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Uns geht's ums Ganze – Mädchen auf Identitätssuche

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„Süß!“ <strong>–</strong> Die Idealisierung von Schwäche und Abhängigkeit<br />

teln. Die Genderisierung der Mimik hat zwei Aspekte, die<br />

beide die hierarchische Unterordnung von Weiblichkeit<br />

festschreiben: zum einen die Infantilisierung (die „weibliche“<br />

Mimik wirkt eher schüchtern, naiv, kindlich oder<br />

gar ängstlich als bedrohlich), zum anderen eine Erotisierung<br />

(die Selbststilisierung als erotisches „Objekt der<br />

Begierde“).<br />

Für eine gendergerecht „männliche“ Mimik stehen deutlich<br />

weniger und konträre Ausdrucksweisen zur Verfügung<br />

(Abbildung 6). Um Stärke, Überlegenheit, Dominanz<br />

zu signalisieren, muss die Mimik eher minimalistisch,<br />

undurchschaubar, reglos und beherrscht sein oder Gefühle<br />

transportieren, die sich negativ gegen den Betrachter<br />

richten. Der Ausdruck von Mitgefühl, Zeichen von emotionaler<br />

Schwäche oder Unterordnung ist tabu, der Ausdruck<br />

von Überlegenheit, Kritik, Abscheu, die eine hierarchische<br />

Überlegenheit über den Betrachter symbolisieren (kritischer,<br />

starrer Blick, Stirnrunzeln, erhobenes Kinn, fest<br />

zusammengepresste Lippen) hingegen identitätsstiftend.<br />

Interessant ist auch die häufige Verwendung von Sonnenbrillen,<br />

durch die der Einblick in die Augen (die „Seele“)<br />

symbolisch abgeblockt wird.<br />

Abb. 9<br />

Die Abbildungen 7 und 8 zeigen zwei weit verbreitete,<br />

ritualisierte Verhaltensmuster, die dazu benutzt werden,<br />

um Zusammengehörigkeit bzw. Verbundenheit mit anderen<br />

Menschen zum Ausdruck zu bringen (so genannte<br />

Bindungszeichen): Abbildung 7 zeigt ein sehr formales<br />

Zeichen, das „unterhaken“. Es wird hier von Kindern<br />

demonstriert, im tatsächlichen Leben aber eher von älteren<br />

Semestern benutzt. In diesem Bindungszeichen ist die<br />

Rollenverteilung zwischen Frau und Mann genau festgelegt<br />

<strong>–</strong> der Mann „gibt Halt“, die Frau „sucht Halt“ am Mann. Es<br />

symbolisiert damit ganz klar eine hierarchische Beziehung.<br />

Gelegentlich wird argumentiert, dass die Rollenverteilung<br />

bei diesem Bindungszeichen gar nicht geschlechtsgebunden,<br />

sondern größenabhängig sei, dass sich also nur die<br />

kleinere Person bei der größeren „natürlicherweise“ unterhake,<br />

und die Frauen seien eben meist kleiner als Männer.<br />

Mit dieser Argumentation wird die genderspezifische<br />

Problematik aber nur weitergeschoben: Die heterosexuelle<br />

Partnerwahl nämlich ist nach wie vor sehr deutlich von der<br />

Vorstellung männlicher Überlegenheit (auch hinsichtlich<br />

der Körpergröße) dominiert, Frauen suchen sich also in der<br />

Regel größere Partnerund Männer kleinere Partnerinnen.<br />

Abb.10<br />

Die Inszenierung des Kinderpärchens links macht deutlich,<br />

dass selbst eine körperliche Überlegenheit der weiblichen<br />

Partnerin nicht zu einer Umkehrung des Musters führt. Das<br />

<strong>Mädchen</strong> muss sich hier kleiner machen, damit das hierarchisierende<br />

Bindungszeichen korrekt durchgeführt werden<br />

kann. Gegenbeispiele sehen wir in der Realität höchstens<br />

in „professionellen“ Beziehungen, etwa zwischen männlichen<br />

Patienten und weiblichem Pflegepersonal (und selbst<br />

in solchen Verhältnissen geben die Beteiligten oft dem<br />

gendergerechten Verbindungsritual den Vorzug).<br />

Ein scheinbar weniger formelles, emotionsgeladeneres<br />

Bindungszeichen ist das sogenannte „Händchenhalten“<br />

(Abbildung 8). Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass<br />

es eigentlich korrekterweise als „An-der-Hand-Führen“<br />

bezeichnet werden müsste, denn es ist ebenso hierarchisie-

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