<br />

der Vorstehende die Finanzlage. Sie hat sich im vergangenen Jahre insofern verbessert,<br />

als die G .-M .- und P-M-Sparkassenbücher nunmehr endgültig aufgewertet<br />

zur Auszahlung gekommen sind. Diese Beträge konnten dem laufenden Konto gutgeschrie<br />

werden.<br />

Außerdem konnte ein ansehnlicher Betrag für die von der Anstalt verkauften<br />

Festschriften als Einnahme verbucht werden. Irgendwelche Aufwendungen für die<br />

von der Anstalt im vergangenen Jahre begangene 150-Jahrfeier hat weder die<br />

Stiftung noch, das sei hier vorwegnehmend bemerkt, die VAS. zu tragen notwendig<br />

gehabt. Die 150-Jahrfeier ist aus eigenen, dem Festausschuß zu


geführten besonderen Mitteln und Spenden bestritten worden.<br />

Wir berichteten hierüber in der seinerzeit herausgegebenen Abrechnung über die<br />

Jubiläumskosten.<br />

Geschäftsjahr 1934/35. (Abgeschlossenam 5. Juni <strong>1935</strong>.)<br />

l. Laufendes Konto.<br />

Einnahmen:<br />

RMPf<br />

Ausgaben:<br />

RM Pf<br />

Kassenbestand1934 986 15<br />

Überweisungen von der VAS. 42o —<br />

Überweisungen der Erz. - Anst.<br />

(Erlös aus Festschriften) 396 20<br />

Spende von Frau Butz, Gotha 10 —<br />

Aufwertungen a. Sparbüchern 402 99<br />

Zinsen aus Bankguthaben 23 20<br />

Zinsen a. Sparka~enguthab~n 5 28<br />

Coupons a. Goldpfandbriefen 328<br />

Sa. 2571 82<br />

Pensionszuschüsse. 600 —<br />

Ankauf 4% Deutsche Reichsanleihe<br />

380 —<br />

Schreibarbeiten, Portis,<br />

und<br />

Drucksachen<br />

persönliche Ausgaben<br />

des Vorsitzenden 64 53<br />

Depotgebühren 4<br />

50<br />

Kassenbestand193<strong>4.</strong> .1522 79<br />

Sa. 2571 82<br />

II. Stand des Vermögens.<br />

1 Stück 6/8% ' Norddeutsche Grundkredit-Goldpfandbriefe Em 3 A/O<br />

nominal .1000. — RM<br />

1 Stück 6/8% Preußische Pfandbriefbank Goldpfandbriefe Em. 50A/O<br />

nominal .1000. — RM<br />

1 Stück 6/8% Deutsche Hypothekenbank Goldpfandbriefe Ser. 28A/O<br />

nominal .1000. — RM<br />

1 Stück 6/7% Meininger Hypothekenbank Goldpfandbriefe Em. 25A/0<br />

nominal .- 1000 — RM<br />

1 Stück4 % Deutsche Reichsanleihe von 1934 400.- RM<br />

Kassenbestand:<br />

Bankguthaben .110<strong>4.</strong>11 RM<br />

Sparka~enguthaben 268.92 RM<br />

Bar<br />

.149.76 RM<br />

Sa. 5922.79 RM<br />

Ein Exemplar des Geschäftsberichts wurde dem Kreisamt Gotha als Aufsichtsbeh<br />

überreicht. Auf Grund der vorgenommenen Prüfung wurde dem<br />

Vorsitzenden Entlastung erteilt. Dem Vorschlag des Vorsitzenden, den drei Pensionären


Pensionären der Anstalt, wie im Vorfahre, Pensionszuschüssein Höhe von je 200 RM<br />

zu bewilligen, von denen die Stiftung je 60 RM und die VAS. je 140 RM tragen,<br />

wird zugestimmt. Die Auszahlungen hatte der Vorsitzende bereits im Juli bewirkt.<br />

nicht<br />

erforderlich.<br />

3. Neuwahlen<br />

<strong>4.</strong> Anträge<br />

Der Vorsitzende stellt den Antrag: Auflösung der Schnepfenthal-Jubiläums-Sti<br />

und Verschmelzung der Stiftung mit der<br />

VAS. unter Übertragung ihrer Aufgaben, Ziele und des Vermögens<br />

an die VAS.<br />

Der Vorsitzende begründet diesen Antrag in eingehender Weise. In der , Wichtigen<br />

Mitteilung , bekanntgegeben im Heft 2, Jahrgang <strong>1935</strong> der Schnepfenthäler<br />

Nachrichten, hatte der Vorsitzende bereits auf die Notwendigkeit dieser Verschmelzung<br />

hingewiesen. Als Kernpunkt der gegebenen Begründung hob er hervor, daß die<br />

Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt hätten, daß das Instrument der<br />

Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung den Ansprüchen der Zeit nicht mehr angepaßt<br />

sei. Ein 10 köpfiger Vorstand und ein 40 köpfiger Stiftungsrat hätten nicht zu verhindern<br />

vermocht, daß in den vergangenen Jahren die Vorstandssitzung mehrfach<br />

nicht beschlußfähig waren. Der durch die Inflation verursachte Vermögensschwund<br />

hätte es weiterhin unmöglich gemacht, die der Stiftung obliegenden Verpflichtun<br />

gegenüber den Pensionären und der Anstalt auch nur halbwegs zu<br />

erfüllen. Die Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung habe sich somit als nicht mehr<br />

lebensfähig<br />

erwiesen.<br />

Zusammenfassend gedachte der Vorsitzende in seinen Ausführungen mit Worten<br />

des Dankes der Gründer der Stiftung, insonderheit des Herrn Karl Geibel-Leipzig,<br />

der im Jahre 1884 mit gleichgesinnten alten Schnepfenthälern das soziale Werk der<br />

Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung schuf und mit dieser Stiftung 50 Jahre hindurch<br />

segensreich für Schnepfenthal gewirkt hat. Das Lebendige dieser Stiftung, ihr Geist,<br />

soll weiterhin in der VAS. treu gehütet werden, Formen und Formeln der Stiftung<br />

müssen jedoch den Zeitverhältnissen zum Opfer fallen. Mit dieser Tatsache müssen<br />

wir uns, entschlossen,tatkräftig weiter zu arbeiten, abfinden:<br />

Hierauf wurde in die Beratung der für die Durchführung der Verschmelzung<br />

notwendigen technischen Vorarbeiten eingetreten. Zur Auflösung der Stiftung bedurfte<br />

es zunächst einer Satzungsänderung, die diese Auflösung ermöglichte. Der<br />

Vorstehende Schlugvor, dem § 17 der Satzungen zwecks Erweiterung der Auflösungsgründe<br />

folgende neue Paragraphen anzufügen.<br />

1. Als § 17a. " Die Auflösung der Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung kann<br />

ferner beschlossenwerden für den Fall einer Vereinigung dieser Stiftung mit der<br />

