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„Bei den letzten Winter-X-Games<br />
redeten die Leute nur darüber,<br />
was ich getragen habe: eine<br />
schwarze Lederjacke und Tight<br />
Pants – das hatte vorher noch nie<br />
jemand auf der Piste gesehen“<br />
TEXT GUNNAR EBMEYER<br />
ieser Typ hat kein Brett vorm Kopf. Ob Snow- oder Skateboard<br />
– Shaun White ist die absolute Nummer eins. Vom<br />
26. bis 29. Januar wird er versuchen, bei den X-Games in<br />
Aspen erneut seinen Titel zu verteidigen. In den USA ist der<br />
25-Jährige längst gehypte Werbe- und Stilikone. Sein vom<br />
US-Magazin „Forbes“ auf auf rund neun Millionen US-Dollar<br />
geschätztes Jahreseinkommen basiert fast aus schließlich<br />
auf Sponsorengeldern. In Europa kann sich die „Flying<br />
Tomato“, wie White aufgrund seiner roten Locken genannt<br />
wird, jedoch frei bewegen. Entspannt und unerkannt schlendert der Megastar durch<br />
den Frühstückssalon des Mailänder Hotels, wo wir ihn zum Interview treffen. Von der<br />
ihm oft vorgeworfenen Arroganz ist nichts zu spüren. Dafür wird deutlich: White ist ein<br />
Energiebündel. Selbst im Sitzen ständig in Bewegung, unterstreicht er gestenreich seine<br />
Antworten – und erklärt uns, wie er nach neuen Modetrends Ausschau hält.<br />
Sie waren gerade in London, jetzt in Mailand:<br />
Sind Sie auf Europatournee durch<br />
sämtliche Fashion-Metropolen?<br />
Ja, das ist der beste Teil dieser Reise. Bisher<br />
hatte ich immer Verträge mit verschiedenen<br />
Ausrüstern und musste deren Sachen<br />
tragen. Jetzt entwerfe ich meine eigene<br />
Produktlinie und kann anziehen, was mir<br />
gefällt. Und endlich richtig einkaufen. In<br />
London habe ich gerade ein paar coole<br />
Mäntel und Taschen gekauft, und heute<br />
werde ich auch noch in Mailand shoppen.<br />
Welche Inspirationen haben Sie bisher<br />
bekommen?<br />
In London sind Peacoats und dicke Mäntel<br />
gerade schwer angesagt, schließlich ist<br />
es dort ganz schön kalt. Ich mag die geraden<br />
Schnitte sehr. Hier in Mailand hat<br />
Leder offenbar immer noch Saison. Wir<br />
müssen auf dem Laufenden bleiben, was<br />
in Europa populär ist, falls wir weiter expandieren<br />
wollen.<br />
Steht das an?<br />
Wir planen, eine ähnliche Kollektion wie<br />
in den USA auch in Teilen Europas auf<br />
den Markt zu bringen. Seit 2010 finden<br />
jährlich europäische Winter X-Games<br />
statt, in Tignes – und ab 2013 wird es in<br />
Europa auch Sommerspiele geben. Es ist<br />
cool, dass ich die Chance habe, den Sport<br />
hier groß zu machen. Ich will den Fans<br />
zeigen, worauf es ankommt. Dabei geht es<br />
mir gar nicht um die jüngere Generation<br />
– die haben es verstanden. Aber die Älteren<br />
denken immer noch, wir sind alles<br />
waghalsige Draufgänger, und verstehen<br />
nicht, dass es ein echter Sport ist.<br />
Also wird man Sie in Zukunft häufiger in<br />
Europa sehen?<br />
Auf jeden Fall. Wir haben große Pläne für<br />
diese Snowboard-Saison. Eigentlich wollte<br />
ich schon im November in Hintertux<br />
trainieren, aber leider ist etwas dazwischengekommen.<br />
Ich war echt sauer, denn<br />
das letzte Mal war ich mit dreizehn dort.<br />
Wie viel Zeit bleibt überhaupt, sich in<br />
eigene Fashion-Projekte einzubringen?<br />
In den USA glauben viele, es geht mir nur<br />
darum, Geld zu verdienen. Aber so ist<br />
es nicht. Das ist eine Evolution, wie etwa<br />
mit meinem Sponsor Oakley. Für den<br />
fahre ich bereits seit mehr als zehn Jahren.<br />
Am Anfang habe ich nur ein paar<br />
Brillen bekommen, dann habe ich Produkte<br />
getestet. Und jetzt gibt es meine<br />
eigene Signature-Brille, die Oakley<br />
Holbrook. Dafür habe ich mit meinem<br />
Bru der die ersten Zeichnungen selber<br />
angefertigt. Als die Prototypen kamen,<br />
haben wir sie ausprobiert und an Freunde<br />
weitergegeben – um sicherzugehen, dass<br />
sie auch wirklich cool sind.<br />
Läuft das mit anderen Teilen Ihrer<br />
Fashion-Linie auch so?<br />
Ja, klar. Alles, was man von mir zu sehen<br />
bekommt, hat einen direkten Bezug zu<br />
meinem Leben. Mein Bruder ist ein sehr<br />
talentierter Zeichner – im Gegensatz zu<br />
mir. Ich sitze daneben, schaue ihm über<br />
die Schul ter und sage, was wir ändern<br />
müssen. So ist auch die Oakley Holbrook<br />
entstanden. Holbrook ist eine Stadt in<br />
Arizona, am Ende der Route 66.<br />
... und wichtig, weil Sie gerade Ihren<br />
Motorradführerschein gemacht haben?<br />
Ja, den wollte ich unbedingt haben. Alle<br />
meine Freunde fahren Motorrad, und ich<br />
finde es einfach cool. Vor ein paar Tagen<br />
ist auch endlich mein Bike gekommen –<br />
eine Triumph Scrambler.<br />
Die Leute schauen Sie immer sehr genau<br />
an und sehen in Ihnen eine Stilikone. Ist<br />
das eine Last?<br />
Ich denke nicht zu viel darüber nach.<br />
Aber ich achte darauf, was ich trage. Bei<br />
den letzten Winter-X-Games habe ich<br />
gewonnen, und die Leute redeten kaum<br />
darüber, wie ich gefahren bin, sondern<br />
nur darüber, was ich getragen habe: eine<br />
schwarze Lederjacke und Tight Pants –<br />
das hatte vorher noch nie jemand auf der<br />
Piste gesehen.<br />
Sind Sie manchmal mehr Model als Athlet?<br />
Wie Kate Moss? (lacht) Definitiv nicht.<br />
Ich genieße, dass ich Projekte außerhalb<br />
des Sports verwirklichen kann. Schließlich<br />
wissen die Firmen, dass ich genug Erfolg<br />
habe, um den Verkauf zu unterstützen.<br />
Aber die Fans wissen auch, dass ich<br />
mich einbringe und involviert bin.<br />
FOTOS: IM UHRZEIGERSINN: CORBIS, SUSIE FLORES/BURTON, SIMONE CASETTA/ANZENBERGER/FIT FOR FUN, ACTION PRESS, CRISPIN CANNON/RED BULL PHOTOFILES, RAUCHENSTEINER<br />
66 fitforfun 02/2012