Ausgabe - 01-02 - Produktion
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12 · F&E · <strong>Produktion</strong> · 10. Januar 2<strong>01</strong>3 · Nr. 1-2<br />
Produktpiraterie<br />
Maschine mit Kopierschutz<br />
<strong>Produktion</strong> Nr. 1-2, 2<strong>01</strong>3<br />
Produktpiraterie kostet die deutsche Industrie Milliarden. Immer häufiger<br />
im Visier sind teure Investitionsgüter, zum Beispiel Maschinen und<br />
Anlagen. Wissenschaftler erforschen die Methoden der Fälscher und<br />
entwickeln Lösungen für den Produktschutz.<br />
München (ba). 650 Mrd US-Dollar<br />
pro Jahr – so hoch wird weltweit der<br />
Schaden durch die illegale Nachahmung<br />
von Produkten geschätzt.<br />
Immer häufiger ist der deutsche<br />
Maschinenbau von Produktpiraterie<br />
betroffen. Etwa zwei Drittel aller<br />
Unternehmen werden durch Produktpiraterie<br />
belastet, vor allem<br />
Hersteller von Textilmaschinen,<br />
Kompressoren und Anlagen für die<br />
Kunststoffverarbeitung. „Die meisten<br />
Unternehmen wissen gar nicht,<br />
wie leicht ihre Produkte kopiert<br />
werden können“, sagt Bartol Filipovic,<br />
Leiter der Abteilung für Produktschutz<br />
an der Fraunhofer-<br />
Einrichtung für Angewandte und<br />
Integrierte Sicherheit AISEC in<br />
Garching bei München. Das AISEC<br />
berät Unternehmen, wie sie ihre<br />
Produkte und IT-Dienstleistungen<br />
gegen Angriffe und Plagiatsversuche<br />
schützen können (Übersicht<br />
zum Produktschutz: http://ais.ec/<br />
psinfo).<br />
Gefälscht wird im Maschinenbau<br />
alles. Eingebettete Systeme,<br />
die zum Messen, Steuern, Regeln<br />
und zur Signalverarbeitung dienen,<br />
sind ein bevorzugtes Ziel von<br />
Fälschern. Meist machen sich die<br />
Produktpiraten die Hände gar<br />
nicht mehr selbst schmutzig. Es<br />
gibt Dienstleister, die ‚Reverse Engineering‘<br />
anbieten. Sie spielen<br />
den Entwicklungsprozess in umgekehrter<br />
Reihenfolge nach. Zunächst<br />
analysieren sie den Aufbau<br />
der Hardware und fertigen Schaltpläne<br />
des Originalprodukts an.<br />
Dann lesen sie die Software aus<br />
und rekonstruieren daraus die<br />
Steuerung und die Funktionen der<br />
Maschine.<br />
Die wichtigste Aufgabe des<br />
AISEC ist neben der Forschung die<br />
Aufklärung. Denn viele Firmen reagieren<br />
erst, wenn Fälschungen<br />
der eigenen Produkte aufgetaucht<br />
sind. Der Nachbau lässt sich dann<br />
nicht mehr verhindern, man kann<br />
aber das Original so markieren,<br />
dass es sich eindeutig von der Fälschung<br />
unterscheidet. Sicherheitskritische<br />
Ersatzteile etwa in der<br />
Schutzmechanismen in<br />
der Hardware verankern<br />
Luftfahrtindustrie werden mit<br />
nicht kopierbaren Hologrammen<br />
gekennzeichnet. Oder man baut<br />
eine Art elektronischen Fingerabdruck<br />
in die Schaltkreise ein, der<br />
sich nicht verändern lässt. Doch<br />
trotz aller Vorsichtsmaßnahmen:<br />
Einen Nachbau verhindert das<br />
nicht, und auch der Handel damit<br />
lässt sich nur stoppen, wenn Zoll,<br />
Händler und Kunden die technischen<br />
Möglichkeiten haben, die<br />
Markierung auszulesen. Weil das<br />
häufig nicht der Fall ist, sollten Unternehmen<br />
bereits bei der Entwicklung<br />
einer neuen Produktgeneration<br />
geeignete Schutzmechanismen<br />
tief in der Hardware verankern. Im<br />
günstigsten Fall nimmt der Kunde<br />
bereits in der Entwicklungsphase<br />
für eine neue Produktgeneration<br />
mit dem Produktschutz-Team am<br />
AISEC Kontakt auf. Die Entwickler<br />
des Klienten zeigen den geplanten<br />
Hardwareaufbau, Schaltpläne und<br />
