(1935), S. 4.
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Schnepfenthäler Nachrich<br />
ZugleichMitteilungender Schnepfenthal-Jubiläums-Stift<br />
undderVereinigungalter Schnepfenthäler<br />
1784-1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang<strong>1935</strong> Nummer 1<br />
Dr. FriedrichAusfeld†<br />
Wenn in einem Lande der König stirbt, legt sich zuerst die Trauer lähmend<br />
auf alles öffentliche Leben, aber um des Weiterbestandes des Volkes willen muß<br />
bald alles wieder seinen geregelten Gang aufnehmen, wie ihn die bestehenden<br />
Gesetze vorschreiben; die Herrschergewalt geht an den rechtmäßigen Thronfolger über:<br />
Der Bestand des Ganzen ist gesichert.<br />
Wieviel einschneidenderist der unerwartete Tod deo Oberhauptes einer großen<br />
Schul- und Hausgemeinde wie Schnepfenthal, in der seit Jahrzehnten das Wort<br />
und der Wille des einzigen, nun so jäh entrissenen Leiters alles regelte! Wieviel<br />
näher stand hier jedem der Gatte, Vater, Erzieher, Hausvater und Arbeitgeber!<br />
Ein saher Schreck ließ aller Herzen fast stille stehen, und kaum zu fasen war es,<br />
daß Ausfeld, der noch Montag abend fröhlich im großen Kreise waltete, Donnerstag<br />
früh schonnicht mehr unter den Lebenden weilte!<br />
Er hat ausgekämpft, aber sein Werk muß weiterleben. Oer Trost in unserer<br />
unsäglichen Trauer sei die mutige, treue Fortführung seiner Lebensaufgabe, die
Erhaltung der Erziehungsanstalt Schnepfenthal! Aber um es in seinem Sinne tun<br />
zu können, dürfen und müssen wir alle, ob wir in Schnepfenthal selbst mitwirken<br />
oder außerhalb als Freunde und Förderer herzlichen Anteil daran nehmen, ung das<br />
Bild seiner Persönlichkeit immer wieder klar vor Augen stellen und miteinander<br />
die Erinnerung an ihn vertiefen und ergänzen, wozu dieser Nachruf ein Anfang<br />
sein möchte.<br />
Friedrich Ausfelds Lebensweg war wie der eines Thronerben von früh an<br />
vorgezeichnet. Am 25. Mai 1879 in Schnepfenthal geboren, stand er durch beide<br />
Eltern, Wilhelm und Marie Ausfeld, ganz in der Salzmannschen Familienüberliefer<br />
Er war Zögling von 1888-1895. Als einziger Sohn war er berufen,<br />
nach seinem Vater die Leitung der Anstalt zu übernehmen. So dienten denn auch<br />
seine Studien am Gymnasium Ernestinum zu Gotha (1895-1899) und an den<br />
Universitäten Göttingen (1899-1900) und Straßburg (1900-906) (an letzterer<br />
erwarb er mit einer Dissertation über die deutsche anakreontische Dichtung deo<br />
18. Jahrhunderts den philosophischen Doktortitel) weniger der Gelehrsamkeit an sich<br />
alg der Befähigung zur Übernahme der Anstaltsleitung. Auch in der Fremde war<br />
es seinen Freunden immer fühlbar, daß er mit jeder Faser seines Herzens, mit der<br />
ganzen Liebe seiner Kinderjahre an Schnepfenthal hing.<br />
Die wissenschaftlichePrüfung für das Lehramt an höheren Schulen bestand<br />
er am 7. November 1903 in Straßburg. Den Abschluß seiner pädagogischen Ausbildung<br />
bildete ein in Forbach in Lothringen 1906-1907 abgeleistetes Probekandidate<br />
Darauf trat er als Oberlehrer am Realgymnasium in Eisenach in<br />
den Staatsdienst. Das begeisternde Ziel und den Inhalt seines erzieherischen Wollens<br />
bestätigte ihm seine Berührung mit Johannes Müller und dessen Schriften, die ein<br />
wesentliches Menschentum und eine echt deutsche Auffangung von Jesu Botschaft an<br />
unsere Zeit und unser Volk verkündeten. In Schloß Mainberg, dem damaligen Sitze<br />
Johannes Müllers, fand er auch seine Braut, Grete Wiebe, die er am 27. Dezember<br />
1907 heimführte. Sie schenkteihm zwei Töchter, Wiebe und Inge, und den einzigen<br />
Sohn, Eberhard.<br />
Nachdem ,,Fritz" schon lange in seinen Ferien als Mitarbeiter seines Vaters in<br />
Schnepfenthal tätig gewesen war, wurde die Anstalt vom Herbst 1908 an sein<br />
hauptamtliches Wirkungsfeld. Bei zunehmendem Alter des Vaters wurde er sein<br />
Vertreter und im Jahre 1914 übernahm er die Leitung der Anstalt selbständig.<br />
Den unermüdlichen Eifer, die Kraft zur Bewältigung der fast übermenschlichen<br />
Arbeitslast schöpfte er nicht aug seiner trotz der Hünengestalt zarten Gesundheit,<br />
sondern aus einer völlig eindeutigen Ausrichtung seines Willens aus das eine Ziel,<br />
der durch schwere Prüfungen nur noch verstärkt wurde.<br />
Es ist schwer zu sagen, was von den Eigenschaften, die ihm die Erfüllung<br />
seiner vielgestaltigen Pflichten ermöglichten, ererbte Anlage war, was Frucht<br />
väterlicher Erziehung und Anleitung, wag durch eigene bittere Erfahrung erworben<br />
und erkämpft. Seine begeisterte Vaterlands und Heimatliebe, seine große Freude<br />
an der Natur, seine Aufgeschlossenheitfür alles Hohe und Schöne, seine ehrliche<br />
Bewunderung der Tüchtigkeit anderer, seine Lust am fröhlichen Spiel und heiterer<br />
Geselligkeit, seine Vorliebe für gemütvolle Musik, seine Gabe zur Gestaltung ernster
D.r FriedrichAusfeld<br />
25.05.1879 +22.11.1934
Feiern und heiterer Feste, sein eiserner Fleiß, sein mit Strenge gepaartes Zartgefühl,<br />
seine immer zunehmende Fähigkeit, innersten Überzeugungen schlichten und doch<br />
erhabenen Ausdruck zu geben, waren ebensoviele Voraussetzungen, die ihn für jung<br />
und alt zum Freund, Führer und Vorbild machten.<br />
Was ihn den Zöglingen trotz seiner zunächst erschreckendenGröße und einem<br />
äußerlich barschenTon bald nahe brachte, war sein volles Verständnis für Kindesart,<br />
das in der unverlierbaren Kindlichkeit seines eigenen Gemüts begründet war. Mit<br />
welchem innigen Behagen pflegte er an traulichen Adventabenden die Grimmschen<br />
Märchen vorzulesen! Auch für die seltsamsten Seitensprünge der sich schwerin die<br />
Notwendigkeiten des Zusammenlebens findenden Kinderseele hatte er neben der<br />
pflichtmäßigen Empörung den gutmütigsten Humor, der wohl auch seine Liebe zu<br />
den Haustieren erklärt. Ebenso leitete ihn den Erwachsenen gegenüber eine sichere,<br />
instinktive Menschenkenntnis, so daß er in der Wahl seiner Mitarbeiter selten<br />
Enttäuschungen erlebte.<br />
Nicht aus dem inneren Betriebe, sondern von außen her erwuchsen ihm Widerstände<br />
und Schwierigkeiten, wie vielleicht keinem seiner Vorgänger. Oer Weltkrieg,<br />
der der Anstalt ihre jungen Lehrer raubte, die Hungerblockade, die ihm seine geliebte<br />
Landwirtschaft doppelt notwendig machte, die Inflation und die Wirtschaftskrise, die<br />
die Zahlungsfähigkeit der Eltern und damit den wirtschaftlichen Bestand der Anstalt<br />
gefährdete, nicht zulebt die oft verständnislosen Forderungen der wechselnden<br />
Behörden machten die Jahre seiner Leitung zu einem unablässigen Kampf, der auf<br />
die Dauer seine Gesundheit untergrub, aber niemals sein Gottvertrauen und seinen<br />
Glauben an die Zukunft Schnepfenthals. Auf Ferienreisen fand er Erholung, bis<br />
das überanstrengte Herz ihn nötigte, in Bad Nauheim Kur 3u gebrauchen.<br />
Es war eine gnädige Fügung Gottes, daß er noch kurz vor seinem Tode das<br />
150 jährige Jubiläum der Erziehungsanstalt ohne Beschwerden und mit inniger<br />
Freude und Genugtuung erleben durfte. Es brachte ihm tausendfältige Beweise der<br />
Anhänglichkeit und Dankbarkeit von Zöglingen und Freunden, die volle Anerkennung<br />
der Reichs- und Landesbehörden, und gab ihm selbst Anlaß, in zwei Reden seine<br />
Auffassung von der hohen Aufgabe Schnepfenthals zum Ausdruck zu bringen und<br />
damit, ohne es zu ahnen, seinen Nachfolgern ein wegweisendes Vermächtnis 3u<br />
hinterlagen.<br />
So durfte er am 22. November 1934, alg die Krankheit ihn unerwartet plötzlich<br />
überwältigte, friedlich und schmerzlos entschlafen, an einem nur durch vorübergehende<br />
für nervös gehaltene Schmerzen angekündigten Magengeschwür innerlich<br />
verblutend, weil Herzschwächejede Operation verbot.<br />
Wie königlich lagst Du auf Deiner Bahre, Du lieber, großer Freund, so adelig<br />
und hoheitsvoll, ruhig und furchtlos wie ein Feldherr, dem das Bewußtsein<br />
gewonnenen Sieges und erfüllter Pflicht den Tod verschönt. Ich sah Dein Haupt<br />
mit der Krone deo Lebens gekrönt, Du reiner Kämpfer, denn Du warst getreu big<br />
in den Tod!<br />
Leicht wäre es, Dich mit den erhabensten Worten unserer Zeitenwende zu<br />
preisen, denn sie treffen auf Dich mehr zu als auf andre, aber es wäre Dir nicht<br />
lieb, Du stolzer Bescheidener, und die Redewendungen unserer Tage würden der
Überzeitlichkeit und Heiligkeit Deiner Lebensaufgabe nicht gerecht. Schnepfenthal<br />
wird in Deinem Sinne weiterbestehen, wenn Deine Nachfolger sichdafür mit gleicher<br />
Glaubensstärke, mit derselben Ehrfurcht vor dem Ewigen im Menschenwesen und<br />
mit derselben selbstlosenHingebung begeistern können wie Du. Das walte Gott!<br />
Walter<br />
Helmbold.<br />
AnnaNobilingeb.Ausfeld†<br />
Am 9. Mai 1934 starb im Alter von 77 Jahren im Krankenhaus von Waltershausen<br />
Frau Anna Nobiling geb. Ausfeld.<br />
Allen, die seit der Jahrhundertwende big ungefähr 1928 in Schnepfenthal aus<br />
und ein gegangen sind, wird Anna Nobiling deutlich im Gedächtnis sein. Ihre lebhaft<br />
empfindende, hilfsbereite Art, ihr leichter, rascher Schritt während der ersten<br />
Jahre, ihr gebückter, mühsamer Gang während der letzten. Tagtäglich kam sie bei<br />
Wind und Wetter von Rödichen herüber um ihre Stunden zu geben. Sie unterrichtete<br />
fast ausschließlichin der französischenund englischen Sprache. Wenigbegabte<br />
oder widerstrebende Schüler verstand sie zur Mitarbeit anzuregen und war unermüdlich<br />
im Finden immer neuer Mittel, um dies zu erreichen. Viele haben ihr diese<br />
Mühe und das oft humorvolle Eingehen auf ihre Schwächen durch Dankbarkeit und<br />
Anhänglichkeit big zulebt gelohnt. Mancher bewahrt in seinem Album einen kleinen<br />
Vers von ihrer Hand geschrieben und von ihr verfaßt, der im Ernst oder Scherz<br />
einen Wunsch für die Zukunft ausspricht, oder an kleine Erlebnisse aug der Zöglingszeit<br />
erinnert. 1928 schrieb sie für die Kleinen die ''Schnepfenthäler Geisterchen",<br />
die zu Ausfelds Geburtstag und Pfingsten für die alten Schnepfenthäler aufgeführt<br />
wurden und bei alt und sung großen Beifall fanden. Vor allem verdanken wir ihr<br />
unser Lied für die Gefallenen, das sie in der trübsten Zeit nach dem Krieg dichtete.<br />
Wir haben es seitdem an jedem Totensonntag nach der Verlesung der Namen gesungen<br />
Außer in Schnepfenthal hat Anna Nobiling zeitweise noch in Töchterheimen<br />
unterrichtet und stets eine Menge andrer Privatstunden gegeben. Auch ihre dichterische<br />
Begabung stellte sie freigebig in den Dienst ihrer Mitmenschen. Eine ganze<br />
Menge dieser kleinen Stücke und Gedichte sind im Druck erschienen. Sie gab auch<br />
einen Band religiöser Dichtungen heraus.<br />
Anna Nobiling ist alg zweite Tochter von Dr. Gustav Ausfeld und Frau Fanny<br />
geb. Richter am 23. März 1857 in Schnepfenthal geboren. Sie wurde mit ihren<br />
Schwestern und Cousinen zusammen unterrichtet und besuchte dann das Herzogin-Marie-In<br />
in Gotha, wo sie mit sechzehn Jahren das Lehrerinnenexamen bestand.<br />
Nachdem sie einige Jahre alg Hauslehrerin tätig gewesen war, verheiratete<br />
sie sich1881 mit dem Kaufmann Max Nobiling. Bald nach seinem Tod ging sienach<br />
Marienthal bei Bad Liebenstein, um dem Haushalt deo Fabrikbesitzers R. Lux vorzustehe<br />
und seine beiden Kinder zu unterrichten. Alg der Haushalt aufgelöst wurde,<br />
kehrte sie in die Heimat zurück und zog zu ihrer Schwester Agnes nach Rödichen.
Dort hat sie bis zu ihrem Lebensende gewohnt. Während der Kriegsjahre und<br />
später hat sie keinen Weg und kein Opfer gescheut,um Notleidenden zu helfen. Die<br />
Schwestern Nise Gerbing und Anna Nobiling waren beide Persönlichkeiten, die im<br />
Sinne ihres Ahnen Salzmann ihre Mitmenschen zu fördern und ihnen zu helfen<br />
suchten, Bertha Ausfeld.<br />
HedwigGerbing†<br />
Noch war keine Woche seit dem Hinscheiden unseres Fritz Ausfeld verstrichen,<br />
da riß der Tod abermals eine Lücke in unsere Reihen: Am Nachmittag des 28. November<br />
wurde Frau Hedwig Gerbing durch einen sanften Tod von den Leiden einer<br />
hartnäckigen Krankheit erlöst.<br />
Sie wirkte in der Stille, wie die meisten echten Frauen — von denen darum<br />
gewöhnlich erst dann in der Öffentlichkeit die Rede ist, wenn sie nicht mehr sind.<br />
Aber wir Schnepfenthäler haben wohl gewußt, wag sie uns war.<br />
Nur sechs Jahre — seit dem Tod ihres Gatten — lebte sie in unserer Mitte.<br />
Aber in dieser Zeit hat sie sichweit über den Bereich ihrer wirtschaftlichen Pflichten<br />
hinaus, die sie mit Treue und mit dem Einsatz ihrer besten Kräfte erfüllte, unseren<br />
Dank und unsere Liebe erworben. Manchem von uns Erwachsenen, besonders aber<br />
den Älteren unter unsern Jungen ist sie eine wahrhaft mütterliche Freundin gewesen.<br />
Viele kamen 3u ihr, mit unzähligen kleinen Anliegen und größeren Sorgen, denn<br />
sie wußten, daß sie bei ihr immer Verständnis, Rat und selbstloseHilfe fanden.<br />
Ihr Leben war nicht leicht. Nach frohen Jugendjahren im väterlichen Försterhause<br />
hat sie in ihrer glücklichen Ehe mit Dr. Walter Gerbing doch viel Schweres durchlittener<br />
Daseinssorgen und die vielerlei Nöte der Kriegs und Inflationszeiten, lange<br />
Krankheit und schließlichder Tod ihres Mannes (1928), endlich ihr eigenes Leiden<br />
— all das hätte ihre Seele wohl verbittern können. Aber ungebrochen, mit Tapferkeit<br />
und mit klarem Geist hat sie sich durchgekämpft und immer noch die Kraft gehabt,<br />
andere fröhlich zu machen und mit Liebe zu umsorgen. Das erlebten wir noch<br />
am 16. Oktober, ihrem fünfzigsten Geburtstag, alg sie zum testen Male für einige<br />
Stunden ihr Krankenlager verließ und an allem, wag ung bewegte, so lebhaften<br />
Anteil nahm, wie wir es in ihren gesunden Tagen von ihr gewöhnt waren.<br />
Ihr durch und durch lauteres Wesen, das uneingeschränktes Vertrauen fordern<br />
durfte, ihr gerader, frischer Sinn und ihr gütiges Herz haben uns immer zu ihr<br />
hingezogen. So trauern wir um sie wie ihre eignen Kinder, denen sie allzu früh entrinnen<br />
wurde, und werden ihr allezeit ein treues und dankbares Gedächtnis bewahren,<br />
Dr.<br />
Thiemer.
Nachrichten aus Schnepfenthal<br />
April bis Weihnachten 1934<br />
Von Schnepfenthals Festtagen hat der Festbericht erzählt. Die 150-Jahrfeier war<br />
ein erhebendes Erlebnis, das von neuem alle zusammenschloß, die das Werk<br />
Salzmanns lieben und fördern. Es wurde offenbar, daß dieses Werk lebendig und<br />
stark big in die Gegenwart gewirkt hat. Welcher Geist es nun weiterführen soll in<br />
die Zukunft, sagte die große Rede Ausfelds, die er uns vor der Festversammlung in<br />
der Reitbahn gehalten hat. Als wir ihm zuhörten, da waren wir in der festen<br />
Zuversicht und in der starken Hoffnung, daß wir mit ihm zusammen, unter seiner<br />
Führung und unter seiner Weisung in Schnepfenthal weiterarbeiten würden. Es<br />
kam uns damals zu Bewußtsein, daß Ausfeld uns der Inbegriff Schnepfenthals<br />
geworden war, untrennbar verknüpft mit allem, was wir an der Salzmannschen<br />
Schule, wie sie heute ist, lieben. Darum galt das stille Gelöbnis, das jeder Schnepfenthäler<br />
an diesem Tage der Freude ablegte, Ausfeld als dem Träger des Werkes.<br />
Ihm treu und so selbstlos, wie er es war, zu folgen, war uns gleichbedeutend mit<br />
dem lebendigen Dienst an Schnepfenthal. Es ist anders gekommen. Was Gott tut,<br />
das is wohlgetan. Ein halbes Jahr später ist Ausfeld für immer von uno gegangen<br />
und hat Arbeit und Verantwortung seinen Mitarbeitern überladen müssen. Am<br />
25; November haben wir das Gelöbnis der Treue über seinem Grab in der Hard<br />
erneuert und bekräftigt. Was wir ihm versprachen, wollen wir Schnepfenthal<br />
halten.<br />
Ein Jahr freudiger Arbeit liegt hinter ung, freudig in der Zeit des Jubels, freudig<br />
aber auch in den schweren Tagen der Trauer, als der Verlust einem jeden von uns<br />
neue Pflichten auferlegte.<br />
In den Osterferien nahmen die Vorbereitungen für das Fest im Mai ihren<br />
Fortgang. Der frühzeitige Frühling erhöhte die frohe Stimmung. Die Herren<br />
Fuhrmann, Dr. Thiemer, Lüder, Huschenbett, Görnandt und Dr. Krauße hatten an<br />
einem Kursus in Egendorf teilgenommen, als die Hitlerjugend schonzwei Tage vor<br />
Ferienende eintraf, um den Aufmarsch der SA .- Brigade44 in Eisenach mitzumachen.<br />
Noch im März hatten Studienassessor Görnandt und Frau Feodora geb. Braun,<br />
Waltershausen, geheiratet und waren in das vierte Haus gezogen. Am 23. April<br />
kamen die übrigen Zöglinge wieder, und eine ungewöhnlich große Anzahl Neuer.<br />
Ausfeld begrüßte sie am andern Morgen im Betsaal in einer Ansprache, der er das<br />
Wort zugrunde legte: " Wer da kärglich säet, der wird auch kärglich ernten, und wer<br />
da säet in Segen, der wird auch ernten in Segen. ' Gleich am Abend des ersten<br />
Schultages fanden wir uns im Speisesaal zu einer kleinen musikalischen Feier<br />
zusammen, in der Herr Hähle von uns Abschied nahm, der die Osterferien bei uns<br />
verbracht hatte. Am 25. April besichtigte der NS .- Lehrerbund, dem auch unser<br />
Kollegium vollzählig angehört, die Anstalt. Anschließend lud Ausfeld die Besucher<br />
für alle kommenden Versammlungstage ein. der Folgezeit tagte der Bund, der<br />
sichdann nach Schnepfenthal nannte, fast jeden Monat im Unterhaltungssaal. Für<br />
die Schnepfenthäler Hitlerjugend und für das Jungvolk standen Monate zielbewußter
<strong>1935</strong> Schnepfenthäler Nachrichten Nr. 1<br />
Ausbildungsarbeit bevor. Der neue Scharführer Heinz von Hüttner trat Anfang<br />
Mai sein Amt an und verstand wie auch sein Vorgänger von der Decken in<br />
gedeihlicher Zusammenarbeit mit den Erziehern die Schar im Sinne des neuen<br />
Deutschlands zu bilden. Draußen bei Gepäckmärschen,bei Nachtübungen, beim Volkssport<br />
unter Herrn Fuhrmanns Leitung - und im Haus beim Heimabend und bei<br />
Schulungsabenden wurden die Neuen der Truppe eingewöhnt. Dann konnte man<br />
die Schnepfenthäler auch anderswo auftreten sehen, so zu allen Reichsfesten in<br />
Rödichen, am Tage der deutschen Arbeit, beim Fest der Jugend, zur Feier der<br />
Sonnenwende, zum Erntedankfest und am 9. November. Pfingsten verlebten sie in<br />
einem Lager in Hüttners Heimat, Pirk im Vogtland. Auf der Reichsnährstand-Ausstellung<br />
in Erfurt führten sie Freiübungen vor, und auch am Gautreffen in Gera<br />
nahmen sie teil. Die Führer der Hitlerjugend und des Jungvolkes machten verschiedene<br />
Führerbesprechungen des Thüringer Gaues mit. Ende April begann der Bau des<br />
Ehrenmals oberhalb der Reitbahn an der Stelle, wo früher das Anlagenhäuschen<br />
stand. Die Reitbahn bekam ihren festlichen Schmuck. Zum zweiten Male wurden die<br />
Häuser bekränzt und junge Birken verkleideten die Häuserwände. Unermüdlich<br />
kamen Herr Oberst Heyne und sein Neffe, Architekt Peter Heyne, herüber, um den<br />
Fortgang der Arbeiten zu leiten. Auch die Festschriften gelangten an, und wurden<br />
aus dem Wagen in den Vorratsraum .neben der Torfahrt gepackt. Man hörte am<br />
Vortage das eifrige Üben der Sprechchöre und der Fanfarensignale. Die Ausstellunge<br />
wurden ergänzt, Wegweiser für die Gäste gemalt und Absperrzäune angelegt.<br />
Der Festtag wird allen, die ihn miterlebten, unvergeßlich sein.<br />
In den dann folgenden heißen und trocknen Sommerwochen, besonders in der<br />
Reichs Schwimmwoche, ging es oft zum Baden nach Tabarz oder zum Kumbskochsteich.<br />
Der Bau des Schwimmbades am Gleisdreieck, aus dessen Fertigstellung wir<br />
sehr hofften, zögerte sich leider hin. Eine kleine Nachfeier war am 18. Juni die<br />
150. Wiederkehr des Tages der Grundsteinlegung des ersten Hauses. Am 12. Juni<br />
hatten 50 Teilnehmer einer Kraft-durch-Freude-Reise Schnepfenthal besucht im<br />
Juli kamen 10 Memelländerinnen, die unter der Führung des VDA. Thüringen besichtigte<br />
Fahnen auf Halbmast riefen am 28. Juni die Erinnerung an die Ermordung<br />
des österreichischenThronfolgers vor zwanzig Jahren bei denen wach, die jene<br />
ernsten, schicksalsschwerenTage damals miterlebten. Kurz darauf mahnte die von der<br />
Regierung entschlossenunterdrückte Röhmrevolte an die Gefahren der Gegenwart.<br />
Als erster reiste dann Ende Juni Günther Tischer in die Ferien hinüber nach<br />
Curaçao, wo er nach vierjähriger Trennung Eltern und Geschwister wiedersehen<br />
sollte.Im Oktober kehrte er von da mit seinem jüngeren Bruder gesund zu uns<br />
zurück. Von den anderen machten einige in Nord- und Süddeutschland Fahrten mit<br />
den Rädern, alg die Ferien angefangen hatten.<br />
In die Sommerferien fiel der Tod unseres verehrten Reichspräsidenten von<br />
Hindenburg. Rundfunk hörten wir die Trauerfeiern in Berlin und im Ehrenmal<br />
von Tannenberg mit an. Zwei Saardeutsche weilten einige Zeit bei uns, und später<br />
kam Wiebe Ausfeld mit fünf kleinen Jungs des Liezschen Landwaisenheims Deckenstätt<br />
zu Besuch. Am 5. September kehrten dann alle Mitglieder unsrer Gemeinschaft<br />
neugestärkt zur Arbeit bis Weihnachten nach Schnepfenthal zurück.
