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Warum <strong>Philosophie</strong> betreiben?<br />
Bertrand Russell hat den Wert der <strong>Philosophie</strong><br />
unter anderem folgendermassen<br />
bes<strong>ch</strong>rieben: „Wer niemals eine philosophis<strong>ch</strong>e<br />
Anwandlung gehabt hat, der geht<br />
dur<strong>ch</strong>s Leben und ist wie in einem Gefängnis<br />
einges<strong>ch</strong>lossen: von den Vorurteilen des<br />
gesunden Mens<strong>ch</strong>enverstands, von den habituellen<br />
Meinungen seines Zeitalters oder<br />
seiner Nation und von den Ansi<strong>ch</strong>ten, die<br />
ohne die Mitarbeit oder die Zustimmung der<br />
überlegenden Vernunft in ihm gewa<strong>ch</strong>sen<br />
sind. So ein Mens<strong>ch</strong> neigt dazu, die Welt<br />
bestimmt, endli<strong>ch</strong>, selbstverständli<strong>ch</strong> zu<br />
finden; die vertrauten Gegenstände stellen<br />
keine Fragen, und die ihm unvertrauten<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten weist er vera<strong>ch</strong>tungsvoll<br />
von der Hand. Sobald wir aber anfangen<br />
zu philosophieren, führen selbst die alltägli<strong>ch</strong>sten<br />
Dinge zu Fragen, die man nur sehr<br />
unvollständig beantworten kann. Die <strong>Philosophie</strong><br />
kann uns zwar ni<strong>ch</strong>t mit Si<strong>ch</strong>erheit<br />
sagen, wie die ri<strong>ch</strong>tigen Antworten auf die<br />
gestellten Fragen heissen, aber sie kann<br />
uns viele Mögli<strong>ch</strong>keiten zu bedenken geben,<br />
die unser Blickfeld erweitern und uns<br />
von der Tyrannei des Gewohnten befreien.<br />
Sie vermindert unsere Gewissheiten darüber,<br />
was die Dinge sind, aber sie vermehrt<br />
unser Wissen darüber, was die Dinge sein<br />
könnten.“ (12)<br />
Russell hebt hiermit ni<strong>ch</strong>t nur das selbstständige<br />
Denken hervor, sondern au<strong>ch</strong>, dass<br />
die <strong>Philosophie</strong> eine erhöhte Aufmerksamkeit<br />
und A<strong>ch</strong>tsamkeit gegenüber der Welt<br />
ermögli<strong>ch</strong>t. Vorausgesetzt ist dabei jedo<strong>ch</strong><br />
eine Neugierde, die ni<strong>ch</strong>t jedem Mens<strong>ch</strong>en<br />
gegeben ist; Was ni<strong>ch</strong>t weiter s<strong>ch</strong>limm ist –<br />
ein sol<strong>ch</strong>es grundsätzli<strong>ch</strong>es Desinteresse<br />
ist aber ni<strong>ch</strong>t das Problem der <strong>Philosophie</strong>.<br />
Die meisten Mens<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> auf die eine<br />
oder andere Art mit philosophis<strong>ch</strong>en Fragen<br />
auseinandersetzen, halten es für wi<strong>ch</strong>tig,<br />
dass man das Leben ni<strong>ch</strong>t unhinterfragt und<br />
ungeprüft einfa<strong>ch</strong> hinnimmt. Die Prinzipien,<br />
an denen wir unser Leben orientieren, mögen<br />
uns zwar vernünftig ers<strong>ch</strong>einen; aber<br />
können wir dies wissen, solange wir es ni<strong>ch</strong>t<br />
überprüft haben?<br />
Ein anderer Grund, weshalb man si<strong>ch</strong> mit<br />
<strong>Philosophie</strong> bes<strong>ch</strong>äftigt, besteht darin, dass<br />
man lernt, „klarer über einen weiten Fragenberei<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong>zudenken“, wie Warburton es<br />
ausdrückt. (13) „Die Methoden des philosophis<strong>ch</strong>en<br />
Denkens können in einer Vielfalt<br />
von Situationen nützli<strong>ch</strong> sein, da wir dur<strong>ch</strong><br />
die Analyse von Argumenten für und gegen<br />
eine Position Fähigkeiten erwerben,<br />
die si<strong>ch</strong> auf andere Gebiete des Lebens<br />
übertragen lassen. Viele Leute, die si<strong>ch</strong> mit<br />
<strong>Philosophie</strong> befasst haben, bringen ihre philosophis<strong>ch</strong>en<br />
Fähigkeiten in so unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Berufsfelder ein wie Jura, Computerprogrammierung,<br />
Managementberatung,<br />
öffentli<strong>ch</strong>er Dienst und Journalistik – alles<br />
Gebiete, in denen Klarheit des Denkens<br />
eine grosse Hilfe ist.“ (14) Es lässt si<strong>ch</strong><br />
aber au<strong>ch</strong> dafür argumentieren, dass die<br />
Aus einandersetzung mit philosophis<strong>ch</strong>en<br />
Fragen eine Übung des Umgangs mit entgegengesetzten<br />
Positionen und Haltungen<br />
ermög li<strong>ch</strong>t. Situationen des Widerstreits<br />
stellen für PhilosophInnen das tägli<strong>ch</strong>e Brot<br />
dar, ebenso wie die friedli<strong>ch</strong>e Konfrontation<br />
mittels guten Begründungen der Gegenposition<br />
oder au<strong>ch</strong>, gewisse Fragen und Unsi<strong>ch</strong>erheiten<br />
offen zu lassen. Vielmals haben<br />
philosophis<strong>ch</strong>e Arbeiten aber au<strong>ch</strong> etwas<br />
mit Genauigkeit und Detailrei<strong>ch</strong>tum zu tun,<br />
wel<strong>ch</strong>e im Alltag s<strong>ch</strong>nell verloren gehen und<br />
für deren Offenlegung es einen ges<strong>ch</strong>ärften<br />
und geübten Verstand brau<strong>ch</strong>t.<br />
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