Ausgabe 12/10 - Bund Deutscher Forstleute (BDF)
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sein? Dabei soll der „Betrieb“ laut Gesetzesvorschlag<br />
die entscheidende<br />
Bezugsgröße für die Feststellung der<br />
Mehrheitsgewerkschaft sein. Des<br />
Weiteren sieht Prof. Reichold die<br />
strukturelle Funktion von Tarifauseinandersetzungen<br />
nachhaltig zuunguns -<br />
ten der Beschäftigtenseite gefährdet.<br />
„Jeder Konflikt kann neue, kreative<br />
Lösungen zugunsten der Beschäftigten<br />
fördern. Diese Kreativität ginge<br />
verloren, da das Prinzip der Mehrheitsgewerkschaft<br />
die Kommunikation<br />
unter den Gewerkschaften zurückdrängt<br />
und für die Arbeitgeberseite<br />
keine Veranlassung mehr besteht, von<br />
sich aus auf andere Gewerkschaften<br />
als die Mehrheitsgewerkschaft zuzugehen.“<br />
Keine „englischen Verhältnisse“<br />
zu erwarten<br />
Zwei erfahrene Praktiker stellten im<br />
Anschluss ihre Erfahrungen mit der Tarifpluralität<br />
in den Mittelpunkt ihrer Vorträge.<br />
Dabei kamen Claus Weselsky,<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzender der Gewerkschaft<br />
<strong>Deutscher</strong> Lokomotivführer (GDL), und<br />
Hartmut Möllring, Vorsitzender der Tarifgemeinschaft<br />
deutscher Länder (TdL)<br />
und niedersächsischer Finanzminister –<br />
für manche überraschend –, zu demselben<br />
Ergebnis: Die Tarifpluralität funktioniert.<br />
Eine gesetzliche Regelung sei<br />
weder angezeigt noch notwendig. „Tarifpluralität<br />
ist kein unlösbares Problem<br />
für den Konzern DB AG und damit auch<br />
für andere Arbeitgeber lösbar.“ Damit<br />
fasst Weselsky seine Erfahrungen in zurückliegenden<br />
Auseinandersetzungen<br />
mit der Bahn AG zusammen und entkräftet<br />
damit ein Hauptargument der<br />
DGB/BDA-Initiative, die drohenden<br />
„englischen Verhältnisse“.<br />
Die gleiche Feststellung traf Hartmut<br />
Möllring: „Im öffentlichen Dienst<br />
der Länder existiert seit Jahren Tarifpluralität<br />
und die Tarifpluralität hat sich bewährt“.<br />
Ein weiteres Hauptargument<br />
der Gesetzesinitiatoren, wonach eine<br />
Spaltung der Belegschaften zu erwarten<br />
sei, war für den Finanzminister nicht<br />
nachvollziehbar. „Beamte und Tarifbeschäftigte,<br />
die zum Teil in demselben<br />
Büro arbeiten, sind von unterschiedlichen<br />
Beschäftigungsbedingungen erfasst.“<br />
Von Spaltungstendenzen sei<br />
ihm aber nie etwas bekannt geworden.<br />
Auch nach seiner Überzeugung sei<br />
ARBEITSKREISE/VERTRETUNGEN<br />
Auf dem Podium wurde heiß diskutiert. V. l.: Frank Stöhr, Vorsitzender dbb-tarifunion, Prof. Dr. jur.<br />
Richard Giesen, Uni München, der Moderator, Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der<br />
<strong>Bund</strong>esärztekammer, Minister Hartmut Möllring MdL, Vorsitzender der TdL. Foto dbb<br />
das geplante Gesetz verfassungswidrig<br />
und tauge eher als Thema für Doktorarbeiten<br />
denn als funktionsfähiges<br />
Instrument für die Sozialpartnerschaft<br />
im öffentlichen Dienst.<br />
Kontroverse<br />
Podiums diskussion<br />
Kontrovers ging es auf der Podiumsdiskussion<br />
zu. TdL-Chef Möllring,<br />
Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident<br />
der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />
und Ehrenvorsitzender des Marburger<br />
<strong>Bund</strong>es, Prof. Dr. Richard Giesen vom<br />
Zentrum für Arbeitsbeziehungen und<br />
Arbeitsrecht an der Universität München<br />
sowie der dbb-Vize und 1. Vorsitzende<br />
der dbb-tarifunion, Frank Stöhr,<br />
tauschten ihre Standpunkte aus. „Die<br />
größte Gruppe in einem Betrieb darf<br />
nicht allein die Beschäftigungsbedingungen<br />
aller Arbeitnehmer bestimmen.<br />
Das ist das Gegenteil von pluralistischer<br />
Interessenvertretung und demo-<br />
kratischer Willensbildung“, so Stöhr.<br />
Ganz anders sah das Prof. Giesen, der<br />
die DGB/BDA-Initiatoren wissenschaftlich<br />
begleitet und berät. „Gewerkschaften<br />
von Funktionseliten wie Lokführern,<br />
Betriebsfeuerwehrleuten, Vorfeldoperateuren<br />
und Ingenieuren können nun<br />
ohne die Last rechtlicher Bedenken Arbeitskämpfe<br />
führen.“ Das Ergebnis wäre<br />
Giesen zufolge eine Zersplitterung<br />
der Belegschaften, verbunden mit der<br />
Vervielfachung von Arbeitskämpfen<br />
und einem „Verlust von Kampfparität,<br />
da ein Betrieb jeweils eine Reihe von<br />
Arbeitskämpfen zu gewärtigen hat“.<br />
Diese Einschätzung konnten weder<br />
Frank Ulrich Montgomery noch Frank<br />
Stöhr mit ihren umfangreichen Erfahrungen<br />
zurückliegender Einkommensrunden<br />
mit den Arbeitgebern teilen:<br />
„Viel öfter als wir uns befehden, reden<br />
wir miteinander, um konstruktive Politik<br />
nach vorne zu verabreden.“ Darüber<br />
hinaus hielt Frank Stöhr der akademischen<br />
Bewertung ein weiteres Beispiel<br />
Die über 150 Teilnehmer verfolgen gespannt die Vorträge und Diskussionsbeiträge. Foto: dbb<br />
<strong>BDF</strong>aktuell <strong>12</strong>•20<strong>10</strong> 11