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LITERATUR & MEDIEN<br />
268<br />
Die aufgeworfenen Fragen stammen von <strong>de</strong>n<br />
halbinformierten Nichtmuslimen, die <strong>de</strong>n Muslimen<br />
Unterstellungen vorwerfen und umgekehrt<br />
von aus <strong>de</strong>m Koran über das Christentum informierten<br />
Muslimen, die das Christentum nicht in<br />
seinem Selbstverständnis wahrnehmen. So folgen<br />
nacheinan<strong>de</strong>r Kapitel wie „Wird Allah je <strong>als</strong><br />
dreieinig beschrieben?“ und „Wie kann Gott drei<br />
in eins sein?“ Im Ergebnis summiert sich die Wi<strong>de</strong>rlegung<br />
<strong>de</strong>s Korans mit <strong>de</strong>m trinitarischen<br />
Gottesbeweis zum Christushymnus. Auf die Fragen<br />
über Gott folgen Fragen zum Koran, zum Alten<br />
und Neuen Testament, Fragen über Sühne<br />
und Erlösung, über eschatologische Themen,<br />
Ethik und Politik, über Kultur und religiösen<br />
Pluralismus, über Religionsfreiheit, Geschichte<br />
und zu kritischen Themen wie Djihad, <strong>de</strong>n Black<br />
Muslims, die Selbstmordattentäter und die letzte<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage: „Wie kann ich meinen<br />
muslimischen Freund/Nachbarn für Christus gewinnen?“<br />
Liebe Lektoren bei Brockhaus, die Brü<strong>de</strong>r<br />
Caner haben kein Islam-Handbuch geschrieben.<br />
Sie haben fundamentaltheologische Essays<br />
verfasst. Wie kam <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Titel zustan<strong>de</strong>?<br />
Hieß doch die amerikanische <strong>Ausgabe</strong><br />
noch: An Insi<strong>de</strong>r´s Response To Muslim Beliefs<br />
About Jesus And Christianity. Die bei<strong>de</strong>n<br />
Autoren verblüffen doch damit, dass sie nicht<br />
mü<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n, Jesus Christus zu verkün<strong>de</strong>n. Im<br />
besten Sinne <strong>de</strong>s Wortes wollen sie von <strong>de</strong>r<br />
Hoffnung, die sie trägt, Zeugnis geben. Doch<br />
fällt es ihnen nicht leicht, die Erfahrungen ihrer<br />
eigenen Vergangenheit in <strong>de</strong>n Hintergrund zu<br />
schieben. Als ehemalige Muslime sind sie ganz<br />
bewusst <strong>de</strong>n Weg ins Christentum gegangen,<br />
ein Weg <strong>de</strong>r mit Sicherheit von Befrem<strong>de</strong>n und<br />
Anfeindung begleitet wur<strong>de</strong>. Mit <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
für das Christentum ist eine Entscheidung<br />
mehr o<strong>de</strong>r weniger explizit gegen <strong>de</strong>n Islam gefallen.<br />
Auf diesem hermeneutischen Unterholz<br />
wird es schwer, in ebener Objektivität die Darstellung<br />
<strong>de</strong>s Islam zu pflanzen. Aber auch die<br />
Darstellung <strong>de</strong>s Christentums lei<strong>de</strong>t unter <strong>de</strong>m<br />
verkrampften Mühen, <strong>de</strong>ssen absolute Wahrheit<br />
und überragen<strong>de</strong> Leistungsfähigkeit zu beweisen.<br />
Es entspricht nicht aufgeklärter, wissenschaftlicher<br />
Arbeitsteilung zu proklamieren,<br />
je<strong>de</strong>s Denken bleibe notwendig in <strong>de</strong>r Finsternis,<br />
solange es nicht Christus <strong>als</strong> das Fundament<br />
<strong>de</strong>r Wahrheit hat (S. 256).<br />
Die Brü<strong>de</strong>r Caner führen eine neue Sprache<br />
in die interreligiöse Begegnung ein, die in ihren<br />
Bann zieht. Das Buch gibt – zugegeben an manchen<br />
Stellen gekünstelt – das Vertrauen in <strong>de</strong>n<br />
Sieg <strong>de</strong>s Christentums zurück, gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>nen,<br />
die sich im Gespräch mit Muslimen unsicher<br />
fühlen. Es ist missionarisch, ohne verletzend zu<br />
sein, apologetisch, ohne die Grenze zur Polemik<br />
zu überschreiten. Es weist immer wie<strong>de</strong>r<br />
auf Anknüpfungspunkte für das Gespräch mit<br />
Muslimen hin und liefert die Argumente, die<br />
Muslime sprachlos machen. Der Stil amerikanischer<br />
Erweckungsprediger ist das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Dialogs.<br />
Barbara Huber-Rudolf<br />
Cook, Michael<br />
Der Koran<br />
Eine kurze Einführung. Aus <strong>de</strong>m<br />
Engl. übers. v. Matthias Jendis (UB 18232). –<br />