Die Einrichtung des Staatsjugendtages, vorläufig nur für das Jungvolk,<br />
machte Änderungen des Stundenplanes notwendig. Durch genaue Einteilung des<br />
Tagesplanes und ernste Zusammenarbeit von Lehrern und Schülern wurde die<br />
Bewältigung deo Lehrstoffes möglich. Auch auf dem Sportplatz, in der Guths-Muths-Turnhalle<br />
und am Schießstand, bei freiwilliger Mitarbeit auf dem Runkelrübenfeld<br />
und beim Sammeln deo Herbstlaubes wurden die Kräfte angespannt. Für die großen<br />
Jungen brachte der Erntetanz und der Kirmsetanz im Dorf Abwechslung, und auch<br />
die Theatervorführungen in Waltershausen, " Robinson soll nicht sterben" (Forster<br />
Burggraf), und "Schillers Räuber ' machten Freude. Mitte Oktober ließ ein plötzlicher<br />
Kälteeinbruch mit Schnee auf Wintersport hoffen, aber nach wenigen Tagen schon<br />
war selbst auf dem Inselsberg, wohin am22. ein Ausflug in Gruppen gemacht<br />
wurde, nichts mehr davon zu sehen. Warme, feuchte Witterung hielt bis Weihnachten<br />
an. So sprach am 31. Oktober der Gebietsführer der Hitlerjugend, Günther<br />
Blum, der Schnepfenthal besuchte, bei strömendem Regen zu den vorm Haus<br />
angetretenen Jungen.<br />
Wir waren mitten im täglichen Leben, wie wir es für die langen, regelmäßigen<br />
Tage und Wochen der Zeit vor Weihnachten seit Jahren gewöhnt sind. Es fiel außer<br />
für die wenigen, die Näheres wußten, kaum auf, daß Ausfeld am 2o. November<br />
fehlte, daß abends die kleine Hausmusik ohne ihn stattfand, und daß er auch am<br />
Bußtag nicht zu sehen war. Bange Sorge erfüllte aber die, die von seiner plötzlichen<br />
schweren Erkrankung und von seiner Überführung in das Krankenhaus Waltershausen<br />
wußten. Die allgemeine große Stille entstand, alg dann am 22. November<br />
die Nachricht kam, daß Ausfeld sanft entschlafen sei. Herr Burggraf teilte das den<br />
Zöglingen in der Morgenandacht mit. Er sagte zu ihnen:<br />
",Gottes Wille geschehe,Gottes Wille ist geschehen!'- Meine lieben Zöglinge<br />
und Freunde, heute in der frühen Morgenstunde ist unser treuster Freund und Vater,<br />
Fritz Ausfeld, auf immer von uns gegangen. Das Schicksal hat es so gewollt -<br />
haben es hinzunehmen. Aber Gott, der unser Schnepfenthal 150 Jahre behütet hat,<br />
wird es auch fernerhin behüten. Nun wollen wir hingehen und ganz still und einfach<br />
erst einmal unsere nächste Pflicht tun, so, wie es Fritz Ausfeld selber getan hätte. '<br />
Dann folgten ernste Tage, alg die Fahnen auf dem Dach auf Halbmast wehten,<br />
und an dem Festschmuck,der noch an die Freude des Frühjahres erinnerte; Trauerflor<br />
befestigt wurde. Mitarbeiter und Zöglinge gingen dem Sarg, der von Waltershausen<br />
herübergefahren wurde, bis an die Flurgrenze von Ibenhain entgegen, und geleiteten<br />
ihn langsam den Berg hinauf. Hier nahmen die Jungen rechts und links am Wege<br />
Aufstellung, und zwischen ihren Reihen fuhr der Wagen vor die Tür des ersten<br />
Hauses. Am Nachmittag hatten einige von uns, wie Ausfeld es jedes Jahr tat,<br />
Kränze auf den Gräbern der Hard niedergelegt und still der Worte gedacht, die er sonst<br />
dabei sagte: " Gott segne uns, Gott segne Schnepfenthal Am Totensonntag fand<br />
die Beerdigung unter großer Beteiligung statt. Herr Obers Heyne hatte es übernommen<br />
die Feier zu regeln. Wir versammelten uns im Betsaal, der wie am<br />
7. März eingerichtet war. Vor dem Altar stand der mit Kränzen reich geschmückte<br />
Sarg, daneben zur Rechten und Linken zwei Zöglinge mit den Fahnen des<br />
150. Jubiläums. Herr Pfarrer Langenhan hielt die Predigt. Der Chor sang von
der Empore herab " Auferstehen, ja auferstehen wirst du mein Leib nach kurzer Ruh"<br />
Herr Oberst Heyne und Herr Lüder sprachen Worte des Gedenkens. Alle, die bis<br />
auf die Treppen hinaus stehend teilnahmen an dieser Stunde, empfanden miteinander<br />
daß Ausfeld, der Träger seines Salzmannschen Erbes und Förderer des<br />
alten Werkes, von einem schweren, arbeitsreichen und kampfreichen, aber von einem<br />
sehr schönen und erfüllten Leben ausruhen würde. Als der Sarg hinuntergetragen<br />
und vor der Tür auf den Wagen geladen wurde, bewegte diese Zeitspanne lang der<br />
letzte Abschied Ausfelds aus seinem Haus und von seiner Wirkungsstätte aller<br />
Herzen. Voran die Zöglinge mit den sechs Anstaltsfahnen, begab sich der Zug hinter<br />
dem einfachen Wirtschaftswagen her, auf dem der Sarg nach Ausfelds Wunsch in<br />
die Hard gefahren wurde. Unterwegs schlossensich noch viele an, die teilweise von<br />
fern hergekommen waren, um ihm das letzte Geleit zu geben. Mit Fackeln beleuchteten<br />
die Jungen dann die Einsegnung und Beisetzung. Das feierliche Licht schloß die<br />
ganze Versammlung tröstend und erwärmend zusammen, inmitten der nebligen,<br />
kalten Herbstdämmerung unter den alten Bäumen. Während die Vertreter der Behörden<br />
und der Vereine sprachen und Kränze niederlegten, vereinte uns alle das<br />
Gedächtnis an den Toten, und wir wußten, so, wie wir hier standen und ihn zur<br />
Ruhe brachten, war alles in seinem Sinne. Hell und klar klang das Lied " Eine feste<br />
Burg ist unser Gott" Die lange Reihe der Zöglinge gab Grete, Wiebe, Inge und<br />
Eberhard die Hand. Auf allen Gesichtern war zu sehen, daß jeder eng verbunden<br />
gewesen war mit diesem vorbildlichen Menschenleben, daß jeder einen Helfer und<br />
Vater verlor, dem er noch über den Tod hinaus sich nahefühlte.<br />
Das Leben aber ging weiter und forderte alle Kräfte. Und wenn wir dem Vorbild<br />
des Heimgegangenen gehorsam sein wollten, so mußten wir ungesäumt wieder<br />
ans Werk gehen und die Arbeit aufnehmen, wo sie ihm aus den Händen genommen<br />
worden war. Schon am 22. November hatte Herr Lüder die Leitung der Schule<br />
übernommen , später übernahm Herr Fuhrmann die der Wirtschaft, und so verlief<br />
die Zeit bis Weihnachten ohne Unterbrechung in der Disziplin und Opferfreudigkeit,<br />
zu der sich alle nun doppelt verpflichtet fühlten. Am Sonnabend vor dem ersten<br />
Advent nahmen die Erwachsenen und einige ältere Zöglinge an der Trauerfeier für<br />
Frau Hedwig Gerbing in Gotha teil, die nach längerem Leiden am28. November<br />
gestorben war. Auch mit ihr war ein Leben beschlossen, das untrennbar zu<br />
Schnepfenthal gehört. Gegen Ende der Schulzeit brach noch eine leichte Grippe aus,<br />
die aber schließlichdoch keinem Jungen die Ferien verkürzte, so daß am 18. Dezember<br />
alle abgereist waren. In der Morgenandacht am Sonnabend wurde das Lied gesungen:<br />
" Gib mir ein fröhlich Herz" Die Gedanken gingen zurück auf die letzte<br />
Rede, die Ausfeld im Betsaal gehalten hatte, zum Gedächtnis Hindenburgs am<br />
2. Oktober. Er verlas damals die Worte: Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein<br />
und der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit sein. Dann sagte er:<br />
"Diese Worte lag ich hier zu Hindenburgs 85. Geburtstag vor zwei Jahren.<br />
Seit 1917 haben wir an jedem 2. Oktober gebetet: Gott erhalte ung Hindenburg.<br />
Vor demDruck diesesHeftestraf die erfreulicheNachricht ein, daßHerr Lüdervom Ministerium<br />
in Weimar bestätigtwordenist.
Nr. 1 Schnepfenthäler Nachrichten <strong>1935</strong><br />
Wir konnten uns nicht vorstellen, daß der Tod ihn einmal hinwegnehmen würde.<br />
In diesem Jahre am 2. August ist das Unfaßbare geschehen.Das Leben Hindenburgs<br />
ist vollendet. Er selbsthat so gehämmert, gemeißelt, gestaltet in Gehorsam und Treue,<br />
in Gehorsam gegen Gott, in Treue gegenüber seinem deutschen Volk. Und dieses in<br />
Gehorsam und Treue vollendete Leben hat er ung hinterlagen alg sein Vermächtnis.<br />
Nachdem er nun seine Aufgabe erfüllt hat, sind wir da, sein Vermächtnis lebendig<br />
zu erhalten: Gehorsam gegen Gott und seine Gebote und gegen die Gebote der<br />
Pflicht, die wir täglich und stündlich zu tun haben. Treue gegenüber unserm deutschen<br />
Vaterland und Kameradschaft untereinander. In Gehorsam, Treue und<br />
Kameradschaft werden wir Hindenburgs Andenken bewahren. Aber das dürfen nicht<br />
nur Worte sein, sondern das soll Leben bedeuten. Gehorsam bewährt sich erst dann,<br />
wenn es uns einmal schwer wird zu gehorchen. Treue bewährt sich erst, wenn sie<br />
uns Überwindung kostet und uns Angelegenheiten bringt. Kameradschaft bewährt<br />
sich erst, wo sieuns Opfer auferlegt. Gehorsam, Treue und Kameradschaft sind etwas<br />
Unbedingtes und Unausweichbares, das unter allen Umständen überall gehalten<br />
werden muß. Wir geloben, in Gehorsam, Treue und Kameradschaft das Vermächtnis<br />
Hindenburgs zu erfüllen, und bitten Gott, daß er uns Kraft schenke,dieses Gelöbnis<br />
zu halten. '<br />
Gehorsam, Treue und Kameradschaft, so lautet das Vermächtnis, das Ausfeld<br />
nun uns hinterlassen hat. Gudrun Burggraf.<br />
An dieimWeltkrieg gefallenen Schnepfenthäler<br />
Über den Tod hinaus<br />
Habt ihr gehalten heilige Treue<br />
Dem Vaterland.<br />
Mit eurem Herzensblut<br />
Habt ihr sie besiegelt;<br />
Unverlöschbarist euer Bild!<br />
Wag uns im Leben band:<br />
Kindheitserinnern— edelstesStreben<br />
Hält ewig fest!<br />
In unserm Schnepfenthal<br />
Leben eure Namen,<br />
Unsere Herzen vergehennichti<br />
Kinder der neuen Zeit<br />
Lernen an eurem Bilde verstehen<br />
Was groß und schön!<br />
Lernen, was hier erstand:<br />
Heldenkraftund Treue!<br />
So seidihr unserfür alle Zeit!<br />
Anna Nobilinggeb.Ausfeld
Besucherliste<br />
Von April bis November 1934 besuchten uns u. a. (die Besucher zum 27. Mai<br />
sind nicht mit genannt ):<br />
Herr Dr. Albert Fels (1891—1896), Berlin; Frau Agnes Lilly Andre, Costa<br />
Rica; Frau Elfriede Wiebe, Berlin-Dahlem Herr Major a. D. Werner von<br />
Zepelin, Mirkow Herr und Frau Herdieckerhoff, Saalfeld; Frau Mutschler,<br />
Gestungen Frau E. von Lochow, geb. von Blücher, Petkus; Herr Paul Lindenberg,<br />
Berlin Frau Ida Nikolai, Waltershausen Herr und Frau Forstmeister<br />
Standhardt, Reichmannsdorf Frau Hoffmann, Berlin-Dahlem; Herr und<br />
Frau Faßbänder, Stutzhaus Frau Lily Tetens, geb. Sieveking, Berlin; Herr<br />
Bergrat Dreyer und Frau, Ibbenbüren NS. Lehrerbund Tenneberg; Herr<br />
R. Oertmann, Finsterbergen; Frau Käte Rössel, Meuselbach; Herr und Frau<br />
Hülsmann, Wurzen; Herr Johannes Haase, Maracaibo; Herr Oberstudiendirektor<br />
Anz, Gotha; Herr und Frau Rolf Köllner (1924—1929) Luisenthal;<br />
Herr Hans Voigt (1924—1925), Georgenthal Herr Franz Glinicke und Frau<br />
Gunhild Glinicke, Dresden; Fräulein Helge Glinicke, Dresden Herr Dr. Meye<br />
und Frau, Hannover; Herr Polizeioberst Keppler, Gotha; Herr Dr. W. Boeck<br />
und Frau, Gießen; Herr Oberstudiendirektor Dr. W. Malzan und Frau, Friedberg<br />
Herr Ministerialrat Dr. Karl Malzan, Darmstadt; Herr Günther Macskowsky<br />
(1920—1924), Hauptsturmführer, Sagan Herr Dipl .:Ing. Heinz Reitz (1916 big 1922<br />
Bitterfeld; Frau Elisabeth Meyer, geb. Bunge, Elberfeld; Fräulein<br />
Dorothea Bunge, Berlin; Fräulein Hildegard Bunge, Marburg Herr Erich<br />
Engelhardt (1927—1931), Rom; Herr Heinz Rath (1928—1931), Grünenthal;<br />
Fräulein Margarete Egebrecht, Arolsen Herr komm. Unterrichtsleiter Wolfgang<br />
Lüdemann, Herr Studienrat Joh. Thieler, Herr Dr. Hans Teuscher, Herr<br />
Studienassessor H. Schumann, NS. Erziehungsanstalt Naumburg; Herr Max<br />
Bessin, Berlin; Pfarrerkonferenz des Kirchenkreises Georgenthal mit Herrn Oberpfarrer<br />
Neßler, Georgenthal Frau Dora Jäger, Berlin; Herr Rektor i. R. Ruthe,<br />
Rödichen eine Reisegesellschaft " Kraft durch Freude" aug Pommern; Herr Professor<br />
Dr. Albrecht Lüder und Frau Elisabeth Lüder, Dresden Herr Rechtsanwalt<br />
Dr. Erich Pocher und Frau, Meiningen Herr Hans Sachsenberg und Frau,<br />
Dessau; Frau Elisabeth Weihe, Lehnendorf; Herr und Frau Rechtsanwalt Heu<br />
(1881—1886), Neustadt, Sa .; Herr Dr. Erich Sundhausen (1899—1904) und<br />
Frau 10 Memelländerinnen mit Frau Marie Hochheim und Frau Hager, Gotha;<br />
Frau Eva Hirt, Breslau! Fräulein Hedwig Müller, Gotha Herr Amtsgerichtsrat<br />
Stoll, Gotha; Fräulein Ruth Klar, Reinhardswaldschule; Herr Rudolf Wiemer<br />
(1917—1920) und Frau; Herr M. Barsekow, Berlin; Herr Rudolf Haas und<br />
Frau Gisela, Berlin Herr Pfarrer Karl Grein, Arheilgen; Herr Dr. Kurt Uhthoff<br />
und Frau, Stettin ; Herr Studiendirektor Richard Hanewald, Magdeburg;<br />
Herr Professor Dr. Brüggemann und Familie, Gießen; Herr D. Karl Wagner,<br />
Kirchenrat, Gießen; Herr Dr. Werner Görnandt, Dortmund; Herr Walter<br />
Görnandt, Eisenach; Herr Reg .- Baurat Fritz Heusinger und Frau, Rochlitz ;<br />
Deutsch-Englische Feriengesellschaft, Georgenthal; Herr Studienrat Werner Dietsch,
München; Herr Hermann Lindner und Frau, Jena Frau Elsa Sieckmann,<br />
Minden Herr Dr. Joachim Böhme mit der OlI der Landesschule zur Pforte; Frau<br />
Johanna von Dalwitz, Tornow Herr Karl Anton Zickmantel (1915—1918),<br />
Leipzig Herr Jan Thorbecke, Leipzig; Herr Felix Bassermann und Frau,<br />
Chemnitz; Herr Studienrat Bentz und Frau, Gießen Fräulein Elisabeth Zinober,<br />
Bensheim; Herr Dr. med. Kurt Thorbecke und Frau, Bremen; Herr Major a. D.<br />
Joachim von Rappard, Gotha; Frau Helene Daimler, Berlin Herr Bürgermeister<br />
a. D. Erich Neißner und Frau, Hainichen Herr Günther Blum, Gebietsführer<br />
und Frau, Herr Kurt Staps, Oberbannführer, Weimar; Fräulein Annelise<br />
Barkhausen, Bremen Herr Dr. med. Häberlin, Bad Nauheim Herr Alfred<br />
Künzel, Hamburg; Herr Hans Ackenhausen (1925—1926), Ruhla; ein Kursus<br />
der Reichssportführerschule Waltershausen Herr Dr. med. Hofmann, Pfafferode<br />
Herr Rolf Ausfeld, Berlin; Frau Tischer, Curaçao.<br />
Nachklänge zur Hundertfünfzigjahrfeier<br />
Die Schriftleitung kann es sichnicht versagen, aus der Fülle von Dankesbezeugung<br />
die unser Dr. Friedrich Ausfeld und sein Schnepfenthal 1934 erhielt,<br />
einige herauszuheben:<br />
Von den alten Lehrern und Erziehern der Anstalt schreibtHerr Oberpfarrer i..R.<br />
Paul Sörgel, Ohrdruf, unter anderm folgendes:<br />
"Meine Lehrtätigkeit in Schnepfenthal gehört mit zu den schönstenund liebsten<br />
Erinnerungen aug meiner eingehenden Berufstätigkeit.. Hauptsächlich war es der<br />
Verkehr mit den frischen, fröhlichen, wohlerzogenen Jungen, der mir täglich mehr<br />
Freude bereitete Daß ich ihnen nicht nur ein Lehrer, sondern auch ein Freund<br />
gewesen war, das bewiesen mir ihre Tränen und ihre Trauer; alg ich von ihnen<br />
scheiden mußte. Das bewahre ich noch heute nach 56 Jahren in dankbarem Herzen! '<br />
Herr Pfarrer K. Schoen in der Prese von der Jubelfeier:<br />
"Wie mir da die Freude ins Herz schlug. Alles steht mir noch lebendig vor der<br />
Seele, auch ein Teil der Zöglinge ist mir noch so gegenwärtig, daß ich heute noch<br />
in die Klasse kommen könnte, um sie beim Namen aufzurufen. Welch gesunder und<br />
lebenswahrer Geist muß dort die Hausgemeinde erfüllt haben, daß man noch nach<br />
30 Jahren davon zehren kann! — Grüßen Sie die Zöglinge von mir Unbekannten,<br />
und sagen Sie ihnen, daß sie vieles voraus haben vor andern Jungen, daß sie in<br />
solcher Freiheit, gepaart mit Zucht, aufwachsen können, wie sie in Vater Salzmanns<br />
Hause herrscht '<br />
Herr Bezirksoberlehrer i. R. Max Fritz, Coburg, für den die Tätigkeit in<br />
Schnepfenthal " wegweisend und bestimmend für seine 40jährige Arbeit an der<br />
Volksschule geworden ist", freut sich, daß so manche Schnepfenthaler Eigenart setzt<br />
allgemeine Anerkennung und Förderung findet.<br />
Aug den vielen Dankbriefen von Eltern früherer und jetziger Zöglinge seien zwei<br />
wiedergegeben, in denen sichdas spiegelt, wag in hunderten anderen Briefen steht:<br />
"Mit herzlich dankbaren Gedenken komme ich zu Ihnen, der Sie sichder Mühe<br />
unterzogen haben, meinen Jungen zu einem ordentlichen, bescheidenen und
frischen Mann zu erziehen Es war im vorigen Herbst wohl das Schönste für<br />
mich, als ich die Freude an der Arbeit in Schnepfenthal bei allen, Lehrern und<br />
Schülern, feststellen konnte. '<br />
Aus der Ferne, aus Afrika, gedenkt einer der treuesten Zöglingsväter " der mit<br />
soviel Liebe und Hingabe geleiteten, des von uns allen so geliebten Schnepfenthals"<br />
Überwältigend ist das Bekenntnis der Dankbarkeit, das die alten Zöglinge<br />
Schnepfenthal abgelegt haben. "Ich bin stolz darauf, mich zu seinen (des Geh.<br />
Schulrats Dr. W. Ausfeld) Schülern rechnen zu dürfen! '<br />
Herr Ernst Mechwart von Beleska, Pußta-Beleßkai Gasdasaga Posta,<br />
Tavirda, Basut; Pinczehela, Ungarn, dessen Grüße an seine Mitzöglinge aus<br />
den Jahren um 1884 wir hiermit weiterleiten, bezeugt, daß sein Herz fest mit<br />
Schnepfenthal verbunden ist. Noch heute steht auf seinem Schreibtisch das Bild<br />
Schnepfenthals.<br />
Aus den Briefen der jüngeren Generation klingt es vielfältig wider von<br />
"meinem Schnepfenthal, das für mich und meine ganze Entwicklung von umwälzend<br />
und grundlegender Bedeutung geworden ist".<br />
Das ist das Packende an allen diesen Dankbezeugungen, daß sie oft, sehr oft<br />
Wort für Wort übereinstimmen, ob sie geschrieben sind von den Ältesten, die noch<br />
unter dem ersten Direktor Ausfeld Zöglinge waren, ob von den Zöglingen des<br />
Geh. Schulrates Dr. Ausfeld und der Mitarbeiter, ob von der jüngeren und<br />
jüngsten Generation, die unserm Dr. Friedrich Ausfeld und seinen Helfern ihre<br />
Erziehung verdankt!<br />
Wag könnte besser und überzeugender beweisen, daß und wie es den Direktoren<br />
Ausfeld gelungen ist, die Idee Schnepfenthal trotz mancher zeitbedingter Wandlung<br />
in ihrer Reinheit durch ein Jahrhundert zu erhalten.<br />
"Was die Anstalt, Deine verehrten Eltern und ihre Mitarbeiter mir in der<br />
Jugend gegeben haben, hat mich durch mein ganzes Leben begleitet: Unendlichen<br />
Dank schuldeich ihnen!" lese ich in dem Briefe eines treuen, alten Schnepfenthalers,<br />
der 1884 als " zweiter Offizier miterlebte. " Denke, dulde, handle, das ich in<br />
Schnepfenthal gelernt, ward das Leitmotiv meines Lebens! ' So oder ähnlich<br />
Schreibenviele.<br />
Schließen wir diese kleine Auslese mit den herzerfrischenden Worten eines<br />
unserer Ältesten, des Herrn Prof. Dr. Heinrich Brockhaus:<br />
Ich verdanke Ihren Großeltern, Ausfeld und Albertine, in meiner menschlichen<br />
Ausbildung soviel wie gesundheitlich dem ganzen Dortsein: in meinem<br />
3. Lebensjahr aufgegeben, bis zum 10. schwächlich, nach Schnepfenthal gesund,<br />
fast in Gesundheit 76 Jahre alt, halb so alt wie Schnepfenthal! '<br />
Mögen unsere jetzigen Zöglinge sich einmal klar machen, was das heißt: Ein<br />
alter Schnepfenthäler, der in Schnepfenthal unter Eberhard Ausfelds Urgroßvater<br />
Zögling war, alg dessenSohn, der spätere Geh. Schulrat Dr. W. Ausfeld, 1871 vor<br />
Paris lag, schrieb das anno 1934!<br />
Uns Ältere aber überkommt der heiße Wunsch, daß es den Männern, denen<br />
jetzt Schnepfenthal anvertraut ist, gelingen möge, ebenso dankbare Geschlechter von<br />
Schnepfenthälern zu erziehen. J. L. Müller.
Von unserenMitgliedern<br />
Zu unserer Freude traten der VAS. als Mitglieder bei:<br />
Frl. Hildegard Kuch, Gießen an der Lahn, Dammstraße 50.<br />
Gustav Lucanus, Wirtschaftschef Auf der Eych, Bad Harzburg.<br />
Dr. Kurt Becker (1919-1923), Berlin-Mariendorf, Ingostraße <strong>4.</strong><br />
Durch Tod verloren wir:<br />
Herrn Dr. Friedrich Ausfeld, Direktor der Erziehungsanstalt Schnepfenthal.<br />
Frau hedwig Gerbing, am 28. November 193<strong>4.</strong><br />
Veränderungen:<br />
Fernando Hackradt; St. Paulo, Brasilien. Postfach 948.<br />
J. W. Müller, Diplomvolkswirt, c/p Mrs. Maltzahn, 26 Napier Avenue,<br />
Hurlingham, London S W 6<br />
Cl. Schetelig, Dipl. - Ing. Leipzig S 36, Am Eichwinkel 10.<br />
Dr. jur. Werner Kanein, Rechtsanwalt. Kanzlei: Dresden-A 1, Johann<br />
Georgen-Allee 9 '.<br />
Edmund Heyne, Ingenieur, Dresden-a, Eisenstuckstraße39<br />
W. v. Bezold, stud. mach. Ing. z. Zt. Funker z. Kompanie Nachrichtenabteilung<br />
München<br />
(A).<br />
Wegen mehrjähriger Nichterfüllung der Beitragspflicht mußten Mitglieder in<br />
unseren Listen<br />
gestrichen werden.<br />
Bitte, halten Sie gerade jetzt Schnepfenthal die Treue !<br />
Erfüllen Sie nach Möglichkeit Ihre Beitragspflichten! !<br />
Werben Sie Mitglieder für die VAG!<br />
Weisen Sie gegebenenfalls in Freundes: und Bekanntenkreisen auf<br />
Schnepfenthal hin!<br />
Hauptschriftleiter: Studienrat J.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />
Postscheckkonto fürdie "Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung":<br />
: Oberst a.D.Heyne,Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch.A.Leipzig45401.<br />
Postscheck fürdieVAS. .: "Vereinigung AlterSchnepfenthäler , Schnepfenthal bei Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch.A.Erfurt15760.<br />
Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel&Co. in Altenburg (Thür. ).
