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mal: „Lies“, <strong>de</strong>r Prophet weigerte sich<br />

(!) zweimal, weil er nicht lesen könne,<br />

und wur<strong>de</strong> mit seinem eigenen Schal<br />

gewürgt, bis er vor <strong>de</strong>m dritten Würgen<br />

nachgab – die „Buchwerdung“ ist<br />

die Geschichte <strong>de</strong>r Übermächtigung<br />

eines Unwilligen. Betont wer<strong>de</strong>n soll<br />

in dieser Erzählung wohl die unmittelbare<br />

Göttlichkeit <strong>de</strong>s unter Zwang erhaltenen<br />

Buches, die je<strong>de</strong> Eigenzutat<br />

Mohammeds<br />

ausschließt.<br />

Umgekehrt wird<br />

die Verkündigung<br />

<strong>de</strong>r Menschwerdung <strong>de</strong>s Wortes<br />

an Maria durch <strong>de</strong>nselben Engel nicht<br />

<strong>als</strong> Vergewaltigung erzählt, son<strong>de</strong>rn<br />

<strong>als</strong> freie, überlegte Zustimmung: Zweimal<br />

fragt Maria nach, zweimal erhält<br />

sie Auskunft. Der Souverän erscheint<br />

bittend, von <strong>de</strong>r Freiheit seines Geschöpfes<br />

abhängig. Bei Lukas 1, 26f<br />

gehört es zur Größe <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, dass<br />

sie die menschliche Mitwirkung<br />

wünscht, ja, sich ohne sie zurückziehen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Diese</strong>r Unterschied ist sprechend.<br />

Islam, die Unterwerfung, meint das<br />

fraglose Zurücktreten unter die Gewalt<br />

Allahs, <strong>de</strong>r gleichwohl <strong>de</strong>r Erbarmer,<br />

aber auch <strong>de</strong>r Schicks<strong>als</strong>entschei<strong>de</strong>r<br />

ist. Zwischen Allah und <strong>de</strong>m Menschen<br />

gibt es kein Gespräch, keine Frage,<br />

kein Aufbegehren, keine Klagen Hiobs.<br />

Mohammed blieb seit <strong>de</strong>r Hidschra<br />

nach Medina 622 Krieger und Feldherr,<br />

<strong>de</strong>r Zwang erfuhr, selbst ausübte und<br />

Zwang weitergab. Gera<strong>de</strong> die kriegerischen<br />

Erfolge seiner zahlreichen Beutezüge<br />

(Razzien, Überfälle auf Karawanen)<br />

und Feldzüge in Medina galten<br />

<strong>als</strong> Zeichen göttlicher Erwählung. Der<br />

Aufruf zum Kampf gegen die Ungläubigen<br />

o<strong>de</strong>r Götzendiener war daher<br />

keine Metapher, son<strong>de</strong>rn Teil <strong>de</strong>r Legitimation<br />

<strong>de</strong>r Botschaft und selbst gottgefällig.<br />

Religionsgeschichtlich ist das<br />

Phänomen eines Feldherrn <strong>als</strong> Religionsstifter<br />

einzigartig.<br />

Zentral für die Geschichtsvision<br />

<strong>de</strong>s Koran ist, daran anschließend, die<br />

Vorstellung einer schrittweisen Umwandlung<br />

<strong>de</strong>r Welt: vom „Haus <strong>de</strong>s<br />

Krieges“ (dár al-harb), worin per Definition<br />

die Ungläubigen wohnen, zum<br />

„Haus <strong>de</strong>s Islam“ (dár al-islám). Dafür<br />

gibt es zwei Möglichkeiten: Entwe<strong>de</strong>r<br />

dient Mission, da’wa, zur Beseitigung<br />

<strong>de</strong>s Unglaubens. Solche da’wa mit<br />

mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r nachhelfen<strong>de</strong>m politischen<br />

Druck ist erklärtermaßen vorgeschrieben.<br />

O<strong>de</strong>r die Übernahme einer an<strong>de</strong>ren<br />

Kultur durch Majorisierung verbreitet<br />

das „Haus“. Am<br />

En<strong>de</strong>, so die<br />

eschatologische<br />

Geschichtsvision,<br />

umfasst dár al-islám alles und alle<br />

mittels <strong>de</strong>r Scharia, wörtlich <strong>de</strong>s „Wei<strong>de</strong>platzes“<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s islamischen<br />