Stuttgart: Verlag Ph. Reclam jun. 2002. 199 S. m.<br />
21 Abb. und 1 Karte. € 5.10 (ISBN 3-15-018232-6)<br />
Kürzlich kam mir <strong>de</strong>r Titel unter: The Complete<br />
Idiot’s Gui<strong>de</strong> to Un<strong>de</strong>rstanding Islam. Ein<br />
wun<strong>de</strong>rbares Büchlein! Und es ist <strong>als</strong> Kompliment<br />
gedacht, wenn <strong>de</strong>r hier zu besprechen<strong>de</strong> Titel<br />
in diese Literaturgattung eingeordnet wird.<br />
Die häufigste Frage, die an <strong>de</strong>n Koran bzw. an<br />
Muslime im Zusammenhang mit ihrem heiligen<br />
Buch gerichtet wird, betrifft die Unverfälschlichkeit.<br />
Michael Cook antwortet darauf mit einem<br />
einleuchten<strong>de</strong>n Beispiel: „Wenn jemand zu uns<br />
sagt: ‘Hänschen klein ging allein in die weite Welt<br />
hinaus’, so können wir sofort wi<strong>de</strong>rsprechen, das<br />
sei f<strong>als</strong>ch.“ In einem ziemlich banalen Sinn kann<br />
je<strong>de</strong>r Text Anspruch auf eine gewisse Autorität<br />
erheben: So und nicht an<strong>de</strong>rs lautet das Kin<strong>de</strong>rlied.<br />
So und nicht an<strong>de</strong>rs hatten die Genossen <strong>de</strong>s<br />
Propheten <strong>de</strong>s Islam <strong>de</strong>n Korantext gehört!<br />
Der Autor will <strong>de</strong>n Leser anfangs jedoch nicht<br />
mit <strong>de</strong>r Überlieferungsgeschichte <strong>de</strong>s Korans quälen,<br />
son<strong>de</strong>rn führt ihn in das Koranverständnis<br />
<strong>de</strong>r zeitgenössischen Muslime ein. Dabei ist beson<strong>de</strong>rs<br />
spannend, dass er sich nicht von <strong>de</strong>n Themen<br />
leiten lässt, die mit Koranexegese landläufig<br />
in Verbindung gebracht wer<strong>de</strong>n, z. B. Rechts- und<br />
Gerichtsvorstellungen. Er befragt hingegen die<br />
Exegese nach ihren Ergebnissen zu <strong>de</strong>n drängen<strong>de</strong>n<br />
Fragen im Kulturaustausch zwischen westlich-nichtislamischer<br />
und islamischer Welt. Die<br />
Versöhnung <strong>de</strong>r koranischen Aussagen mit <strong>de</strong>m<br />
westlichen Wissenschaftsverständnis z. B. gelingt<br />
manchen Exegeten, wie Muhammad Abduh<br />
und Rashid Rida, weitgehend schmerzlos. An<strong>de</strong>re<br />
empfin<strong>de</strong>n die Anpassung und Verbeugung vor<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne <strong>als</strong> Schmach und Entwürdigung ihres<br />
heiligen Wortes. Und wie steht es um die Deutung<br />
<strong>de</strong>s sog. Schwertverses, K 9,5, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r<br />
Tötung <strong>de</strong>r Ungläubigen im Sinne <strong>de</strong>r Beigeseller<br />
spricht? Wird er durch <strong>de</strong>n Tributvers abgeschwächt,<br />
<strong>de</strong>r die Abgabe <strong>de</strong>r Schutzbefohlenen<br />
for<strong>de</strong>rt, o<strong>de</strong>r fallen diese unter <strong>de</strong>n Vers, <strong>de</strong>r keinen<br />
Zwang in religiöse Angelegenheiten dul<strong>de</strong>t?<br />
Auch darin sind sich die Exegeten so wenig einig<br />
wie im kritischen Disput um die Gleichstellung<br />
<strong>de</strong>r Geschlechter. Wir gewinnen heutzutage, da<br />
die Fundamentalisten größeren Einfluss nehmen,<br />
einen einseitigen Eindruck vom koranischen<br />
Konzept. Heute wird <strong>de</strong>r Abu Zaid zum Exil genötigt,<br />
wenn er das Verständnis <strong>de</strong>s Textes in <strong>de</strong>n<br />
Kontext <strong>de</strong>r Kultur <strong>de</strong>r Offenbarungszeit stellt.<br />
Auch darüber räsoniert Michael Cook.<br />
Wenn wir das Lied vom kleinen Hänschen<br />
f<strong>als</strong>ch singen, hat das keine Folgen für die Rechtsprechung.<br />
Der Koran nimmt aber nicht nur die<br />
Position eines liturgischen Gesanges ein, son<strong>de</strong>rn<br />
auch <strong>de</strong>s Ko<strong>de</strong>x mit <strong>de</strong>m Anspruch <strong>de</strong>r Glaubensgewissheit<br />
<strong>als</strong> wahre Übermittlung <strong>de</strong>s Willens<br />
Gottes mit Autorität für je<strong>de</strong> historische Situation,<br />
auch für unsere Zeit. Als sich <strong>de</strong>r Autor unserer<br />
Einführung fragt, ob <strong>de</strong>r Koran diesem doppelten<br />