Schnepfenthäler Nachrich<br />
ZugleichMitteilungen der Schnepfenthal-Jubiläums-St<br />
undder Vereinigungalter Schnepfenthäler<br />
1784 1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang <strong>1935</strong> Nummer2<br />
Nachrichten aus Schnepfenthal<br />
Januar bis März <strong>1935</strong><br />
DasJahr 1934 lag hinter uns, das Schnepfenthal höchstes Glück und tiefstes<br />
Leid gebracht hatte. Zum ersten Male fehlte Ausfeld, als die Jungen am<br />
7. Januar aus den Ferien zurückkamen, und alle empfanden das unfaßliche Schicksal<br />
gerade an diesem Tage wieder in seiner ganzen Schwere. Aber war uns denn Ausfeld<br />
wirklich ganz genommen? Lebte er nicht in all denen fort, die seine väterliche<br />
Liebe umschlossenhatte? Fühlten wir uns nicht alle erstarkt in seinem Geiste, auch<br />
wenn er nicht mehr leibhaftig unter uns weilte? Und so erinnerte ich denn in der<br />
ersten Morgenandacht<br />
daran, daß uns ja dieser Trost geblieben sei und keiner von uns<br />
verzagen dürfe, der Ausfeld richtig verstanden habe. In treuer Pflichterfüllung, in<br />
froher, selbstloser Arbeit an dem herrlichen Werk ehren wir sein Andenken am<br />
besten. — Als am 8. Januar der Unterricht begann, waren außer Mutschler, der<br />
abgegangen war, und vier anderen, die noch krank zu Hause lagen, wieder alle zur<br />
Stelle. Auch zwei Neue waren von ihren Eltern gebracht worden: Gert Butz (0III)<br />
aus Gotha und Wolfgang Holzheier (IV) aus Crimmitschau. Herr Hähle, der schon<br />
früher ausgeholfen hatte, übernahm 12 Stunden englischen Unterricht bis Ostern,
um Herrn Fuhrmann und mich zu entlasten. So kam die Arbeit bald wieder in den<br />
gewohnten Gang. An Abwechselung fehlte es freilich nie: Gleich am 9. Januar<br />
besuchten die Klassen 0 II bis O III ihre Anrechtsvorstellung in Waltershausen, eine<br />
von der NS-Kulturgemeinde veranstaltete Aufführung von Schönherrs ,,Glaube<br />
und Heimat", die alle tief ergriff. Das schöne Winterwetter ermöglichte in diesen<br />
Tagen die verschiedenstenUnternehmungen: Am 10. fuhren Herr und Frau Görnandt<br />
mit einigen geübten Skifahrern nach Friedrichroda, Spießberghaus, Heuberg, Tanzbuche,<br />
während andere nach der Kräuterwiese zum Rodeln gingen; auch am 11.<br />
konnte gerodelt werden, und der Staatsjugendtag am 12. wurde zum Schlittschuhlaufen<br />
ausgenutzt. Oer 13. Januar brachte die Saarabstimmung, der in einem<br />
gemeinsamen Gottesdienst in der Rödicher Kirche gedacht wurde. Bei anhaltend<br />
gutem Sportwetter gab es wieder Rodel-, Ski- und Schlittschuhgruppen, auch<br />
berichtet das Tagebuch von großen Schneeballschlachten auf dem Schanzplatz. Am<br />
15, war früh Gemeinschaftsempfang im Speisesaal: das Ergebnis der Saarabstimmu<br />
wurde bekanntgegeben. Auf Anordnung des Ministeriums fiel zur Feier<br />
des Tages der Unterricht aus; in froher, ja übermütiger Stimmung zog alles zum<br />
Wintersport. Am Abend beteiligten sichdie HJ. und das DJ. am Fackelzug im Ort.<br />
Zum Gedächtnis an den Tag der Reichsgründung sprach Herr Dr. Thiemer am<br />
18. Januar in der 6. Unterrichtsstunde über Bismarck und sein Werk. Am 26. war<br />
die letzte Anrechtsvorstellung in Gotha: Figaros Hochzeit, zu der die Klassen 0II-0III<br />
in Begleitung von Herrn Burggraf und Herrn Huschenbett fuhren. Der 30. Januar<br />
brachte, in Erinnerung an die Machtübernahme im Jahre 1933, wiederum eine<br />
Schulfeier: Herr Huschenbett hielt in der 6. Unterrichtsstunde eine Ansprache, Herr<br />
Hähle spielte, von Herrn Dr. Thiemer auf dem Flügel begleitet, eine Violinsonate<br />
von Händel.<br />
Auch im Februar hielt das kalte Winterwetter an, das nur durch eine kurze,<br />
freilich auffällig warme Periode unterbrochen war. So konnten noch öfter größere<br />
Skifahrten unternommen werden, und nur selten wurde die Turnhalle geheizt, wenn<br />
keinerlei Wintersport mehr möglich war. Gelegentlich wurden auch Gepäckmärsche<br />
gemacht oder Geländeübungen, von denen die eine, eine unerwartete Nachtalarmübung,<br />
freudige Erregung hervorrief und besonders deutlich in der Erinnerung haften<br />
blieb. — Mitte Februar wurden Herr Dr. Krauße für 4 Wochen, Herr Studienassessor<br />
Görnandt gleichfalls für 2 Wochen zu einem Kursus einberufen. Als Vertreter<br />
für Herrn Dr. Krauße war Herr Studienreferendar Apley aus Eisenach gekommen,<br />
der sich in den wenigen Wochen große Beliebtheit erwarb. Leider gab es in dieser<br />
Zeit auch einige Kranke: mehrere Jungen waren erkältet, und ich selbst mußte mich<br />
infolge einer leichten aber hartnäckigen Grippe zeitweise von herrn Fuhrmann vertreten<br />
lassen.<br />
Aus Anlaß der Saarbefreiung war der 1. März schulfrei. Die Schulgemeinde<br />
versammelte sichfrüh im Speisesaal zu einer Feier, bei der Herr Hähle, begleitet von<br />
Herrn Dr. Thiemer, die 1. Violin-Sonate F-dur von Weber und, nachdem Herr<br />
Apley die c-moll-Fantasie von Mozart gespielt hatte, noch die 3. Violin-Sonatine<br />
h-moll von Schubert vortrug. Nach der Rundfunkübertragung und Flaggenparade<br />
unternahm die HJ. einen Ausmarsch. Am Abend war Fackelzug zum Hermannstein,
anschließend noch eine Gedenkfeier bei Kluge, bei der auch die Ehrenkreuze für die<br />
Kriegsteilnehmer<br />
verteilt wurden.<br />
Auf Wunsch von Frau Ausfeld wurde der 7. März nicht wie in vergangenen<br />
Jahren gefeiert, das sonst übliche Zusammensein in größerem Kreise hätte zu schmerzliche<br />
Erinnerungen wachgerufen. So wurde des Gründungstages nur in der Morgenandacht<br />
durch eine Ansprache von Herrn Fuhrmann gedacht.<br />
Am Heldengedenktag, Sonntag, dem 17. März, verlas ich in der Andacht die<br />
Namen der im Weltkrieg gefallenen Schnepfenthäler Lehrer und Zöglinge. Nach<br />
einer Kranzniederlegung am Ehrenmal gingen wir zum Gottesdienst in die Rödicher<br />
Kirche. Im Anschluß an die Predigt des Pfarrers sprach Herr Oberst Heyne in<br />
mitreißenden Worten über die Bedeutung deo Tages, an dem die Allgemeine<br />
Wehrpflicht eingeführt wurde. Noch am Vormittag wurden die halbmast wehenden<br />
Flaggen hochgezogen.<br />
Schneller, als alle es bemerkten, war die Zeit verflogen und das Ende des<br />
Schuljahres gekommen. Die vielen bedeutungsvollen Ereignisse hatten uns nie recht<br />
zur Ruhe kommen lasen. Auch in den letzten Tagen gab es noch manche Ablenkung.<br />
Ein unwahrscheinlich warmer und sonniger Vorfrühlingstag verlocktezu einem längeren<br />
Ausflug: ich führte die Jungen, die sichdie Überraschung gern gefallen ließen, zum<br />
Hörselberg. Am 23. März veranstaltete das Jungvolk in Leina, am 2<strong>4.</strong> die HJ. in<br />
Rödichen einen öffentlichen Heimabend. Da ich an einer Sitzung der Leiter der<br />
Deutschen Landerziehungsheime in Frankfurt a. M. teilnehmen mußte, konnte ich<br />
mich leider nicht selbst von dem großen Erfolg der mit viel Liebe und Mühe eingeübten<br />
Darbietungen turnerischer und mimischer Art überzeugen. Besonderen Beifall<br />
soll das Kälberbrüten (Hans Sachs) gefunden haben, das von Kirchhoff (Bauer),<br />
Heusinger (Bäuerin), Schol; (Pfaffe) und Wellensiek (Fahrender Schüler) aufgeführt<br />
wurde, während Kirchhoff in komischen Akrobatenszenen noch einen besonderen<br />
Heiterkeitserfolg<br />
davontrug.<br />
Das Schuljahr schloß am 30. März wie üblich mit der Feier der Konfirmation.<br />
Zehn unserer Jungen wurden im Betsaal von Herrn Pfarrer Langenhan eingesegnet:<br />
Georg Gunther Beyreis, Waldemar Burkhardt, Hans-Joachim Fuhrmann, Klaus<br />
Hagspihl, Carl-Heinz Harnisch, Karl August Herdieckerhoff, Rudolf Hofmann, Otto<br />
Jaeger, Hans-Georg Scharffenberg, Gerhard Tetens.<br />
Zu Hause wurden konfirmiert: Günther Neißner, Henning Sengstack, Gerd<br />
Weihe.<br />
Die Eltern der Konfirmanden überreichten Frau Ausfeld die Faksimile-Ausgabe<br />
der Bibel von 1534 in zwei Lederbänden zur Erinnerung an den Tag der Konfirmation<br />
und zum Gedächtnis Dr. Ausfelds.<br />
Froher Stimmung fuhr dann alles in die Ferien, zunächst die Konfirmanden mit<br />
ihren Angehörigen, dann die übrigen. Fritz Beck, Hans-Wilhelm Klaus und Edmund<br />
Weihe gehen ing praktische Leben über und werden nach Ostern nicht wieder nach<br />
Schnepfenthal zurückkehren. Hans Adler bestand das Abitur mit " gut" und ist in den<br />
Arbeitsdienst eingetreten. Lüder
Einladung<br />
zur Vorstandssitzung<br />
der Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />
und Hauptversammlungder VAS.<br />
am 16. Juni <strong>1935</strong>.<br />
Die diesjährige Vorstandssitzung de Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung,<br />
erweitert durch die Teilnahme der Mitglieder<br />
des Stiftungsrats, findet am ersten Sonntag nach<br />
Pfingsten, dem 16. Juni <strong>1935</strong>, 1215 Uhr im Hotel " Kurhaus" in<br />
Friedrichroda statt.<br />
Hauptversammlung der<br />
Vereinigung Alter Schnepfenthäler<br />
15 Uhr in der Erziehungsanstalt.<br />
Anschließend gegen 17 Uhr Traditions-Schokolade für die Zöglinge<br />
in der Anstalt.<br />
Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Tagung- Beschlußunfähigkeit<br />
kostet uns Geld und vermehrte Arbeit !-bitten wir<br />
um regste Teilnahme.<br />
Besondere Einladungen ergehen nur an die Vorvorstandsmitglieder<br />
und die Mitglieder des Stiftungsrats.<br />
Vorstehender<br />
Ernst Heyne,<br />
Schnepfenthäler-Jubiläums-Stiftung und derVAG.
Besucherliste<br />
Von Januar bis März besuchtenuns u. a.:<br />
Herr Dipl .-Ing. Alfred Fuhrmann, Frankfurt a. M.; Fräulein Claire Bleme,<br />
Frankfurt a. M.; Frau Margarethe Rübsamen, Dresden; Herr Studienrat Dr. Hans<br />
Warg und Frau, Grimma, Fürsten- und Landesschule; Herr Max Trautvetter,<br />
Immelborn; Frau Elise Schmidt und Herr Karl Schmidt, Immelborn Herr<br />
Dr. Fritz Tetens, Charlottenburg; Herr Felix Berhes, Lehrer, Gotha Schwester<br />
Elisabeth Richter, Bad Dürrenberg, Kindererholungsheim; Fräulein Hilda Hoffmann,<br />
, Mittelschullehrerin, Berlin Frau Johanna von Dallwitz, Tornow Herr<br />
Studienassessor W. Beel, Schulgemeinde Wickersdorf; Frau Rose-Marie von<br />
Zepelin geb. von Lochow, Mieckow Herr O. Reum, Barchfeld Herr Studienassessor<br />
Hans Pech, Köthen ; Fräulein Dr. med. Ingeborg Tetens, Berlin; Fräulein<br />
Ursula Hugenberg, Berlin; Herr Studienreferendar Rudolf Apley, Eisenach<br />
Fräulein Rosmarie von Bezold, München Frau Frieda Groß geb. Pumplun,<br />
Oranienburg-Eden; Frau Elisabeth Gröger und Herr Fritz H. Gröger (1911-14),<br />
Hamburg; Herr Jac Brant (1883-87) und Frau, London (Epsom); Frau Johanna<br />
von Lowtzow, Schönhagen; Frau Lili Tetens und Herr Roland Tetens,<br />
Charlottenburg; Frau M. Haedicke, Bremen: Herr Medizinalrat Dr. Hofmann<br />
und Frau E. Hofmann, Pfafferode ; Fräulein S. Hofmann, Leipzig Herr<br />
Dr. med. Burkhardt und Frau, Hohenmölsen Herr Amtsgerichtsrat a. D.<br />
Ludwig Herdieckerhoff, Tabarz ; Herr Fabrikdirektor Eberhard Herdieckerhoff<br />
und Frau, Saalfeld a. d. Saale; Herr Fabrikbesitzer Hugo Fuhrmann und<br />
Frau, Jessena. E. Herr Professor Dr. Werner Jaeger mit Frau und Tochter Heidi,<br />
Berlin ; Frau Ilse Staercker, Dohna-Dresden Fräulein Anna Jaacks, Burg, Insel<br />
Fehmarn ; Frau Dora Schleichardt geb. Becker und Herr Hellmuth Schleichardt,<br />
Ohrdruf; Herr Medizinalrat Dr. Beyreis und Frau, Mülheim-Ruhr ; Frau Else<br />
Hardtmuth und Herr Walter Hardtmuth (1916-17), Wiesbaden.<br />
Vom Taschengeld.<br />
Früher hatte ich erst lange überlegen müssen, wenn ich etwas ausgeben wollte.<br />
" Ich ging viel sparsamer mit den Heften um , denn auch die kleineren Sachen<br />
für die Schule, wie Hefte, Bleistifte u. a., mußte ich selber bezahlen. Als ich einmal<br />
meine alten Bücher, in denen ich meine Ausgaben aufgeschrieben hatte, mit einer<br />
Rechnung aus Schnepfenthal verglich, merkte ich, daß ich beinahe doppelt so viel<br />
für die Schulsachen ausgegeben hatte. '<br />
Der Untertertianer, der in seinem Aufsatz (,,Wie ich über das Taschengeld<br />
denke") diese Sätze schrieb, wies damit den Weg, den wir eigentlich hätten gehen<br />
sollen: eigentlich sollten die Jungen auch ihre Hefte und Bleistifte und dergleichen<br />
von einem Taschengeld, das entsprechend bemessen sein müßte, bezahlen. Das ist<br />
aber nicht durchführbar, schon deshalb, weil diese Ausgaben zu sehr schwanken. Wir<br />
haben deshalb bestimmt, daß vom Taschengeld solcheKosten bestritten werden, die
mit dem Unterricht, der sportlichen Erziehung und der Körperpflege nichts zu tun<br />
haben. In erster Linie sind das die kleineren Ausgaben für die Hitler-Jugend (Beiträge,<br />
Abzeichen, Eintrittsgelder, kleine Fahrtspesen, Meldeblocks u. ä.), ferner<br />
Liebhabereien, wie Photographieren, Zeitschrift, Bilder. Besonders hoffen wir, daß<br />
mancher es lernt, für die Erfüllung eines etwas größeren Wunsches zu sparen<br />
(Ferienwanderung, Bücher). Geschenke, besonders auch Spenden, seien nicht vergessen.<br />
(Winterhilfe! Ist es pädagogisch, ein Monatsabzeichen, das der Junge trägt,<br />
den Eltern auf die Rechnung zu setzen? Geht's vom Taschengeld, dann ist es erst ein<br />
Opfer.) Endlich sollen die Jungen auch für mutwillig oder leichtfertig verursachte<br />
Schäden aufkommen und verlorene Gegenstände (Schulterriemenschlaufen, Schlipsknoten!)<br />
selbst wieder anschaffen. Wenn das auch alles nur in gewissen Grenzen<br />
möglich ist, so wird doch der grundsätzliche Wert dieser Bestimmung damit nicht in<br />
Frage gestellt.<br />
Überblickt man diese Liste der notwendigen und möglichen Ausgaben, so erscheine<br />
die von uns angesetzten Höchstbeträge des Taschengeldes gewiß nicht<br />
luxuriös: 5 RM im Monat für Sekundaner, 3 RM für Tertianer und vierteljährlich<br />
5 RM für die drei Unterklassen. Zumal die Kleinen werden für andere<br />
Dinge (auf griechisch: " allotria" ) nicht viel übrig behalten. Daß für die Älteren ein<br />
größerer Spielraum bleibt, ist natürlich und angemessen: wer als Student über einen<br />
ganzen Monatswechsel verfügen wird, muß beizeiten lernen, mit etwas größeren<br />
Mitteln vernünftig umzugehen.<br />
Der erzieherischeWert des Taschengeldes hängt sehr davon ab, wieweit uns die<br />
Eltern unserer Jungen unterstüzen. Wer zum Beispiel von seinem Vater jede gewünsch<br />
Zahl von Filmen durch Postpaket bekommt, wird auch weiterhin so leichtsinnig<br />
drauflos knipsen wie bisher und mit demselben Mißerfolg, den wir allgemein<br />
beobachten; muß er selbstden Beutel ziehen, um die Kassette neu zu laden, so wird<br />
er bedachtsamer, also auch besser photographieren. So steht es mit vielen Dingen,<br />
auch mit verlorenen Messern und Taschenlampen. Wir bitten hier die Eltern herzlich<br />
um ihre Mitarbeit. Insbesondere bitten wir sie, von außeretatmäßigen Geldsendungen<br />
abzusehen. Wenn sie uns helfen, ihre Söhne zur Sparsamkeit zu erziehen, wird das<br />
Taschengeld, das sie ihnen gewähren, auch kaum eine Mehrausgabe bedeuten.<br />
Verschiedene Posten verschwinden ja schon automatisch von der Rechnung. (Der<br />
Hitler-Jugend-Beitrag für Februar mußte zum Teil noch angeschrieben werden,<br />
weil das Geld zu spät eintraf.)<br />
Unsere Aufgabe besteht darin, das Finanzgebaren der Jungen zu überwachen.<br />
Jeder hat ein Kassenbuch mit Einnahmen- und Ausgabenseite zu führen, das ich<br />
mir von Zeit zu Zeit vorlegen lasse. Wer es verliert, zahlt 50 Rpf Strafe (freibleibend<br />
zugunsten der Schülerbücherei. Am Letzten jedes Monats wird die Monatsbilanz<br />
gezogen. Das Saldo muß natürlich jederzeit mit dem Kassenbestand übereinstimm<br />
Negativ kann es nicht sein, denn Borgen und Verborgen sind verboten.<br />
Bei der Durchsicht der Bücher will ich mich vor allem überzeugen, daß sie regelmäßig<br />
geführt werden. Wenn ich auf törichte Ausgaben stoße, so werde ich den<br />
betreffenden Jungen nicht jedesmal mit Vorwürfen überschütten; er soll zunächst<br />
selber erleben, wie peinlich es ist, wenn man sich durch unüberlegte Käufe in
Schwierigkeiten gebracht hat. Wir lernen an unsern Fehlern. Selbstverständlich hat<br />
die Großzügigkeit ihre Grenzen. Wer zu schlecht wirtschaftet, bekommt weniger<br />
Geld oder kleinere Raten oder muß sich- äußerster Fall- jeden erforderlichen Betrag<br />
mit näherer Angabe besonders abholen. Dieses Verfahren ist anderseits die<br />
Regel bei den Kleinsten, mit denen ich auch das Kassenbuch anfangs zusammen<br />
führe, bis sie das Technische dieser Kunst erfaßt haben. Im allgemeinen erhalten<br />
auch die Größeren den Monatsbetrag nicht auf einmal, besonders zu Anfang,<br />
solange sie noch keine genügenden Erfahrungen gesammelt haben.<br />
Es läßt sich denken, daß das Amt des Taschengelddirektors etwas heikel ist,<br />
wenn es mit so viel Nachdruck wie Takt gehandhabt werden soll, und ich weiß von<br />
vornherein, daß ich es nicht jedem zu Dank machen werde. Da hilft nur offene Aussprache.<br />
Ich bitte deshalb jeden, der mit der Behandlung dieser Angelegenheit nicht<br />
einverstanden ist, ung seine Zweifel oder Wünsche offen mitzuteilen; denn nur wenn<br />
wir auch hier Hand in Hand arbeiten, können wir mit diesem wichtigen Stück der<br />
Erziehung vorankommen. Dr.. Thiemer.<br />
Liebe Alte Schnepfenthäler!<br />
WichtigeMitteilung<br />
Mit der 150-Jahr-Feier hat die Erziehungsanstalt Schnepfenthal einen Markstein<br />
ihrer Geschichte hinter sich gelagen. Die beiden Organisationen, die für<br />
Schnepfenthal gewirkt haben, die "Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung" und die<br />
"Vereinigung Alter Schnepfenthäler" haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten<br />
ihre Aufgaben in gemeinsamer erfolgreicher Arbeit erfüllt. In ihrer Zusammenarbeit<br />
lag der Erfolg der 150-Jahr-Feier begründet, die heute noch als ein uns im Innersten<br />
bewegendes Erlebnis in das neue Jahr herüber klingt.<br />
Nun scheintdie Zeit gekommen zu sein, uns ernsthaft mit der Frage zu befassen,<br />
ob der Bestand dieser beiden Organisationen eine Notwendigkeit ist, oder ob es<br />
nicht bessersei, sie zu einer Einheit zusammenzufallen. Es hat sichim Laufe der<br />
Jahre herausgestellt, daß die Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung in der Nachkriegszeit<br />
allein nicht in der Lage war, ihren satzungsgemäßen Aufgaben, Zahlung von<br />
Pensionszuschüssenan die pensionierten Lehrer und Lehrerwitwen bzw. Pensionsrückverg<br />
an die Anstalt, nachzukommen. Da die Stiftung satzungsgemäßfür<br />
diese Zwecke nur auf die Zinsen ihres durch die Inflation auf den Nullpunkt gesunkene<br />
Vermögens zurückzugreifen befugt war- heutiger Stand deo Vermögens<br />
zirka 5000 RM - , ergab sich,daß diese Zuschüssenur mit Hilfe der von der VAS.<br />
zur Verfügung gestellten Mittel aufzubringen waren, praktisch übernahm also die<br />
VAS. schonseit langem die Verpflichtung der Stiftung, die einzulösen wir alg eine<br />
Ehrenpflicht gegenüber den Zuschußberechtigten betrachteten. In Übereinstimmung<br />
mit dem Thüringischen Justizministerium, dem die Stiftung untersteht, ist beabsichtigt,<br />
beide Organisationen zu verschmelzen, und zwar soll nach dem Vorschlag des<br />
Ministeriums die "Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung in die " Vereinigung Alter<br />
Schnepfenthäler" aufgehen. Die VAS. übernimmt mit dem Vermögen der Stiftung
für die Zukunft auch die der Stiftung zufallenden Aufgaben: Zahlung von Pensionszuschüss<br />
und Pensionsrückvergütungen an die Anstalt; letztere konnten übrigens<br />
Seit dem Kriege aus Mangel an Mitteln überhaupt nicht gezahlt werden. Das alles<br />
selbstverständlich wird geschehen nach Maßgabe der verfügbaren Mittel und im<br />
Rahmen der der VAS. an sich zufallenden bisherigen Aufgaben, die im vollen Umfange<br />
bestehen bleiben! Durch diese Verschmelzung soll gleichzeitig eine Vereinfachung<br />
der Verwaltung erreicht werden. Der vielköpfige Stiftungsrat wird verschwinden,<br />
und der Vorstand wird, wie bei der VAS. nur noch aus drei Mitgliedern und drei<br />
Stellvertretern bestehen. Die gesamten Geschäfte werden alsdann auf denjenigen<br />
wenigen Schultern ruhen, die bisher tatsächlich die Arbeit schon geleistet haben.<br />
Wir brauchen zu diesem Zweck:<br />
1. Beschluß des Stiftungsrats über<br />
a) Auflösung der " Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung";<br />
b) Überweisung des Stiftungsvermögens an die VAS. unter gleichzeitiger<br />
2. Beschluß der VAS. über<br />
Übertragung ihrer Geschäfte an sie.<br />
a) Übernahme der ihr hieraus erwachsenen Verpflichtungen<br />
b) notwendige Satzungsänderungen.<br />
Hierüber soll die für dieses Jahr anberaumte Pfingsttagung Entscheidung herbeiführe<br />
Bitte lesen Sie die in dieser Nummer auf S. .4 veröffentlichte Einladung!<br />
Nach Herbeiführung dieser Beschlüsse wird der Vorsitzende die endgültige Genehmigu<br />
zu der geplanten Verschmelzung beim Justizministerium, Land und<br />
Reich einholen. Mit Schnepfenthäler Gruß und Heil Hitler!<br />
Ernst<br />
Heyne.<br />
Ein Besuchin Schnepfenthal im Oktober1798.<br />
DienachstehendenZeilen entnehme ich einer Reisebeschreibung meines Urgroßvaters<br />
Julius Hieronymus Girtanner, Zögling von 1788- , Lehrer in Schnepfenthal<br />
von 1799-1857. Er reiste am 1<strong>4.</strong> Oktober früh 6 Uhr mit dem Hamburger<br />
Postwagen von Nürnberg ab und kam über Bamberg- Coburg - Meiningen und<br />
Schmalkalden am Abend des 16. Oktober in Tambach an. Von da aug wollte er<br />
am nächsten Morgen zu Fuß nach Schnepfenthal wandern. Der Wirt vom Schwarzen<br />
Bären hatte ihm abends versprochen, für einen Boten zu sorgen, der ihn am nächsten<br />
Morgen nach Schnepfenthal begleiten sollte. Aber lasen wir ihn nun selber erzählen:<br />
17. Oktober. " Ganz trübe dünkte mich der Horizont als ich aufwachte. Es<br />
mochte etwa 6 Uhr sein, und als ich aufstand, hörte ich ganz deutlich regnen. Das<br />
war mir nun freilich recht unangenehm. Indessen war ich gleichwohl entschlossen,<br />
meinen Marsch nach Schnepfenthal sogleich zu beendigen. Ich frug bald nach dem<br />
versprochenen Boten, aber niemand wollte wag davon wissen; als ich endlich Lärm<br />
machte, schickteman nach einem Manne, der Müller hieß und mit dem ich bald um
10 Groschen einig wurde. Er marschierte noch einmal nach Hause, und ich sollte<br />
indessenKaffee trinken, der aber gar nicht schmeckte. Ich gab jetzt der Wirtin meinen<br />
Mantel, Socken, Schnappsack und einen Pelzhandschuh in Verwahrung bis zu<br />
meiner Zurückkunft (den andern Handschuh hatte ich in der Gegend von Hildburghausen<br />
verloren). Den noch übrigen Vorrat von Bratwürsten nahm ichin die Tasche,<br />
und nun ging's mit dem Boten vorwärts unter beständigem Regen. Der Bote führte<br />
mich meistens durch Wald über den Gottlob, indessen wurden wir doch ganz durch<br />
und durch naß. Es war ungefähr morgens 7 Uhr, als wir von Tambach abgingen,<br />
wir trafen aber wenig Leute an, obgleich heute, den 17. Oktober, Jahrmarkt in<br />
Waltershausen war. Etwa um 9 Uhr kamen wir nach Friedrichroda. Hier ließ ich in<br />
einem Wirtshause einen halben Laubtaler wechseln, konnte aber den Wirt nur durch<br />
Bitten dazu bewegen, und gab dann dem Boten 12 Groschen mit der Erlaubniss<br />
nach hause zu gehen, weil es so schlechtWetter wäre. Er nahm die Erlaubnis gerne<br />
an, ließ sich Schnaps bringen, und ich ging sogleich mit dem Mantelsack auf der<br />
Achsel fort. Ich fand noch so ziemlich den Weg nach Reinhardsbrunn und marschierte<br />
drauf los was ich konnte und wußte, um meiner Bürde loszuwerden und aus dem<br />
Regen zu kommen. Mit genauer Not entging ich dem Fallen, denn es war recht<br />
schlüpfrig, und endlich bekam ich Schnepfenthal zu Gesichte, wovon ich ganz eingenomm<br />
wurde. Ich wendete mein Gesichte immer nach dem Institute zu und lief<br />
so mitten durch alles durch nach der Schenke, die vor etlichen Jahren neu gebaut<br />
worden. Lieber wäre ich nach dem Gutshause gelaufen, aber ich fürchtete, da entdeckt<br />
zu werden, und zweifelte, ob Spangenberg mich werde beherbergen können. In der<br />
Schenke traf ich sogleich einen etwas sonderbaren Mann an (Herrn Triebel), der<br />
mich frug, wer ich seie, woher ich komme und wohin ich gehe. Ich sagte ihm, ich sei<br />
Rabe von Hildburghausen und gehe nach Gotha, jetzt wollte er nähere Nachrichten<br />
von Hildburghausen wissen, weil er auch von Hildburghausen sei, allein ich zog mich<br />
aus der Verlegenheit, indem ich den Wirt bat, mir ein Zimmer zum Umkleiden<br />
herzugeben. Obenauf geschahdenn das sogleich, und dabei verzehrte ich die übrigen<br />
Bratwürste. Jetzt trug ich die nasse Ware in die untere Stube zum Trocknen und<br />
marschierte zu den Institutsgebäuden hinauf. Meine Absicht war, mich nicht zu<br />