VAS. unter Zusammenlegung beider Vermögen. Hierbei wird vorausgesetzt daß die<br />

Zwecke der Stiftung im wesentlichen gewahrt, sowie die Aufgaben und Verpflichtungen<br />

der Stiftung von der VAS. sinngemäß übernommen werden. Die Vereinigung<br />

geschieht in der Form, daß das übernommene Vermögen der Stiftung für die bisherigen


Aufgaben der Stiftung durch die VAS. verwendet und dieses in den<br />

Satzungen der VAS. niedergelegt wird."<br />

2. Als § 17b. " Die Auflösung der Stiftung nach § 17a bedarf der Zustimmung<br />

der Aufsichtsbehörde.'<br />

Die vorgeschlagenen Satzungsänderungen wurden von der vorschriftsmäßig<br />

besetzten Versammlung einstimmig angenommen.<br />

Auf Grund dieser angenommenen Satzungsänderungen wurde hierauf einstimmig<br />

beschlossen,die Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung aufzulösen und mit der<br />

VAS. zu verschmelzen. Endgültige Entscheidung bleibt dem Thüringischen Ministerium<br />

für Jusitz überlassen. Über den Ausgang dieser Entscheidung wird der Vorsitzende<br />

seinerzeit berichten. Der Vorsitzende dankte zum Schluß dem Stiftungsrat<br />

für die in den vergangenen Jahren und auch heute wieder geleistete Arbeit, und<br />

richtete an die Anwesenden die Mahnung, auch weiterhin treu für die Sache<br />

Schnepfenthals einzutreten. Er betonte noch, daß zu unserer aller<br />

Freude festgestellt werden kann, daß sowohl die Reichsregierung<br />

wie auch die Thüringische Regierung der Sache Schnepfenthals<br />

und der Erhaltung der Anstalt als Salzmann-Schule sehr wohlwollend<br />

gegenüberstehen. Es sei daher nun auch die Pflicht der<br />

alten Schnepfenthäler ,das in die Sache Schnepfenthals gesetzte<br />

Vertrauen dadurch zu rechtfertigen, daß jeder Einzelne am<br />

weiteren Aufbau der Anstalt in Zukunft nach besten Kräften tatkräftig<br />

mitarbeite.<br />

Als Termin für die nächste Tagung im Jahre 1936, mit der die<br />

endgültige Bekanntgabe des Auflösungsbeschlusses verbunden sein wird, wurde der<br />

1. Sonntag nach Pfingsten festgesezt. Einzelheiten für den Ablauf der Tagung<br />

sollen dem Vorsitzenden überlassen bleiben. Schluß der Sitzung 13/10Uhr.<br />

Ernst<br />

Heyne.<br />

Die Hauptversammlung derVAS<br />

fand am 22. September <strong>1935</strong> 14/30Uhr in dem Turmsaal der Anstalt statt. Herr<br />

Oberst Heyne stellte fest, daß sie ordnungsgemäß einberufen war. Worte dankbarer<br />

Erinnerung widmete er unserm lieben Dr. Fr. Ausfeld. Aus dem von Studienrat<br />

Müller erstatteten Jahresbericht ging u. a. hervor, daß 16 neue Mitglieder geworben<br />

wurden. Gebeten wurde, die Anschrift jedes irgendwie bekannt gewordenen Alt<br />

Schnepfenthälers der VAS. mitzuteilen. Herrn Dr. h. c. Springers Kassenbericht<br />

stellte einen Vermögensstand von 5175.62 RM. fest. Herr Professor Dr. Baarmann<br />

beantragte als Kassenprüfer Entlastung des Kassierers, die mit Dank für die aufgewandt<br />

Mühe ausgesprochen wurde. Dann begründete Herr Oberst Heyne noch<br />

einmal eindringlich und eindeutig die beabsichtigte Verschmelzung von Schnepfenthal-Stiftung<br />

und VAS. Mit besonderer Wärme gedachte er der Gründer<br />

der Stiftung von 188<strong>4.</strong> Im übrigen kann auf den Sitzungsbericht der Stiftung verwiesen<br />

werden. Herausgehoben sei nur die Feststellung, daß alleinige Trägerin der


Ruhegeldszahlungspflicht die Anstalt ist; die VAS. wird bemüht sein, ihr die Erfüllung<br />

dieser Pflicht zu erleichtern, nach ihrem Vermögen und auf Antrag der Anstaltsleit<br />

Hierauf verlas Herr Rechtsanwalt Dr. Kanein, der sich als alter<br />

Schnepfenthäler in dankenswertester Weise der Mühe der Umarbeitung der<br />

Satzungen unterzogen hatte, seinen Satzungsentwurf der mit kleinen Änderungen<br />

einstimmig angenommen wurde. Die Versammlung stimmte dem Antrag zu, daß<br />

weitere Änderungen aus redaktionellen Gründen oder auf Wunsch der Aufsichtsbehörde<br />

vom Vorsitzenden im Einvernehmen mit Amtsgerichtsrat Schaedel und<br />

Rechtsanwalt Dr. Kanein vorgenommen werden können. Nachdem Herr Oberst<br />

Heyne noch einmal mit aller Klarheit die Folgen der Verschmelzung der Stiftung<br />

und der VAS. vor allem den künftigen Wegfall der Pensionsvorschüsse, betont<br />

hatte, stimmte die hauptversammlung der VAS. einstimmig dem Antrag auf Verschmelz<br />

der Stiftung mit der VAS. zu.<br />

Die Vorstandswahlen ergeben die Wiederwahl der Herren Oberst Heyne als<br />

Vorsitzer, Dr. Springer als Kassierer und Studienrat Müller als Schriftführer. Als<br />

ihre Vertreter werden, zugleich als Vorbereitung einer geplanten Verjüngung des<br />

Vorstandes, die Herren Verlagsbuchhändler Fritz Weidlich, Rechtsanwalt Dr. Kanein<br />

und Dr. phil. Thiemer gewählt. Alle Gewählten nahmen die Wahl an. Leider<br />

drängte die Zeit zu sehr, als daß Herr Prof. Dr. Hochheim noch, wie er es gern getan<br />

hätte, dem Vorstande, besonders dem Vorsitzenden, für die treue Arbeit für die VAS.<br />

und Schnepfenthal hätte danken können. Er hat das in einem sehr herzlich gehaltenen<br />

