nah dran Familienbildung in Familienzentren - Familienzentrum NRW
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<strong>nah</strong> <strong>dran</strong>: <strong>Familienbildung</strong> <strong>in</strong> <strong>Familienzentren</strong><br />
Dauerbaustelle Gehirn<br />
Da das Gehirn neugeborener K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Höchstmaß von Neuroplastizität besitzt – Hirnforscher sprechen von der<br />
„Dauerbaustelle“ Gehirn, was auf das junge Gehirn <strong>in</strong> besonderem Maße zutrifft – kann es nur von Vorteil se<strong>in</strong>,<br />
diese für möglichst viele und reichhaltige Lernerfahrungen zu nutzen. Die Zu<strong>nah</strong>me des Hirnvolumens nach der<br />
Geburt geht ausschließlich auf das Konto der zunehmenden „Verdrahtung“ der bei der Geburt schon vollzählig<br />
vorhandenen Hirnzellen (Neuronen). Jeder Lernprozess begründet e<strong>in</strong>e neue bzw. verstärkt e<strong>in</strong>e schon vorhandene<br />
Synapse (Verb<strong>in</strong>dung zwischen Neuronen). Umgekehrt gilt: Nicht benutzte Synapsen verkümmern, sie werden nicht<br />
von Myel<strong>in</strong>scheiden umgeben, was ihre Fähigkeit, Informationen weiterzuleiten, drastisch verlangsamt:<br />
„Damit ist e<strong>in</strong>e nicht myel<strong>in</strong>isierte Nervenfaserverb<strong>in</strong>dung im Kortex so etwas wie e<strong>in</strong>e tote Telefonleitung;<br />
die Verb<strong>in</strong>dung ist physikalisch zwar vorhanden, sie ist jedoch zu langsam, um e<strong>in</strong>e Funktion gut zu erfüllen.“ 10<br />
Um <strong>in</strong> der Sprachentwicklung möglichst wenig „tote Telefonleitungen“ zu produzieren, ist es dr<strong>in</strong>gend geboten, kle<strong>in</strong>en<br />
K<strong>in</strong>dern verschiedensprachigen Input anzubieten; ansonsten verlieren sie sehr früh die Fähigkeit, Laute außerhalb<br />
des Artikulationssystems der sie normalerweise umgebenden Sprache zu unterscheiden und zu artikulieren;<br />
die dafür zuständigen Synapsen verkümmern, und genau deshalb ist das Erlernen e<strong>in</strong>er Zweit- oder Drittsprache<br />
im späteren Leben mit wesentlich größeren Schwierigkeiten verbunden und akzentfrei kaum noch möglich.<br />
E<strong>in</strong> Speicher für alle Sprachen<br />
Berücksichtigt man außerdem, dass e<strong>in</strong>e Zweit- oder sogar Drittsprache <strong>in</strong> derselben Hirnregion gespeichert werden<br />
kann, also dasselbe neuronale Netzwerk für die verschiedenen Sprachen genutzt wird (was lernökonomisch<br />
e<strong>in</strong> großer Vorteil ist!), wenn der Lernprozess bis zum Alter von drei Jahren begonnen hat, spricht alles für e<strong>in</strong>e Zweioder<br />
Mehrsprachigkeit von Anfang an, wenn diese den Bedürfnissen des frühk<strong>in</strong>dlichen Gehirns angepasst ist:<br />
„An Modellen neuronaler Netzwerke konnte man also zeigen, dass es für das Erfüllen e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
geistigen Leistung genügt, dass die Verb<strong>in</strong>dungsstärken zwischen Hunderten von Neuronen optimal e<strong>in</strong>gestellt<br />
s<strong>in</strong>d. Es muss weder e<strong>in</strong>e Regel e<strong>in</strong>programmiert werden, noch muss das System diese Regel<br />
explizit irgendwo enthalten. Wir folgen beim Sprechen ke<strong>in</strong>en Regeln ... Gehirne s<strong>in</strong>d Regelextraktionsmasch<strong>in</strong>en<br />
... (Diese Regeln werden) dadurch gelernt, dass wir Beispiele verarbeiten ... und aus diesen<br />
Beispielen die Regeln selbst produzieren.“ 10<br />
An diesem Prozess fasz<strong>in</strong>iert die Gleichzeitigkeit von Reifung des Gehirns e<strong>in</strong>erseits und der Reihenfolge der<br />
erlernten Regeln andererseits: Mit zunehmender Komplexität der Hirnstruktur steigt synchron die Komplexität der<br />
analysierten und gespeicherten Regeln, sodass sich Sprachförder<strong>in</strong>nen/Sprachförderer gar nicht so viel Gedanken<br />
über das verwandte Sprachmaterial zu machen brauchen:<br />
Für das Lernen ist es nicht erforderlich, den Sprach<strong>in</strong>put auf e<strong>in</strong>fache Strukturen zu reduzieren, im Gegenteil:<br />
durch e<strong>in</strong>en anspruchsvollen Sprach<strong>in</strong>put entsteht letztlich erst die Möglichkeit, Neues zu lernen: „Gerade<br />
weil das Gehirn reift und gleichzeitig lernt, ist gewährleistet, dass es überhaupt komplexe Zusammenhänge<br />
lernen kann und lernt“ 11<br />
10<br />
Manfred Spitzer, Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg, Berl<strong>in</strong> 2002, S. 231.<br />
11<br />
Manfred Spitzer, S. 235, Nicola Küpelikil<strong>in</strong>c, Maris R<strong>in</strong>gler, Spracherwerb von mehreren Sprachen, <strong>in</strong>: Kompetent mehrsprachig. Sprachförderung<br />
und <strong>in</strong>terkulturelle Erziehung im K<strong>in</strong>dergarten. Frankfurt/M. 2004, S. 36<br />
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