erkennen zu geben, denn dazu konnte ich mich aus Schüchternheit noch nicht entschließe<br />
ich marschierte also blos ziemlich von weitem um die Gebäude und Garten<br />
herum, besah alles und hielt mich im Garten etwas auf. Ich traf niemanden an und<br />
kehrte wieder in die Schenke zurück, ganz benetzt, denn es hatte immer noch geregnet.<br />
hier labte ich mich an dem Brunnen, der vor der Schenke steht und dessenWasser<br />
mich außerordentlich gut dünkte. Wenigstens Sechsmallief ich zu ihm hin, um wieder<br />
zu trinken. Nun marschierte ich eine Weile auf der Gimnastik herum und patroullierte<br />
wieder eine Weile um Schnepfenthal umher, diesmal kam ich bis an den Geitzenberg<br />
und besah die Kohlfelder. Ich sahe wieder niemand und fing an zu glauben,<br />
alles sei auf Reisen begriffen. Gerne hätte ich jemanden auf einem Spaziergang<br />
überrascht, aber niemand ließ sich blicken.<br />
Neuerdings kehrte ich in die Schenke zurück, und da sichein Herbst da befand,<br />
der mich kannte, so setzteich mich hin, um mit ihm zu plaudern. Er sagte mir eben,<br />
daß der Mann, mit dem ich vorhin gesprochen,Herr Triebel, der Musiklehrer, gewesen
sei. Jetzt kam der Schreiner Hellmund von Waltershausen noch dazu, und nun ging<br />
das Plaudern erst recht an. Diese beiden berichteten mir alles, was sievon Schnepfenthal<br />
wußten, und ich erfuhr da gar vieles in einer Stunde, was ich nachher erst<br />
nach und nach würde haben erfragen müssen. Fragen auf Fragen ergingen von mir,<br />
und diese beiden unterrichteten mich mit großer Bereitwilligkeit und viel Anstrengung.<br />
Endlich wurde die Stube plötzlich ganz voll von Sautreibern, Viehhändlern und<br />
Bauern, welche vom Jahrmarkt kamen und da essen wollten; diese Gäste machten<br />
dem Konklave ein Ende, und ich marschierte abermals zu den Institutsgebäuden<br />
hinauf. An der Stelle, wo sonstder Brunnen gestanden, war jetzt eine Hütte, worin<br />
Steinplatten behauen wurden. Einer der Steinmetzen trat hervor und sagte: Man<br />
sei jetzt beim Speisen, und ich könne wohl nicht mit Herrn Professor sprechen; ich ließ<br />
mir das gesagt sein und marschierte flink wieder ab, und zwar zu Herrn GutsMuths<br />
ins Gutshaus. Er war nicht in der Stube, kam aber gleich und behielt mich dann<br />
beim Mittagessen. Ich sagte zwar, ich hätte schonin der Schenke gegessen, allein er<br />
konnte aus der Begierde, womit ich beim Essen zulangte, wohl schließen, daß ich eine<br />
Unwahrheit gesagt habe, denn ich ließ mir's auf dem Cannapee wohl schmecken.<br />
Herr G. wies mir hernach seine herrliche Drechselbank, Glasschleiferei, seinen Cilinder<br />
zur Elektrisirmaschine etc. etc. Ein Zögling von Racknitz kam während dem Essen und<br />
sah mich, weil er mich aber nicht kannte, so verriet<br />
er auch nichts davon im Institute<br />
droben. Um 2 Uhr ging ich endlich hinauf (nachdem ich mir hatte beschreiben lassen,<br />
wo Herr Buddeus wohne), und auf dem Vorplatz erkannte mich der Bediente Zier,<br />
ohne daß ich es wußte. Ich ging nun die Treppe hinauf, da begegnete ich der Frau<br />
Professor Ausfeld, ich sprach aber nicht mit ihr, weil ich mich noch nicht zu erkennen<br />
geben wollte. Bei Herrn Buddeus klopfte ich an und trat dann herein. Er saß an<br />
seinem Pult und zeichnete, fuhr aber schnell auf, alg er mich sah und bewillkommte<br />
mich. Bald kam auch der Vater und Herr Philipp Salzmann, dann Carl Salzmann.<br />
Der Vater brachte Ernsten, Wilh. Starke und Franz von Knypphausen mit, da hatte<br />
ich eine gar herzliche Freude. Nun sollte ich von Stube zu Stube ziehen, aber ich<br />
blieb bei Herrn Buddeus, weil ich zu schüchtern war. Abends ging Herr Buddeus<br />
mit mir und seiner Stubengesellschaft in die Schenke, um meine Sachen abzuholen,<br />
und die Zöglinge machten sich eine Freude daraus, meine Sachen zu tragen. Der<br />
Wirt verlangte für die Zeche nichts. Ich nahm also dankbar Abschied und bekam nun<br />
meine Lagerstätte in dem Schlafsaale des Herrn Frank (Musiklehrer). Beim Nachteilen<br />
kam ich neben den Vater (der mich stets Herr Gevatter nannte) zu sitzen und<br />
hatte einen gar angenehmen Abend. Nach dem Nachtessen führte mich Herr Buddeus<br />
zu Herrn Melsheimer, der mich mit einer kleinen Rede empfing und in dem ich<br />
hernach einen äußerst guten, munteren und liebenswürdigen Mann fand. Endlich<br />
ging's ins Bette in den Schlafsaal des Herrn Frank ehemals hatte Herr Föst darinne<br />
gelegen, und es hatte die sonderbare Eigenschaft, daß es entsetzlichkrachte, wenn man<br />
sich nur ein bischen darinne bewegte. Ich lernte also da recht stille liegen.<br />
Am folgenden Morgen (den 18. Oktober) erwachte ich von dem Trommelschlag<br />
(Carl Ausfeld war bestellter Trommler) und brachte von nun an die meiste Zeit auf<br />
der Stube des Herrn Buddeus zu. An diesem Vormittage nahm mich Herr Professor<br />
zu einem Spaziergang mit, und ich sagte ihm da mein Anliegen. Herr Professor nahm
es sehr gut auf. Wir wurden aber mit den Deliberationen nicht ganz fertig in dieser<br />
Stunde. Ich war ganz erstaunt über die Schönheit des heutigen Tages, denn in der<br />
Stadt macht ein heiterer Himmel wenig Eindruck. Hier hingegen dünkte es mich,<br />
der helle Himmel verbreite einen außerordentlich angenehmen Reiz auf die ganze<br />
Gegend. Mir war es desto auffallender, weil der vorige Tag sehr rauh, trübe und<br />
regnerisch gewesen war, sodaß mir die ganze Gegend recht rauh vorgekommen war.<br />
Nach 11 Uhr begleitete Philipp Salzmann und ich den Herrn Laserre nach Waltershausen,<br />
und wir beiden gingen dann noch auf den Jahrmarkt, wo sichHerr Philipp<br />
eine Uhrkette kaufte. Wir trafen da auch den Herrn Bereiter und einige Zöglinge<br />
an. Er verließ uns aber wieder, und wir beiden besuchtendann ein bischen den Herrn<br />
Ziegler, sprachen auch ein wenig mit dem Schreiner Winkler und waren nach '12'12<br />
wieder in Schnepfenthal. Herr Buddeus hatte einen Zwetschgenkuchenvon Waltershausen<br />
mitbringen lasen, womit er mich am Nachmittage traktierte.<br />
mir Herr Gevatter zwei Schnepfen hin und sagte: ich solle sie verzehren,<br />
doch wüßte, daß ich in Schnepfenthal sei. Mein langes Haar und der Bart<br />
dem Vater, daher ich bald den letzteren mit dem Instrument des Herrn<br />
wegzubringen suchte, es ging aber nicht gut, weil ich darin wenig Geschicklichkeit<br />
besitze. Ich besuchte nun abwechselnd den Herrn Bereiter, den Herrn Ausfeld und<br />
Herrn Melsheimer und Herrn Philipp Salzmann und brachte die Zeit sehr angenehm<br />
zu. Der Vater nahm mich einmal mit nach Waltershausen nebst den drei kleinen<br />
Zöglingen Ernst, Wilhelm und Franz, und wir kehrten bei Herrn<br />
aberdieFrauZieglerinkrankundzogendaherbaldwiederab Auf demWege<br />
gaben die kleinen Zöglinge Proben von ihren botanischen Kenntnissen, worüber<br />
ich<br />
sehr erstaunte, auch rechneten sie sehr gut im Kopfe und erzählten dann von der der<br />
kürzlich gemachten Reise nach Arnstadt. Die Ortschaften, die sichüber dem Horizont<br />
befanden, wußten sie perfekt zu benennen. Bei Tische saß meist Carl Salzmann<br />
neben<br />
mir, und der lehrte mich dann die Zöglinge nach und nach kennen. An unserem<br />
'erem<br />
Tische saßen außer Herrn Professor, Herr Weißenborn, Carl und ich,noch von ven Spiegel,<br />
Wildtfank, Nottebohm, zwei Burmester, von Luce, Fried Reisden, Schmaelke.<br />
Sonst<br />
habe ich noch folgende Zöglinge gemerkt: Kratzenstein, drei Knypphausen,<br />
Carl<br />
Reisden, von Roß, zwei Malapert, Koppe, Tutein, Schmidt, Fischer,Globig Globig,<br />
Gandil,<br />
Rodde, von Sekendorf, Carl und Ernst Ausfeld, Ernst Salzmann, Wilhelm<br />
Starke,<br />
Wilhelm Beaulieu, von Racknitz, Nelthrop, Romann, Ardesch. An Lehrern traf ich Id)<br />
an : Herrn Guts Muths Buddeus, Ausfeld, Bereiter, Föst, Triebel, Laserre, Weißenborn,<br />
Sgolka, Blasche, Alberti, Frank, Philipp Salzmann. Herr Lenz war jetzt sest in<br />
Paris. Herr Alberti speistebei Frau Professor, Herr GutsMuths im Gutshause und<br />
Herr Laserre in Waltershausen. Die kleinen Kinder des Herrn Lenz, den kleinen<br />
Gottlob des Herrn Professor und den Christian des Herrn Weißenborn<br />
erwähne<br />
ich gar nicht. Herr Guts Muths hatte ein Mädchen Franziska.<br />
Was mir in Schnepfenthal besonders auffiel, war der hohe Wuchs der Pappeln,<br />
der schöneTeich mit dem Geländer und das neue Haus des Herrn Müller,<br />
sowie das<br />
schönemit Sand beschüttete Pflaster längs den beiden großen Gebäuden,<br />
sodaß jetzt<br />
* Gemeintist Gotthilf Salzmann.<br />
Zu Mittag<br />
Ziegler<br />
stellte<br />
damit ich<br />
mißfielen<br />
Buddeus<br />
ein, fanden
ein geräumiger reinlicher Platz vor den Häusern ist. Nahe an den Häusern liegen<br />
Steinplatten. In der Einrichtung des Instituts selbstwar es mir etwas Neues, daß<br />
die Zöglinge auf den Stuben verteilt waren, man sah aber sehr deutlich die guten<br />
Folgen dieser Verfügung, denn es herrscht setzt eine große Sittsamkeit und ein vortreffliche<br />
Ton unter den Zöglingen. Unter der allgemeinen Aufsicht stehen jetzt nur<br />
noch etwa 6-8 Zöglinge. Herr Buddeus hatte William Burmester, von Racknitz und<br />
Beaulieu. Ich fand das Zimmer des Herrn Buddeus mit am lieblichsten unter allen,<br />
teils weil man den Platz vor dem Hause, das Bassin und die ganze Gegend bis<br />
Gotha übersieht, teils weil es inwendig mit so schönen Porträten ausgeziert ist. Da<br />
konnte ich das Portrait des Herrn Blasche, Herrn Melsheimer, des alten Marx, der<br />
Marxin, der Frau vom Philipp Marx, ferner von Caspar Schmidt, einen Gothaischen<br />
Grenadir, einen Flötenbläser, einen Triumphbogen und viele andere Stücke sehen.<br />
In dem Zimmer des Herrn Professor, über dem Cannapee fand ich die meisten<br />
Portraits der vormaligen Zöglinge und Lehrer hängen, auch ein Prospekt von<br />
St. Gallen hängt in jener Stube. Ich besuchtenun auch die Frau Professorin und<br />
Madame Weißenborn, welcher ich die Strümpfe von Weidenwolle, die Sie ehemals<br />
verfertigte, wies. Bei Herrn Bereiter sah ich oft reiten, und mit vielem Vergnügen<br />
sah ich den Herrn Buddeus vier Zöglingen (zwei Reisden, Nelthrop und Tutein)<br />
italienische Stunde geben. Er sprach die ganze Stunde mit ihnen; sie lernten und<br />
horchten mit Vergnügen und nahmen sehr geschwinde zu.<br />
Was Neues war es für mich, daß die Zöglinge Möhrensaft in Spitzgläsern<br />
und das Brot separat erhielten, sodann auch, daß das Frühstück von Obst in kleinen<br />
Körbchen ausgeteilt wurde, zu meiner Zeit hatte man gewöhnlich nur trockenes<br />
Brot zum Vesperbrot bekommen, fegt bekommen die Zöglinge gutes Vesperbrot, wie<br />
beim Frühstück. herr Buddeus füllte mir alle Abende einige Gläser Himbeersaft mit<br />
Wasser vermischt ein, sodaß seine Flasche ganz leer wurde. Herr Melsheimer wollte<br />
mir durchaus sein ledernes Käppchen vom Kopfe geben, sobald ich mir merken ließ,<br />
daß ich es auf der Reise gut gebrauchen könnte. Nach dem Nachteilen musizierten<br />
Herr Buddeus und Herr Melsheimer allemal mit einander. Ersterer spielte abwechsel<br />
das Klavier und die Flöte, letzterer immer die Flöte, aber ganz vortrefflich;<br />
auch herr Buddeus blies sie überaus gut, auf dem Klavier zeigte er aber eine ganz<br />
ungewöhnliche Fertigkeit. Um 11 Uhr ging's gewöhnlich zur Ruhe, nur Herr<br />
Buddeus arbeitete noch bis 12. Am Freitag, den 19. Oktober, kam Herr Nauman,<br />
der Tanzmeister, während dem Mittagessen in den Speisesaal, um etliche Wochen<br />
in Schnepfenthal zu bleiben, und wurde mit vielem Küssen empfangen. Zugleich kam<br />
auch Herr Kammerrat Reinhard mit seiner Frau und Knaben von Erfurt zum Besuche.<br />
Sogleich kam auch ein neuer Zögling, Rodaz von Hamburg, mit einem Begleiter,<br />
der einige Tage in Schnepfenthal blieb. Rodaz wurde dem Herrn Melsheimer auf<br />
die Stube gegeben. Am Sonnabend des 20. Oktober brachte mir Philipp Marx<br />
das Kistchen aus Gotha mit dem Elektrisirmaschinchen, das ich für Ernst bestimmt<br />
hatte. Ich packte es in der Kammer des Herrn Buddeus aus, richtete es zusammen<br />
und trug es dann zu Herrn Melsheimer hinauf. In dieser Woche schanzte ich auch<br />
zweimal mit, einmal beim alten Hofe, das andere Mal jenseit des Gartens; dann<br />
wurde an einem Abend auch gute Erde auf den Gatten des Herrn Buddeus geschafft.
Bei dem Schaufeln wurde ich jedesmal gewaltig müde, weil ich das Arbeiten gar<br />
nicht mehr gewohnt war. Am Sonntag Morgen, den 21. Oktober, war ich beim<br />
Morgengebete im Betsaale. Oer vater hielt dann noch eine kleine Rede, und diejenigen<br />
Zöglinge, die am vorigen Tage auf dem Mauerchen herumgeklettert waren,<br />
wurden notiert. Erwähnte Rede vertrat für heute die Stelle der Gottesverehrung.<br />
Nachher ging ich zu Herrn Ausfeld, der gerade Ne allgemeine Aufsicht hatte, und<br />
sah den von Spiegel mit der linken hand recht schön schreiben. Hernach besuchteich<br />
die trau Professor Ausfeld und ging Sann mit Herrn Buddeus und seiner Stubengesellsch<br />
nach Daberz; wo herr Buddeus eine Fortepiano bestellt hatte. Wir fanden<br />
aber den Mann nicht und mußten unverrichteter Sachen wieder zurückkehren. Dieser<br />
Spaziergang war übrigens äußerst angenehm. Nachmittag nahm mich Herr Ausfeld<br />
mit auf den Buchberg (?)und nach Tenneberg, wo man ganz herrliche Aussichten<br />
antrifft. Abends wurde bei herrn Melsheimer das Elektrisirmaschinchen probiert,<br />
und da mußte man erstaunlich viel zureden, ehe man den Rodaz zum Empfang<br />
einzelner Funken bewegen konnte. Wilhelm Starke hatte hingegen am meisten Herz,<br />
denn er entlud freiwillig mehrere Mal die Flaschen. Am Mittwoch ging ich mit Herrn<br />
Philipp Salzmann und herrn Laserre nach Reinhardsbrunn zu Herrn Graff. Die<br />
Frohner mußten gerade zur Frohne Mist führen. Auf 6cm Wege dahin verirrte ich<br />
mich, lief umher und fans erst eine gute Weile nachher meine Reisegesellschaftwieder.<br />
In Reinhardsbrunn kaufte Herr Laserre 15 Bäume, Kirschen, Äpfel, Birnen. Dann<br />
sammelten wir viele gelbe und rote Beeren von dem amerikanischen großen Weißdorn,<br />
besuchten zulegt noch den Herrn Graf auf seiner Stube, wo Hauns Frau saß<br />
und mich erkannte, und gingen dann nach Hause.<br />
Nach und nach erneuerte ich auch in Schnepfenthal Ne Bekanntschaft wieder<br />
mit herrn Buschmann, Schneider Gimm, der mich noch recht gut kannte, mit dem<br />
alten Marx als Hirte, mit der alten Marxin, mit Haun etc. Die alte Großmutter<br />
bekam ich jedoch nicht zu sehen. Der Vater wollte mir am Montage gar nicht sein<br />
Land graben lassen, weil er es selber umgraben müsse. Hingegen ließ er mich helfen<br />
Kolrabi ausraufen auf dem Felde beim Geitzenberg und mit den vier Zöglingen<br />
Rodaz, Ernst, Wilhelm, Franz nach Hause fahren. Am 22. Oktober aß ich zu Nacht<br />
bei Serin Guts Muths An diesem Tage kaufte auch Herr Guts Muths das Haus<br />
des Dr. Reinecke in Ibenhain, 900 Reichstaler, welches ich diesen Abend besah.<br />
Sein Haus am Geitzenberge besuchte ich mehrere Mal, es stunden aber erst die<br />
Grundmauern da. Mit Herrn Buddeus ging ich an diesem Tage auf den Hermannstein.<br />
Am 2<strong>4.</strong> Mittwoch sollte der Blaukohl von Jacobi und Haun eingeschlagen<br />
werden, daher fuhr ich fast den halben Tag diesen Kohl von Sein Felde weg. Ich sollte<br />
auch den noch stehenden Kohlrabi herausnehmen, weil ich aber noch 5 stehen ließ, so<br />
mußte ich dafür an den Vater 15 Pfennige Strafe bezahlen, nämlich für Ne erste<br />
1Pfennig, für die zweite 2, für die dritte 3 Pfennig usw. Am letzten Tag,<br />
Donnerstag, den 25. Oktober, vormittag, machte mir Herr Professor ein Present,<br />
mit einem Rasiermesser und Streichleder,<br />
wovon ich sogleich Gebrauch machte. Dann<br />
aß ich mit Herrn Buddeus und seiner Stubengesellschaft bei Herrn Professor auf<br />
seinem Zimmer. Herr Philipp Salzmann kam da, Abschiedzu nehmen, und ich erhielt<br />
dann vom Herrn Gevatter auch den Abschiedskuß.
Jetzt hatte ich noch den Herrn Buddeus, Ausfeld und Bereiter um mich bis<br />
nach 2 Uhr. wo Christian Haun mit dem Mantelsäckchen auf der Schulter mit mir<br />
nach Tambach abmarschierte. Herr Buddeus ging noch eine gute Strecke mit mir, bis<br />
ich ihn bat, umzukehren. Haun wollte über Altenkirch (soll heißen Altenbergen) nach<br />
Tambach gehen, wußte aber diesen Weg nicht. Wir kamen rechts bei Catterfeld vorbei,<br />
welcher Ort ganz mit Schindeln gedeckt ist und ziemlich groß zu sein schien, und<br />
schlugenuns dann in die Straße, die von Georgenthal nach Tambach geht. Ich fand<br />
da ein sehr düsteres enges Tal, wo die Papiermühle drinnen liegt, und ich erinnere<br />
mich nicht, ein traurigeres gesehen zu haben. Es war in der Abenddämmerung, als<br />
wir durchpassierten, und der Abschied von Schnepfenthal hatte mich ohnehin ein<br />
wenig traurig gemacht, daher fand ich das Tal gar so melancholisch. Endlich wurde<br />
es Nacht, und um61/2 Uhr bis 7 Uhr zirka gelangten wir endlich nach Tambach."<br />
Von da reiste Girtanner auf demselben Weg, auf dem er gekommen war, wieder<br />
nach Nürnberg zurück. O. Ausfeld.<br />
Von unsernMitgliedern<br />
Zu unserer Freude traten in die VAS. ein:<br />
Frau Maria Rath, Köln-Lindenthal, Klosterstraße 71II, Mutter unseres<br />
1927 gestorbenen Hans Rath (1923-1925).<br />
Mr. Fredrick Brant (1883-1888), Meadow Close, 1. West Hill Avenue,<br />
Epsom, Surrey.<br />
Hans Wilhelm Klaus, Plauen (Vogtland), Oberer Steinweg 2 (1929-<strong>1935</strong>).<br />
Johanna Boeck, Gießen a. d. Lahn, Stephanstraße 13I.<br />
Hans Adler; Mittenwald (Oberbayern), Haus Tannenberg.<br />
Edmund Weihe, Lehnendorf bei Neubuckow in Mecklenburg.<br />
Leider waren alle Bemühungen des Schriftführers, der an alle gelegentlich des<br />
Jubiläums bekannt gewordenen Anschriften alter, aber noch nicht zur VAS. gehöriger<br />
Schnepfenthaler den Festbericht mit der Bitte um Beitritt schickte,ohne Erfolg.<br />
Wir verloren durch den Tod:<br />
Alexander v. Reuter, Generalmajor a. D., Stettin, + am 21. Februar <strong>1935</strong>.<br />
Wilhelm Ausfeld, Pfarrer i. R., Schmiedefeld (Thür.).<br />
Veränderungen:<br />
stud. rer. pol. Heinz-Georg Willrich, Leipzig, Hohe Straße 6oII.<br />
Martha Heß, Jena, Talstraße 14I.<br />
Holtz (nicht Poltz), Bad Kösen, Salinenstraße 6.<br />
Gustav Lucanus, Landwirt, Hof "Auf der Eych", Bad Harzburg.<br />
August Brauns, Bremen, Georg-Grönning-Straße 50.<br />
Ludwig Döderlein, Taucha b. Leipzig, Porlitzer Straße 9.<br />
Friedrich v. Einsiedel, Ruhla, Kurhausstraße 11, b. Stein.
Herbert Grundmann, Leipzig, Norderneystraße 5b.<br />
Edmund Heyne, Ing. Dresden 27, Chemnitzer Straße 71, Fa. Nitzsche&.Co.<br />
Cecil Hobs, Eisenach, Klein-Neustadt, Rennbahn 81.<br />
Heinz Jahn, Leipzig C1, Auenstraße 18III.<br />
Werner Kanein, Dr. jur., Rechtsanwalt, Dresden-A.1, Johann-Georgen-Allee<br />
9I.<br />
Alfred Künzel, Neustadt a. d. Orla, Carl-Alexanderstrasse 5.<br />
Ernst Lichtenecker, Gotha, Straße unbekannt.<br />
Karl Müller, Hamburg, Hofweg 42.<br />
Albert Rieffenberger, Leipzig, Rosenthalgasse, Nr.?<br />
August Schreck sen., Cannstadt, Hermannstraße 19.<br />
Erich Schreiber, cand. phil., Alperstedt b. Groß-Ruderstedt (Thür.)<br />
Hans Werner Strenge, Altenburg (Thür.), Oswaldstraße 35 p.<br />
Heinz Zimmermann, Feldmeister, Lübben, Arbeitsdienst.<br />
Frau Lore Heckrodt geb. Kayser, Forstassessorsgattin, Weimar, Adolf-Hitler-Straße<br />
10a.<br />
Eberhardt, Berlin-Wilmersdorf 4, Brandenburgische Str. 23I.<br />
Wiebe Ausfeld<br />
VERLOBTE<br />
Gerhard Kreß<br />
Schnepfenthal April. <strong>1935</strong> Osorno (Chile)<br />
Zurück kamen Sendungen, die gerichtet waren an:<br />
Gustav Heinrich Weitert.<br />
Hans Trinius, Generalmusikdirektor, Dortmund.<br />
Wilhelm Cleß, Dresden-A.<br />
Manfred Hübner, Halle.<br />
Hans Calberla, Dresden-A.2.<br />
Hans Friedrich v. Trott zu Solz, cand. med.<br />
Werner Behrends, Charlottenburg.<br />
Ehrhard Lux, Marienthal.<br />
Graf Luxburg.<br />
Anneliese Witschel.<br />
Herbert Kolbe.<br />
Friedrich Karl Krauß. Wer hilft die Vermißten ermitteln?<br />
Immer und immer wieder bittet die Schriftleitung, bei Wohnungswechsel sich<br />
der so geringfügigen Mühe zu unterziehen, die neue Anschrift mitzuteilen.<br />
Anschrift: VAS. Hellerau bei Dresden, Tännichtweg 2.
Es ist kein besonderer Beweis von Anhänglichkeit an Schnepfenthal, Anschriftenverände<br />
nur durch nicht angenommene Nachnahmesendungen bekannt werden<br />
zu lassen.<br />
Trotz des Erfolges, den der würdige Verlauf der Jubelfeier unbestreitbar für<br />
Schnepfenthal gehabt hat, dürfen wir nicht müde werden, für Schnepfenthal zu<br />
werben und zu Schnepfenthal uns zu bekennen. Das eindeutigste Bekenntnis zu<br />
Schnepfenthal is die Zugehörigkeit zur VAG. und die Erfüllung der wenigen Mitgliedpflic<br />
Der Beitrag beträgt je Jahr 6 RM für wirtschaftlich selbständige, 2 RM für<br />
andere Mitglieder. Erlässe sind im Einvernehmen mit dem Kassierer der VAS.,<br />
Herrn Dr. h. c. Springer, Berlin W9, Linkstraße 22-24, möglich. Die Konten der<br />
VAS. stehen am Schluß jeden Heftes.<br />
Auch dieses Mal haben eine ganze Anzahl Rückständige die satzungsgemäß<br />
ergangenen Nachnahmen nicht eingelöst; darunter befinden sich auch Herren, die<br />
sicher in der Lage sind, den Beitrag zu bezahlen. Wir bitten, durch pünktliche Beitragszah<br />
das auch ung peinliche Nachnahmeverfahren unnötig zu machen, aber<br />
nicht über etwas verärgert zu sein, was man letzten Endes selbst verschuldet hat.<br />
Bitte! Ein alter getreuer Schnepfenthäler, der durch Inflation und Wirtschaftskrisen<br />
in Bedrängnis geraten ist, bittet herzlich um Zuweisung oder Vermittlung<br />
einer kaufmännischen Stellung. Erist 34 Jahre alt und istals Kaufmann ausgebildet<br />
eignet sichaber auch für Rechtsanwaltbüro u.ä. Der Gesuchsteller ist uns als<br />
tüchtig und zuverlässig bekannt. Wer hilft? Mitteilungen an die Schriftleitung erbeten.<br />
Buchanzeige. Aus der Feder unseres Herrn Dr. med. Paul Hermann<br />
Tesdorpf-München, dessen dichterischesWirken hier wiederholt<br />
gewürdigt wurde, erschien im Verlag von W. Kohlhammer, Stuttgart, 1934:<br />
SeltsameFunde<br />
Prosabetrachtungen<br />
Wir empfehlen reiferen Lesern diese gedankenreichen Betrachtungen sehr. Das<br />
vom Verlag vornehm gekleidete Werk ist auch als Geschenk für ältere Leser und<br />
Leserinnen sehr geeignet. J. L. M.<br />
Die "Festschrift zur Hundertfünfzigjahrfeier" kann noch von der Buchhandlung<br />
der Erziehungsanstalt Schnepfenthal bezogen werden. Sie ist in der Fachpressebisher<br />
durchweg gut besprochen worden. Wer sie kauft, stützt den Pensionsfond der Anstalt.<br />
Hauptschriftleiter: Studienrat J.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />
Postscheckkonto fürdie ,,Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung": Oberst a. D.Heyne,Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch. A. Leipzig45401.<br />
Postscheck fürdieVAS..:,,Vereinigung AlterSchnepfenthäler", Schnepfenthal betSchnepfenthal-Rödichen, P.Sch. A. Erfurt15760.<br />
Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel &Co.in Altenburg (Thür.).
Schnepfenthäler Nachricht<br />
ZugleichMitteilungender Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftu<br />
undder VereinigungAlter Schnephenthäler<br />
1784-1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang<strong>1935</strong> Nummer3<br />
Nachrichten aug Schnepfenthal<br />
April bis Juli <strong>1935</strong><br />
Am 2<strong>4.</strong> April, dem festgesezten Reisetag, waren außer den Getreuen, die vollzählig<br />
auch im neuen Schuljahr zur altgewohnten Arbeit nach Schnepfenthal<br />
zurückkehrten, zehn weitere Zöglinge (Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Gotha,<br />
Gerhard Flehmig, Helmut Rost, Dietrich Gruson, Wolfgang Standhardt,<br />
Alexander von und zu der Tann, Ulrich Matthiae, Erhard Schwarz, Friedrich-Wilhelm<br />
von Lowtzow und Karl Trautvetter, später noch Hans Weigel, Sigurd<br />
Toltz und Georg-Helmut Fischer) und ein neuer Lehrer (Herr Studienassessor Walter<br />
Hermann aus Eisenach) eingetroffen. So gab es gleich vom ersten Tag an bewegtes<br />
Leben im Haus: Die Neulinge mußten eingerichtet werden, und auch die Sekundaner<br />
(19 an der Zahl!) hatten vollauf zu tun, ihre neu vorgerichteten Stuben zu beziehen.<br />
Sie stellten mit Befriedigung fest, daß man in Schnepfenthal auch während der<br />
Ferien nicht gerastet hatte, und freuten sich an dem blanken Linoleum und an den<br />
schönenneuen Tapeten und Vorhängen. Mit um so größerem Eifer richtete nun jeder<br />
seinen Platz nach eigenem Geschmack ein, big die Räume zuletzt wirklich wohnlich<br />
und schmuckaussahen. ("Ach könnt' es doch immer so bleiben!")
