Kommentar zur Ideen-Kiste - Erika Brinkmann
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Offenheit mit Sicherheit<br />
Wie lernen Kinder lesen und schreiben?<br />
Je mehr wir forschend lernen, wie Kinder sich die<br />
Schrift aneignen, desto deutlicher wird, wie sehr<br />
sich Kinder in ihren vorschulischen Erfahrungen mit<br />
Sprache und Schrift unterscheiden.<br />
Die Unterschiede rühren nicht nur daher, dass<br />
in der ersten Klasse Kinder zusammenkommen, in<br />
deren Familien ganz unterschiedlich mit Sprache<br />
und Schrift umgegangen wird. Potenziert wird diese<br />
Streuung der vorschulischen Erfahrungen durch<br />
die verschiedenen Herkunftssprachen der Kinder in<br />
vielen unserer Klassen.<br />
Deshalb lernen sie sehr unterschiedlich schnell<br />
und sie lernen auf unterschiedlichen Wegen.<br />
Ihre Erfahrungen und ihre Handlungsmöglichkeiten<br />
sind in- und außerhalb der Schule nicht die<br />
gleichen. Deshalb brauchen sie statt eines pauschalisierenden<br />
Lehrgangs passende Angebote, also<br />
Wahlmöglichkeiten, so dass individuelle Zugänge<br />
möglich und verschiedene sprachliche Voraussetzungen<br />
berücksichtigt werden können.<br />
Es ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus<br />
den Forschungen zum Schriftspracherwerb, dass<br />
Kinder besonders dann lernen, wenn sie eigene<br />
Hypothesen über die Logik der Schrift aktiv ausprobieren<br />
und wenn sie dieses Medium für eigene<br />
Zwecke, also praktisch nutzen: Wenn sie lesen,<br />
weil sie etwas wissen wollen; wenn sie schreiben,<br />
weil sie etwas mitteilen wollen. Im Unterricht<br />
in mehrsprachigen Klassen sollte übrigens nicht<br />
vorausgesetzt werden, dass alle Kinder das, was<br />
sie mitteilen wollen, auf Deutsch auch mitteilen<br />
können. Mit anderen Worten: In solchen Klassen<br />
müssen die Redemittel für das Schreiben und<br />
Lesen oft eigens erarbeitet werden.<br />
Vielen KollegInnen ist das alles längst klar.<br />
Das Problem ist die Unsicherheit, sind Fragen wie:<br />
Wie behalte ich den Überblick? Wie sichere ich<br />
zentrale Erfahrungen und Lernschritte? Woher weiß<br />
ich, dass Kinder nicht stecken bleiben oder<br />
ausweichen?<br />
Diese Fragen und Sorgen sind nicht neu. Fibellehrgänge<br />
erwecken zwar den Anschein, der Unterricht<br />
sei didaktisch fundiert organisiert, aber es zeigt<br />
sich – vor allem in mehrsprachigen Klassen – dass<br />
die Kinder trotz eines gleichen Lehrgangs unterschiedlich<br />
schnell lernen, dass sie sehr unterschiedlich<br />
erfolgreich sind. Unter der Oberfläche gleicher<br />
Aktivitäten spielt sich bei den einzelnen Kindern<br />
eben sehr Verschiedenes ab. Deshalb entlasten uns<br />
Lehrgänge nicht von der Aufgabe, Lernen für alle<br />
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