Software – absolute Diskretion ist<br />
da natürlich Pflicht. Die AISEC-<br />
Forscher analysieren diese Informationen<br />
auf Schwachstellen hin<br />
und geben Empfehlungen dazu,<br />
wie man das Produkt sicherer machen<br />
kann.<br />
Forscher entwickeln technische Schutzmaßnahmen.<br />
Eine Möglichkeit ist es, Kryptochips<br />
einzubauen, welche die<br />
Daten in der Maschine verschlüsseln.<br />
Sie erzeugen den Schlüssel<br />
aus den Laufzeiten elektrischer<br />
Signale auf dem Mikrochip. Bei<br />
einem anderen Chip – sogar aus<br />
derselben <strong>Produktion</strong> – sind die<br />
Laufzeiten etwas anders, und der<br />
Schlüssel lässt sich nicht nutzen.<br />
Eine Analyse und die Entwicklung<br />
entsprechender technischer<br />
Schutzmaßnahmen lohne sich für<br />
das Unternehmen auf jeden Fall,<br />
sagt Bartol Filipovic. „Unsere<br />
Dienstleistung ist viel billiger als<br />
die durch Produktpiraterie entstehenden<br />
Kosten.“ Die Kosten variieren<br />
je nach Umfang der Analyse<br />
und je nach Ausmaß der Schutzverfahren.<br />
Ziel der Beratung durch<br />
das AISEC ist es, dem Unterneh-<br />
Bild: Volker Stegerl<br />
men einen möglichst großen Zeitvorteil<br />
zu verschaffen. Wenigstens<br />
fünf bis zehn Jahre Ruhe vor Produktfälschern<br />
haben Kunden,<br />
wenn sie die AISEC-Empfehlungen<br />
umsetzen. Diese Zeitspanne<br />
ist nötig, um die teuren Investitionen<br />
zu schützen. Anders als bei<br />
Konsumgütern veraltet das technologische<br />
Know-how bei Investitionsgütern<br />
wie Maschinen nicht<br />
so schnell. Für einen Fälscher kann<br />
es sich also durchaus auszahlen,<br />
eine Maschine zu kopieren, die seit<br />
fünf Jahren auf dem Markt ist. Sind<br />
die Waren mit den neuesten<br />
Schutzvorkehrungen ausgerüstet,<br />
beißen die Fälscher jedoch auf<br />
Granit. Filipovic: „Mir ist kein Fall<br />
bekannt, wo unsere Schutzmaßnahmen<br />
erfolgreich umgangen<br />
wurden“.<br />
fahrerassistenzsysteme<br />
Autos das richtige Bremsen beibringen<br />
<strong>Produktion</strong> Nr. 1-2, 2<strong>01</strong>3<br />
Eine gemeinsame Entwicklungskooperation<br />
zwischen Continental<br />
und Forschern der Universität<br />
Jena arbeitet an der Entwicklung<br />
und Verbesserung von Systemen<br />
zur Gefahrenbewertung im Straßenverkehr.<br />
Der Informatiker Johannes Rühle wird Methoden entwickeln, die Objekte im Straßenverkehr auf ihr Gefahrenpotenzial<br />
bewerten können. Damit will er Grundlagen für kommende Fahrerassistenzsysteme liefern. Bild: Jan-Peter Kasper/FSU<br />
Jena (ba). Schon kurze Unaufmerksamkeiten<br />
können im Straßenverkehr<br />
schwere Folgen nach<br />
sich ziehen. Einmal in die Situation<br />
gekommen wünscht man sich, das<br />
Fahrzeug hätte selbstständig gebremst.<br />
Darauf hat die Automobilindustrie<br />
längst reagiert und eine<br />
Vielzahl hilfreicher elektronischer<br />
Systeme in die Autos integriert. In<br />
den letzten Jahren setzen sich<br />
selbst in Mittelklasse-Fahrzeugen<br />
und Kleinwagen zunehmend sogenannte<br />
Fahrerassistenzsysteme<br />
durch. Fahrerassistenzsysteme,<br />
das sind elektronische Hilfen, die<br />
beim Spur halten assistieren, beim<br />
Spurwechsel vor Fahrzeugen im<br />
toten Winkel warnen und solche,<br />
die Abstand zum vorausfahrenden<br />
Fahrzeug einhalten und in Gefahrensituationen<br />
warnen und bei<br />
ausbleibender Fahrerreaktion eine<br />
Vollbremsung einleiten. Auch die<br />
Erkennung von Fußgängern und<br />
das Eingreifen in die Bremse ist ein<br />
wesentlicher Aspekt moderner<br />