Der erste Arbeitstag begann mit einer Morgenandacht, in der ich an das Wahrzeichen<br />
über der Tür des zweiten Hauses, an das EAN über dem Spaten bei<br />
ausgehender Sonne erinnerte. Salzmann hatte die Bedeutung dieser Buchstaben<br />
jahrelang für sich behalten; aber als er sein Ziel erreicht hatte, da deutete er sie:<br />
'Åí' Áõôþ) Íß÷á (Durch dieses siege!) . Er war dem Spaten, der Natur treu geblieben,<br />
er hatte in stiller Pflichterfüllung auf Gott vertraut, und er hatte gesiegt. - Wenn<br />
auch wir uns durch nichts abbringen lassen von diesem Wege der Treue, dann<br />
können wir - wie Salzmann - Kraft schöpfen aug jenem sieghaften Glauben, der<br />
allein zum Ziele führt. -Nach Worten freundschaftlicher Begrüßung an die Neuaufgenom<br />
hatte ich noch die angenehme Pflicht, in dankbarer Freude unseres<br />
Herrn Jacobi zu gedenken, der mit Beginn dieses Schuljahres auf eine 30jährige<br />
Dienstzeit in Schnepfenthal zurückblicken kann.<br />
Den 1. Mai feierte diesmal unsere HJ. zumeist vom Jungvolk getrennt. Sie<br />
marschierte am Vormittag nach Waltershausen, um an einer dortigen Kundgebung teilzunehme<br />
während das Jungvolk die Übertragung aus Berlin in Rödichen anhörte.<br />
Die örtliche Maifeier am Vorabend (Einholen des Maibaums, Umzug durchs Dorf usw.)<br />
litt unter dem regnerischenWetter; das geplante Feuer am Abend mußte ausfallen.<br />
Am Sonntag, dem 5. Mai, fand ein Gepäckmarschder HJ. für das HJ. Sportabzeichen<br />
statt. Die Gefolgschaft traf sich am Nachmittag in Waltershausen und<br />
marschierte in drei Abteilungen nach Altersklassen getrennt über Laucha, Aspach,<br />
Hörselgau, Leina, Wahlwinkel nach Waltershausen zurück. Alle Beteiligten schafften<br />
die geforderte Leistung in der entsprechendenZeit; die Übungen für das HJ-Sportabzeichen<br />
wurden während des ganzen Sommers fortgesetzt. Zur Belustigung für<br />
die Kleinen gondelte Herr Huschenbett mit ihnen auf dem Reinhardsbrunner Teich,<br />
was die Großen, die sich zum Sonntagnachmittag hatten plagen müssen, nicht ganz<br />
ohne Neid vernahmen. - Nach einer Verfügung des Reichskultusministers sollte am<br />
Sonnabend, dem 11.Mai, der Unterricht in den beiden letzten Stunden ausfallen und<br />
in einer Schulfeier des Muttertages (12. Mai) gedacht werden. In sinnentsprechender<br />
Anwendung dieser Verfügung auf unsere Verhältnisse verschobich die Schulfeier auf<br />
Sonntag (musikalisch ausgestaltete Reichssendung zum Muttertag im Rundfunk)<br />
und ordnete für die beiden letzten Stunden des Sonnabends "Briefaufsicht" an.<br />
Ich hoffe, daß die Mütter unserer Jungen mit dieser Vorverlegung des üblichen<br />
Briefwechsels gern einverstanden waren und sich am Sonntag durch einen unerwartet<br />
Gruß aus Schnepfenthal besonders erfreuen ließen.<br />
Am Abend des 21. Mai hörten wir gemeinsam die Übertragung der großen<br />
Hitler-Rede im Reichstag, am Nachmittag des 2<strong>4.</strong> besuchten wir in Waltershausen<br />
den Film: Der alte und der junge König.<br />
Ein Tag schmerzlicher Erinnerung war für uns der 25. Mai. Wir gedachten<br />
Ausfelds Geburtstags in einer Morgenandacht im Betsaal; daran anschließendlegten<br />
die Zöglinge, aug eigenem Antrieb, einen Lorbeerkranz am Grabe nieder mit der<br />
Aufschrift: "Unserem lieben Ausfeld von seinen dankbaren Zöglingen".<br />
Herr Görnandt hatte uns am 19..verlassen, um an einem fünfwöchigen Kursus<br />
teilzunehmen. Er wurde durch Herrn Studienreferendar Zapf aus Eisenach vertreten.<br />
Auch Herr Dr. Krauße war vom 11. big 22. Juni zu einem Kursus einberufen.
Den Himmelfahrtstag (30. Mai) feierten wir, wie üblich, durch einen Tagesausflug.<br />
Nach langen Wochen kühlen und regnerischen Wetters waren endlich<br />
warme und schöneTage angebrochen, so daß die verschiedenen Gruppen am Abend<br />
sehr befriedigt heimkehrten. Den weitesten Marsch hatte Herr Dr. Thiemer mit<br />
Sekundanern unternommen (Finstere Tanne, Tabarz, Kleiner Inselberg, Brotterode,<br />
Mommelstein, Kleinschmalkalden, Splitterfall, Tambach). Herr Hermann hatte mit<br />
seiner Gruppe von Wandersleben aug die Wachsenburg besucht und war zurück nach<br />
Ohrdruf gelaufen. Die Kleinen hatten unter Führung von Herrn Huschenbett und<br />
mir von verschiedenen Seiten den Inselberg erklommen und sich dort zu gemeinsamer<br />
Mittagsmahlzeit getroffen. In Vertretung für den plötzlich erkrankten Herrn<br />
Zapf mußte auch unser HJ-Scharführer H. v. Hüttner eine Gruppe übernehmen.<br />
Er hat seine Leute in die Gegend von Georgenthal geführt.<br />
Zur Teilnahme am Gauparteitag fuhr unsere HJ. am Sonnabend, den 1. Juni,<br />
nachmittags nach Erfurt und kam am 2. etwa um dieselbeZeit zurück.<br />
Lebhaft bewegt wurden die Gemüter auch durch die Drei-Tage-Mittelgebirgsfahrt<br />
(Geländezuverlässigkeitsprüfung für Krafträder, Personen- und Lastkraftwagen)<br />
vom <strong>4.</strong> bis 6. Juni, bei der Start und Ziel in Friedrichroda lagen. Am <strong>4.</strong> nachmittags<br />
besichtigte Herr Fuhrmann mit den Jungen die Wagen in Friedrichroda, am 5. gegen<br />
Mittag umfuhren die Motorräder in scharfer Wendung den Anstaltsberg- wer war<br />
da im Hause zu halten! -und am 6. vormittags war die Bergprüfung am steilen<br />
Eselsweg bei Friedrichroda. Trotz strömenden Regens waren wir alle dort, und<br />
vielleicht war gerade wegen der außerordentlich ungünstigen Bodenverhältnisse<br />
das Rennen besonders sehenswert: mit spielender Leichtigkeit überwanden die<br />
Wagen auch stärkste Steigungen in dem Morast.<br />
Die Pfingsttage verlebten nur wenige Zöglinge bei ihren Eltern. Die HJ. machte<br />
vom 8.—10. Juni eine Fahrt nach Eschwege.Von herrlichem Wetter begünstigt, kehrten<br />
alle braun gebrannt, gesund und frisch, und von ihren Erlebnissen beglückt und erfüllt<br />
heim. Das Jungvolk verbrachte die gleiche Zeit in einem Gemeinschaftslager auf der<br />
Kräuterwiese bei Waltershausen.<br />
Am 13. Juni wurden bei Ausbesserungsarbeiten am Turm Wetterfahne und<br />
Kugel abgenommen, worüber an anderer Stelle ausführlich berichtet ist.<br />
Abwechslung brachte auch ein Vortrag mit Lichtbildern über thüringische<br />
Burgen, den Burgwart Nebe von der Wartburg am 15. Juni abends im Kurhaus<br />
hielt und der von den Sekundanern besucht wurde.<br />
Das Fest der Jugend, das am Sonnabend, dem 22. Juni für das Jungvolk, am<br />
Sonntag, dem 23. Juni für die HJ. mit sportlichen Wettkämpfen gefeiert wurde,<br />
gewann für ung noch eine besondere Bedeutung durch die Einweihungsfeier des am<br />
Gleisdreieck neuerbauten Schwimmbades. Unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung<br />
der Umgegend und in Gegenwart zahlreicher Ehrengäste übergab Bürgermeister<br />
Dr. Nederkorn, Waltershausen, das Bad seiner Bestimmung, nachdem er in<br />
einer Ansprache auf die soziale Bedeutung dieses vom Arbeitsdienst Waltershausen<br />
geschaffenen Werkes hingewiesen hatte. Im Namen Schnepfenthals gab ich der<br />
besonderenFreude der Erziehungsanstalt<br />
Ausdruck, daß der seit langem mit Spannung<br />
verfolgte Bau nunmehr vollendet sei. Denn für uns Schnepfenthäler ist es ja von
unschätzbarer Bedeutung, in so unmittelbarer Nähe ein in jeder Beziehung wirklich<br />
ideales Schwimmbad zu besitzen! Hatte doch schonGuts Muths im Jahre 1793 das<br />
kalte Baden für einen "Hauptpunkt einer gesunden körperlichen Erziehung" erklärt<br />
und gesagt, daß eine "Badeeinrichtung für öffentliche Schulen und Erziehungshäuser<br />
unentbehrlich" sei. Meine Versicherung, daß wir es uns zur Ehre anrechnen würden,<br />
zu den treuesten Besuchern des Bades gerechnet zu werden, ist seitdem durch die<br />
Tat bekräftigt worden: Es ist seither kaum ein Tag vergangen, an dem unsere<br />
Jungen nicht wenigstens zu kurzer Erfrischung ans Gleisdreieck gekommen wären.<br />
Das heiße Sommerwetter der vergangenen Wochen begünstigte natürlich auch sonst<br />
den Besuch deo Bades<br />
sehr.<br />
Durch ein Sonnwendfeuer, das bei Einbruch der Nacht auf dem Sportplatz<br />
Rödichen abgebrannt wurde, fand das diesjährige Fest der Jugend seinen Abschluß.<br />
Am 5. Juli besuchtenwir in Waltershausen den Film vom Reichsparteitag 1934:<br />
Triumph des Willens; am 16. Juli verfolgten wir Teile einer Reichswehrgeländeübung,<br />
die sich über unser Gebiet erstreckte.Dieletzten Tage vor Schulschluß wurden<br />
noch verkürzt durch einen Ausflug nach der Wartburg, den Herr Huschenbett am<br />
17. Juli mit den Klassen VI bis IV unternahm, und durch das traditionelle Schnepfenthäler<br />
Sportfest am 18. Juli Hatte es sichin früheren Jahren gezeigt, daß die<br />
Aufmerksamkeit der Jungen in den letzten Unterrichtsstunden vor den großen Ferienzumal<br />
bei großer Hitze - oft recht zu wünschen übrigließ, so war die Teilnahme an<br />
den sportlichen Wettkämpfen noch am letzten Tage vor Schulschluß äußerst lebhaft.<br />
Den Morgen füllten leichtathletische Wettkämpfe aus, an die sich Schwimm- und<br />
Tauchübungen anschlossen. Am Nachmittag war Schießen (die Großen schossnenmit<br />
der Kleinkaliberbüchse, die Kleinen mit dem Luftgewehr) und vor der gemeinsamen<br />
Vesper unter der Linde die öffentliche Preisverteilung.<br />
Heusinger O III und Tischer U III<br />
hatten die meisten Siege errungen. Als Ausklang gab es noch ein Faustballwettspiel<br />
zwischen Erziehern und Zöglingen, das von den Jungen knapp gewonnen wurde. - Um<br />
7 Uhr abends wurde mit der feierlichen Flaggeneinholung die Schule geßchlossen.<br />
Bei dem Zensurenlesen nach dem Abendbrot zeigte es sich,daß trotz der starken<br />
körperlichen Beanspruchung der Jungen (ihr überaus gesundes und kräftiges Aussehen<br />
zeugt davon) auch die Wisenschaften zu ihrem Recht gekommen waren: Der<br />
Leistungsstand der Jungen war auch in diesen Fächern im ganzen gesehen durchaus<br />
zufriedenstellend.- Die Bestenliste, die jetzt nur einmal, am Ende eines jeden Tertials,<br />
aufgestellt wird, nennt: aus 0II v. Hüttner, aus UII Hagspihl, aug UIII Matthiae,<br />
aus V Gruson. Voraussetzung für die Aufnahme war nicht nur eine gute Beurteilung<br />
in den wissenschaftlichenFächern, sondern auch der körperlichen Leistungen<br />
und des Charakters. - Zuverlässigkeit und Fleiß wurden außerdem anerkannt bei:<br />
Riegel, Weihe, v. Oertzen, Zwingenberger, Holzheier, Standhardt I; gute wissenschaftli<br />
Fortschritte bei Tetens und Knaffl. Hüttner, Werner und Hofmann, die<br />
als Führer in der HJ. tätig sind, verdienten sich durch ihre ausgezeichnete Arbeit<br />
an unseren Jungen auch den besonderen Dank der Schule. Alle Genannten sind,<br />
ein äußeres Zeichen der Anerkennung, von der Last des "Wochenzettels" künftig<br />
befreit.- Am 19. Juli war Packtag, denn am 20. reisten die meisten schon frühzeitig<br />
in die Ferien.<br />
Lüder.
Einladung<br />
zur Vorstandssitzung<br />
der Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />
und Hauptversammlungder VAS.<br />
am 22. September <strong>1935</strong>.<br />
Die diesjährige Vorstandssitzungder Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung,<br />
erweitert durch die Teilnahme der Mitglieder des Stiftungsrats,<br />
findet nunmehr am Sonntag, dem 22. September; 12 Uhr in der<br />
Erziehungsanstalt Schnepfenthalstatt.<br />
Frau Dr. Ausfeld läßt die Teilnehmer an dieserSitzung bitten, an der<br />
gegen 13.15Uhr stattfindenden Mittagstafel der Zöglinge teilzunehmen.<br />
Hauptversammlung<br />
der<br />
"Vereinigung Alter Schnepfenthäler"<br />
Anschließendgegen 16.30Uhr<br />
in der Anstalt.<br />
1<strong>4.</strong>30Uhr in der Erziehungsanstalt.<br />
Traditions-Schokolade für die Zöglinge<br />
Mit Rücksichtausdie Wichtigkeitder Tagung— Beschlußunfähigkeitkostet<br />
uns Geld und vermehrte Arbeit! — bitten wir um regsteBeteiligung.<br />
Die Mitglieder der Vorstände der Stiftung und der VAS.<br />
bitten wir, diese Tagung als einmalige Pflichttagung ansehen<br />
zu wollen. Die Bedeutung des Verhandlungsstoffs— Verschmelzungder<br />
Stiftung und der VAS. — erfordert vollzähliges Erscheinen. Für die<br />
übrigen Mitglieder deo Stiftungsrats werden wir Mittel und Wege finden,<br />
um im Falle ihrer Nichtabkömmlichkeitüber ihre Stimmen verfügen zu<br />
können.<br />
Ansagen erbeten bio 8. September <strong>1935</strong> an den unterzeichneten<br />
Vorsitzenden.<br />
Ernst Heyne,<br />
Obersta. D. und Obersturmbannführer z.b. V.
Vom April bis Juni besuchten uns u. a.:<br />
Besucherliste<br />
Frau Agnes Andre, San Jose de Costa Rica; Frau F. Hashagen, Sonabaja,<br />
Java; Herr Staatsminister a. D. Adolf Grimme, Berlin; Fräulein Gudrun Weidel,<br />
Berlin; Fräulein Hildegard Diederichs, Holzkirch bei Lauban; Fräulein Lotte<br />
Holzheier, Crimmitschau; Herr P. Hartkopf, Berlin-Reinickendorf; Ihre Königl.<br />
Hoheit Frau Herzogin Viktoria-Adelheid von Sachsen-Coburg-Gotha; Seine<br />
Hoheit Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Gotha; Herr Gerhard Rost,<br />
Frau Hilde Rost und Sohn Helmut, Rabenstein i. Sa; Herr und Frau Müller,<br />
Bremerhaven; Frau Ruth Gruson, Magdeburg; Frau Katharina Hamel geb. Funke<br />
mit Sohn und Tochter, Erfurt; Herr Hans-Georg Siefken, Hamburg; Herr Hans<br />
Jenßen (1924-31), Hamburg; Herr Fritz Berlinicke (1928-30), Lüchfeld; Herr<br />
Johannes Krämer, Gotha; Fräulein Dorle Thorbecke, Heidelberg; Herr Reg.<br />
Baumeister Ludwig Stapf, Berlin; Herr Dr. Herbert Overmann, Berlin; Herr<br />
Baurat Kurt Toltz, Gotha; Herr Gottfried Helmbold, Weimar; Herr Ernst Ohage,<br />
Schneidemühl; Herr Professor Fr. Dähnhardt, Berlin; Herr August Epping und<br />
Frau, Plauen i. V.; Frau Marie Vaßmer, Bremen; Herr Dr. Schwarz, Schweinitz<br />
a. d. Elster; Fräulein Erdmuthe Schwarz, Schweinitz a. d. Elster; Frau E. Weigel,<br />
Leipzig; Herr Fritz Becker, Dessau; Fräulein Anni Körber, Marburg; Herr<br />
Dr. Berghegger, Mackenheim i. Odw.; Herr Hans Calberla (1880-86) und<br />
Fräulein Käte Calberla, Dresden; Herr P. Witting, Landesfinanzamtsdirektor,<br />
Hamburg; Herr Std.-Referendar Helmut Zapf, Bad Salzungen; Fräulein Hildegard<br />
Bayer, Stuttgart; Fräulein Johanna Kürbis, Dresden; Frau Margarete<br />
Bloedner, Gotha; Frau Else Matthiae, Kaiserslautern; Frau Else Schüler geb.<br />
Kern, Witten a. d. Ruhr; Frau Elis. Rasch und Herr Walter Rasch, Rechtsanwalt<br />
und Notar, Gotha; Herr Günther Willikens (1918-24) und Frau Ilse Willikens,<br />
Leipzig-Rückmarsdorf; Fräulein Gerda Meumann, Teutleben mit der Jungmädelschaft;<br />
Herr Bergwerksdirektor Riegel und Frau, Aschersleben; Herr Fritz Weidlich<br />
(1895-99), Leipzig; Frau Klara verw. Zergiebel, Zwickau; Herr cand. math. Karl<br />
Zergiebel, Zwickau; Frau Johanne Flehmig, Weida i. Thür.; Seine Hoheit<br />
Erbprinz Johann Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha; Herr Reg.- Baurat<br />
Heusinger und Frau, Rochlitz i. Sa.; Frau Mina Witting, Hamburg; Herr Fabrikdirektor<br />
Herdieckerhoff und Frau, Saalfeld; Frau Sella Schwarz geb. Rieckmann,<br />
Schweinitz a. d. Elster; Herr M. Hermann und Frau, Eisenach; Frau B. Habermas,<br />
Eisenach; Herr Dr. Fritz Tetens, Charlottenburg; Herr Dr. Wilhelm Weidenhammer,<br />
Frankenberg; Herr Albert und Pat Weidenhammer, New York; Herr<br />
Ernst von Jungenfeld und Frau, Weimar / Chemnitz; Herr Franz-Hellmut Anton<br />
(1918-20), Jena; Herr Dr. H. Anton und Frau, Gotha; Herr Dr. Erhard Nicklisch,<br />
Berlin; Herr Dr. Bessell, Amtsgerichtsdirektor, und Frau Ingeborg geb. Petit,<br />
Leipzig; Herr Ernst Heller (1924-25), Haina b. Kassel; Herr Karl-Otto Voigtländer<br />
(1926) und Herr Hans Voigtländer (1924-26), Leipzig; Herr Oskar<br />
Eichhorn, Fulda; Herr Kurt Kallensee, Waltershausen/ Thür.; Schwester Louise<br />
Rogée, Leiterin d. Laak-Krippe, Königsberg/ Ostpr.; Herr Karl Kannenberg und
Frau, Schleswig; Frau Elisabeth Gruson und Hildegard Schaeffer, Magdeburg;<br />
Herr Oberstudiendirektor i. R. Dr. Albrecht Lüder und Frau, Dresden; Herr<br />
Generalkonsul Dr. Carl Geibel (1897-1900) und Frau Lisette geb. Bourrillow,<br />
München; Frau Else Salzmann, Tabarz; Herr Carl Hagemeister, Berlin-Lichterfelde<br />
Frau Helene Hagemeister geb. Barth, gew. Regierungslehrerin in DSWA;<br />
Herr Major a. D. Werner von Zepelin und Frau Rose-Marie von Zepelin geb.<br />
von Lochow, Mieckow i. Mecklbg.; Herr Adalbert Weber (1925-26), Düsseldorf;<br />
Herr und Frau O. Richter, Essen; Herr Claudio Schetelig (1889-92), Herr<br />
E. ten Klooster, Detmold; Herr Max Heller und Frau, Leipzig; Herr Werner<br />
Hoffmeister (1912-17), Valparaiso/ Chile; Fräulein Elisabeth Theile, Berlin.<br />
Schnepfenthal<br />
ist nach wie vor "Erziehungsanstalt". Leider wird dieses Wort heute oft anders verstanden<br />
als vor 100 Jahren. Damals verband niemand mit diesem Wort den Begriff<br />
der Zwangserziehung oder Besserungsanstalt. Jeder werdende Mensch bedarf der<br />
Erziehung, und ein Unternehmen, das sich die Erziehung des heranwachsenden Geschlecht<br />
zur Aufgabe gemacht hat, nannte man ,,Erziehungsanstalt". Wir behielten<br />
diesen Namen bei, nicht aus äußerlichen Gründen - wollten wir solchen Gründen<br />
Raum geben, so hätten wir ja den Namen längst ändern und einen klangvolleren,<br />
moderneren annehmen müssen, wie Pädagogium, Landerziehungsheim, moderne<br />
Reformschule u. a. Nein, wir behielten den Namen Erziehungsanstalt bei, mit dem<br />
Schnepfenthal seinen guten Ruf begründete, und geben damit kund, daß der Kern<br />
der Anstalt, daß die für unsere Tätigkeit leitenden Grundsätze die bewährten geblieben<br />
sind; solchenämlich, die niemals veralten können, solche,die sichaug der Eigenart<br />
des werdenden Menschen immer wieder ergeben. Was sich stets ändert, das<br />
ist die Praxis, weil die Menschen und die durch sie bedingten Lebensverhältnisse<br />
sichvon Jahrzehnt zu Jahrzehnt ändern. Wir beobachten das an den neuen Landerziehun<br />
Sie gehen von Salzmannschen Grundsätzen - und Erfahrungen -<br />
aus (ob sie ihre Ideen nun von Rousseau, von Basedow oder auch von Hermann Lietz<br />
oder von sich selbst ableiten). In ihrer Praxis aber suchensie neue Wege. Warum<br />
auch nicht? Wenn viele Menschen demselben Ziel zustreben, so wird doch jeder den<br />
seiner Art entsprechenden Weg suchen. Auch in Schnepfenthal hat die Praxis Wandlungen<br />
erfahren. Als Richtlinien stehen uns sowohl die Erfahrungen zu Gebote, die<br />
unsre Vorfahren hier gewonnen haben, wie auch die Erfahrungen, die wir den neuen<br />
Versuchen entnehmen, Versuchen, die an den bekannten neuzeitlichen Anstalten gemacht<br />
werden. Neue Wege müssen ja immer gesucht werden. Da aber in diesem<br />
Falle lebendige junge Menschen das Versuchsobjekt sind, so ist größte Bedachtsamkeit<br />
geboten; und uns, denen durch Überlieferung mehrerer Generationen ein intensives<br />
Verantwortungsgefühl den ung anvertrauten Kindern sowie deren Eltern gegenüber<br />
sozusagen angezüchtet ist, uns darf es nicht verdacht werden, wenn wir neuen Wegen<br />
anderer zunächst skeptisch gegenüberstehen. Doch wir sind uns bewußt, daß wir in<br />
dieser Skepsis nicht zu weit gehen dürfen; denn ohne das Wagnis eines Versuchs<br />
kommen wir nie vorwärts. (Aus nachgelassenen Aufzeichnungen von Dr. Fr. Ausfeld.)