Briefe auch namens der Familie Ausfeld nachgeholt. Ich leite diesen Dank hierdurch<br />

weiter, besonders auch an die nach langer Zugehörigkeit zum Vorstand ausscheidenden<br />

Herren Dr. Stumme und Amtsgerichtsrat Schaedel.<br />

Nachdem Satzungsgemäß als Tag der nächsten Hauptversammlung der Sonntag<br />

nach Pfingsten 1936, also der 7. Juni 1936 (bitte sofort im Terminkalender vermerken<br />

und 6 RM. bzw. 2 RM. als Jahresbeitrag festgesezt worden waren,<br />

dankten die für die Leitung der Anstalt verantwortlichen Herren Lüder und Fuhrmann<br />

der VAS. für alle Treue zu Schnepfenthal.<br />

Es folgte ein geselliges Beisammensein mit der Familie Ausfeld, Lehrern und<br />

Zöglingen und allen anderen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst Schnepfenthals<br />

stellen. Äußerlich war es das altgewohnte Bild, innerlich lag wenigstens über den<br />

Erwachsenen die wehmütige Erinnerung an unsern Dr. Friedrich Ausfeld, der die<br />

letzte Versammlung, das Jubiläum, der Anstalt, noch als einen der schönstenTage<br />

seines Lebens mit uns erlebt hatte. Dem Berichterstatter wurde diese verhaltene<br />

Wehmut am ergreifendsten daran kund, daß seit vielen, vielen Jahren in selbstverstän<br />

stiller Übereinkunft das " Wir sitzen so fröhlich beisammen" nicht gesungen<br />

wurde. In ebenso zartfühlender wie glücklicher Weise verstand es unser Oberst<br />

Heyne, uns aus dieser gedrückten Stimmung zu einer zwar nicht lauten, aber innerlich<br />

beglückenden Heiterkeit zu führen. Dafür sei ihm besonders gedankt. Unsere<br />

Überzeugung, daß es mit Schnepfenthal trotz des schweren Schicksalsschlagesdes<br />

letzten Jahres dank der Tatkraft von Frau Dr. Ausfeld, der von ihr mit der Leitung<br />

beauftragten Männer und aller ihrer Mitarbeiter gut voran geht, wurde nicht wenig


durch die Tatsache gestärkt, daß wir J. Kgl. H. den Herzog Carl Eduard von<br />

Sachsen-Coburg-Gotha und seine Frau Gemahlin als Zöglingseltern unter<br />

uns weilen sahen.<br />

Als tätiges Mitglied der Schnepfenthäler Arbeitsgemeinschaft weilte zum letzten<br />

Male unter uno Herr P. Jacobi, der gerade ein Menschenalter, seit 1905, in<br />

Schnepfenthal Lehrer war. Wir werden ihn, das hoffen wir, noch oft bei unseren<br />

Tagungen sehen, da er in der Nähe Schnepfenthals bleiben wird. Möge die Entlastung<br />

von den Pflichten des Amtes seiner angegriffenen Gesundheit so dienlich<br />

sein, daß ihm — und seiner Gattin ! — ein langes Otium cum dignitate in der<br />

Thüringer Wahlheimat beschiedenist.<br />

Vor allem anderen, was an diesem Tage noch geschah, über die Gefallenenehrung,<br />

die Wettspiele u. a. wird Herr Lüder im nächsten Trimesterbericht der Anstalt<br />

berichten, J. L. Müller.<br />

CarlSalzmann†<br />

Am 28. März <strong>1935</strong> starb im Alter von 75 Jahren der älteste Urenkel Christian<br />

Gotthilf Salzmanns, des Gründers von Schnepfenthal. Carl Salzmanns<br />

Großvater war der zweite Direktor Schnepfenthals, Carl Salzmann; sein Vater,<br />

dessen 9. Kind, Bruno Salzmann, später Baron von Sinascher Rentmeister auf<br />

Simongat<br />

in Ungarn.<br />

Der Verstorbene wurde am 13. Mai 1861 zu Kis Bessnyo in Ungarn als erstes<br />

von zehn Geschwistern geboren. Er besuchtedie Volksschule in Nagyatad. Unter dem<br />

18. Oktober 1870 melden die alten Nachrichten, daß Frau Gutsinspektor Salzmann<br />

ihren Sohn Carl Schnepfenthal zu weiterer Ausbildung und Erziehung zuführte.<br />

Sehr bald erscheint sein Name regelmäßig in der Bestenliste. Von seinen Mitzöglingen<br />

nenne ich Lücke, den Prinzen von Battenberg, Brockhaus, Prell, Geibel,<br />

Prüfer, Raabe, von Wenckstern, Ziegler, von seinen Lehrern Wilhelm Ausfeld dem<br />

Älteren, Richard Bosse, August Röse. 1872 zwang ein Fußleiden Carl Salzmann,<br />

Schnepfenthal zu verlassen und Heilbäder auszusuchen. Dann, ich folge nun den<br />

Worten eines Lebenslaufes aus der Hand seines Schwiegersohnes, des Herrn Ing.<br />

P. Fürst, führte ihn sein Lebensweg über das Gymnasium in Csurgö, die landwirtscha<br />

Akademie in Keszthely und Lehrjahre auf den Baron Sinaschen<br />

Gütern als Verwalter deo Distriktes Koria in den Dienst des regierenden Fürsten<br />

Georg zu Schaumburg-Lippe, dessen Vorfahr einer der ersten Zöglinge Schnepfenthals<br />

gewesen war. 1898 wurden Carl Salzmann die Distrikte Magyarboly und<br />

Jllocska der ungarischen Herrschaft des Fürsten anvertraut, die er auch nach dem<br />

Verkauf der Domäne an den Erzherzog Friedrich, beim Austritt aug dem fürstlichen<br />

Dienst zum fürstlichen Ökonomierat ernannt, als erzherzoglicher Güterinspektor<br />

weiter betreute. Tapfer nahm er alle die Demütigungen auf sich, die seit Ende 1918<br />

mit dem Einmarsch der Serben einsetzten. Fast Unerträgliches trug er, um seiner<br />

Treuepflicht gegen seinen Herrn zu folgen, dessenhab und Gut er mit mutigem Einsatz<br />

seiner ganzen Person verteidigte.