Anspruch gerecht wird bzw. dafür gerüstet<br />
ist, vergleicht er ihn auch mit heiligen Schriften<br />
an<strong>de</strong>rer Religionen und Kulturen. In diesen<br />
Vergleichen stellt sich <strong>de</strong>r Koran <strong>als</strong> kompakt<br />
und mit klar umrissenem Inhalt dar. Das be<strong>de</strong>utet,<br />
dass die Sichtung zu kanonisch abge<strong>de</strong>ckten<br />
Themen leicht fällt. Zu<strong>de</strong>m ist <strong>de</strong>r Koran das<br />
jüngste kanonisierte heilige Buch mit globaler<br />
Be<strong>de</strong>utung. Deshalb ist er <strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen Fragestellungen<br />
am nächsten. Der Koran ist im Vergleich<br />
zu allen an<strong>de</strong>ren heiligen Schriften das am<br />
entschie<strong>de</strong>nste behauptete Wort Gottes, er ist eine<br />
Ikone. Wirkt <strong>de</strong>r Ruf <strong>de</strong>s Islam, auf <strong>de</strong>n Rechten<br />
Weg zu führen, während alle an<strong>de</strong>ren Wege in<br />
die Irre führen, angesichts dieser Befun<strong>de</strong> noch<br />
verblüffend?<br />
Barbara Huber-Rudolf<br />
Esposito, John L.<br />
Von Kopftuch<br />
bis Scharia<br />
Was man über <strong>de</strong>n Islam wissen sollte. Aus d.<br />
Engl. übers. v. Henning Thies (Reclam Bibliothek<br />
Leipzig; Band 20105). – Leipzig: Reclam Verlag<br />
Leipzig. 2004. 232 S., € 9.90 (ISBN 3-379-20105-7)<br />
Was glauben Muslime? War Mohammed ein<br />
Prophet wie die Propheten in <strong>de</strong>r Bibel? Ist <strong>de</strong>r Islam<br />
an<strong>de</strong>ren Religionen gegenüber tolerant? Sind<br />
Frauen im Islam Bürger zweiter Klasse? Entschuldigt<br />
<strong>de</strong>r Koran <strong>de</strong>n Terrorismus? Was ist islamisches<br />
Recht? Wer sind die Muslime in<br />
Europa und wo leben sie? Nur eine kleine Auswahl<br />
aus <strong>de</strong>n insges. 97 Fragen, auf die John L.<br />
Esposito, Professor für Religion und Internationale<br />
Beziehungen an <strong>de</strong>r Georgetown University,<br />
Washington D. C., in <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Taschenbuch<br />
Antworten versucht. Es sind die Fragen, die<br />
uns täglich bei <strong>de</strong>r Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre<br />
begegnen, dort aber nicht o<strong>de</strong>r oft nur unzureichend<br />
beantwortet wer<strong>de</strong>n. Es sind die Fragen<br />
zum Islam und zu <strong>de</strong>n Muslimen, die nicht<br />
nur <strong>de</strong>m Verf., son<strong>de</strong>rn gera<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Lehrerin/<br />
<strong>de</strong>m Lehrer ständig aufs Neue gestellt wer<strong>de</strong>n, zu<br />
<strong>de</strong>ren Beantwortung man aber nicht unbedingt je<strong>de</strong>s<br />
Mal erst nach umfangreichen Nachschlagewerken<br />
greifen möchte, son<strong>de</strong>rn eine knappe und<br />
trotz<strong>de</strong>m möglichst erschöpfen<strong>de</strong> Antwort sucht.<br />
Aufgeglie<strong>de</strong>rt in 7 Abschnitte ist Esposito bemüht,<br />
in einer Frage-und Antwort-Form herauszuarbeiten,<br />
was heute über die Geschichte <strong>de</strong>s Islam,<br />
seine kulturellen Hintergrün<strong>de</strong> und die aktuellen<br />
Entwicklungen gesagt wer<strong>de</strong>n kann. Zu folgen<strong>de</strong>n<br />
Themenschwerpunkten wer<strong>de</strong>n Fragen gestellt<br />
und beantwortet: Allgemeines (3 Fragen); Glaube<br />
und religiöse Praxis (35); Der Islam und die an<strong>de</strong>ren<br />
Religionen (6); Sitte und Kultur (19); Gewalt<br />
und Terrorismus (10); Gesellschaft, Politik und<br />
Wirtschaft (17); Muslime im Westen (4). Die gestellten<br />
Fragen wer<strong>de</strong>n in einer <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung entsprechen<strong>de</strong>n<br />
mehr o<strong>de</strong>r weniger umfangreichen<br />
Form behan<strong>de</strong>lt, wobei <strong>de</strong>r Verf. immer wie<strong>de</strong>r auf<br />
bereits gegebene bzw. noch zu erörtern<strong>de</strong> Fragen<br />
verweist, so dass eine ständige Verbindung zwischen<br />
<strong>de</strong>n einzelnen Fragekomplexen gewahrt ist.<br />
Abgerun<strong>de</strong>t wird <strong>de</strong>r Band durch ein Glossar, das<br />
INFO 33 · 4/2004