Schnepfenthal, ein Erbhof?<br />
Wer mit Schnepfenthal verbunden ist, weiß, daß die Landwirtschaft ein recht<br />
wesentlicher Bestandteil der Erziehungsanstalt von jeher war und in Zukunft<br />
auch bleiben wird. hatte doch Salzmann das Gut Schnepfenthal, worin er seine<br />
Erziehungsanstalt gründete, mit nicht unbeträchtlichen Ländereien übernommen,<br />
und viele seiner Gedanken und Erfahrungen, die uns in seiner Fürsorge für den<br />
deutschenBauern<br />
mit seiner Scholle gekommen.<br />
entgegentreten, sind ihm ganz gewiß aug der engen Verbundenheit<br />
Freilich hat der Grundbesitz Schnepfenthals in den zurückliegenden Jahren<br />
mancherlei Änderung erfahren. Doch genügte seine Größe, die, abgesehen von<br />
288,63 a Pachtland, heute noch 1918,27 a umfaßt, nach dem Reichserbhofgesetz<br />
vom 23. September 1933, Schnepfenthal in die Erbhöferolle einzutragen. Diese<br />
Tatsache entschied zwar noch nicht, daß Schnepfenthal in Zukunft ein Erbhof sein<br />
wird jedes Anwesen, das die Größe einer "Ackernahrung" hat, wurde ja zunächst<br />
ungeachtet eines Einspruchs seitens des Besitzers in das Verzeichnis der Höfe, deren<br />
Eintragung in die Erbhöferolle in Aussicht gestellt war, aufgenommen.<br />
Darüber wurde Dr. Friedrich Ausfeld am 25. Oktober 1934 durch das zuständige<br />
Anerbengericht in Waltershausen in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig aufgefordert,<br />
zu der bevorstehenden Maßnahme Stellung zu nehmen.<br />
Wenige Tage noch vor seinem Tode hatte Dr. Ausfeld den ihm Nahestehenden<br />
seinen Entschluß mitgeteilt, wonach er das Anerbengericht ersuchen wollte, von der<br />
Eintragung seines Anwesens als Erbhof abzusehen. Allein, als er am 22. November<br />
die Augen für immer Schloß war dieser Entschluß noch nicht fixiert, und es überblieb<br />
uns, zu ergründen, aus welchen Motiven heraus er empfunden hatte, daß Schnepfenthal<br />
in Zukunft nie Erbhof sein kann.<br />
Nach der Veröffentlichung des<br />
Reichserbhofgesetzes hatte ich einmal die Gelegenheit,<br />
mich mit Dr. Ausfeld über die wichtigsten Punkte dieses Gesezes zu unterhalten.<br />
Nach seinem Tode nun mit der Wirtschaftsleitung Schnepfenthals betraut und in<br />
meiner Eigenschaft als Pfleger des unmündigen Eberhard Ausfeld von dem Vorsitzenden<br />
des genannten Gerichtes aufgefordert, war es an mir, jener Aufforderung<br />
nachzukommen. In einem besonderen Gutachten unterbreitete ich daher dem<br />
Anerbengericht das Ergebnis meiner Betrachtungen, und es sei hier meine Aufgabe<br />
zu versuchen, die Gedankengänge, die mich dabei leiteten, wiederzugeben.<br />
Friedrich Ausfeld, dessen Wirken für Schnepfenthal - abgesehen von seiner<br />
erzieherischen Sendung - darin bestand, .das, was ihm an Grundbesitz von seinen<br />
Vätern her überkommen war, in allen seinen Teilen zu festigen und zu erhalten,<br />
sah in sich stets nur den Verwalter, den Treuhänder dieses Erbes. So hatte er in<br />
seinem Schnepfenthal auch das vorgelebt und vorgelebt, was das neue Gesetz vom<br />
wahren Bauerntum verkündete. Und diese Wahrheit lag für ihn in der Erkenntnis:<br />
Bauer sein, heißt verwurzelt sein!<br />
Wir, die wir wissen, daß das Schicksal Schnepfenthals stets auch das Schicksal<br />
Ausfelds war, begreifen nun, daß er durch die Anwendung des Erbhofgesetzes auf<br />
die Verhältnisse in Schnepfenthal den Fortbestand seiner Erziehungsanstalt und
damit auch die Verwirklichung der Salzmannschen Erziehungsidee für alle Zukunft<br />
gewährleistet sah.<br />
Drei Generationen hindurch war Schnepfenthal im Sinne dieses Gesezes<br />
ungeteilt vom Vater auf den Sohn übergegangen; deshalb war es auch Ausfelds<br />
Wunsch und Wille, daß sein Sohn, der in diesem Falle der Anerbe war, Schnepfenthal<br />
so übernehmen möchte, wie es ihm einst von seinem Vater übergeben war, und<br />
wie es sichin seinen Tagen und unter seiner Leitung gestaltet hatte.<br />
Wag gehört nun eigentlich alles zu einem Erbhof? Zu ihm zählen zunächst die<br />
im Eigentum des Bauern stehenden Grundstücke; zum Erbhof Schnepfenthal also<br />
abgesehenvon den unbebauten Flächen - neben den Gebäuden, die der Landwirtschaft<br />
dienen, natürlich auch das Hauptgebäude der Erziehungsanstalt, also das erste und<br />
zweite Haus. Darüber hinaus ist aber noch festgelegt, daß auch zum Erbhof das im<br />
Eigentum des Bauern stehende " Zubehör"' rechnet. Das Gesetz erläutert, was<br />
darunter zu verstehen ist:<br />
"Zum Hofzubehör gehören die auf dem Hofe befindlichen Urkunden, aus<br />
früheren Generationen stammende Familienbriefe, ferner Bilder mit Erinnerung<br />
Geweihe und ähnliche auf den Hof und die darauf seßhafte<br />
Bauernfamilie bezügliche Erinnerungsstücke. '<br />
Hat nicht Ausfeld zu wiederholten Malen versichert, daß Schnepfenthal an<br />
solchen traditionellen Werten heute unvergleichlich reicher sein würde, wenn alles<br />
das, wag ehemals in ihm war, auch wirklich in Schnepfenthal geblieben wäre?<br />
Doch wir wollen die Vergangenheit nicht anklagen; die Gegenwart schütztsolches<br />
Gut und sichert seinen Besitz auch den kommenden Generationen!<br />
Wenn es so Ausfelds Bestreben war, Schnepfenthal als ungeteiltes Besitztum<br />
der Zukunft zu erhalten, muß indessen auch unbestritten bleiben, daß so ebensosehr<br />
sein Wunsch war, daß die Leiter dieser historischen Erziehungsstätte nichts anderes<br />
alg Erzieher sein möchten. Nach dem Erbhofgesetz aber hat der Eigentümer des Hofes,<br />
der sich auch stets Bauer nennen muß, im wesentlichen die Aufgabe, das Besitztum<br />
ungeschmälert seinen Nachkommen zu erhalten. Ohne Zweifel liegt in solcher Anwendung<br />
des Gesezes auf die Verhältnisse Schnepfenthals auch eine nicht zu verkennend<br />
Gefahr: Die jeweiligen Leiter könnten dadurch von ihrer Aufgabe, die doch<br />
darin besteht, das von dem Gründer geschaffene Kulturgut, nämlich die Idee einer<br />
wahrhaften und deutschenErziehung zu pflegen und zu fördern, abgezogen werden.<br />
Schnepfenthal ist nun einmal nicht ein Bauernhof, sondern in des Wortes<br />
tiefster und schönsterBedeutung eine Erziehungsanstalt; deswegen können auch seine<br />
Leiter oder Direktoren niemals Bauern, sondern müssen immer Erzieher sein.<br />
Aus solcher Betrachtung ergibt sich, daß der mit der Erziehungsanstalt verbundene<br />
landwirtschaftliche Betrieb und auch die Gärtnerei nur Mittel zum Zweck<br />
sind und, allein genommen, für die Anstalt keinerlei Daseinsberechtigung haben.<br />
Beide Teile sollen ja nur die Erzeugnisse des Bodens unter Ausschluß jeglichen<br />
Zwischenhandels und unmittelbar an die Zöglinge und die Erziehergemeinschaft abgeben,<br />
sofern ihre Angehörigen keinen selbständigen Haushalt führen.<br />
Aug diesem Grunde mußte auch der durch das Gesetz gegebenen Möglichkeit<br />
einer Trennung der Erziehungsanstalt von der Landwirtschaft entgegengetreten
werden. Es galt also, nachzuweisen, daß auf der einen Seite die Erziehungsanstalt<br />
ohne die Landwirtschaft nicht wirtschaftlich, auf der anderen die Landwirtschaft ohne<br />
die Erziehungsanstalt nicht lebensfähig sei.<br />
Ganz gewiß würde die Existenz der Erziehungsanstalt gefährdet werden, wenn<br />
die Erzeugniss, die ihre Acker hervorbringt; käuflich erworben werden müßten. Die<br />
Erziehungsbeiträge würden den Etat nicht mehr ausgleichen, und die große soziale<br />
Last, die Schnepfenthal durch die private Erziehung dem Staate abnimmt, fiele<br />
wiederum auf diesen zurück. Das Erziehungsgeschäft — wie Salzmann es nennt<br />
ist nicht vom kapitalistischen, sondern lediglich vom sozialen und ideellen Standpunkt<br />
aus zu betrachten. Deshalb ist es notwendig, daß Landwirtschaft und Gartenwirtschaft<br />
als lebenswichtige Zweige der Erziehungsanstalt erhalten bleiben.<br />
Würde man aber die Erziehungstätigkeit in Schnepfenthal aufgeben, um die<br />
Landwirtschaft zu erhalten, so müßte sichbald erweisen, daß diese die Gebäudewerte,<br />
die ungefähr das Achtfache der Flurwerte ausmachen, nicht tragen, die Unkosten<br />
nicht mehr decken können. Auch bestünde in diesem Falle die Gefahr, den bäuerlichen<br />
Besitzer für seine nach außen hin unrentabel erscheinende Wirtschaftsführung<br />
verantwortlich zu machen und ihm seine Bauernfähigkeit abzusprechen. Umgekehrt<br />
würde aber auch das Erziehungsgeschäft nicht die Summen einbringen, um die leerstehende<br />
landwirtschaftlichen Gebäude zu unterhalten, falls man die Landwirtschaft<br />
nicht mehr betreiben würde.<br />
Es war aber auch darauf zu verweisen, daß die Erziehungsanstalt eine gewisse<br />
Bewegungsfreiheit auch auf finanziellem Gebiete beanspruchen muß. Das Erbhofgesetz<br />
indessen verhindert zum Schutz des Eigentums die hypothekarische Belastung<br />
des Grundbesizes. Vorausgesezt, Schnepfenthal wäre Erbhof, so könnten Grund<br />
und Boden niemals die Werte kreditieren, die zur Aufrechterhaltung von Erziehung<br />
und Unterricht gelegentlich — geringer Zöglingsstand! — notwendig sein könnten.<br />
Die Folge davon wäre die Aufgabe der Erziehungstätigkeit und damit aber auch die<br />
Aufgabe der Existenzbedingungen vieler Familien und Einzelpersonen, deren Schicksal<br />
mit der Anstalt unzertrennlich verbunden ist.<br />
Ich bin dessen gewiß, daß Ausfeld sowohl in der Landwirtschaft als auch in der<br />
mit ihr verbundenen Gärtnerei auch ein Mittel der Erziehung selbst gesehen hat.<br />
So betrachtet liefern beide Zweige eine Fülle wertvoller Beispiele und Erfahrungen<br />
für den Unterricht und die Erziehung. Gerade dadurch erweckt ja Schnepfenthal in<br />
der ihm anvertrauten Jugend den Sinn für die Bedeutung der Worte vom Blut<br />
und Boden, und auch nur von hier aus, von der erlebten Verbundenheit mit der<br />
Scholle ist dann das Gefühl der Geborgenheit und der großen Heimatliebe aller,<br />
die durch Schnepfenthal gegangen sind, zu verstehen. Kein Zufall ist es darum, daß<br />
die Leiter der Salzmannschen Erziehungsanstalt durch 5 Generationen geistig<br />
bedeutsame und hochstehende Erzieher-Persönlichkeiten gewesen sind. Hier hat sich<br />
in der Tat erwiesen, daß in solcher Verbundenheit das Bauerntum stets Quelle wertvollen<br />
deutschenBlutes gewesen ist.<br />
Nach diesen Erörterungen war das Ergebnis meiner Betrachtungen nun<br />
folgendes: " Durch das Reichserbhofgesetz wird zwar der landwirtschaftliche Teil der<br />
Erziehungsanstalt Schnepfenthal für alle Zeiten sichergestellt, aber die Erziehungs
arbeit selbst würde ihre primäre Stellung verlieren. Aug diesem Grunde möchte<br />
Schnepfenthal nicht 3um Erbhof erklärt werden. '<br />
Das Schlußprotokoll des Thür. Anerbengerichtes in Waltershausen vom<br />
8. März <strong>1935</strong> entschied danach, daß die Voraussezung eines Erbhofes nicht gegeben<br />
sei.<br />
Unter den Erben Dr. Ausfelds wurde jedoch im Sinne des Erbhofgesetzes schon<br />
am 28. Dezember 1934 ein Auseinandersetzungsvertrag geschlossenewonach am<br />
13. Juni <strong>1935</strong> Gerhard Ausfeld, dem zur Zeit noch unmündigen Sohn des Verstorbenen<br />
die Erziehungsanstalt in vollem Umfange übertragen worden ist.<br />
So hat sichin den letzten Monaten und Wochen das Schicksal Schnepfenthals<br />
gestaltet. Wer aber meint, Schnepfenthal sei nur vom geistigen oder pädagogischen<br />
Standpunkt aus zu verstehen, verkennt, daß solches Schicksal sichauch auf wirtschaftlich<br />
Gebiete erfüllen kann! R Fuhrmann.<br />
Vom Sinn des Literatur-Unterrichts<br />
AlsPrimaner notierte ich: ,Geradezu übel wird mir bei dem Gedanken an die<br />
entsetzlichen Deutschstunden ; Goethes Mailied! Ich mußte es lesen: " Wie<br />
herrlich leuchtet mir die Natur - ' und wurde unterbrochen: " Warum heben Sie das<br />
mir ' nicht besser hervor?" Im Verlauf des Gedichtes folgten noch zwei Unterbrechung<br />
und daran schloßsicheine viertelstündige - ich habe verbotenerweise nach<br />
der Uhr gesehen- eine viertelstündige Besprechung des Wortes "mir" im zweiten<br />
Verse, wobei viel vom dativus ethicus die Rede war. Endlich hieß es: Mit dieser<br />
kurzen Erläuterung möge es genug seini<br />
Damals schwur ich mir, es einmal anders zu machen.<br />
Aber wie?<br />
Manche Deutschlehrer haben unter dem Alpdruck ähnlicher Erinnerungen vorgeschlag<br />
überhaupt nicht über die Dichtungen zu reden, sondern sie einfach durch<br />
guten Vortrag den Schülern " näherzubringen" Aber das heißt, das Kind mit dem<br />
Bade ausschütten, abgesehen von der Zeitfrage. Einen Kriminalschmöker kann schon<br />
der Tertianer ohne Hilfe genießend edlere Kost wirklich zu schmeckenmuß der Gaumen<br />
erst lernen. Es ist ein Festtag, wenn ein Junge ehrlich gesteht: jetzt ist mir klar, daß<br />
Storm und Keller mehr wert sind als Edgar Wallace!<br />
Für diese Werte gilt es die Augen zu öffnen. Sie sind ungleichartig, und das<br />
muß den Schülern aufgehen. Es war ein Kardinalfehler der alten Schule, jede Dichtung<br />
nach allen Richtungen zu " behandeln" Um so weniger erfaßten wir das<br />
Wesentliche. Storms feine Charakteranalyse und Stimmungsmalerei - C. F. Meyers<br />
groß gesehene, manchmal pomphafte Bilder - Hebbels Zergrübeln eines Problems<br />
Eichendorffs problemferne Schwärmerei - vier Welten! Deshalb muß beinahe jede<br />
Dichtung unter andere Gesichtspunkte gestellt werden.<br />
Zunächst gilt es, einen geeigneten Ansatzpunkt zu finden. Ein Beispiel:<br />
Eichendorffs " Taugenichts" ist gelesen, in Untersekunda. (Für Untertertia viel<br />
zu Schade, den Dreizehnjährigen fehlen alle Voraussetzungen!!) Ich frage: Wer ist<br />
denn der Held? Verblüffung: der Taugenichts natürlich! Was tut denn dieser Held?
Nachdenken. Eigentlich tut er gar nichts, es geschieht immer etwas mit ihm. Und<br />
allmählich wird's deutlich: die ganze Erzählung lebt von einer Handlung, die den<br />
"Helden" im Grunde gar nichts angeht, von der Entführung der jungen Gräfin,<br />
der Flucht des verkleideten Paares und seinen Versuchen, die irrezuführen,<br />
alles Vorgänge, in denen der ahnungslose Taugenichts eine unfreiwillige und unverstand<br />
Rolle spielt. Am Schluß erfährt er zu seinem Staunen, daß er das Glück<br />
der Liebenden mit begründet hat, und der unverdiente Lohn fällt ihm zu wie einem<br />
Träumenden: die Geliebte - denn sie ist gar keine " gnädige Frau" - und ein Schloß<br />
mit Gärten und Weinbergen. Musik erschallt, Leuchtkugeln fliegen durch die stille<br />
Nacht, "und die Donau rauschte dazwischen herauf - und es war alles, alles gut!"<br />
Schöner als in manchem Märchen, wo Schmerz und Trübsal durchkostet werden<br />
müssen, ehe das Glück lächelt. (Denn die sanfte Traurigkeit des Taugenichts Steigert<br />
sich nirgends zu quälendem Schmerz.) Das muß nun herausgearbeitet werden.<br />
Darum stelle ich die unerwartete und prosaischeFrage: Wie oft regnets eigentlich<br />
in dieser Geschichte? Es regnet nie! Sommersonne und Mondnächte, Blumen und<br />
Vögel, verwunschenen Schloß, Harfen und Geigen, singende Scholaren auf dem<br />
Donauschiffchen - eine verklärte Welt, eine unwirkliche Welt. Das wird noch klarer,<br />
wenn ich scheinbar pedantisch zu überlegen gebe: was ist denn dieser und jener von<br />
Beruf? Eine verständnisvolle Klasse lacht bei dieser Frage, und ohne daß ich viel<br />
nachhelfen muß, finden die Jungen: aus dieser Welt ist jeder strenge Ernst verbannt,<br />
jeder Gedanke an Nutzen und Zweckmäßigkeit, ja an Arbeit erschiene hier Philistertum,<br />
alles ist Spiel. Spiel auch die eigentlich unsinnige Idee, den Taugenichts die<br />
unverstandenen Geschehnisseselbst erzählen zu lassen. Daher fehlen scharfe Konturen,<br />
auch die Personen haben fließende Umrisse, nach " Charakteren" darf kaum gefragt<br />
werden, geschweigedenn nach Problemen. Keine Rede von Psychologie. " Gefühl ist<br />
alles. ' An dieser Welt, an dieser Erzählung soll man sich einfach freuen, denn es ist,<br />
trotz Entführung und Verfolgung und Spiegelfechterei, eine Idylle.<br />
Von hier läßt sich, wenn man es will, der Begriff des Romantischen entwickeln,<br />
der dann aber Fülle gewinnen muß durch andere Dichtungen, vor allem auch durch<br />
die bildende Kunst. ist für Sekundaner äußerst reizvoll, aufzusuchen, was Eichendorff<br />
etwa mit Runge oder Caspar David Friedrich verbindet, vielleicht auch - aber<br />
das ist schwer- mit Franz Schubert.<br />
Eine dankbare Aufgabe ist es, nachher die " Judenbuche der Droste zu lesen.<br />
Man braucht nur den " Taugenichts" in Erinnerung zu bringen, und schon fördert<br />
der Vergleich bei einer geschultenKlasse eine Fülle von Gedanken zu Tage. Hier ist<br />
ein Mittelpunkt: die Entwicklung eines Verbrechers, an der Erbanlagen, Umwelt und<br />
Erziehung ihren Anteil haben. Das alles gilt es sorgsam herauszupräparieren.<br />
Scharfe Denkarbeit ist vonnöten, schonum die Kriminalromanfrage zu beantworten:<br />
"Wer ist der Mörder?" Denn mit klaren Worten wird das nirgends gesagt. Aber<br />
während wir in Eichendorffs Märchenwelt nach realen Zusammenhängen kaum<br />
fragen, lockt hier die kunstvolle Verschleierung zur Klärung der Hintergründe. Legt<br />
man da die psychologischeSonde an, um schließlich nach Abwägung der inneren<br />
Möglichkeiten in Friedrich Mergel den Täter zu entdecken, so hat man noch den<br />
großen Gewinn, der Charakterisierungskunst der Droste gegenüber die Belanglosigkeit
einer Detektivschwarte indirekt aufzudecken, die sichmit äußerer Spannung begnügt<br />
und den Leser mit der sechsmal falsch beantworteten Frage " Wer ist der Mörder? "<br />
bloß an der Nase herumführt. Die Jungen auf diese Art zu überzeugen (und es<br />
geht!), ist besser, als bloß ihre Groschenhefte zu konfiszieren. -<br />
Münchhausen hat einmal geulkt:<br />
Ihr lieben Jungens, euch ist ja gelehrt,<br />
warum die Dichter was dichten:<br />
Ihr wißt, der Zweck ist stets die Moral<br />
bei allen solchen Geschichten<br />
Moral in der Schule ist besonders scheußlich, wenn sie an den Haaren herbeigezogen<br />
wird. Das soll schon vorgekommen sein. Also Vorsicht! Aber bisweilen<br />
ergeben sich ethische Fragen ganz von selbst. So in der " Judenbuche" Friedrich<br />
Mergel ist schuldig geworden durch sein maßloses Geltungsbedürfnis, das er auf<br />
ehrliche Weise nicht befriedigen konnte, und der Spott der Kameraden hat ihn eine<br />
peinliche Lage so auskosten lassen, daß er in aufflammender Wut zum Totschläger<br />
wird. Das stellen wir heraus - die " Moral" zu ziehen, überlasse ich den Jungen<br />
selbst,denn eine lehrhafte Verallgemeinerung würde die Wirkung abschwächen.<br />
Dagegen ist zum Beispiel bei Hebbels " Agnes Bernauer" alles auf die zentrale<br />
Frage anzulegen! Durfte die Unschuldige geopfert werden? Die Betrachtung der<br />
Charaktere muß ins Licht dieses Problems gerückt, es muß den jungen Menschen<br />
das Ungeheuerliche dieser Tragik offenbar werden. Diesmal kann ich es den dialektisch<br />
ungeschulten Geistern nicht überlassen, das ethischeUrteil selbstzu finden. Zwar sie<br />
verstehen schnell Hebbels Idee: die Staatsräson fordert das Haupt der Unschuldigen;<br />
Gemeinnutz geht vor Eigenrecht. Aber die Formel ist, scheintes, so einleuchtend für<br />
den Verstand, daß der jugendliche Geist - selbst ehrlich zum Opfer bereit - die Sache<br />
zu leicht nimmt, etwa so: es ist ja ein schweres Geschick,aber das Vaterland fordert<br />
es eben. Leichter fiele dem jungen Menschen,<br />
theoretisch wenigstens, der Urteilsspruch<br />
als dem alten Herzog, der ihn sichin schwerer Prüfung abringen muß, weil er weiß:<br />
man spielt nicht mit Menschenleben, man spielt noch weniger mit einem Justizmord.<br />
Warum hat Hebbel die Agnes mit solch rührendem Liebreiz ausgezeichnet? Warum<br />
hat er ihre Anspruchslosigkeit, ihren Verzicht auf jede äußere Würde bei aller Hoheit<br />
der Gesinnung so eindringlich betont? Warum die Grausamkeit dieses Todes so<br />
unerbittlich vor Augen gestellt? Um die ganze Schwere der Verantwortung aufzuzeigen<br />
die Herzog Ernst auf sich lädt, wenn er in diesem einen grauenvollen<br />
Sonderfall zu dem Schluß kommt: ohne diese Rechtsbeugung wankt der Staat, es<br />
muß sein: " Agnes Bernauer, fahr hin!" Je schwerer der Entschluß und je reiner das<br />
Opfer, desto gewaltiger erscheint die Idee, die es fordert: der Staat. -<br />
Über solchen Betrachtungen vergessen wir nicht, daß Dichtung Sprachkunstwerk<br />
ist. Bei der Lyrik versteht sich das von selbst. Freilich gehört die Erschließung eines<br />
lyrischen Gedichts zu den schwerstenAufgaben des Deutschunterrichts. Man muß<br />
behutsam vorgehen, muß spüren, wenn die Teilnahme nachläßt, und dann sofort<br />
aufhören. Denn hier läßt sichnichts erzwingen. Aber wenn alle Umstände günstig<br />
sind Klasse, Gegenstand, Stimmung - , dann kann man wohl einmal zwei kurze<br />
Frühlingsgedichte so eingehend vergleichen, daß eine genußreiche halbe Stunde
darüber hingeht. Beschreiben läßt sichdas schwer. Aber daß Sekundaner wirklich zu<br />
einer gewissen Kennerschaft gelangen können, läßt sich beweisen: man liest etwa<br />
einer Klasse, die Eichendorff kennt, drei unbekannte Gedichte vor; sie soll das<br />
Eichendorffsche herausfinden, soll die charakteristischstenStellen bezeichnen und sonst<br />
ihr Urteil begründen. Das Ergebnis ist oft erstaunlich. Auch Prosadichter werden<br />
erkannt. erinnere mich, daß einmal nach wenigen Zeiten eines (bestimmt unbekannte<br />
Textes einige herausplatzten: " Natürlich Storm! ' und dann auch eine<br />
vernünftige Erklärung gaben. Der gefühlsmäßige Eindruck, oft schwer in Worte zu<br />
fassen, ist freilich das Primäre, und das ist ja das Natürliche. -<br />
Meine Darstellung konnte nur Skizze sein. Doch hat sie vielleicht erkennen<br />
lassen: zu den Werten der Dichtung müssen wir die Jungen führen, müssenihr den<br />
Blick schärfenfür Kostbarkeiten, die dem ungeübten Auge verborgen bleiben. Wenn<br />
es gelingt, ist der Ertrag unschätzbar. Fülle und Tiefe der deutschenSeele offenbaren<br />
sich nirgends gewaltiger als in unserer Dichtung, und wohl dem, der gelernt hat,<br />
beim Aufnehmen eines Dichtwerks zum Wesentlichen vorzustoßen: wenn er das<br />
Buch schließt, ist er reicher geworden, sei es, daß ihm eine Idee aufgegangen ist,<br />
seine Kenntnis der menschlichenSeele sich vertieft hat oder die Melodie und die<br />
Bildkraft der deutschenSprache ihm von neuem den inneren Reichtum des Volkes<br />
offenbarten, dessen Seele sichin dieser Sprache spiegelt.<br />
Das ist wichtiger als literarhistorische Kenntnisse zu vermitteln, deren Wert für<br />
den jungen Menschen problematisch ist. Die höheren Werte stecken im einzelnen<br />
Kunstwerk, an ihnen bilden sich denkender Geist, Geschmack,Gemüt und Wille.<br />
Dr. W. Thiemer.<br />
Von unseremTurm<br />
Im Juni 1842 wurde der Turmbau beendet und Knopf und Windfahne feierlich<br />
aufgesetzt. In diesem Jahre nun, wieder im Juni, mußte die Turmspitze ausgebesse<br />
werden. Letzten Winter hatte der Sturm die Spitze der Windfahne heruntergerissen<br />
und alg die Schieferdecker die Windfahne herunterholten, um sie auszubessern<br />
entdeckten sie den Schaden: Die obere Kugelhülle war durchschossen,wodurch Wasser<br />
in das Innere gedrungen war und so der oberste Turmbalken immer mehr anfaulte.<br />
Am 13. Juni wurden vormittags die nötigen Gerüste aufgebaut und nachmittags<br />
zuerst die schwereWindrose an einem Seil heruntergelasen und dann die Turmkugel,<br />
an der noch die Reste früherer Vergoldung waren. Es war dies das erstemal seit<br />
dem Turmbau, daß die Kugel heruntergeholt wurde. Die Urkunde fand man darin,<br />
auf die alle spannten. Am Abend wurde sie der im Speisesaal versammelten Hausgemeinde<br />
vorgelesen und gezeigt: Im Turmknopf lag eine grüne etwa 3O ein lange<br />
Flasche, mit Pergament verschlossen,von dem allerdings nur noch Reste zu sehen<br />
waren. Darin war:<br />
1. Ein Verzeichnis der " als Erzieher oder als Zöglinge mit der Erziehungsanstalt<br />
zu Schnepfenthal verbunden gewesenen Personen" (1784-1842).<br />
2. Ein Prospekt " Kurze Nachricht über die gegenwärtige Einrichtung der Erziehungs<br />
zu Schnepfenthal bei Gotha von Carl Salzmann Der Prospekt
ist noch in einem Exemplar in der Bibliothek vorhanden. Auf der letzten<br />
Seite war, von Carl Salzmann selbstgeschrieben, ein Verzeichnis der 36 gegenwärtigen<br />
Zöglinge.<br />
3. Das Wichtigste, die Urkunde selbst. Sie ist von Carl Salzmann August Ausfeld<br />
diktiert worden, der es in feiner und sauberer Schrift aufgeschrieben hat. Darin<br />
steht soviel Interessantes, daß es sich lohnt, sie hier abzudrucken:<br />
"Die im Sommer des Jahres 1842 unternommene Vereinigung reg ersten<br />
und zweiten Institutsgebäudes betreffende Bemerkungen:<br />
1. die Störungen, welche daraus hervorgingen, daß sich Zöglinge bei Übelbefinden<br />
nicht ohne Gefahr von einem Hause zum andern begeben konnten,<br />
2. die Nachteile davon, daß die Zöglinge, welche im zweiten Hause schliefen,<br />
bei nasser und kalter Witterung abends über die Straße gehen und sich<br />
morgens unmittelbar nach dem Ausstehen ins Freie begeben mußten,<br />
3. der heftige Zug, der durch die eisernen Tore zwischen dem ersten und<br />
zweiten Hause hindurch strich,<br />
<strong>4.</strong> der Übelgeruch, den die Abtritte in den beiden Wohngebäuden verursachten,<br />
5. der Mangel eines Bodens zum Wäsche trocknen für meine Frau, sowie<br />
eines Raumes, um viele, den Platz versperrende Sachen unterzubringen,<br />
machten es schonlängst wünschenswert, daß die beiden ersten Wohngebäude durch<br />
einen Zwischenbau vereinigt und dadurch die gedachten Mängel beseitigt werden<br />
möchten. Und da die Hausuhr, welche am mittleren Mansardenfenster des<br />
ersten Hauses (westlich) stand, nun<br />
weggebracht werden mußte, so machte es sich<br />
notwendig, daß ein Turm auf diesem Zwischenbau errichtet werde, um dieselbe<br />
aufzunehmen.<br />
Herr Baumeister J. V. Kirschner in Friedrichroda machte den Riß zum Neubau,<br />
welcher vom Durchl. Herzog Ernst III. und vom herzogl. Bauamt gebilligt<br />
wurde. Am3. Mai 1842 teilte ich den hier lebenden Mitgliedern meiner Familie<br />
mein Vorhaben mit, welche nichts erhebliches dagegen zu bemerken fanden.<br />
Herr Baumeister Kirschner machte demnach den Bauanschlag, schloßdie Anrede<br />
mit den verschiedenen Professionisten ab, und leistete mit Hilfe<br />
Eduard Haun den Bau. '<br />
meines Verwalters<br />
Nun folgen die Namen der Handwerker aus Friedrichroda und Waltershausen,<br />
die die Arbeiten<br />
übernahmen.<br />
"Am Montag, den 30. Mai 1842 fingen die Maurer ihre Arbeit an, wobei<br />
dem Meister am ersten Tage der Goldfinger der linken Hand zerschlagen<br />
wurde. Folgende Nachbarn aus den Dörfern Schnepfenthal und Rödichen<br />
leisteten freiwillig und unentgeltlich Fuhren von Zimmerholz und Steinen:.. ,<br />
bei welcher Gelegenheit der Metzgermeister Balthasar Bause am 18. Juni leider<br />
vom Wagen fiel, überfahren wurde und starb.<br />
Am 23. Juni 1842 wurden Knopf und Wetterfahne, welche die oben genannten<br />
Tünchermeister vergoldet hatten, vom<br />
auf den Turm gesetzt.'<br />
<strong>4.</strong> Ein Verzeichnis der Kinder Carl Salzmanns und<br />
Schieferdeckermeister Friedrich Fick
5. ein kleines Päckchen blonder Haare, " die Haare aller anwesenden Mitglieder<br />
der Salzmannschen Familie Sind hierin enthalten", außerdem war noch ein Gedicht<br />
von Thusnelda Salzmann, geb. Lenz dabei:<br />
Gütig hüllt in Finsternissen<br />
Gott die Zukunft ein.<br />
Sicher sie vorher zu wissen<br />
Würde Strafe sein.—<br />
Die Ausbesserungsarbeiten wurden erst am Montag den 17. beendet. Alles<br />
versammelte sichvor dem Hause. Ehe Knopf, Windrose und Fahne wieder aufgesetzt<br />
wurden, verlas Wiebe Ausfeld die von ihr verfaßte Urkunde und dann Herr Fuhrmann<br />
die seine Herr Fuhrmann berichtet darin über die Ausbesserung des Turmes<br />
und nennt dabei die beschäftigten Handwerker. Die alte Urkunde kam in eine neue<br />
größere Zinkkapsel; neu hinzu kamen außerdem nochdie zwei Nummern der Schnepfenthäler<br />
Nachrichten, von denen die eine den Nachruf für meinen Großvater, die andere<br />
den für meinen Vater enthält. Dann kam noch der Jubiläumsbericht (1934) hinzu,<br />
eine Ansichtskarte vom heutigen Schnepfenthal und schließlich ein Verzeichnis der<br />
Unterschriften der jetzigen Zöglinge, Lehrer und sonstigen Mitarbeiter und der<br />
Familienmitglieder. Eberhard Ausfeld.<br />
Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />
Wir quittieren dankend über eine Spende von 10 RM von Frau Butz, Gotha.<br />
Die Sammlung geht weiter! E Heyne.<br />
Von unsernMitgliedern<br />
Zu unserer Freude traten in die VAS. ein:<br />
Ernst Heller, stud. med. (1924-1925) Haina- Kloster, Bez. Kassel.<br />
Hans Voigtländer (1924-1926), Leipzig C1 Nordplatz 1 '.<br />
Karl-Otto Voigtländer (1926), Leipzig C 1, Nordplatz 1 '.<br />
Aus der VAS. trat aus : Herr Horst Hösel, Naumburg.<br />
Die Jahresbeiträge<br />
von 6 RM für wirtschaftlich Selbständige,,2 RM für andere, müssen nun umgehend<br />
bezahlt werden ! Konnten am Schluß jedes Heftes!<br />
Bitte, teilen Sie jede Veränderung Ihrer Anschrift,<br />
Ihres Berufes, Ihrer Stellung der Schriftleitung mit.<br />
Hauptschriftleiter: Studienrat I.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />
Postscheckkonto fürdie" Schnepfenthal-Jubiläumsstiftung":<br />
: Oberst a.D'.Heyne,Schnepfenthal-Rödichen, P.Sch.A.Leipzig45401.<br />
Postscheck fürdieVAS. .: " Vereinigung AlterSchnepfenthaler", Schnepfenthal beiSchnepfenthal Rödichen, P.Sch.A.Erfurt15760.<br />
Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel& Co.in Altenburg (Thür.).