Zwar wurde 1921 die Baranya vom serbischenJoch befreit, Salzmanns Kraft<br />

aber war durch die Kämpfe erschüttert, er machte jüngeren Kräften Platz, die durch<br />

den Vertrag von Trianon ihre Distrikte verloren hatten. Er wurde mit offenen Armen<br />

im Hause seiner Tochter Emma in Villany empfangen und verlebte dort sorgenfrei<br />

seinen Lebensabend, wie er es verdient hatte durch alle seine Liebe und umsichtige<br />

Sorge um das Glück der Seinen, denen er alle Kraft widmete, die der Beruf übrig<br />

ließ. An diesem vorbildlichen Familienleben auf der Magyarbolyer Pußta wird sich<br />

mancher seiner alten und jungen Freunde dankbar erinnern, der dort seine Sonntagnachmitta<br />

verbracht hat und nun heute diese Zeilen liest. Vier Jahre noch durfte<br />

er Sich der verdienten Liebe seiner Kinder erfreuen. Dann versagte das Herz den<br />

Dienst, müde geworden durch das viele Schwere, was es hatte ertragen müssen:<br />

Tod der geliebten Gattin, Revolution, serbischeBesetzung, Tod nächster Verwandter<br />

und Verlust des Vermögens durch die Devalvation.<br />

Treue war wohl der Hauptzug seines Wesens. Ich habe sie selbst zu spüren<br />

bekommen, als ich bei den Vorarbeiten zu meiner Festschrift mit dem Verstorbenen<br />

Briefe wechselte. Treue auch zu Schnepfenthal, die er u. a. auch durch viele fördernde<br />

Auskünfte an unsern wissenschaftlichen Freund Prof. Dr. Szelen~i † den Salzmannfors<br />

Ungarns, bewies.<br />

Hunderte von Trauernden haben am 30. Oktober — es war fast dieselbe Stunde,<br />

zu der vor 124 Jahren sein Vorfahr, der Gründer Schnepfenthals, die Augen schloßdem<br />

Verstorbenen für seine Treue gedankt, als sie die von vielen Freunden geleiteten<br />

sterblichen Reste des vielverehrten Greises an der Familiengruft zu Magyarboly<br />

erwarteten. Beim Leuchten des Abendrotes und dem Läuten des Glöckleins der<br />

Gruftkapelle trugen ihn, so berichtet sein Schwiegersohn, seine ältesten Diener zur<br />

letzten Ruhe.<br />

Dann sprach der Geistliche, Pastor Vertessy, den Abschied: "Das Volk, das dich<br />

hier am Kirchhof erwartet, nimmt Abschied von dir, aber du gehst im Geiste nicht<br />

von uns, im Geiste bleibst du uns erhalten als Vater, Berater und Freund, der du<br />

durch fast 24 Jahre unser Brotgeber und Besschirmer warst. Du wars ein Vorbild<br />

der Treue und Pflichterfüllung, ein Helfer in Elend und Not, getreu dem Wahlspruch<br />

deines großen Vorfahren Christian Gotthilf Salzmann:<br />

Denke, dulde und handle!<br />

So erfüllte sich an Carl Salzmann, was er in seiner ersten Gottesverehrung<br />

im Betsaal zu Schnepfenthal als neunjähriges Kind aus dem Munde des Pfarrern<br />

Rudloff gehört in einer Predigt, die den Zöglingen von 1870 sagte, wag die Garben<br />

predigen, die vom Erntefeld heimgeführt werden: Lasset ung Gutes tun und nicht<br />

müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir ernten ohne Aufhören.<br />

J. L. Müller.


Salzmannals Aufklärungstheologe<br />

Von<br />

Dr. phil. Margot Hochheim<br />

Nach dem Zeitalter der Konfessionskriege, das mit der "glorreichen Revolution"<br />

und der Toleranzakte Wilhelms III. von England (1688 s.) endigt, entsteht<br />

eine neue weltliche Kultur, die sich von aller kirchlichen Bevormundung losringt,<br />

auf die Kirchen selbst aber in steigendem Maße einwirkt. Diesen Prozeß bezeichnet<br />

man alg die Aufklärung.<br />

Schon im 12. und 13. Jahrhundert ist eine allmähliche Lösung einzelner Kulturzweige<br />

von der Vorherrschaft der Kirche zu bemerken, die sich im Zeitalter der<br />

Renaissance noch beschleunigt. Die erste individualistische, von der kirchlichen Autorität<br />

freie Welt- und Lebensanschauung entsteht.Im 16. Jahrhundert wird die Renaissance<br />

von den religiösen Bewegungen gehemmt, aber nicht völlig unterdrückt. Sie bleibt<br />

vielmehr als Unterströmung bestehen, entwickelt sichin aller Stille im 16. und 17. Jahrhundert<br />

zur exakten Naturwissenschaft und zur historisch-philologischenKritik. Als<br />

die konfessionellen Kämpfe nachlassen, verbinden sich diese wissenschaftlichen Bestrebung<br />

mit der allgemeinen Reaktion gegen die kirchlich bestimmte Kultur: die<br />

Weltanschauung der Aufklärung entsteht.<br />

Charakterisiert ist die Aufklärung durch eine starke Diesseits- und Kulturfreudigke<br />

und einen fast unbegrenzten Optimismus gegenüber der Schöpfung und<br />

dem Menschen. Ein reger Reformeifer entsteht, der sichauf dem Gebiet des Staates,<br />

des Wirtschaftslebens, der Kirche und deo Erziehungswesens betätigt. Am hervorstechend<br />

ist aber an der Aufklärung der ausgesprochene Intellektualismus. Erkenntnis<br />

und Wahrheitsforschung steigern sich.An Stelle des blinden Autoritätsglaubens<br />

und der scheuenPietät gegen alles Überlieferte tritt der rücksichtsloseDrang<br />

nach selbständiger Erkenntnis. Nur was vor der Vernunft bestehen kann, soll gelten.<br />

Kant<br />

bestimmt den Begriff ,,Aufklärung" folgendermaßen: "Aufklärung ist der Ausgang<br />

des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist<br />

das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.<br />

Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit,<br />

wenn die Ursache derselben nicht am Mangel<br />

des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne<br />

Leitung eines anderen zu bedienen."<br />

Die protestantischen Theologen können die ungeheure Umwälzung der Weltanschau<br />

nicht verhindern. Sie erliegen vielmehr selbst den neuen Ideen. Das<br />

orthodoxe System der Dogmatik wird allmählich zersetzt. Die deutsche Aufklärungstheologie<br />

trägt jedoch einen verhältnismäßig konservativen Charakter. Fast durchweg<br />

wird die Offenbarung anerkannt, in ihrer Bedeutung aber abgeschwächtund in kein<br />

klares Verhältnis zur Vernunft gesetzt.<br />

Die deutsche Aufklärungstheologie durchläuft drei Entwicklungsstadien: In der<br />