Pkw, damit es in Zukunft weniger<br />
Unfälle mit Personenschäden gibt.<br />
In die Bewertung der Fahrzeugsicherheit<br />
beim zukünftigen ‚Euro<br />
NCAP-Crashest‘ werden deshalb<br />
auch solche Systeme – sind sie vorhanden<br />
und was leisten sie? – einfließen.<br />
An der Entwicklung neuer und<br />
der Verbesserung aktueller Systeme<br />
zur Fußgängererkennung und<br />
Gefahrenbewertung im Straßenverkehr<br />
arbeiten auch Mitarbeiter<br />
des Lehrstuhls Digitale Bildverarbeitung<br />
der Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena. Die Jenaer Ingenieure<br />
und Informatiker ergänzen<br />
auf dem wichtigen Gebiet der<br />
Bildverarbeitung das vorhandene<br />
Know-how des internationalen<br />
Automobilzulieferers Continental<br />
im Forschungsprojekt UR:BAN. In<br />
diesem Verbundprojekt haben sich<br />
30 Partner aus Automobil- und<br />
Zulieferindustrie, Elektronik-,<br />
Kommunikations- und Softwarefirmen,<br />
Universitäten, Forschungsinstitute<br />
und Städte zusammengeschlossen,<br />
um zukünftige<br />
Fahrerassistenz- und Verkehrsmanagementsysteme<br />
für die<br />
Stadt zu entwickeln. Im Zentrum<br />
des Projekts, das vom Bundesforschungsministerium<br />
(BMBF) gefördert<br />
wird, steht der Mensch in<br />
seinen vielfältigen Rollen im Verkehrssystem.<br />
„Dieses aktuelle auf dreieinhalb<br />
Jahre angelegte und mit insgesamt<br />
mehr als 280 000 Euro finanzierte<br />
Teilprojekt an der Universität Jena<br />
intensiviert die erfolgreiche Zusammenarbeit<br />
des Lehrstuhls Digitale<br />
Bildverarbeitung mit Continental<br />
aus den letzten vier Jahren“,<br />
freut sich Lehrstuhlinhaber Prof.<br />
Dr. Joachim Denzler.<br />
„Das wichtigste und heute noch<br />
ungelöste Problem ist es, schützenswerte<br />
Objekte sicher von denen<br />
zu unterscheiden, die weder<br />
für das Fahrzeug noch für andere<br />
Verkehrsteilnehmer eine Gefährdung<br />
darstellen“, beschreibt Johannes<br />
Rühle die Kernaufgabe<br />
seines Promotionsprojekts an der<br />
Uni Jena. „Zukünftige Pkw müssen<br />
in schwierigen – das heißt innerstädtischen<br />
Situationen – entscheiden<br />
können, ob und in welche<br />
Richtung ein Ausweichmanöver<br />
eingeleitet werden kann oder ob<br />
die Bremsen betätigt werden müssen“,<br />
konkretisiert Projektleiter<br />
Prof. Denzler das Problem. Der<br />
erste Schritt, Objekte zu erkennen,<br />
in ihrer Größe zu beschreiben und<br />
entsprechende Kollisionsrisiken<br />
abzuschätzen wurde bereits gegangen.<br />
Für die Zeiträume nach<br />
2<strong>01</strong>6 gilt es, gerade im hochdynamischen<br />
und komplexen Umfeld<br />
Stadt, feiner granulieren zu können.<br />
„Steht ein Bollerwagen in<br />
Einen der wichtigsten<br />
Wirtschaftszweige im Rücken<br />
Ausweichrichtung, macht es einen<br />
Unterschied, ob darin ein Kind sitzt<br />
oder nicht“, erläutert der Jenaer<br />
Bildverarbeitungsexperte. „Erst<br />
anhand der Positionen, an denen<br />
sich solche schützenswerte Verkehrsteilnehmer<br />
aufhalten, können<br />
entsprechende Handlungsstrategien<br />
abgeleitet werden.“<br />
Johannes Rühle, der aus Ilmenau<br />
nach Jena kam, wird in den kommenden<br />
drei Jahren Methoden<br />
entwickeln, die Objekte im Straßenverkehr<br />
auf ihr Gefahrenpotenzial<br />
bewerten können. Damit<br />
will der Jenaer Doktorand die<br />
Grundlage für die nächste Generation<br />
von Fahrassistenzsystemen<br />
liefern. „Das Spannende an diesem<br />
Projekt ist die hohe Praxisrelevanz<br />
und der Kontakt zu einem der<br />
wichtigsten Wirtschaftszweige in<br />
Deutschland“, freut sich Rühle.