Schnepfenthäler Nachricht<br />
ZugleichMitteilungen der Schnepfenthal-Jubiläums-Sti<br />
undder VereinigungAlter Schnepfenthäler<br />
1784-1934 13<strong>4.</strong> Jahrgang<strong>1935</strong> Nummer4<br />
Nachrichten aus Schnepfenthal<br />
werden von jetzt an nach Jahrdritteln gegeben werden, wie es den drei großen<br />
Abschnitten im Schuljahr entspricht. Die nächsten Nachrichten erscheinen also im<br />
ersten Heft 1936.<br />
Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung<br />
Bericht über die Herbsttagung <strong>1935</strong><br />
Die infolge Erkrankung des Vorsitzenden verschobene Vorstandssitzung der<br />
Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung fand nunmehr am Sonntag, dem 22. September<br />
<strong>1935</strong>, 12 Uhr in der Erziehungsanstalt Schnepfenthal statt. Der Tag wurde trotz<br />
der schweren seelischenBelastung, die die Herzen aller Teilnehmer im Andenken an<br />
den heimgegangenen letzten Anstaltsleiter beherrschte, zu einem beglückenden Erlebnis<br />
kameradschaftlicher Verbundenheit alter und junger Schnepfenthäler. Sturm<br />
und Regen der vergangenen Tage waren durch einen sonnigen Tag abgelöst,,und<br />
dieseSonne erwärmte gleichermaßen das vereinsamte Haus wie auch unsere Herzen.
Es war wieder ein Beweis: das Leben geht seinen Weg weiter, ob wir wollen<br />
oder nicht! Und das ist gut so! -<br />
Die Beteiligung war außergewöhnlich stark. Die Wichtigkeit gerade der diesjährigen<br />
Tagung hatte die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder mobil gemacht. An<br />
der Sitzung der Schnepfenthal-Jubiläum Stiftung nahmen teil:<br />
1. Die Vorstandsmitglieder: Oberst a. D. Heyne, Amtsgerichtsrat<br />
Schaedel, Dr. Stumme, Dipl .-Ing. Schetelig, Kaufmann Gadegast, Major a. D.<br />
Heyne, Major a. D. von Freyhold, Dr. Springer. Entschuldigt fehlten die Vorstandsmitgliede<br />
Dr. Karl Geibel-München und Alfred Meger-Friedrichswerth, die ihrerseits<br />
bevollmächtigte Vertreter entsandt hatten.<br />
2. Die Stiftungsratsmitglieder Kunstmaler Harrison Compton, Kaufmann<br />
Fritz Gröger, Prof. Dr. Hochheim, Rittmeister a. D. Rudolf Meger, Rittergutsbesit<br />
Schad von Mittelbiberach, Dr. Freiherr von Veltheim, Verlagsbuchhän<br />
Fritz Weidlich. 25 Stiftungsratsmitglieder waren außerdem durch<br />
bevollmächtigte Vorstandsmitglieder vertreten.<br />
Die Versammlung war somit für alle gestellten Aufgaben,<br />
insonderheit auch für die Frage von Satzungsänderungen nach<br />
§16 der Satzungen voll beschlußfähig.<br />
1. Jahresbericht<br />
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung im Hinweis auf die Bedeutung der<br />
Tagung und gedachte in warmen Worten des jähen Schicksalsschlages,den die Anstalt<br />
im vergangenen Jahre durch den unerwarteten Heimgang des Leiters der Anstalt,<br />
Dr. Friedrich Ausfeld, unseres unvergeßlichen Freundes, erlitten hatte. Die Anstalt<br />
hat das ihr hinterlassene Erbe würdig und entschlossen angetreten. Die von Frau<br />
Dr. Ausfeld durchgeführte und vom Thüringischen Volksbildungsministerium genehmigt<br />
Organisation — Einteilung der Anstaltsleitung in eine Abteilung Schule<br />
(Leiter: Studienassessor Lüder) und eine Abteilung Wirtschaft (Leiter: Reallehrer<br />
Fuhrmann) — hat sich als durchaus geeignetes Instrument erwiesen. Der Zugang<br />
an Zöglingen übertraf im Berichtsjahr zahlenmäßig den Abgang solcher bei weitem.<br />
Zurzeit zählt die Anstalt einschließlich der Abiturienten 69 Zöglinge.<br />
2. Rechnungslegung und Entlastung<br />
Auf Grund des vorgelegten Geschäftsberichts, den wir folgen lassen, entwickelte<br />
der Vorstehende die Finanzlage. Sie hat sich im vergangenen Jahre insofern verbessert,<br />
als die G .-M .- und P-M-Sparkassenbücher nunmehr endgültig aufgewertet<br />
zur Auszahlung gekommen sind. Diese Beträge konnten dem laufenden Konto gutgeschrie<br />
werden.<br />
Außerdem konnte ein ansehnlicher Betrag für die von der Anstalt verkauften<br />
Festschriften als Einnahme verbucht werden. Irgendwelche Aufwendungen für die<br />
von der Anstalt im vergangenen Jahre begangene 150-Jahrfeier hat weder die<br />
Stiftung noch, das sei hier vorwegnehmend bemerkt, die VAS. zu tragen notwendig<br />
gehabt. Die 150-Jahrfeier ist aus eigenen, dem Festausschuß zu
geführten besonderen Mitteln und Spenden bestritten worden.<br />
Wir berichteten hierüber in der seinerzeit herausgegebenen Abrechnung über die<br />
Jubiläumskosten.<br />
Geschäftsjahr 1934/35. (Abgeschlossenam 5. Juni <strong>1935</strong>.)<br />
l. Laufendes Konto.<br />
Einnahmen:<br />
RMPf<br />
Ausgaben:<br />
RM Pf<br />
Kassenbestand1934 986 15<br />
Überweisungen von der VAS. 42o —<br />
Überweisungen der Erz. - Anst.<br />
(Erlös aus Festschriften) 396 20<br />
Spende von Frau Butz, Gotha 10 —<br />
Aufwertungen a. Sparbüchern 402 99<br />
Zinsen aus Bankguthaben 23 20<br />
Zinsen a. Sparka~enguthab~n 5 28<br />
Coupons a. Goldpfandbriefen 328<br />
Sa. 2571 82<br />
Pensionszuschüsse. 600 —<br />
Ankauf 4% Deutsche Reichsanleihe<br />
380 —<br />
Schreibarbeiten, Portis,<br />
und<br />
Drucksachen<br />
persönliche Ausgaben<br />
des Vorsitzenden 64 53<br />
Depotgebühren 4<br />
50<br />
Kassenbestand193<strong>4.</strong> .1522 79<br />
Sa. 2571 82<br />
II. Stand des Vermögens.<br />
1 Stück 6/8% ' Norddeutsche Grundkredit-Goldpfandbriefe Em 3 A/O<br />
nominal .1000. — RM<br />
1 Stück 6/8% Preußische Pfandbriefbank Goldpfandbriefe Em. 50A/O<br />
nominal .1000. — RM<br />
1 Stück 6/8% Deutsche Hypothekenbank Goldpfandbriefe Ser. 28A/O<br />
nominal .1000. — RM<br />
1 Stück 6/7% Meininger Hypothekenbank Goldpfandbriefe Em. 25A/0<br />
nominal .- 1000 — RM<br />
1 Stück4 % Deutsche Reichsanleihe von 1934 400.- RM<br />
Kassenbestand:<br />
Bankguthaben .110<strong>4.</strong>11 RM<br />
Sparka~enguthaben 268.92 RM<br />
Bar<br />
.149.76 RM<br />
Sa. 5922.79 RM<br />
Ein Exemplar des Geschäftsberichts wurde dem Kreisamt Gotha als Aufsichtsbeh<br />
überreicht. Auf Grund der vorgenommenen Prüfung wurde dem<br />
Vorsitzenden Entlastung erteilt. Dem Vorschlag des Vorsitzenden, den drei Pensionären
Pensionären der Anstalt, wie im Vorfahre, Pensionszuschüssein Höhe von je 200 RM<br />
zu bewilligen, von denen die Stiftung je 60 RM und die VAS. je 140 RM tragen,<br />
wird zugestimmt. Die Auszahlungen hatte der Vorsitzende bereits im Juli bewirkt.<br />
nicht<br />
erforderlich.<br />
3. Neuwahlen<br />
<strong>4.</strong> Anträge<br />
Der Vorsitzende stellt den Antrag: Auflösung der Schnepfenthal-Jubiläums-Sti<br />
und Verschmelzung der Stiftung mit der<br />
VAS. unter Übertragung ihrer Aufgaben, Ziele und des Vermögens<br />
an die VAS.<br />
Der Vorsitzende begründet diesen Antrag in eingehender Weise. In der , Wichtigen<br />
Mitteilung , bekanntgegeben im Heft 2, Jahrgang <strong>1935</strong> der Schnepfenthäler<br />
Nachrichten, hatte der Vorsitzende bereits auf die Notwendigkeit dieser Verschmelzung<br />
hingewiesen. Als Kernpunkt der gegebenen Begründung hob er hervor, daß die<br />
Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt hätten, daß das Instrument der<br />
Schnepfenthal-Jubiläums-Stiftung den Ansprüchen der Zeit nicht mehr angepaßt<br />
sei. Ein 10 köpfiger Vorstand und ein 40 köpfiger Stiftungsrat hätten nicht zu verhindern<br />
vermocht, daß in den vergangenen Jahren die Vorstandssitzung mehrfach<br />
nicht beschlußfähig waren. Der durch die Inflation verursachte Vermögensschwund<br />
hätte es weiterhin unmöglich gemacht, die der Stiftung obliegenden Verpflichtun<br />
gegenüber den Pensionären und der Anstalt auch nur halbwegs zu<br />
erfüllen. Die Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung habe sich somit als nicht mehr<br />
lebensfähig<br />
erwiesen.<br />
Zusammenfassend gedachte der Vorsitzende in seinen Ausführungen mit Worten<br />
des Dankes der Gründer der Stiftung, insonderheit des Herrn Karl Geibel-Leipzig,<br />
der im Jahre 1884 mit gleichgesinnten alten Schnepfenthälern das soziale Werk der<br />
Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung schuf und mit dieser Stiftung 50 Jahre hindurch<br />
segensreich für Schnepfenthal gewirkt hat. Das Lebendige dieser Stiftung, ihr Geist,<br />
soll weiterhin in der VAS. treu gehütet werden, Formen und Formeln der Stiftung<br />
müssen jedoch den Zeitverhältnissen zum Opfer fallen. Mit dieser Tatsache müssen<br />
wir uns, entschlossen,tatkräftig weiter zu arbeiten, abfinden:<br />
Hierauf wurde in die Beratung der für die Durchführung der Verschmelzung<br />
notwendigen technischen Vorarbeiten eingetreten. Zur Auflösung der Stiftung bedurfte<br />
es zunächst einer Satzungsänderung, die diese Auflösung ermöglichte. Der<br />
Vorstehende Schlugvor, dem § 17 der Satzungen zwecks Erweiterung der Auflösungsgründe<br />
folgende neue Paragraphen anzufügen.<br />
1. Als § 17a. " Die Auflösung der Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung kann<br />
ferner beschlossenwerden für den Fall einer Vereinigung dieser Stiftung mit der<br />
VAS. unter Zusammenlegung beider Vermögen. Hierbei wird vorausgesetzt daß die<br />
Zwecke der Stiftung im wesentlichen gewahrt, sowie die Aufgaben und Verpflichtungen<br />
der Stiftung von der VAS. sinngemäß übernommen werden. Die Vereinigung<br />
geschieht in der Form, daß das übernommene Vermögen der Stiftung für die bisherigen
Aufgaben der Stiftung durch die VAS. verwendet und dieses in den<br />
Satzungen der VAS. niedergelegt wird."<br />
2. Als § 17b. " Die Auflösung der Stiftung nach § 17a bedarf der Zustimmung<br />
der Aufsichtsbehörde.'<br />
Die vorgeschlagenen Satzungsänderungen wurden von der vorschriftsmäßig<br />
besetzten Versammlung einstimmig angenommen.<br />
Auf Grund dieser angenommenen Satzungsänderungen wurde hierauf einstimmig<br />
beschlossen,die Schnepfenthal-Jubiläum-Stiftung aufzulösen und mit der<br />
VAS. zu verschmelzen. Endgültige Entscheidung bleibt dem Thüringischen Ministerium<br />
für Jusitz überlassen. Über den Ausgang dieser Entscheidung wird der Vorsitzende<br />
seinerzeit berichten. Der Vorsitzende dankte zum Schluß dem Stiftungsrat<br />
für die in den vergangenen Jahren und auch heute wieder geleistete Arbeit, und<br />
richtete an die Anwesenden die Mahnung, auch weiterhin treu für die Sache<br />
Schnepfenthals einzutreten. Er betonte noch, daß zu unserer aller<br />
Freude festgestellt werden kann, daß sowohl die Reichsregierung<br />
wie auch die Thüringische Regierung der Sache Schnepfenthals<br />
und der Erhaltung der Anstalt als Salzmann-Schule sehr wohlwollend<br />
gegenüberstehen. Es sei daher nun auch die Pflicht der<br />
alten Schnepfenthäler ,das in die Sache Schnepfenthals gesetzte<br />
Vertrauen dadurch zu rechtfertigen, daß jeder Einzelne am<br />
weiteren Aufbau der Anstalt in Zukunft nach besten Kräften tatkräftig<br />
mitarbeite.<br />
Als Termin für die nächste Tagung im Jahre 1936, mit der die<br />
endgültige Bekanntgabe des Auflösungsbeschlusses verbunden sein wird, wurde der<br />
1. Sonntag nach Pfingsten festgesezt. Einzelheiten für den Ablauf der Tagung<br />
sollen dem Vorsitzenden überlassen bleiben. Schluß der Sitzung 13/10Uhr.<br />
Ernst<br />
Heyne.<br />
Die Hauptversammlung derVAS<br />
fand am 22. September <strong>1935</strong> 14/30Uhr in dem Turmsaal der Anstalt statt. Herr<br />
Oberst Heyne stellte fest, daß sie ordnungsgemäß einberufen war. Worte dankbarer<br />
Erinnerung widmete er unserm lieben Dr. Fr. Ausfeld. Aus dem von Studienrat<br />
Müller erstatteten Jahresbericht ging u. a. hervor, daß 16 neue Mitglieder geworben<br />
wurden. Gebeten wurde, die Anschrift jedes irgendwie bekannt gewordenen Alt<br />
Schnepfenthälers der VAS. mitzuteilen. Herrn Dr. h. c. Springers Kassenbericht<br />
stellte einen Vermögensstand von 5175.62 RM. fest. Herr Professor Dr. Baarmann<br />
beantragte als Kassenprüfer Entlastung des Kassierers, die mit Dank für die aufgewandt<br />
Mühe ausgesprochen wurde. Dann begründete Herr Oberst Heyne noch<br />
einmal eindringlich und eindeutig die beabsichtigte Verschmelzung von Schnepfenthal-Stiftung<br />
und VAS. Mit besonderer Wärme gedachte er der Gründer<br />
der Stiftung von 188<strong>4.</strong> Im übrigen kann auf den Sitzungsbericht der Stiftung verwiesen<br />
werden. Herausgehoben sei nur die Feststellung, daß alleinige Trägerin der
Ruhegeldszahlungspflicht die Anstalt ist; die VAS. wird bemüht sein, ihr die Erfüllung<br />
dieser Pflicht zu erleichtern, nach ihrem Vermögen und auf Antrag der Anstaltsleit<br />
Hierauf verlas Herr Rechtsanwalt Dr. Kanein, der sich als alter<br />
Schnepfenthäler in dankenswertester Weise der Mühe der Umarbeitung der<br />
Satzungen unterzogen hatte, seinen Satzungsentwurf der mit kleinen Änderungen<br />
einstimmig angenommen wurde. Die Versammlung stimmte dem Antrag zu, daß<br />
weitere Änderungen aus redaktionellen Gründen oder auf Wunsch der Aufsichtsbehörde<br />
vom Vorsitzenden im Einvernehmen mit Amtsgerichtsrat Schaedel und<br />
Rechtsanwalt Dr. Kanein vorgenommen werden können. Nachdem Herr Oberst<br />
Heyne noch einmal mit aller Klarheit die Folgen der Verschmelzung der Stiftung<br />
und der VAS. vor allem den künftigen Wegfall der Pensionsvorschüsse, betont<br />
hatte, stimmte die hauptversammlung der VAS. einstimmig dem Antrag auf Verschmelz<br />
der Stiftung mit der VAS. zu.<br />
Die Vorstandswahlen ergeben die Wiederwahl der Herren Oberst Heyne als<br />
Vorsitzer, Dr. Springer als Kassierer und Studienrat Müller als Schriftführer. Als<br />
ihre Vertreter werden, zugleich als Vorbereitung einer geplanten Verjüngung des<br />
Vorstandes, die Herren Verlagsbuchhändler Fritz Weidlich, Rechtsanwalt Dr. Kanein<br />
und Dr. phil. Thiemer gewählt. Alle Gewählten nahmen die Wahl an. Leider<br />
drängte die Zeit zu sehr, als daß Herr Prof. Dr. Hochheim noch, wie er es gern getan<br />
hätte, dem Vorstande, besonders dem Vorsitzenden, für die treue Arbeit für die VAS.<br />
und Schnepfenthal hätte danken können. Er hat das in einem sehr herzlich gehaltenen<br />
Briefe auch namens der Familie Ausfeld nachgeholt. Ich leite diesen Dank hierdurch<br />
weiter, besonders auch an die nach langer Zugehörigkeit zum Vorstand ausscheidenden<br />
Herren Dr. Stumme und Amtsgerichtsrat Schaedel.<br />
Nachdem Satzungsgemäß als Tag der nächsten Hauptversammlung der Sonntag<br />
nach Pfingsten 1936, also der 7. Juni 1936 (bitte sofort im Terminkalender vermerken<br />
und 6 RM. bzw. 2 RM. als Jahresbeitrag festgesezt worden waren,<br />
dankten die für die Leitung der Anstalt verantwortlichen Herren Lüder und Fuhrmann<br />
der VAS. für alle Treue zu Schnepfenthal.<br />
Es folgte ein geselliges Beisammensein mit der Familie Ausfeld, Lehrern und<br />
Zöglingen und allen anderen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst Schnepfenthals<br />
stellen. Äußerlich war es das altgewohnte Bild, innerlich lag wenigstens über den<br />
Erwachsenen die wehmütige Erinnerung an unsern Dr. Friedrich Ausfeld, der die<br />
letzte Versammlung, das Jubiläum, der Anstalt, noch als einen der schönstenTage<br />
seines Lebens mit uns erlebt hatte. Dem Berichterstatter wurde diese verhaltene<br />
Wehmut am ergreifendsten daran kund, daß seit vielen, vielen Jahren in selbstverstän<br />
stiller Übereinkunft das " Wir sitzen so fröhlich beisammen" nicht gesungen<br />
wurde. In ebenso zartfühlender wie glücklicher Weise verstand es unser Oberst<br />
Heyne, uns aus dieser gedrückten Stimmung zu einer zwar nicht lauten, aber innerlich<br />
beglückenden Heiterkeit zu führen. Dafür sei ihm besonders gedankt. Unsere<br />
Überzeugung, daß es mit Schnepfenthal trotz des schweren Schicksalsschlagesdes<br />
letzten Jahres dank der Tatkraft von Frau Dr. Ausfeld, der von ihr mit der Leitung<br />
beauftragten Männer und aller ihrer Mitarbeiter gut voran geht, wurde nicht wenig
durch die Tatsache gestärkt, daß wir J. Kgl. H. den Herzog Carl Eduard von<br />
Sachsen-Coburg-Gotha und seine Frau Gemahlin als Zöglingseltern unter<br />
uns weilen sahen.<br />
Als tätiges Mitglied der Schnepfenthäler Arbeitsgemeinschaft weilte zum letzten<br />
Male unter uno Herr P. Jacobi, der gerade ein Menschenalter, seit 1905, in<br />
Schnepfenthal Lehrer war. Wir werden ihn, das hoffen wir, noch oft bei unseren<br />
Tagungen sehen, da er in der Nähe Schnepfenthals bleiben wird. Möge die Entlastung<br />
von den Pflichten des Amtes seiner angegriffenen Gesundheit so dienlich<br />
sein, daß ihm — und seiner Gattin ! — ein langes Otium cum dignitate in der<br />
Thüringer Wahlheimat beschiedenist.<br />
Vor allem anderen, was an diesem Tage noch geschah, über die Gefallenenehrung,<br />
die Wettspiele u. a. wird Herr Lüder im nächsten Trimesterbericht der Anstalt<br />
berichten, J. L. Müller.<br />
CarlSalzmann†<br />
Am 28. März <strong>1935</strong> starb im Alter von 75 Jahren der älteste Urenkel Christian<br />
Gotthilf Salzmanns, des Gründers von Schnepfenthal. Carl Salzmanns<br />
Großvater war der zweite Direktor Schnepfenthals, Carl Salzmann; sein Vater,<br />
dessen 9. Kind, Bruno Salzmann, später Baron von Sinascher Rentmeister auf<br />
Simongat<br />
in Ungarn.<br />
Der Verstorbene wurde am 13. Mai 1861 zu Kis Bessnyo in Ungarn als erstes<br />
von zehn Geschwistern geboren. Er besuchtedie Volksschule in Nagyatad. Unter dem<br />
18. Oktober 1870 melden die alten Nachrichten, daß Frau Gutsinspektor Salzmann<br />
ihren Sohn Carl Schnepfenthal zu weiterer Ausbildung und Erziehung zuführte.<br />
Sehr bald erscheint sein Name regelmäßig in der Bestenliste. Von seinen Mitzöglingen<br />
nenne ich Lücke, den Prinzen von Battenberg, Brockhaus, Prell, Geibel,<br />
Prüfer, Raabe, von Wenckstern, Ziegler, von seinen Lehrern Wilhelm Ausfeld dem<br />
Älteren, Richard Bosse, August Röse. 1872 zwang ein Fußleiden Carl Salzmann,<br />
Schnepfenthal zu verlassen und Heilbäder auszusuchen. Dann, ich folge nun den<br />
Worten eines Lebenslaufes aus der Hand seines Schwiegersohnes, des Herrn Ing.<br />
P. Fürst, führte ihn sein Lebensweg über das Gymnasium in Csurgö, die landwirtscha<br />
Akademie in Keszthely und Lehrjahre auf den Baron Sinaschen<br />
Gütern als Verwalter deo Distriktes Koria in den Dienst des regierenden Fürsten<br />
Georg zu Schaumburg-Lippe, dessen Vorfahr einer der ersten Zöglinge Schnepfenthals<br />
gewesen war. 1898 wurden Carl Salzmann die Distrikte Magyarboly und<br />
Jllocska der ungarischen Herrschaft des Fürsten anvertraut, die er auch nach dem<br />
Verkauf der Domäne an den Erzherzog Friedrich, beim Austritt aug dem fürstlichen<br />
Dienst zum fürstlichen Ökonomierat ernannt, als erzherzoglicher Güterinspektor<br />
weiter betreute. Tapfer nahm er alle die Demütigungen auf sich, die seit Ende 1918<br />
mit dem Einmarsch der Serben einsetzten. Fast Unerträgliches trug er, um seiner<br />
Treuepflicht gegen seinen Herrn zu folgen, dessenhab und Gut er mit mutigem Einsatz<br />
seiner ganzen Person verteidigte.