Übergangstheologie kündigt sich das Nahen der Aufklärung erst leise an. Der<br />

dogmatischeGehalt der Orthodoxie wird möglichst gewahrt, der Vernunft aber zugleich<br />

eine gesteigerte Bedeutung gegeben und alle Gedanken nach der praktischen


Seite gewandt. Aus der Übergangstheologie geht um 1750 die Neologie hervor,<br />

die eigentliche deutsche Aufklärungstheologie. Sie entwickelt sichin zwei Richtungen,<br />

einer konservativeren und einer radikaleren. Für die konservativ-supranaturalistisch<br />

gerichtete Gruppe ist Christian Fürchtegott Gellert typisch. Die Radikalen sind die<br />

großen Praktiker Sack, Spalding, Jerusalem, Zollikofer. Die kritisch gerichtete Gruppe<br />

hat ihren bedeutendsten wissenschaftlichenVertreter an Johann Salomo Semler; der<br />

zwischen Theologie und Religion (- Gottvertrauen), zwischen öffentlicher und<br />

privater Religion unterscheidet. Oao Individuum hat nach seiner Meinung das<br />

Recht zu voller Freiheit seiner religiösen Überzeugung. Aber die öffentliche Religion<br />

darf von den Privatmeinungen nicht berührt werden. Nur der Staat hat über ihre<br />

Gestalt zu bestimmen. — Eine Übersteigerungsform der Neologie ist der Naturalismus,<br />

der alle Offenbarung bekämpft. Zu seinen Vertretern gehören das<br />

,,entfant terrible" der Aufklärung Karl Friedrich Bahrdt und Hermann Samuel<br />

Reimarus. Reimarus bestreitet alle Offenbarung und führt die Entstehung des<br />

Christentums auf einen Betrug zurück: die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen<br />

und die Lüge aufgebracht, er sei auferstanden. Diese Ansichten legt Reimarus<br />

in der "Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes" nieder,<br />

von der Lessing einzelne Teile als "Fragmente eines Ungenannten" in Wolfenbüttel<br />

herausgibt.- Die Neologen glauben an einen friedlichen Ausgleich zwischen Vernunft<br />

und Offenbarung. 3n den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts drängt<br />

nun dieses Problem auf eine klare Entscheidung hin. Die unorganisch verbundenen<br />

Elemente kämpfen um die Alleinherrschaft. In diesem Wettstreit siegt zuerst das<br />

rationale. So löst der Rationalismus das Zeitalter der Neologie ab. Aber auch<br />

unter der Vorherrschaft der Vernunft bleibt die Verbindung zur biblischen Offenbarung<br />

erhalten: so ist der Naturalismus gebannt, und die Rationalisten wirken<br />

innerhalb der Kirche. Sie halten an der Bibel fest, deuten aber ihren Inhalt um,<br />

indem sie alles Übernatürliche und Wunderbare beseitigen. — Auf der neologischen<br />

Auffangung der Religion alg eines in das Unsichtbare übergreifenden Erkennens<br />

baut der Supranaturalismus auf. Er beschränkt einerseits die Vernunft, um<br />

dem Glauben Platz zu machen, beweist aber andererseits gerade mit Gründen der<br />

Vernunft Notwendigkeit und Wirklichkeit der biblischen Offenbarung. Trotz heftiger<br />

gegenseitiger Befehdung sind Rationalismus und Supranaturalismus nahe verwandt.<br />

Das zeigt sichvor allem an den Vermittlungsversuchen: rationaler Supranaturalism<br />

und supranaturaler Rationalismus.<br />

Mit dem Reformeifer, der dem Zeitalter der Aufklärung eigen ist, gehen nun<br />

die Theologen an die Umsetzung der neuen Anschauungen in die kirchliche Praxis.<br />

Kein katholischeBräuche werden beseitigt: Exorzismus, Tragen von Meßgewändern,<br />

Läuten des Wandelglöckchens während der Einsetzungsworte. Oer Gottesdienst,<br />

dessen Stimmung optimistisch und leicht rührsam ist, steht unter dem Gesichtspunkt<br />

der Volksbelehrung zum Zweck der moralischen Besserung. Deshalb werden lateinische<br />

Stücke abgeschafft. Die biblisch und kirchlich geprägte Kultursprache wird durch<br />

moderne Ausdrucksformen ersetzt. Die Gesangbücher werden revidiert, indem man<br />

die alten Lieder von unverständlichen Sprach-, Vorstellungs- und Lehrformen befreit.<br />

Die Gebete bekommen einen anderen Inhalt: man betet die allgemein für


sorgente göttliche Weisheit an. Der einzelne Mensch bleibt hier im Mittelpunkt,<br />

aber nicht mehr unter dem Gesichtspunkt von Sünde und Gnade, sondern von<br />

Wohl und Wehe, Tugend und Glückseligkeit. Die Predigt legt Nachdruck auf die<br />

in der Sittlichkeit sich bewährende praktischeFrömmigkeit. Kirche- und zeitgeschichtliche<br />

Stoffe, Naturgefühl usw. werden ihr zugrunde gelegt. Ihren Tiefstand erreicht<br />

die rationalistische Predigt in der Nützlichkeitspredigt, z. B. predigt man Weihnachten<br />

über den Vorzug der Stallfütterung vor der Koppelwirtschaft. Die Abendmahlsliturgie<br />

und Taufe werden umgestaltet, ebenso die Agenden. Außerhalb des Gottesdienstes<br />

dienen verständlichere Bibeln und eine Fülle von gedruckten Predigten und<br />

Andachten als Erbauungsmittel. Der Religionsunterricht erstrebt Verständnis von<br />

Religion und Christentum. Die pietistischeMethode der Katechisation wird abgeschafft.<br />

Jetzt soll der gelernte Stoff dem Verständnis und der Überzeugung zugänglich<br />

gemacht werden. Das geschiehtmit Hilfe der Sokratik, deo Gebrauchs von Frage<br />

und Antwort, um statt des mechanischen Memorierens Verständnis, selbständige<br />

Denktätigkeit und Überzeugung zu wecken. Ziel des Unterrichts ist: den Weg zur<br />