Rechts: Auf Dauer sollte ein Moslem<br />

nicht im „Haus <strong>de</strong>s Krieges“, dominiert<br />

von Ungläubigen, leben.<br />

» Es gilt Toleranz im Menschlichen, und<br />

es gilt die Wahrheitsfrage im Religiösen.<br />

4. Das Wortfeld von dschihad<br />

Die schrittweise Umwandlung vom<br />

„Haus <strong>de</strong>s Krieges“ in das weltweite<br />

„Haus <strong>de</strong>s Islam“ geschieht durch<br />

dschihad.<br />

dschihad meint wörtlich „Bemühung“,<br />

„Anstrengung auf <strong>de</strong>m Weg<br />

Gottes“, ist aber in <strong>de</strong>r Gegenwart bis<br />

zum vagen Verständnis eines „Heiligen<br />

Krieges“ ausgeweitet wor<strong>de</strong>n. 19 Natürlich<br />

lässt sich zurecht betonen, dass <strong>de</strong>r<br />

Begriff ursprünglich nichts mit einem<br />

europäisch verstan<strong>de</strong>nen „Heiligen<br />

Krieg“ zu tun habe. Doch hat sich die<br />

Semantik offenbar tatsächlich verschoben:<br />

Bin La<strong>de</strong>n hat seine Anschläge <strong>als</strong><br />

dschihad bezeichnet, auch Arafat hat<br />

En<strong>de</strong> Januar 2002 das Wort im Kontext<br />

<strong>de</strong>r palästinensischen Attentate benutzt.<br />

Etymologisch verweist <strong>de</strong>r Wortstamm<br />

g-h-d auf eine entschlossene<br />

geistige Haltung in <strong>de</strong>r Gemeinschaft. 20<br />

dschihad be<strong>de</strong>utet insofern zunächst<br />

ohne kriegerischen Akzent „sich bemühen,<br />

die Ziele Gottes einzulösen“, was<br />

auch heißt, Leben und Vermögen für<br />

<strong>de</strong>n Islam einzusetzen. Der handgreiflich<br />

militärische Aspekt kommt <strong>de</strong>n<br />

Wörtern qital=Schlacht und harb=Krieg<br />

zu. Tatsächlich enthält dschihad zunächst<br />

ausdrücklich ein geistiges Bemühen,<br />

wie Mohammed ursprünglich durch<br />

Worte und Erläuterungen seine Stammesbrü<strong>de</strong>r<br />

zu überzeugen trachtete.<br />

Nach <strong>de</strong>r Hidschra wird die in Medina<br />

verfaßte Sure 9, auf die noch eingegangen<br />

wird, <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s dschihad<br />

aber zuspitzen. Man kann seit<strong>de</strong>m<br />

vier Be<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>s Begriffes einteilen:<br />

1. Im ursprünglichen Sinne eine<br />

friedliche Überzeugungsarbeit: Werbung<br />

für <strong>de</strong>n Islam; 2. Abwehr je<strong>de</strong>r<br />

frem<strong>de</strong>n „Aggression“; 3. kämpferische<br />

Aktionen außerhalb <strong>de</strong>r vier heiligen<br />

Monate und je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>s Ramadan;<br />

4. Kampf für <strong>de</strong>n Islam in zeitlich<br />

und räumlich unbeschränkter Weise. 21<br />

<strong>Diese</strong> <strong>de</strong>utlich unterschie<strong>de</strong>nen, sogar<br />

gegensätzlichen Inhalte ergeben sich<br />

aus <strong>de</strong>r geschichtlichen Deutung, die<br />

die Vorschriften im Koran bzw. in <strong>de</strong>r<br />

Sunna durch die Jahrhun<strong>de</strong>rte hindurch<br />

unterschiedlich auslegte.<br />

Bekanntlich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r dschihad<br />

zeitweise, vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 8. bis zur Mitte<br />

<strong>de</strong>s 9. Jahrhun<strong>de</strong>rts, <strong>als</strong> eine weitere<br />

Säule <strong>de</strong>s Islam diskutiert, <strong>de</strong>n kanonischen<br />

fünf Säulen aber nicht hinzugefügt.<br />

22 Dennoch ist er bis heute tatsächlich<br />

verpflichtend, und zwar bis zur erhofften<br />

Islamisierung <strong>de</strong>r gesamten<br />

Welt (entsprechend <strong>de</strong>m universalistischen<br />

Charakter von Mohammeds Botschaft).<br />

23 Zu <strong>de</strong>nken ist bei dieser globalen<br />

Vision an eine vollständige Bekehrung<br />

aller Menschen o<strong>de</strong>r an eine<br />

Mehrheit von Muslimen, an die die<br />

Nicht-Muslime eine Kopfsteuer (dimma)<br />

bezahlen, wie Sure 9:29 beinhaltet.<br />

Sure 9 enthält <strong>de</strong>n umfassendsten<br />

Gebrauch <strong>de</strong>s Wortes dschihad und soll<br />

daher anhand einiger Ayat (Verse) eingehen<strong>de</strong>r<br />

vorgestellt wer<strong>de</strong>n. 24 Sure 9,<br />

auch genannt at-Tauba o<strong>de</strong>r al-<br />

Bara’a 25 , enthält <strong>als</strong> einzige nicht die<br />

Einleitung <strong>de</strong>r basmala, wohl weil sie<br />

ursprünglich <strong>als</strong> ein Teil von Sure 8 gedacht<br />

war. 26 Sure 8 betraf <strong>de</strong>n Verteidigungsfall,<br />

die Verteilung von Kriegsbeute,<br />

<strong>de</strong>n Umgang mit <strong>de</strong>n eigenen<br />

Leuten im Kampf und mit <strong>de</strong>m Gegner<br />

im Sieg. Historisch zu platzieren sind<br />

die Aufrufe zum Kampf von Sure 8 und<br />

9 beim Feldzug von Medina nach Mekka<br />

631 n. Chr. gegen die dortigen un-<br />

BEITRÄGE<br />

227<br />

INFO 33 · 4/2004

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