mpg_journal_13.pdf - 5 MB - Max-Planck-Gymnasium
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Kultur<br />
Kostüme aus Omas Kleidertruhe<br />
Theater-AG spielt russische Komödie<br />
Im Vorfeld war es immer wieder eine<br />
Fra ge, die der Theatergruppe gestellt<br />
wurde: Warum „Der Revisor“, warum<br />
Gogol?<br />
Um es vorwegzunehmen: Mit der Affi -<br />
nität zur russischen Sprache von AG-<br />
Leiterin Nitsch hat dies eher wenig zu<br />
tun. Was also rückt einen Autor bei<br />
der Suche nach einem passenden<br />
Stück für eine Theater-AG in den<br />
Blickpunkt des Interesses? Natürlich<br />
sind das Kriterien wie Unterhaltungs -<br />
wert, Spielbarkeit, die Möglichkeit der<br />
Aktualisierung oder das Angebot an<br />
vielfältig ausgestaltbaren Rollen. Das<br />
alles muss stimmen. Aber dann ist da<br />
noch etwas: das Sterbedatum des Au -<br />
tors. Liegt dies nämlich mehr als 70<br />
Jah re zurück, endet in der Regel das<br />
Urheberrecht. Abgesehen davon,<br />
dass die Aufführungsgebühren für<br />
nicht freie Stücke das Budget einer<br />
Schultheatergruppe schnell sprengen,<br />
geht es vor allem um die Mög -<br />
lich keit, das Stück zu verändern und<br />
den Gegebenheiten anzupassen.<br />
Denn wo findet man schon einmal ein<br />
Stück, das die inhaltlichen Kriterien<br />
er füllt, gleichzeitig aber Rollen für<br />
etwa 20 jugendliche Darsteller bietet<br />
und sich zudem auf einer kleinen<br />
Büh ne mit einfachsten technischen<br />
Mitteln realisieren lässt?<br />
Darum also Gogol, darum „Der Re -<br />
visor“.<br />
Anfangs etwas skeptisch und irritiert<br />
ob der ungewöhnlichen russischen<br />
Na men, ließ sich die Theatergruppe<br />
dann doch schnell vom inhaltlichen<br />
und dramaturgischen Potenzial des<br />
Stückes überzeugen. Schließlich<br />
zählt Nikolaj Gogols Komödie, 1836 in<br />
Sankt Petersburg uraufgeführt, auch<br />
auf deutschen Theaterbühnen nach<br />
wie vor zu den meistgespielten Stü -<br />
cken. Denn „Der Revisor“ nimmt auf<br />
sehr unterhaltsame Weise menschliche<br />
Schwächen im Allgemeinen und<br />
Von Tordis-Arlett Nitsch<br />
den Umgang der Mächtigen mit der<br />
Macht im Besonderen aufs Korn und<br />
wirkt dabei doch erstaunlich aktuell.<br />
Die Theater-AG verlegte das Stück<br />
auf den Beginn des 20. Jahrhunderts.<br />
In einem russischen Städtchen sorgt<br />
die Ankunft eines unbekannten jungen<br />
Mannes (Robert Fischer) samt<br />
Diener (Nils Gürke) für Unruhe. Aus<br />
Petersburg sei er und im Auftrag der<br />
neuen Landesregierung unterwegs,<br />
heißt es. Und man munkelt, es handle<br />
sich um einen Revisor, der inkognito<br />
die staatlichen Einrichtungen und<br />
deren Leiter kontrollieren wolle: die<br />
Rektorin (Ina Schauwecker), die<br />
Amts richterin (Marieke Frank), die<br />
Ärztin (Juliane Wankmüller), den<br />
Polizei chef (Manuel Maier), die Post -<br />
beamtin (Natalie Neumann) und nicht<br />
zuletzt den Bürgermeister Anton Anto -<br />
no witsch (Kai-Hendrik Harder). Grund<br />
zur Sorge haben sie allesamt, denn<br />
mit der Führung ihrer Amtsgeschäfte<br />
nehmen sie es hier – fernab der<br />
Haupt stadt – nun wahrlich nicht so<br />
genau. Entsprechend kreativ geht die<br />
örtliche Prominenz daran, Pläne zu<br />
schmieden, um das drohende Unheil<br />
abzuwenden. Während die Versuche<br />
der beiden Gutsbesitzer (Julia Manz<br />
und Natalie Neumann) eher unbeholfen<br />
wirken, offenbaren die Frau und<br />
die Tochter des Bürgermeisters (An -<br />
na lena Saur und Nathalie Groß) er -<br />
staunliches manipulatives Geschick.<br />
Dabei waren es nicht nur die russischen<br />
Namen wie Valentina Filip -<br />
powna oder Larissa Lasarjewna, die<br />
eine Herausforderung für die junge<br />
Trup pe bildeten. Schließlich mussten<br />
die allesamt zum ersten Mal auf der<br />
Bühne stehenden Jungen gleich tragende<br />
Rollen des Stückes übernehmen,<br />
darunter mit dem Bürgermeister<br />
und dem Revisor sogar die beiden<br />
Haup trollen. Zweifel, ob dies wohl ge -<br />
lingen könnte, räumten die bereits<br />
bühnen erprobten Mitschülerinnen<br />
vehement aus, und so meisterten Kai<br />
und Robert ihre textreichen Rollen<br />
dann mit erstaunlicher Souveränität.<br />
Auch die Kostüme verlangten den<br />
Dar stellern einiges ab. Dabei ging es<br />
nicht so sehr um die durchaus aufwändige<br />
Suche in den Kleider schrän -<br />
ken der Urgroßmütter oder auf verstaubten<br />
Dachböden, sondern vielmehr<br />
um die Überwindung, sich einen<br />
Fuchspelz samt Kopf und Pfoten um<br />
den Hals zu legen. Da war es von<br />
Vor teil, dass die Aufführungen nicht –<br />
wie ursprünglich geplant – im Juni,<br />
sondern schon im Februar stattfanden.<br />
Das setzte das Team zwar gehörig<br />
unter Zeitdruck, machte aber<br />
zumin dest das Tragen von Pelz män -<br />
teln erträglicher. Das ungemütliche,<br />
kalte Winterwetter bot zudem – ebenso<br />
wie das Ambiente des Nürtinger<br />
Schloss kellers – den stimmigen<br />
Rahmen für die beiden Aufführungen.<br />
Deren Unterhaltungswert honorierte<br />
das Publikum mit viel Applaus und<br />
Lob für die jungen Darsteller. Und der<br />
ein oder andere stellte schon beim<br />
Verlassen des Schlosskellers die Fra -<br />
ge, was denn wohl im nächsten Jahr<br />
auf dem Spielplan stehen.<br />
40 Nr. 37 • Ausgabe 2013