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mpg_journal_13.pdf - 5 MB - Max-Planck-Gymnasium

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Aktuelles<br />

Mut zur Entscheidung<br />

Schule neu denken und gestalten<br />

Von Eberhard Knoll<br />

Gibt es ein Schlagwort im derzeitigen<br />

Diskurs in unserer Bildungsland -<br />

schaft, das das „pädagogische Heil“<br />

auf Erden verspricht, so ist es der Be -<br />

griff „Individualisierung“. In der Presse<br />

wird dann ein liebevoller Lehrer –<br />

meist weiblichen Geschlechts – abgebildet,<br />

der sich um ein einzelnes, aufmerksam<br />

lernendes Kind beugt. So<br />

wird der Leser in seiner Assoziation<br />

bestärkt, dass Individualisierung, sich<br />

um einen einzelnen Schüler zu kümmern,<br />

etwas Positives ist.<br />

Doch das ist Ideologie – die Wirk lich -<br />

keit sieht gänzlich anders aus: Indi vi -<br />

dua lisierung heißt immer auch: Kinder<br />

in Lerngruppen einteilen (Selektion!)<br />

und Anpassung des Lernniveaus an<br />

die schlechteren Schüler (Nivellierung<br />

und Qualitätsverlust!).<br />

Wie reagiert das MPG auf diese<br />

Entwicklung?<br />

Zum einen wurde im Schuljahr<br />

2011/2012 eine umfassende Umfrage<br />

unter Schülern, Lehrern und Eltern<br />

durchgeführt mit dem Ergebnis, dass<br />

zwar das Lern- und Arbeitsklima an<br />

un serer Schule sehr gut ist, dass aber<br />

„die guten und die schwächeren<br />

Schü ler an unserem <strong>Gymnasium</strong> zu<br />

we nig gefördert und gefordert werden“.<br />

Zum anderen wurde die verbindliche<br />

Grundschulempfehlung für den Zu -<br />

gang zum <strong>Gymnasium</strong> abgeschafft<br />

und das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Gymnasium</strong><br />

stand – wie alle anderen Gymnasien<br />

in Baden-Württemberg auch – vor<br />

dem Problem, Schüler mit unter -<br />

schied lichstem Könnensstand ins<br />

Gym nasium aufzunehmen. Im Raum<br />

Stuttgart wurden im Herbst 2011 51<br />

Prozent der Viertklässler, ein Jahr<br />

spä ter – dem Jahr der Abschaffung<br />

der Grundschulempfehlung – 63 Pro -<br />

zent der Viertklässler am <strong>Gymnasium</strong><br />

angemeldet. Es ist unwahrscheinlich,<br />

dass die zunehmende Intelligenz der<br />

Schüler für diesen sprunghaften An -<br />

stieg der Anmeldezahlen verantwortlich<br />

gemacht werden kann!<br />

Pädagogischer Tag zum Thema<br />

Heterogenität<br />

Angesichts dieser Herausforderungen<br />

haben wir einen pädagogischen Ar -<br />

beits kreis eingerichtet, der sich beider<br />

Problemfelder annimmt. Dieser hat<br />

die Förderung und Forderung des einzelnen<br />

Schülers (Individualisierung)<br />

zum zentralen pädagogischen Thema<br />

des Schuljahres 2012/2013 erklärt. Im<br />

April fand ein pädagogischer Tag<br />

statt, an dem Herr Professor H. Hoff -<br />

meister vom Studienseminar Stutt gart<br />

das Problem des unterschiedlichen<br />

Könnesstandes unserer Schüler aus<br />

der Perspektive des Lehrers betrachtet<br />

hat.<br />

Das Thema hieß: Umgang mit Hetero -<br />

genität im Kontext einer neuen Lern -<br />

kultur und Binnendifferenzierung – mit<br />

Unterschieden leben und umgehen.<br />

Zu Beginn des ersten, eher theoretischen<br />

Teils seiner beiden Vorträge<br />

sprach der Referent über die Ursa -<br />

chen von Heterogenität (wie unterschiedliche<br />

Begabung, Akzeleration<br />

oder Migrationshintergrund), die so -<br />

wohl als Problem als auch als Chance<br />

begriffen werden können. Des Wei -<br />

teren lud er die Kollegen dazu ein,<br />

ihre bisherigen Deutungsmuster über<br />

Lehren und Lernen zu hinterfragen –<br />

ein spannender Prozess, bei dem<br />

deutlich wurde, wie unterschiedlich<br />

Lehrer Unterschiede im Verhalten der<br />

Schüler beurteilen: Gibt es einen<br />

Zusammenhang zwischen Schüler -<br />

leis tung und Begabung? Was ist guter<br />

Unterricht? Wann ist eine Klassen ar -<br />

beit gut ausgefallen? Was ist ein<br />

guter/schlechter Schüler? Die Antwor -<br />

ten auf diese Fragen fallen sehr unterschiedlich<br />

aus.<br />

Der Referent erinnerte uns Kollegen<br />

in seinem spannenden Vortrag an die<br />

wesentlichen Aspekte von Hetero -<br />

genität:<br />

- Heterogenität hat es schon immer<br />

ge geben.<br />

- Heterogenität muss im Zusammen -<br />

hang eines erweiterten Lern- und<br />

Bil dungsbegriffs gesehen werden,<br />

der seit der Bildungsreform 2004 un -<br />

serem Bildungsplan zugrunde liegt.<br />

So kamen zu den inhaltlich-fachlichen<br />

Kompetenzen die Vermittlung<br />

der methodischen, personalen und<br />

sozialen Kompetenzen dazu.<br />

- Angesichts der Heterogenität innerhalb<br />

einer Schulklasse ist der Lehrer<br />

immer ein „Brückenbauer“ zwischen<br />

dem Schüler mit seinen unterschiedlichen<br />

Bedürfnissen und Wünschen<br />

und der Gesellschaft, die Anfor -<br />

derungen an den Schüler im Sinne<br />

einer Anpassungsleistung stellt.<br />

- Vor dem Hintergrund der Hetero ge -<br />

nität muss der Gedanke hinterfragt<br />

werden, ob alle Schüler an dasselbe<br />

Ziel kommen sollen.<br />

Thesenartig stellte er abschließend<br />

ei nige für ihn wesentliche Elemente<br />

von gelingendem Unterricht vor; diese<br />

sind:<br />

- eine Mischung aus Instruktion und<br />

Konstruktion, d.h. Informationsauf -<br />

nah me und Problemlösen oder:<br />

Lehrervortrag und Gruppenarbeit,<br />

- transparenter Unterricht im Bezug<br />

auf das, was gelernt werden soll,<br />

- die Einbeziehung der Schüler in die<br />

Verantwortung für das, was gelernt<br />

werden soll, für den Referenten so -<br />

gar bei der mündlichen Notenge -<br />

bung,<br />

- und vor allem ein Erziehungsstil, der<br />

die Wertschätzung der Schüler in<br />

ihrer Unterschiedlichkeit im Blick<br />

hat.<br />

Die zentrale, aber auch strittigste Fra -<br />

ge in der derzeitigen Bildungs dis kus -<br />

sion scheint zu sein: Müssen alle<br />

10<br />

Nr. 37 • Ausgabe 2013

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