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mpg_journal_13.pdf - 5 MB - Max-Planck-Gymnasium

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Projekte<br />

Mit verbundenen Augen durchs Schulhaus<br />

Zehntklässler erfahren hautnah, wie Sehbehinderte den Alltag meistern<br />

Von Marieke Frank und Kai-Hendrik Harder (10a)<br />

Im Rahmen des Projektes „aus:sicht“<br />

des gleichnamigen Vereins hatten<br />

die ses Schuljahr zwölf Schüler der<br />

Klasse 10a die unvergessliche Gele -<br />

gen heit, den Alltag blinder Mitbürger<br />

hautnah mitzuerleben. Am 05. März<br />

2013 trafen wir am Nürtinger Bahnhof<br />

das erste Mal auf eine Gruppe von<br />

Blinden mit ihrer Begleiterin Frau<br />

Antonin. Nach einer kurzen Vorstel -<br />

lungsrunde am MPG konnten schnell<br />

erste Hemmungen abgelegt werden.<br />

Uns Schülern ist dabei sofort aufgefallen,<br />

dass die Blinden über ein hervorragendes<br />

Gedächtnis verfügen.<br />

Sie konnten sich nahezu alle unsere<br />

Namen und sogar unsere Hobbys<br />

mer ken. Wie sie uns erklärten, liegt<br />

das daran, dass sehbehinderte Men -<br />

schen viel öfter auf ihr Gedächtnis<br />

angewiesen sind als wir Sehenden,<br />

schon allein um sich im Alltag orientieren<br />

zu können. Andererseits zeigte<br />

sich jedoch, dass viele in ganz normalen<br />

Berufen beschäftigt sind und<br />

regelmäßig Sport treiben. So sagte<br />

ein Mann, dass er trotz seiner starken<br />

Behinderung leidenschaftlich Fahrrad<br />

fahre, was wir wiederum sehr faszi -<br />

nierend fanden.<br />

Zwei Wochen später trafen wir uns in<br />

Stuttgart, um Einblicke in den Arbeits -<br />

platz eines Sehbehinderten zu be -<br />

kom men. Dort zeigte er uns eine spe -<br />

zielle Tastatur, mit der er ohne<br />

Schwierig keiten am PC arbeiten<br />

kann. Die Funktion des Computers,<br />

das Eingetippte laut wiederzugeben,<br />

sorgt dafür, dass der Schreiber immer<br />

weiß, was aktuell auf dem Bildschirm<br />

zu sehen ist.<br />

Am 22. März trafen wir uns erneut am<br />

MPG. An diesem Tag sollten wir uns<br />

noch tiefer in die Situation eines Blin -<br />

den hineinversetzen: Mithilfe präparierter<br />

Brillen konnten wir verschiedene<br />

Sehbehinderungen hautnah nach -<br />

emp finden. Absolute Blindheit, den<br />

be rühmten „Tunnelblick“ oder auch<br />

„nur“ ver schwommenes Sehen – alles<br />

durften wir selbst erfahren. Mit verbundenen<br />

Augen und einem Blinden -<br />

stock ging es dann quer durch das<br />

Schulhaus. Münzen mussten unterschieden<br />

und ein bestimmter Geld -<br />

betrag herausgelegt werden. Zuletzt<br />

durften wir unsere Namen in Braille-<br />

Schrift, die Schrift der Blinden, auf<br />

einer speziellen Schreibmaschine<br />

schreiben und als Andenken mit nach<br />

Hause nehmen.<br />

Das absolute Highlight unseres Pro -<br />

jektes stellte aber der gemeinsame<br />

Besuch im Dunkelrestaurant Mitte<br />

April dar, dessen Name tatsächlich<br />

wört lich genommen werden kann. In<br />

einer Polonaise führten uns die Blin -<br />

den in einem stockdunklen Raum an<br />

die Tische und servierten Kuchen.<br />

Dann galt es, alltägliche Geräusche<br />

wie das Abreißen eines Tesafilms<br />

oder Streichholzschachteln zu erraten.<br />

Auch das Kuchenessen war mit<br />

einer Aufgabe verbunden; wir sollten<br />

die richtige Sorte herausfinden, was<br />

uns gar nicht so leicht fiel. Aber auch<br />

schon alleine das Essen mit der Ga -<br />

bel, ohne die eigenen Hände zu<br />

sehen, war ein sehr lustiges Erlebnis.<br />

Wir möchten nicht wissen, wie die Ti -<br />

sche des Restaurants nach unserem<br />

Besuch aussahen.<br />

Das Blindenprojekt war für uns alle<br />

auf jeden Fall eine sehr interessante,<br />

lohnende und einmalige Erfahrung,<br />

die noch dazu großen Spaß gemacht<br />

hat. Es hat uns geholfen, sehbehinderte<br />

Menschen, ihr Leben und ihren<br />

Alltag besser zu verstehen und nach -<br />

zuvollziehen.<br />

Deshalb möchten wie an dieser Stelle<br />

Frau Antonin und Frau Eicke für ihr<br />

Engagement und die Idee zum<br />

Blindenprojekt danken. Wir können<br />

das Projekt nur an jeden weiter -<br />

empfehlen, denn erst wenn man selbst<br />

erfahren hat, wie man sich als Blin -<br />

der fühlt, lernt man die eigene<br />

Sehkraft richtig zu schätzen und sieht<br />

die Welt mit etwas anderen Augen.<br />

70 Nr. 37 • Ausgabe 2013

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