Tugend, Weisheit und Glückseligkeit zu zeigen. — Die Heidenmission geht im Zeitalter<br />

der Aufklärung zurück. Die Aktivität richtet sich mehr nach innen. Armen-,<br />

Waisen- und Krankenpflege werden besser geordnet. Außerdem sorgen die Pfarrer<br />

für Einführung neuer Erwerbszweige, Gründung von Industrieschulen und vorbildliche<br />

Wirtschaftsführung. Nie haben Christentum und Kirche der "Welt" mehr<br />

geleistet als in der deutschen Aufklärung.<br />

Salzmann gehört der praktischen Richtung der Neologie an. Mit Männern<br />

wie Spalding und Zollikofer fühlt er sich nahe verwandt. An der Offenbarung<br />

hält er fest. "Ist es doch gewiß, daß die Quelle alles Lichts, das dem Menschen<br />

zur wahren, seiner Natur angemessenen, Glückseligkeit leuchtet, die göttliche<br />

Offenbarung, .sey." (Beyträge zu Aufklärung des menschlichen Verstandes in<br />

Predigten, Leipzig 1779, S.7f.) Aber neben der Offenbarung steht bei ihm die<br />

Vernunft, die er alg ein Geschenk Gottes bezeichnet, deren Stimme Gottes Stimme<br />

ist. Vernunft und Offenbarung müssen zusammenwirken. Die subjektive Vernunft<br />

scheint ihm für gewöhnlich nicht dazu geeignet, den Menschen sicherzu leiten, hinlänglich<br />

zu stärken und zu beruhigen. Deshalb muß sichder Mensch an die Aussprüche<br />

einer höheren Vernunft, an die Offenbarung, halten. Wie Semler unterscheidet<br />

Salzmann zwischen Theologie und Religion. Religion ist nicht Erkenntnis, Wissenschaft<br />

wie die Theologie, sondern Gesinnung. Gottesdienst und Religionsunterricht<br />

sollen den Menschen zur Religion führen und nicht in die Streitigkeiten der Theologie<br />

hineinziehen.<br />

Der Pfarrer soll die Kanzel nicht in der Absicht besteigen, "um gelehrte Leute<br />

zu ziehen, um unsern Zuhörern Dogmatik, Hermeneutik, Kirchengeschichteund dergleichen<br />

zu lesen, sondern, um ihnen das Bild Gottes wieder herzustellen, ihnen die<br />

große Weisheit beyzubringen, wie Gott, glücklich zu seyn und glücklich zu machen".<br />

(Beyträge zur Aufklärung des menschlichen Verstandes, S.9.) Um auf seine Zuhörer<br />

zu wirken, soll er deutsch und einfach predigen. Die Kultussprache muß von<br />

morgenländischen Ausdrücken gereinigt<br />

werden, und sie darf nicht schwülstigsein. Es<br />

ist besser, eine lateinische als eine schwülstige Predigt zu halten. Eine lateinische


Predigt versteht der einfache Mann gar nicht, eine schwülstige erweckt in ihm nur<br />

falsche Vorstellungen. Gesänge, Gebete und Predigt sollen frei von Dogmatik sein.<br />

Wag ist Dogmatik ? "Es ist eine Sammlung von Erklärungen solcher biblischen<br />

Sätze, die unsern Verstand übersteigen, denen man insgemein Unleugbarkeit beylegt,<br />

und die man als das ne plus ultra des menschlichen Verstandes ansieht."<br />

(Hermes, Fischer, Salzmann, Beytraege zur Verbesserung des öffentlichen Gottesdienstes<br />

der Christen, 1. Bd., 2. Stück, Leipzig 1786, Salzmann, Fortsetzung der<br />

Abhandlung von der Nothwendigkeit der Verbesserung der Liturgie S. <strong>4.</strong>) Der<br />

Mensch hat von Natur aus den Drang, alles Geheimnisvolle erforschen zu wollen.<br />

So hat er sichauch über die Natur des gesegneten Brotes und Weines, die Taufe,<br />

die Person Jesu, die Eingebung der heiligen Schrift usw. Gedanken gemacht. Aber<br />

so viele Menschen nun über diese "Geheimnisse des Christentums" nachdachten, so<br />

viele Meinungen entstanden auch darüber. Es hat nun aber zu allen Zeiten Menschen<br />

gegeben, "die entweder durch ihre Verdienste, oder durch ihre Kabalen sich über ihre<br />

Zeitgenossen erhoben, und diese Ueberlegenheit dazu benutzten, daß sie Kirchenversammlun<br />

zusammen beriefen, durch sie ihre Meynungen bestaetigen, zu Artickeln<br />

des christlichen Glaubens machen, und alle die mit dem ewigen Feuer bedrohen ließen,<br />

die sie bestreiten würden. So entstund die Dogmatik" (a. a. G. S. 5f.). Salzmann<br />

greift keine dieser Vorstellungen an; aber er hält es für gotteslästerlich, wenn man<br />

diese Vorstellungen alg Lehre Jesu von der Kanzel predigt. Dogmatik zu predigen<br />

entehrt Gott und den Erlöser und verdirbt die Menschen. "Es entehrt Gott. Wie<br />

kann ich Achtung gegen einen Fürsten haben, der mich von den Launen eines seiner<br />

Bedienten abhaengig macht? Und wie kann ich die kindliche Hochachtung, Furcht,<br />

Liebe, das unwandelbare Vertrauen zu meinem Schöpfer und Vater behalten, daß<br />

er verdient, wenn man mich glaubend macht, er werde mich nicht nach meiner Rechtschaffen<br />

und Thaetigkeit für das Gute, sondern nach dem Beyfalle belohnen, den<br />

ich den Einfaellen eines Athanasius, Gregorius, Luthers oder Calvins gebe?"<br />

(a. a. G. S. 9f.). Es entehrt den Erlöser, wenn man ihm menschlicheEinfälle unterschiebt.<br />

Die Lehre Jesu gibt dem Menschen höchste Vollkommenheit und Beruhigung.<br />

"Wenn man nun, statt dieser Göttlichen Lehre, die Einfaelle irgend eines Menschen<br />

vortraegt, welches die Dogmatik allemal ist, zu der Zeit vortraegt, daman deo<br />

Erlösers Lehre predigen sollte, entzieht man da den Menschen nicht die Mittel sich<br />

vollkommner und glücklicher zu machen? Heißt das nicht ihn verderben?" (a. a. G.<br />

S. 11 f.).<br />

Die Dogmatik tötet außerdem die Nächstenliebe. Der Dogmatiker hält alle,<br />

die nicht seiner Überzeugung sind, für unglücklich. Seine Menschenliebe treibt ihn,<br />

sich der Verirrten anzunehmen und ihnen seine Überzeugung beizubringen. Wenn<br />

sie widerstreben, so braucht er Gewalt. So entstehen Inquisitionen, Verfolgungen<br />

und Absenkungen. "Auf diese Art kehrt die Dogmatik alles um und verwandelt die<br />

wohlthaetigsten Neigungen der Menschen, in menschenfeindliches Bestreben, die<br />

Brüder zu verderben (a. a. G. S. 13). Deshalb weg mit der Dogmatik aus den<br />

Predigten! Auch Jesus predigte ohne Dogmatik. Wenn jemand an ihn glaubte und<br />

Proben seiner Rechtschaffenheit gab, so erkannte er ihn als seinen Freund an, ohne<br />

von ihm ein Glaubensbekenntnis zu fordern.


