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Thema des Monats<br />
Ich trainiere oft bis zu sieben Stunden am Tag, muss jede<br />
Nacht acht Stunden schlafen, habe einen strikten Ernährungsplan.<br />
Alles ist durchgeplant, in einem sehr engen<br />
Korsett. Manchmal wünsche ich mir, dass ich bis vier Uhr<br />
nachts aufbleiben kann, dann bis drei Uhr nachmittags<br />
ausschlafe, mir irgendwann Fast Food reinhaue und dann<br />
richtig abrocke.<br />
Sind Sie der Typ, der gern mal die Sau rauslässt?<br />
Ja, total. Ich habe eben diese zwei Seelen in meiner Brust<br />
und haue schon gerne mal richtig „auf die Kacke“, aber<br />
ich ordne mich natürlich absolut meinem Sport unter. Und<br />
zwar zu hunderttausend Prozent.<br />
Sie gelten in der Szene als absolutes Fitness-Tier. Würden<br />
Sie das unterschreiben?<br />
Ja, schon. Ich denke auf jeden Fall, dass ich zu den fittesten<br />
drei, vier Spielerinnen auf der Tour zähle. Fitness<br />
ist etwas, das total in deiner Hand liegt, das kannst du bis<br />
zum Limit ausreizen. Ich will mir immer sagen können:<br />
Fitter als jetzt kann ich nicht sein, ich habe alles getan,<br />
was ich tun konnte und musste, und nun kann’s losgehen!<br />
Das ist auch etwas, was das Selbstbewusstsein stärkt und<br />
was zu meinem „commitment“ ganz klar dazugehört.<br />
Lieben Sie es, sich zu verausgaben?<br />
Wir machen im Training oft einen tennisspezifischen Übungszirkel<br />
auf dem Platz, vier Minuten Vollbelastung mit Sprints<br />
und allem – dann vier Minuten Pause, und das ganze vier<br />
Mal. Man kommt an seine Grenzen, und da gehe ich immer<br />
total drin auf! Ich schreie rum und feuere alle an – und<br />
dann holen alle das Beste raus, ich auch.<br />
Hat Sie dieses totale Körperbewusstsein verändert?<br />
Ich habe angefangen, mich zur Weltelite zu zählen – vorher<br />
habe ich die anderen Mädels angeguckt und sie bewundert.<br />
Knackpunkt war dabei die Zeit nach meinem Kreuzbandriss<br />
bei den Australian Open 2008. Da habe ich gespürt:<br />
Ich will das und ich kann das schaffen nach ganz<br />
oben! Glauben und Anspruch kamen zusammen, das war<br />
ein Klick-Moment für mich. Ohne den Kreuzbandriss wäre<br />
ich heute höchstens Nummer 50 in der Welt.<br />
Krise als Chance?<br />
Kann man so sagen. Als der Riss kam, war das mein erstes<br />
Hauptfeld bei einem Grand Slam, mein erstes Match auf<br />
dem großen Platz, gegen eine Top-Ten-Spielerin, mein<br />
erstes Fernsehmatch. Und dieses Gefühl, das war etwas,<br />
was ich konstant in meinem Leben haben wollte und nicht<br />
nur ein einziges Mal. Das hätte mir nicht gereicht.<br />
Und heute auf dem Platz?<br />
Was ich auf jeden Fall merke, ist, dass ich in jedem einzelnen<br />
Ballwechsel hundert Prozent gebe. Dass ich wirklich<br />
jeden Punkt voll intensiv spiele und die Gegnerin<br />
immer arbeiten lasse. 15 : 0 – okay, kein wichtiger Punkt,<br />
aber ich spiele trotzdem mit höchster Intensität. Den<br />
nächsten Punkt genauso, den nächsten danach auch und<br />
so weiter. Ich gehe in die Ecken, rutsche rein, laufe jedem<br />
Ball hinterher, ich kriege Bälle zurück. Und ich merke, wie<br />
die anderen nach einer Stunde oft anfangen zu denken:<br />
Mann, Sch..., was muss ich denn noch alles tun, um gegen<br />
die einen Punkt zu kriegen? Fitness ist mein Grundstein<br />
dafür, dass ich den anderen mental einen Knacks geben<br />
kann. Und das ist es, was die Top Five alle draufhaben.<br />
ABTEILUNG<br />
ATTACKE Auf<br />
dem Platz gibt<br />
die Petko stets<br />
mehr als alles<br />
Ivan Lendl hat einmal gesagt: „Mein größtes Talent ist es,<br />
zu arbeiten.“<br />
Vor ein, zwei Jahren hätte ich das noch unterschrieben,<br />
aber da habe ich mich noch zu sehr über Arbeit definiert.<br />
Wenn ich mir die anderen Mädels so anschaue, denke ich<br />
doch: Ich spiele von allen noch recht variabel. Früher habe<br />
ich mein Tennistalent zu sehr nach hinten geschoben.<br />
Das reine Tennis bietet Ihnen also die größten Reserven?<br />
Auf jeden Fall! Das ist ja das Schöne: Ich stehe auf Platz<br />
zehn in der Welt – und ich habe noch hundert Baustellen,<br />
an denen ich arbeite und die noch geschlossen werden<br />
müssen. Das spüre ich in jedem Match: Hier kann ich noch<br />
was machen, da kann ich mich noch verbessern. Das treibt<br />
mich auch an und bringt mich nach vorne. Das Schlimmste<br />
wäre doch das Gefühl, wenn du auf dem Platz denkst,<br />
du hast schon alles erreicht. So wie Magdalena Neuner<br />
das jetzt wohl fühlt ...<br />
Magdalena Neuner ist <strong>24</strong>, genau wie Sie ...<br />
Aber ich fühle mich noch am Beginn meiner Reise, weil<br />
ich noch so viel zu ändern, zu verbessern und zu entwickeln<br />
habe. Ich glaube, sie war einfach in ganz jungen<br />
Jahren schon voll entwickelt. Das hat sie sicher jetzt schon<br />
zum Rücktritt bewegt.<br />
Sie freuen sich also noch aufs tägliche Training?<br />
Ja, zu sicher mindestens neunzig Prozent. Ich bin ein absolutes<br />
Ballkind: Tennis könnte ich achtzehn Stunden lang am<br />
Tag spielen. Die einzig toughen Momente sind die ersten<br />
zwei Wochen nach dem Urlaub – einfach weil ich mich<br />
„FITNESS IST MEIN<br />
GRUNDSTEIN, DASS<br />
ICH DEN ANDEREN MENTAL<br />
EINEN KNACKS GEBE“<br />
FOTOS: SVEN SIMON (L.), RECHTS: MARCUS HÖHN/FIT FOR FUN. PRODUKTION: CLAUDIA HÉLINCK, STYLING: THEO VASILIOU, H & M: JULIA SUDHOFF/BEIDE BLOSSOM MANAGEMENT<br />
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fitforfun 02/2012