Zwar wurde 1921 die Baranya vom serbischenJoch befreit, Salzmanns Kraft<br />
aber war durch die Kämpfe erschüttert, er machte jüngeren Kräften Platz, die durch<br />
den Vertrag von Trianon ihre Distrikte verloren hatten. Er wurde mit offenen Armen<br />
im Hause seiner Tochter Emma in Villany empfangen und verlebte dort sorgenfrei<br />
seinen Lebensabend, wie er es verdient hatte durch alle seine Liebe und umsichtige<br />
Sorge um das Glück der Seinen, denen er alle Kraft widmete, die der Beruf übrig<br />
ließ. An diesem vorbildlichen Familienleben auf der Magyarbolyer Pußta wird sich<br />
mancher seiner alten und jungen Freunde dankbar erinnern, der dort seine Sonntagnachmitta<br />
verbracht hat und nun heute diese Zeilen liest. Vier Jahre noch durfte<br />
er Sich der verdienten Liebe seiner Kinder erfreuen. Dann versagte das Herz den<br />
Dienst, müde geworden durch das viele Schwere, was es hatte ertragen müssen:<br />
Tod der geliebten Gattin, Revolution, serbischeBesetzung, Tod nächster Verwandter<br />
und Verlust des Vermögens durch die Devalvation.<br />
Treue war wohl der Hauptzug seines Wesens. Ich habe sie selbst zu spüren<br />
bekommen, als ich bei den Vorarbeiten zu meiner Festschrift mit dem Verstorbenen<br />
Briefe wechselte. Treue auch zu Schnepfenthal, die er u. a. auch durch viele fördernde<br />
Auskünfte an unsern wissenschaftlichen Freund Prof. Dr. Szelen~i † den Salzmannfors<br />
Ungarns, bewies.<br />
Hunderte von Trauernden haben am 30. Oktober — es war fast dieselbe Stunde,<br />
zu der vor 124 Jahren sein Vorfahr, der Gründer Schnepfenthals, die Augen schloßdem<br />
Verstorbenen für seine Treue gedankt, als sie die von vielen Freunden geleiteten<br />
sterblichen Reste des vielverehrten Greises an der Familiengruft zu Magyarboly<br />
erwarteten. Beim Leuchten des Abendrotes und dem Läuten des Glöckleins der<br />
Gruftkapelle trugen ihn, so berichtet sein Schwiegersohn, seine ältesten Diener zur<br />
letzten Ruhe.<br />
Dann sprach der Geistliche, Pastor Vertessy, den Abschied: "Das Volk, das dich<br />
hier am Kirchhof erwartet, nimmt Abschied von dir, aber du gehst im Geiste nicht<br />
von uns, im Geiste bleibst du uns erhalten als Vater, Berater und Freund, der du<br />
durch fast 24 Jahre unser Brotgeber und Besschirmer warst. Du wars ein Vorbild<br />
der Treue und Pflichterfüllung, ein Helfer in Elend und Not, getreu dem Wahlspruch<br />
deines großen Vorfahren Christian Gotthilf Salzmann:<br />
Denke, dulde und handle!<br />
So erfüllte sich an Carl Salzmann, was er in seiner ersten Gottesverehrung<br />
im Betsaal zu Schnepfenthal als neunjähriges Kind aus dem Munde des Pfarrern<br />
Rudloff gehört in einer Predigt, die den Zöglingen von 1870 sagte, wag die Garben<br />
predigen, die vom Erntefeld heimgeführt werden: Lasset ung Gutes tun und nicht<br />
müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir ernten ohne Aufhören.<br />
J. L. Müller.
Salzmannals Aufklärungstheologe<br />
Von<br />
Dr. phil. Margot Hochheim<br />
Nach dem Zeitalter der Konfessionskriege, das mit der "glorreichen Revolution"<br />
und der Toleranzakte Wilhelms III. von England (1688 s.) endigt, entsteht<br />
eine neue weltliche Kultur, die sich von aller kirchlichen Bevormundung losringt,<br />
auf die Kirchen selbst aber in steigendem Maße einwirkt. Diesen Prozeß bezeichnet<br />
man alg die Aufklärung.<br />
Schon im 12. und 13. Jahrhundert ist eine allmähliche Lösung einzelner Kulturzweige<br />
von der Vorherrschaft der Kirche zu bemerken, die sich im Zeitalter der<br />
Renaissance noch beschleunigt. Die erste individualistische, von der kirchlichen Autorität<br />
freie Welt- und Lebensanschauung entsteht.Im 16. Jahrhundert wird die Renaissance<br />
von den religiösen Bewegungen gehemmt, aber nicht völlig unterdrückt. Sie bleibt<br />
vielmehr als Unterströmung bestehen, entwickelt sichin aller Stille im 16. und 17. Jahrhundert<br />
zur exakten Naturwissenschaft und zur historisch-philologischenKritik. Als<br />
die konfessionellen Kämpfe nachlassen, verbinden sich diese wissenschaftlichen Bestrebung<br />
mit der allgemeinen Reaktion gegen die kirchlich bestimmte Kultur: die<br />
Weltanschauung der Aufklärung entsteht.<br />
Charakterisiert ist die Aufklärung durch eine starke Diesseits- und Kulturfreudigke<br />
und einen fast unbegrenzten Optimismus gegenüber der Schöpfung und<br />
dem Menschen. Ein reger Reformeifer entsteht, der sichauf dem Gebiet des Staates,<br />
des Wirtschaftslebens, der Kirche und deo Erziehungswesens betätigt. Am hervorstechend<br />
ist aber an der Aufklärung der ausgesprochene Intellektualismus. Erkenntnis<br />
und Wahrheitsforschung steigern sich.An Stelle des blinden Autoritätsglaubens<br />
und der scheuenPietät gegen alles Überlieferte tritt der rücksichtsloseDrang<br />
nach selbständiger Erkenntnis. Nur was vor der Vernunft bestehen kann, soll gelten.<br />
Kant<br />
bestimmt den Begriff ,,Aufklärung" folgendermaßen: "Aufklärung ist der Ausgang<br />
des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist<br />
das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.<br />
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit,<br />
wenn die Ursache derselben nicht am Mangel<br />
des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne<br />
Leitung eines anderen zu bedienen."<br />
Die protestantischen Theologen können die ungeheure Umwälzung der Weltanschau<br />
nicht verhindern. Sie erliegen vielmehr selbst den neuen Ideen. Das<br />
orthodoxe System der Dogmatik wird allmählich zersetzt. Die deutsche Aufklärungstheologie<br />
trägt jedoch einen verhältnismäßig konservativen Charakter. Fast durchweg<br />
wird die Offenbarung anerkannt, in ihrer Bedeutung aber abgeschwächtund in kein<br />
klares Verhältnis zur Vernunft gesetzt.<br />
Die deutsche Aufklärungstheologie durchläuft drei Entwicklungsstadien: In der<br />
Übergangstheologie kündigt sich das Nahen der Aufklärung erst leise an. Der<br />
dogmatischeGehalt der Orthodoxie wird möglichst gewahrt, der Vernunft aber zugleich<br />
eine gesteigerte Bedeutung gegeben und alle Gedanken nach der praktischen
Seite gewandt. Aus der Übergangstheologie geht um 1750 die Neologie hervor,<br />
die eigentliche deutsche Aufklärungstheologie. Sie entwickelt sichin zwei Richtungen,<br />
einer konservativeren und einer radikaleren. Für die konservativ-supranaturalistisch<br />
gerichtete Gruppe ist Christian Fürchtegott Gellert typisch. Die Radikalen sind die<br />
großen Praktiker Sack, Spalding, Jerusalem, Zollikofer. Die kritisch gerichtete Gruppe<br />
hat ihren bedeutendsten wissenschaftlichenVertreter an Johann Salomo Semler; der<br />
zwischen Theologie und Religion (- Gottvertrauen), zwischen öffentlicher und<br />
privater Religion unterscheidet. Oao Individuum hat nach seiner Meinung das<br />
Recht zu voller Freiheit seiner religiösen Überzeugung. Aber die öffentliche Religion<br />
darf von den Privatmeinungen nicht berührt werden. Nur der Staat hat über ihre<br />
Gestalt zu bestimmen. — Eine Übersteigerungsform der Neologie ist der Naturalismus,<br />
der alle Offenbarung bekämpft. Zu seinen Vertretern gehören das<br />
,,entfant terrible" der Aufklärung Karl Friedrich Bahrdt und Hermann Samuel<br />
Reimarus. Reimarus bestreitet alle Offenbarung und führt die Entstehung des<br />
Christentums auf einen Betrug zurück: die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen<br />
und die Lüge aufgebracht, er sei auferstanden. Diese Ansichten legt Reimarus<br />
in der "Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes" nieder,<br />
von der Lessing einzelne Teile als "Fragmente eines Ungenannten" in Wolfenbüttel<br />
herausgibt.- Die Neologen glauben an einen friedlichen Ausgleich zwischen Vernunft<br />
und Offenbarung. 3n den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts drängt<br />
nun dieses Problem auf eine klare Entscheidung hin. Die unorganisch verbundenen<br />
Elemente kämpfen um die Alleinherrschaft. In diesem Wettstreit siegt zuerst das<br />
rationale. So löst der Rationalismus das Zeitalter der Neologie ab. Aber auch<br />
unter der Vorherrschaft der Vernunft bleibt die Verbindung zur biblischen Offenbarung<br />
erhalten: so ist der Naturalismus gebannt, und die Rationalisten wirken<br />
innerhalb der Kirche. Sie halten an der Bibel fest, deuten aber ihren Inhalt um,<br />
indem sie alles Übernatürliche und Wunderbare beseitigen. — Auf der neologischen<br />
Auffangung der Religion alg eines in das Unsichtbare übergreifenden Erkennens<br />
baut der Supranaturalismus auf. Er beschränkt einerseits die Vernunft, um<br />
dem Glauben Platz zu machen, beweist aber andererseits gerade mit Gründen der<br />
Vernunft Notwendigkeit und Wirklichkeit der biblischen Offenbarung. Trotz heftiger<br />
gegenseitiger Befehdung sind Rationalismus und Supranaturalismus nahe verwandt.<br />
Das zeigt sichvor allem an den Vermittlungsversuchen: rationaler Supranaturalism<br />
und supranaturaler Rationalismus.<br />
Mit dem Reformeifer, der dem Zeitalter der Aufklärung eigen ist, gehen nun<br />
die Theologen an die Umsetzung der neuen Anschauungen in die kirchliche Praxis.<br />
Kein katholischeBräuche werden beseitigt: Exorzismus, Tragen von Meßgewändern,<br />
Läuten des Wandelglöckchens während der Einsetzungsworte. Oer Gottesdienst,<br />
dessen Stimmung optimistisch und leicht rührsam ist, steht unter dem Gesichtspunkt<br />
der Volksbelehrung zum Zweck der moralischen Besserung. Deshalb werden lateinische<br />
Stücke abgeschafft. Die biblisch und kirchlich geprägte Kultursprache wird durch<br />
moderne Ausdrucksformen ersetzt. Die Gesangbücher werden revidiert, indem man<br />
die alten Lieder von unverständlichen Sprach-, Vorstellungs- und Lehrformen befreit.<br />
Die Gebete bekommen einen anderen Inhalt: man betet die allgemein für
sorgente göttliche Weisheit an. Der einzelne Mensch bleibt hier im Mittelpunkt,<br />
aber nicht mehr unter dem Gesichtspunkt von Sünde und Gnade, sondern von<br />
Wohl und Wehe, Tugend und Glückseligkeit. Die Predigt legt Nachdruck auf die<br />
in der Sittlichkeit sich bewährende praktischeFrömmigkeit. Kirche- und zeitgeschichtliche<br />
Stoffe, Naturgefühl usw. werden ihr zugrunde gelegt. Ihren Tiefstand erreicht<br />
die rationalistische Predigt in der Nützlichkeitspredigt, z. B. predigt man Weihnachten<br />
über den Vorzug der Stallfütterung vor der Koppelwirtschaft. Die Abendmahlsliturgie<br />
und Taufe werden umgestaltet, ebenso die Agenden. Außerhalb des Gottesdienstes<br />
dienen verständlichere Bibeln und eine Fülle von gedruckten Predigten und<br />
Andachten als Erbauungsmittel. Der Religionsunterricht erstrebt Verständnis von<br />
Religion und Christentum. Die pietistischeMethode der Katechisation wird abgeschafft.<br />
Jetzt soll der gelernte Stoff dem Verständnis und der Überzeugung zugänglich<br />
gemacht werden. Das geschiehtmit Hilfe der Sokratik, deo Gebrauchs von Frage<br />
und Antwort, um statt des mechanischen Memorierens Verständnis, selbständige<br />
Denktätigkeit und Überzeugung zu wecken. Ziel des Unterrichts ist: den Weg zur<br />
Tugend, Weisheit und Glückseligkeit zu zeigen. — Die Heidenmission geht im Zeitalter<br />
der Aufklärung zurück. Die Aktivität richtet sich mehr nach innen. Armen-,<br />
Waisen- und Krankenpflege werden besser geordnet. Außerdem sorgen die Pfarrer<br />
für Einführung neuer Erwerbszweige, Gründung von Industrieschulen und vorbildliche<br />
Wirtschaftsführung. Nie haben Christentum und Kirche der "Welt" mehr<br />
geleistet als in der deutschen Aufklärung.<br />
Salzmann gehört der praktischen Richtung der Neologie an. Mit Männern<br />
wie Spalding und Zollikofer fühlt er sich nahe verwandt. An der Offenbarung<br />
hält er fest. "Ist es doch gewiß, daß die Quelle alles Lichts, das dem Menschen<br />
zur wahren, seiner Natur angemessenen, Glückseligkeit leuchtet, die göttliche<br />
Offenbarung, .sey." (Beyträge zu Aufklärung des menschlichen Verstandes in<br />
Predigten, Leipzig 1779, S.7f.) Aber neben der Offenbarung steht bei ihm die<br />
Vernunft, die er alg ein Geschenk Gottes bezeichnet, deren Stimme Gottes Stimme<br />
ist. Vernunft und Offenbarung müssen zusammenwirken. Die subjektive Vernunft<br />
scheint ihm für gewöhnlich nicht dazu geeignet, den Menschen sicherzu leiten, hinlänglich<br />
zu stärken und zu beruhigen. Deshalb muß sichder Mensch an die Aussprüche<br />
einer höheren Vernunft, an die Offenbarung, halten. Wie Semler unterscheidet<br />
Salzmann zwischen Theologie und Religion. Religion ist nicht Erkenntnis, Wissenschaft<br />
wie die Theologie, sondern Gesinnung. Gottesdienst und Religionsunterricht<br />
sollen den Menschen zur Religion führen und nicht in die Streitigkeiten der Theologie<br />
hineinziehen.<br />
Der Pfarrer soll die Kanzel nicht in der Absicht besteigen, "um gelehrte Leute<br />
zu ziehen, um unsern Zuhörern Dogmatik, Hermeneutik, Kirchengeschichteund dergleichen<br />
zu lesen, sondern, um ihnen das Bild Gottes wieder herzustellen, ihnen die<br />
große Weisheit beyzubringen, wie Gott, glücklich zu seyn und glücklich zu machen".<br />
(Beyträge zur Aufklärung des menschlichen Verstandes, S.9.) Um auf seine Zuhörer<br />
zu wirken, soll er deutsch und einfach predigen. Die Kultussprache muß von<br />
morgenländischen Ausdrücken gereinigt<br />
werden, und sie darf nicht schwülstigsein. Es<br />
ist besser, eine lateinische als eine schwülstige Predigt zu halten. Eine lateinische
Predigt versteht der einfache Mann gar nicht, eine schwülstige erweckt in ihm nur<br />
falsche Vorstellungen. Gesänge, Gebete und Predigt sollen frei von Dogmatik sein.<br />
Wag ist Dogmatik ? "Es ist eine Sammlung von Erklärungen solcher biblischen<br />
Sätze, die unsern Verstand übersteigen, denen man insgemein Unleugbarkeit beylegt,<br />
und die man als das ne plus ultra des menschlichen Verstandes ansieht."<br />
(Hermes, Fischer, Salzmann, Beytraege zur Verbesserung des öffentlichen Gottesdienstes<br />
der Christen, 1. Bd., 2. Stück, Leipzig 1786, Salzmann, Fortsetzung der<br />
Abhandlung von der Nothwendigkeit der Verbesserung der Liturgie S. <strong>4.</strong>) Der<br />
Mensch hat von Natur aus den Drang, alles Geheimnisvolle erforschen zu wollen.<br />
So hat er sichauch über die Natur des gesegneten Brotes und Weines, die Taufe,<br />
die Person Jesu, die Eingebung der heiligen Schrift usw. Gedanken gemacht. Aber<br />
so viele Menschen nun über diese "Geheimnisse des Christentums" nachdachten, so<br />
viele Meinungen entstanden auch darüber. Es hat nun aber zu allen Zeiten Menschen<br />
gegeben, "die entweder durch ihre Verdienste, oder durch ihre Kabalen sich über ihre<br />
Zeitgenossen erhoben, und diese Ueberlegenheit dazu benutzten, daß sie Kirchenversammlun<br />
zusammen beriefen, durch sie ihre Meynungen bestaetigen, zu Artickeln<br />
des christlichen Glaubens machen, und alle die mit dem ewigen Feuer bedrohen ließen,<br />
die sie bestreiten würden. So entstund die Dogmatik" (a. a. G. S. 5f.). Salzmann<br />
greift keine dieser Vorstellungen an; aber er hält es für gotteslästerlich, wenn man<br />
diese Vorstellungen alg Lehre Jesu von der Kanzel predigt. Dogmatik zu predigen<br />
entehrt Gott und den Erlöser und verdirbt die Menschen. "Es entehrt Gott. Wie<br />
kann ich Achtung gegen einen Fürsten haben, der mich von den Launen eines seiner<br />
Bedienten abhaengig macht? Und wie kann ich die kindliche Hochachtung, Furcht,<br />
Liebe, das unwandelbare Vertrauen zu meinem Schöpfer und Vater behalten, daß<br />
er verdient, wenn man mich glaubend macht, er werde mich nicht nach meiner Rechtschaffen<br />
und Thaetigkeit für das Gute, sondern nach dem Beyfalle belohnen, den<br />
ich den Einfaellen eines Athanasius, Gregorius, Luthers oder Calvins gebe?"<br />
(a. a. G. S. 9f.). Es entehrt den Erlöser, wenn man ihm menschlicheEinfälle unterschiebt.<br />
Die Lehre Jesu gibt dem Menschen höchste Vollkommenheit und Beruhigung.<br />
"Wenn man nun, statt dieser Göttlichen Lehre, die Einfaelle irgend eines Menschen<br />
vortraegt, welches die Dogmatik allemal ist, zu der Zeit vortraegt, daman deo<br />
Erlösers Lehre predigen sollte, entzieht man da den Menschen nicht die Mittel sich<br />
vollkommner und glücklicher zu machen? Heißt das nicht ihn verderben?" (a. a. G.<br />
S. 11 f.).<br />
Die Dogmatik tötet außerdem die Nächstenliebe. Der Dogmatiker hält alle,<br />
die nicht seiner Überzeugung sind, für unglücklich. Seine Menschenliebe treibt ihn,<br />
sich der Verirrten anzunehmen und ihnen seine Überzeugung beizubringen. Wenn<br />
sie widerstreben, so braucht er Gewalt. So entstehen Inquisitionen, Verfolgungen<br />
und Absenkungen. "Auf diese Art kehrt die Dogmatik alles um und verwandelt die<br />
wohlthaetigsten Neigungen der Menschen, in menschenfeindliches Bestreben, die<br />
Brüder zu verderben (a. a. G. S. 13). Deshalb weg mit der Dogmatik aus den<br />
Predigten! Auch Jesus predigte ohne Dogmatik. Wenn jemand an ihn glaubte und<br />
Proben seiner Rechtschaffenheit gab, so erkannte er ihn als seinen Freund an, ohne<br />
von ihm ein Glaubensbekenntnis zu fordern.
Die Gesangbücher müssen auch in anderer Hinsicht noch revidiert werden. Sie<br />
enthalten eine Unzahl von Ausdrücken, die sich nur auf das Judentum beziehen.<br />
Ausdrücke wie Jerusalem, Babel, Canaan, Ägypten, David, Saul sind dem Juden<br />
von großem Wert, bedeuten aber für den Christen nichts. Außerdem enthalten die<br />
Lieder unwahre Behauptungen: "Daß bey Gott, im eigentlichen Verstande,<br />
Zorn statt finde; daß die Verdammten Pech und Schwefel trinken müssen, daß es<br />
Gespenster gebe, daß wir von des Teufels Herrschaft abhaengen, daß die schöne<br />
Welt, die wir bewohnen, ein Loch, ein Kerker und dergleichen sey, glaubt fast<br />
Niemand mehr. Und doch nöthigen uns unsere Gesangbücher, dergleichen dem<br />
lieben Gott vorzusingen, sie machen uns zu Heuchlern." (Hermes, Fischer und Salzmann,<br />
a. a. G., 1. Bd. 1. Stück, Leipzig 1785: Salzmann, Wie nothwendig eine<br />
Verbesserung der Liturgie sey! S. 2<strong>4.</strong>)<br />
Das Gebet ist nach Salzmanns Definition ein Gespräch des herzens mit<br />
Gott. Es muß aus innerstem Herzen, aus dem Gefühl der gegenwärtigen Bedürfnisse<br />
kommen. Kein Mensch kann seine Empfindungen, die er in einem Gebet ausdrückte,<br />
zur Gebetsformel für künftige Zeiten machen und verlangen, daß andere sie<br />
nachbeten sollen. Sein Gebet war vielleicht in seiner Lage unverbesserlich. Für<br />
andere Menschen, die sichin einer ganz anderen Lage befinden, wäre es Unwahrheit.<br />
Das Gebet, das Gespräch jedes einzelnen Herzens mit Gott, soll in dem<br />
Wunsche gipfeln, daß wir uns ganz an Gott ergeben, ganz seinen Willen tun, jedes<br />
Schicksal, das uns trifft, mit Dank annehmen und unseren Beruf mit möglichster<br />
Treue erfüllen.<br />
Jesus ist in die Welt<br />
gekommen, nicht um einer Nation seine Religion zu bringen,<br />
sondern der Menschheit überhaupt. Er gab ihr keine bestimmte äußere Form, weil<br />
er sie dadurch für einen großen Teil der Menschen unbrauchbar gemacht hätte. Darin<br />
sieht Salzmann gerade einen sprechendenZug ihrer göttlichen Abkunft. Er gab keine<br />
Vorschriften für Kleidung, Zeremonien, Feiertage, Fasten und Wallfahrten. Oao<br />
Einzige, was er an Äußerlichem verordnete, war, "daß diejenigen, die seine Lehre<br />
annaehmen, sich durch ein Wasserbad, im Namen des Vaters, des Sohnes und des<br />
heiligen Geistes dazu einweihen lassen, und hernach, zum Denkmahle seines Todes<br />
und zur Beförderung brüderlicher Liebe, bisweilen gemeinschaftlich von einem Brode<br />
essen,und aus einem Kelche Wein trinken sollten". (Hermes, Fischer und Salzmann,<br />
Beyträge zur Verbesserung des öffentlichen Gottesdienstes 1 . Bd. 1. Stck. Leipzig<br />
1785: Salzmann, Wie nothwendig eine Verbesserung der Liturgie sey! S. 5.) Die<br />
Äußerlichkeiten bei Taufe und Abendmahl bestimmte er jedoch nicht, sondern er überließ<br />
sie dem Geschmackund den Einsichten jeder Nation<br />
und jedes Zeitalters.<br />
Für die Taufe gab Jesus die Vorschrift: "Gehet hin in alle Welt und lehret<br />
alle Voelker, und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des<br />
heiligen Geistes!" (Hermes, Fischer und Salzmann, a. a. G. 2. Bd. 1. Stck.<br />
Leipzig 1787: Salzmann, Fortsetzung der Abhandlung von der Nothwendigkeit der<br />
Verbesserung der Liturgie, S. <strong>4.</strong>) In der urchristlichen Gemeinde ging der Unterricht<br />
der Taufe immer voran. Salzmann tadelt nun, daß man den Vorschriften deo Erlösers<br />
zuwiderhandelt. Zunächst fehlt bei der Taufe der Unterricht. Bei Erwachsenen,<br />
die von einer anderen Religion zum Christentum übertreten, findet er zwar statt,
nicht aber bei der üblichen Kindertaufe. "Taufen ohne vorhergegangenen Unterricht<br />
kommt mir vor, als wenn man jemanden auf versiegelte Gesetze verpflichten, und<br />
sie ihm erst, nach Ablegung des Eides, bekannt machen wollte" (a. a. G. S. 8).<br />
Außerdem fehlt bei dem Täufling der Glaube an die Lehre Jesu und das Versprechen,<br />
nach ihr sein Leben einrichten zu wollen. Das Versprechen der Paten an Stelle des<br />
Kindes läßt er nicht gelten. Niemand kann für einen anderen etwas versprechen,<br />
wozu er von dem anderen nicht bevollmächtigt worden ist. Auch der Exorzismus<br />
kann mit den Grundsätzen der christlichen Lehre nicht bestehen. Salzmann lehnt also<br />
die Kindertaufe ab und meint, auch Luther hätte das getan. Luther hat zwar die<br />
Kindertaufe nicht angetastet. In seinen Katechismus setzter aber die Worte: "ohne<br />
Gottes Wort ist das Wasser schlecht Wasser und keine Taufe, und<br />
trauete seinen Nachfolgern zu, daß sie schon so klug seyn würden einzusehen, daß<br />
Gottes Wort nur bey denen Glauben wirken könne, die es verstünden, daß also für<br />
die neugebohrnen Kinder Gottes Wort, folglich auch die Taufe nicht gehöre"' (a. a. G.<br />
S. 14). Die Kindertaufe darf nicht verboten werden. Man soll vielmehr den Eltern<br />
Freiheit lassen, den Termin der Taufe selbstzu bestimmen und soll zehn- bis zwölfjährige<br />
Kinder mit größter Feierlichkeit taufen. Die Taufe ist nichts anderes als ein<br />
Aufnahmeakt in die christliche Gemeinde. Jesus hat aber nicht gesagt, "daß die<br />
Taufe ung bessern und angenehm machen solle" (Christliche Hauspostille, 3. Bd.,<br />
Schnepfenthal 1793, S. 121). (Schlußfolgt.)<br />
Von unsernMitgliedern<br />
Zu unserer Freude traten in die VAS ein:<br />
Hubertus von der Decken (1933—<strong>1935</strong>), zurzeit Schnepfenthal.<br />
Gerhard Kirchhoff, Kunstschüler, Dresden 19, Löscherstr.3II (Zögling 1927<br />
bis <strong>1935</strong>).<br />
Aus der VAS abgemeldet wurde:<br />
Wolfgang<br />
Schoenborn.<br />
Durch den Tod verloren wir:<br />
Professor Dr. Ernst Regel, Halle.<br />
Dr. med. Werner Benischek, Arzt am Copley-Hospital in Aurora, Illinois<br />
USA. (Zögling 1913—1916).<br />
Herbert Martens (Zögling 1891—1895), † am 6. Oktober <strong>1935</strong>.<br />
Carl Salzmann, Fürstlich Schaumburg-Lippescher Ökonomierat und Erzherzoglic<br />
Güterinspektor, † am 28. Oktober <strong>1935</strong> in Villany in Südungarn<br />
im Alter von 75 Jahren. (1870—1872.)
Veränderungen:<br />
Edmund Weihe, Fahrenhaupt bei Marlow in Mecklenburg.<br />
Fräulein Wiebe Ausfeld, Schnepfenthal (Thür.).<br />
Dieter Pfennig, Gebrauchsgraphiker, Sonnenberg (Filder) bei Stuttgart<br />
Degerloch, Laustraße 7.<br />
Fräulein Sabine Burggraf, Schule Schloß Salem, Baden.<br />
Professor Dr. Franz Hochheim (1885-1888), Naumburg a. d. Saale, Wilhelm-Wagner-<br />
8.<br />
Fräulein Dr. phil. Margot Hochheim, Naumburg a. d. Saale, Wilhelm-Wagner-<br />
8.<br />
Alfred Künzel unverändert Hamburg 39, Scheffelstraße 3<strong>4.</strong><br />
Frau A. Blum geb. Witschel, Weimar, Wörthstraße 18.<br />
Gerd Wenzel, Geschäftsführer, Trommlerverlag, Bernburg a. d. Saale,<br />
Admiral-Scheer-Straße 131.<br />
Bruno Eggert, Ingenieur, Gotha (Thür), Liebetraustraße 21.<br />
Dr. J. W. Müller, Flat ,,Willemspark" Zeestraat 73, Den Haag (Holland).<br />
Wer weiß die Anschriften der zurzeit unerreichbaren Mitglieder? Es sind dies:<br />
Hauptmann Werner Pohl.<br />
Kaufmann Hartwig Wenzel.<br />
stud. Franz Wellschmied.<br />
Gustav Weitert.<br />
Hans Trinius, Generalmusikdirektor.<br />
Wilhelm Cleß, Dresden.<br />
Manfred Hübner, Halle.<br />
Hans Calberla, Dresden.<br />
cand. med. Hans Friedrich von Trott zu Solz.<br />
Werner<br />
Behrends.<br />
Ehrhard Lux.<br />
Graf Luxburg.<br />
Anneliese Witschel.<br />
Herbert Kolbe.<br />
Friedrich Karl<br />
Krauß.<br />
Mitteilungen an den Schriftführer der VAS, Hellerau bei Dresden, Tännichtweg<br />
2. Ditte, teilen Sie jede Veränderung Ihrer Anschrift dorthin mit!<br />
Als unbestellbar kamen zurück Sendungen, die gerichtet waren an:<br />
Fräulein Helgg Dreiß,<br />
Felix Kirchberger,<br />
Wilhelm Bostelmann.<br />
Wer weiß die Anschriften der Vermißten?
Unser verehrter Herr Dr. med. Stumme, Leipzig, schenkte der Bibliothek zu<br />
Schnepfenthal wieder einige für die Geschichte der Anstalt wichtige Bücher und<br />
Zeitungsblätter, wofür ihm auch hier herzlich gedankt sei.<br />
Alte ,,Schnepfenthäler Nachrichten" umsonst!<br />
Hefte der "Schnepfenthäler Nachrichten" von 1914, 1919-1924 und 1928-<strong>1935</strong><br />
sind zum Teil in erheblichen Mengen verfügbar und werden umsonst abgegeben,<br />
ebenso Mitteilungen der VAS von 1926-1928 und VAS- Mitgliederverzeichnisse.<br />
(Im Kriege und von 1925-1927 sind die "Nachrichten" nicht erschienen.)<br />
Interessenten bitte ich um kurze Mitteilung, welche Hefte oder Jahrgänge sie<br />
wünschen. Für Versandspesen bitte ich einen entsprechenden Obolus nach eigener<br />
Schätzung in Briefmarken beizufügen. Falsche Bescheidenheit bei der Bestellung<br />
kommt nicht in Frage, da wir räumen möchten. Von zeitraubenden Mitteilungen<br />
über etwa vergriffene hese werden Sie mich aber dispensieren und in solchem Fall<br />
damit einverstanden sein, daß ich den gedachten Obolus nebst etwaigen Überschüssen<br />
der<br />
Bibliothekskasse zuführe.<br />
Schieben Sie Ihre Bestellung nicht auf und denken Sie, bitte, auch daran,<br />
daß Sie mit solchen Heften für Schnepfenthal werben können!<br />
Dr. W. Thiemer.<br />
Hauptschrtftleiter: Studienrat J.L. Müller, Hellerau, Tännichtweg 2.<br />
Postscheck fürdieVAS: "Vereinigung AlterSchnepfenthäler", Schnepfenthal betSchnepfenthal-Rödichen, P.Sch. A. Erfurt15760<br />
Pierersche Hofbuchdruckerei StephanGeibel & Co.in Altenburg (Thür.).