Die Gesangbücher müssen auch in anderer Hinsicht noch revidiert werden. Sie<br />

enthalten eine Unzahl von Ausdrücken, die sich nur auf das Judentum beziehen.<br />

Ausdrücke wie Jerusalem, Babel, Canaan, Ägypten, David, Saul sind dem Juden<br />

von großem Wert, bedeuten aber für den Christen nichts. Außerdem enthalten die<br />

Lieder unwahre Behauptungen: "Daß bey Gott, im eigentlichen Verstande,<br />

Zorn statt finde; daß die Verdammten Pech und Schwefel trinken müssen, daß es<br />

Gespenster gebe, daß wir von des Teufels Herrschaft abhaengen, daß die schöne<br />

Welt, die wir bewohnen, ein Loch, ein Kerker und dergleichen sey, glaubt fast<br />

Niemand mehr. Und doch nöthigen uns unsere Gesangbücher, dergleichen dem<br />

lieben Gott vorzusingen, sie machen uns zu Heuchlern." (Hermes, Fischer und Salzmann,<br />

a. a. G., 1. Bd. 1. Stück, Leipzig 1785: Salzmann, Wie nothwendig eine<br />

Verbesserung der Liturgie sey! S. 2<strong>4.</strong>)<br />

Das Gebet ist nach Salzmanns Definition ein Gespräch des herzens mit<br />

Gott. Es muß aus innerstem Herzen, aus dem Gefühl der gegenwärtigen Bedürfnisse<br />

kommen. Kein Mensch kann seine Empfindungen, die er in einem Gebet ausdrückte,<br />

zur Gebetsformel für künftige Zeiten machen und verlangen, daß andere sie<br />

nachbeten sollen. Sein Gebet war vielleicht in seiner Lage unverbesserlich. Für<br />

andere Menschen, die sichin einer ganz anderen Lage befinden, wäre es Unwahrheit.<br />

Das Gebet, das Gespräch jedes einzelnen Herzens mit Gott, soll in dem<br />

Wunsche gipfeln, daß wir uns ganz an Gott ergeben, ganz seinen Willen tun, jedes<br />

Schicksal, das uns trifft, mit Dank annehmen und unseren Beruf mit möglichster<br />

Treue erfüllen.<br />

Jesus ist in die Welt<br />

gekommen, nicht um einer Nation seine Religion zu bringen,<br />

sondern der Menschheit überhaupt. Er gab ihr keine bestimmte äußere Form, weil<br />

er sie dadurch für einen großen Teil der Menschen unbrauchbar gemacht hätte. Darin<br />

sieht Salzmann gerade einen sprechendenZug ihrer göttlichen Abkunft. Er gab keine<br />

Vorschriften für Kleidung, Zeremonien, Feiertage, Fasten und Wallfahrten. Oao<br />

Einzige, was er an Äußerlichem verordnete, war, "daß diejenigen, die seine Lehre<br />

annaehmen, sich durch ein Wasserbad, im Namen des Vaters, des Sohnes und des<br />

heiligen Geistes dazu einweihen lassen, und hernach, zum Denkmahle seines Todes<br />

und zur Beförderung brüderlicher Liebe, bisweilen gemeinschaftlich von einem Brode<br />

essen,und aus einem Kelche Wein trinken sollten". (Hermes, Fischer und Salzmann,<br />

Beyträge zur Verbesserung des öffentlichen Gottesdienstes 1 . Bd. 1. Stck. Leipzig<br />

1785: Salzmann, Wie nothwendig eine Verbesserung der Liturgie sey! S. 5.) Die<br />

Äußerlichkeiten bei Taufe und Abendmahl bestimmte er jedoch nicht, sondern er überließ<br />

sie dem Geschmackund den Einsichten jeder Nation<br />

und jedes Zeitalters.<br />

Für die Taufe gab Jesus die Vorschrift: "Gehet hin in alle Welt und lehret<br />

alle Voelker, und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des<br />

heiligen Geistes!" (Hermes, Fischer und Salzmann, a. a. G. 2. Bd. 1. Stck.<br />

Leipzig 1787: Salzmann, Fortsetzung der Abhandlung von der Nothwendigkeit der<br />

Verbesserung der Liturgie, S. <strong>4.</strong>) In der urchristlichen Gemeinde ging der Unterricht<br />

der Taufe immer voran. Salzmann tadelt nun, daß man den Vorschriften deo Erlösers<br />

zuwiderhandelt. Zunächst fehlt bei der Taufe der Unterricht. Bei Erwachsenen,<br />

die von einer anderen Religion zum Christentum übertreten, findet er zwar statt,


nicht aber bei der üblichen Kindertaufe. "Taufen ohne vorhergegangenen Unterricht<br />

kommt mir vor, als wenn man jemanden auf versiegelte Gesetze verpflichten, und<br />

sie ihm erst, nach Ablegung des Eides, bekannt machen wollte" (a. a. G. S. 8).<br />

Außerdem fehlt bei dem Täufling der Glaube an die Lehre Jesu und das Versprechen,<br />

nach ihr sein Leben einrichten zu wollen. Das Versprechen der Paten an Stelle des<br />

Kindes läßt er nicht gelten. Niemand kann für einen anderen etwas versprechen,<br />

wozu er von dem anderen nicht bevollmächtigt worden ist. Auch der Exorzismus<br />

kann mit den Grundsätzen der christlichen Lehre nicht bestehen. Salzmann lehnt also<br />

die Kindertaufe ab und meint, auch Luther hätte das getan. Luther hat zwar die<br />

Kindertaufe nicht angetastet. In seinen Katechismus setzter aber die Worte: "ohne<br />

Gottes Wort ist das Wasser schlecht Wasser und keine Taufe, und<br />

trauete seinen Nachfolgern zu, daß sie schon so klug seyn würden einzusehen, daß<br />

