Uns geht's ums Ganze – Mädchen auf Identitätssuche
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Lesung aus „Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus“<br />
41<br />
Korrektheit, ob ein Satz, den Sie in Bezug <strong>auf</strong> Schwarze<br />
loslassen möchten, in Bezug <strong>auf</strong> »Juden« oder »Weiße«<br />
oder »Frauen« überhaupt aussprechbar wäre.<br />
das in Deutschland als »Kritische Weißseinsforschung«<br />
bezeichnet wird. Diese intellektuelle antirassistische Arbeit<br />
beschäftigt sich nicht nur mit denjenigen, die Rassismus<br />
erfahren, sondern insbesondere mit denjenigen, die ihn<br />
ausüben und von rassistischen Strukturen profitieren.<br />
Schwarze Menschen haben aus Überlebensnotwendigkeit<br />
schon vor ein paar hundert Jahren überall <strong>auf</strong> der Welt<br />
kritische Weißseinsforschung betrieben, indem sie die<br />
Verhaltensweisen und sozialen Realitäten weißer Menschen<br />
benannten und analysierten.<br />
Seit einigen Jahrzehnten ist diese Richtung der kritischen<br />
Gesellschafts- und Rassismusforschung in den USA an<br />
Universitäten etabliert und hat ihren Weg inzwischen<br />
auch nach Deutschland gefunden. Kritische Weißseinsforschung<br />
ist nicht <strong>auf</strong> akademische Arbeiten und Kreise<br />
begrenzt, sondern kann (und sollte) überall dort stattfinden,<br />
wo antirassistisch gearbeitet wird. Es gibt Bücher<br />
und Workshops zu diesem Thema, die man selbst dann<br />
versteht, wenn man nicht dreiundzwanzig Semester<br />
»akademisches Sprechen« studiert hat. Welche das sind,<br />
entnehmen Sie der Literaturliste oder der ausführlicheren<br />
und aktualisierten Buch-Homepage www.deutschlandschwarzweiss.de.<br />
Die Auseinandersetzung mit Weißsein<br />
und gesellschaftlichen Privilegien kann Ihnen ermöglichen,<br />
viel über sich selbst zu lernen, und Ihnen Instrumente<br />
liefern, die Ihnen helfen, die Welt kritischer zu sehen und<br />
fairer zu gestalten.<br />
• Missionieren Sie nicht im Namen anderer<br />
Es gibt in Deutschland qualifizierte VertreterInnen jeder<br />
Gruppe, die Sie unterstützen möchten. Kontaktieren Sie<br />
sie, lassen Sie sich anleiten, und kooperieren Sie.<br />
Schließen Sie sie nicht aus diffuser Angst oder Überheblichkeit<br />
aus, denn sie haben viel mehr Know-how als Sie,<br />
jedoch nicht den Vorteil, dass dieses von der Mehrheitsgesellschaft<br />
angemessen berücksichtigt wird. Da kommen<br />
Sie ins Spiel. Machen Sie Vorschläge, aber versuchen Sie<br />
nicht, alles besser wissen zu wollen. Wenn andere Weiße<br />
rassistische Sachen sagen, können Sie ihnen übrigens<br />
auch beibringen, dass sie das in Ihrer Gegenwart unterlassen<br />
sollen, weil Sie keine Lust <strong>auf</strong> Rassismus haben. Das<br />
sollte als Grund genügen.<br />
• Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür.<br />
Lernen Sie von Critical Whiteness Studies, einem Gebiet,<br />
• Seien Sie politisch.<br />
Wenn Sie in einer Partei sind, sensibilisieren Sie Ihre<br />
Ortsgruppe für das Thema, und machen Sie klar, dass<br />
Deutschland sich vom Ausland so lange Nazi-Sprüche<br />
anhören muss, wie unsere Politik und Öffentlichkeit Rassismus<br />
verschweigen, verharmlosen und nicht konsequent<br />
bekämpfen. Sie müssen aber in keiner Partei sein, um ein<br />
politischer Mensch zu sein.<br />
Schreiben Sie ruhig mal eine Mail an Ihre regionalen<br />
PolitikerInnen und auch an die <strong>auf</strong> Bundesebene, dass das<br />
für Sie ein wichtiges Thema ist und Sie von ihnen fordern,<br />
es engagiert anzupacken. Lassen Sie sich nicht mit<br />
pauschalen »Gegen rechtsextreme Gewalt«-Programmen<br />
abspeisen, denn Sie wissen genau, dass diese nicht explizit<br />
rassistische Strukturen bekämpfen.<br />
Wenn Sie in keiner Partei sind, aber im Karnevalsverein<br />
(das sind oft auch Synonyme), so betreiben Sie bereits<br />
Gesellschaftspolitik: Sie organisieren öffentliche Umzüge<br />
und fröhlichen Widerstand. Sprechen Sie mit Ihren Vereinsmitgliedern<br />
über dieses Thema, und verbannen Sie<br />
rassistische Karikaturen aus Kostümen und von Karnevalswagen,<br />
weil diese schwarze Menschen demütigen und <strong>auf</strong><br />
kolonialen Wurzeln basieren.<br />
Wenn Sie JournalistIn sind, buchen Sie antirassistische<br />
Vorträge zu diskriminierungsfreier Berichterstattung, aber<br />
bitte von schwarzen ExpertInnen.<br />
Fahren Sie zu Demos an Orten, wo Nazis marschieren, und<br />
skandieren Sie: »Ihr habt den Krieg verloren!« Fahren Sie<br />
an Orte, an denen rassistische Überfälle stattfanden, und<br />
zeigen Sie Gesicht. Rufen Sie: »Ich will das nicht!«<br />
Überlegen Sie sich was. Denken Sie mit. Sie müssen in<br />
keinem Verein Mitglied sein, um mit FreundInnen ein<br />
Kolonialdenkmal zu besuchen und eine »Mörder«-Postkarte<br />
dranzukleben oder einen Brief an Ihre Stadt zu schreiben,<br />
dass Sie das Denkmal geschmacklos finden und deswegen<br />
eine andere Partei wählen werden.<br />
Schreiben Sie nach rassistischer Berichterstattung einen<br />
Leserbrief oder eine Mail an das betreffende Medium.<br />
Solange Sie nichts sagen, spielen die Sender und Zeitschriften<br />
sich <strong>auf</strong>, als handelten sie in Ihrem Interesse.<br />
Erlauben Sie das nicht. Schreiben Sie auch Wünsche und<br />
positive Anregungen. Aus meiner langen Medienerfahrung