Gottes Wort nur bey denen Glauben wirken könne, die es verstünden, daß also für<br />

die neugebohrnen Kinder Gottes Wort, folglich auch die Taufe nicht gehöre"' (a. a. G.<br />

S. 14). Die Kindertaufe darf nicht verboten werden. Man soll vielmehr den Eltern<br />

Freiheit lassen, den Termin der Taufe selbstzu bestimmen und soll zehn- bis zwölfjährige<br />

Kinder mit größter Feierlichkeit taufen. Die Taufe ist nichts anderes als ein<br />

Aufnahmeakt in die christliche Gemeinde. Jesus hat aber nicht gesagt, "daß die<br />

Taufe ung bessern und angenehm machen solle" (Christliche Hauspostille, 3. Bd.,<br />

Schnepfenthal 1793, S. 121). (Schlußfolgt.)<br />

Von unsernMitgliedern<br />

Zu unserer Freude traten in die VAS ein:<br />

Hubertus von der Decken (1933—<strong>1935</strong>), zurzeit Schnepfenthal.<br />

Gerhard Kirchhoff, Kunstschüler, Dresden 19, Löscherstr.3II (Zögling 1927<br />

bis <strong>1935</strong>).<br />

Aus der VAS abgemeldet wurde:<br />

Wolfgang<br />

Schoenborn.<br />

Durch den Tod verloren wir:<br />

Professor Dr. Ernst Regel, Halle.<br />

Dr. med. Werner Benischek, Arzt am Copley-Hospital in Aurora, Illinois<br />

USA. (Zögling 1913—1916).<br />

Herbert Martens (Zögling 1891—1895), † am 6. Oktober <strong>1935</strong>.<br />

Carl Salzmann, Fürstlich Schaumburg-Lippescher Ökonomierat und Erzherzoglic<br />

Güterinspektor, † am 28. Oktober <strong>1935</strong> in Villany in Südungarn<br />

im Alter von 75 Jahren. (1870—1872.)


Veränderungen:<br />

Edmund Weihe, Fahrenhaupt bei Marlow in Mecklenburg.<br />

Fräulein Wiebe Ausfeld, Schnepfenthal (Thür.).<br />

Dieter Pfennig, Gebrauchsgraphiker, Sonnenberg (Filder) bei Stuttgart<br />

Degerloch, Laustraße 7.<br />

Fräulein Sabine Burggraf, Schule Schloß Salem, Baden.<br />

Professor Dr. Franz Hochheim (1885-1888), Naumburg a. d. Saale, Wilhelm-Wagner-<br />

8.<br />

Fräulein Dr. phil. Margot Hochheim, Naumburg a. d. Saale, Wilhelm-Wagner-<br />

8.<br />

Alfred Künzel unverändert Hamburg 39, Scheffelstraße 3<strong>4.</strong><br />

Frau A. Blum geb. Witschel, Weimar, Wörthstraße 18.<br />

Gerd Wenzel, Geschäftsführer, Trommlerverlag, Bernburg a. d. Saale,<br />

Admiral-Scheer-Straße 131.<br />

Bruno Eggert, Ingenieur, Gotha (Thür), Liebetraustraße 21.<br />

Dr. J. W. Müller, Flat ,,Willemspark" Zeestraat 73, Den Haag (Holland).<br />

Wer weiß die Anschriften der zurzeit unerreichbaren Mitglieder? Es sind dies:<br />

Hauptmann Werner Pohl.<br />

Kaufmann Hartwig Wenzel.<br />

stud. Franz Wellschmied.<br />

Gustav Weitert.<br />

Hans Trinius, Generalmusikdirektor.<br />

Wilhelm Cleß, Dresden.<br />

Manfred Hübner, Halle.<br />

Hans Calberla, Dresden.<br />

cand. med. Hans Friedrich von Trott zu Solz.<br />

Werner<br />

Behrends.<br />

Ehrhard Lux.<br />

Graf Luxburg.<br />

Anneliese Witschel.<br />

Herbert Kolbe.<br />

Friedrich Karl<br />

Krauß.<br />

Mitteilungen an den Schriftführer der VAS, Hellerau bei Dresden, Tännichtweg<br />

2. Ditte, teilen Sie jede Veränderung Ihrer Anschrift dorthin mit!<br />

Als unbestellbar kamen zurück Sendungen, die gerichtet waren an:<br />

Fräulein Helgg Dreiß,<br />

Felix Kirchberger,<br />

Wilhelm Bostelmann.<br />

Wer weiß die Anschriften der Vermißten?


Unser verehrter Herr Dr. med. Stumme, Leipzig, schenkte der Bibliothek zu<br />

Schnepfenthal wieder einige für die Geschichte der Anstalt wichtige Bücher und<br />

Zeitungsblätter, wofür ihm auch hier herzlich gedankt sei.<br />

Alte ,,Schnepfenthäler Nachrichten" umsonst!<br />

Hefte der "Schnepfenthäler Nachrichten" von 1914, 1919-1924 und 1928-<strong>1935</strong><br />

sind zum Teil in erheblichen Mengen verfügbar und werden umsonst abgegeben,<br />

ebenso Mitteilungen der VAS von 1926-1928 und VAS- Mitgliederverzeichnisse.<br />

(Im Kriege und von 1925-1927 sind die "Nachrichten" nicht erschienen.)<br />

Interessenten bitte ich um kurze Mitteilung, welche Hefte oder Jahrgänge sie<br />

wünschen. Für Versandspesen bitte ich einen entsprechenden Obolus nach eigener<br />

Schätzung in Briefmarken beizufügen. Falsche Bescheidenheit bei der Bestellung<br />

kommt nicht in Frage, da wir räumen möchten. Von zeitraubenden Mitteilungen<br />

über etwa vergriffene hese werden Sie mich aber dispensieren und in solchem Fall<br />

damit einverstanden sein, daß ich den gedachten Obolus nebst etwaigen Überschüssen<br />

der<br />

Bibliothekskasse zuführe.<br />

Schieben Sie Ihre Bestellung nicht auf und denken Sie, bitte, auch daran,<br />

daß Sie mit solchen Heften für Schnepfenthal werben können!<br />

Dr. W. Thiemer.<br />

Hauptschrtftleiter: Studienrat J.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />

Postscheck fürdieVAS: "Vereinigung AlterSchnepfenthäler", Schnepfenthal betSchnepfenthal-Rödichen, P.Sch. A. Erfurt15760<br />

Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel & Co.in Altenburg (Thür.).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!